Urteil des BVerwG vom 20.04.2012

Rechtliches Gehör, Sri Lanka, Anerkennung, Flüchtlingseigenschaft

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 4.12
VGH 5 A 1226/11.A
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. April 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 13. Dezember 2011 wird zurückgewie-
sen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die auf eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör (§ 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO) und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde sieht eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör da-
rin, dass das Berufungsgericht die Widerrufsentscheidung der Beklagten nur an
Hand der Frage des Vorliegens einer Gruppenverfolgung für Tamilen in Sri Lan-
ka geprüft habe, obwohl der Kläger vom Bundesamt aufgrund individueller
Gründe als Flüchtling anerkannt worden sei. Damit habe das Berufungsgericht
in nicht nachvollziehbarer und objektiv willkürlicher Weise den Beurteilungs-
maßstab verkannt. Mit diesem und dem weiteren Vorbringen legt die Be-
schwerde einen Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör nicht dar.
Dabei kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegan-
gen ist, dass der Kläger allein wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der Ta-
milen als Flüchtling anerkannt wurde, oder ob die Flüchtlingsanerkennung - wie
die Beschwerde meint - auf dem individuellen Sachvortrag des Klägers beruht.
Aus dem Anerkennungsbescheid ergibt sich, dass der Kläger sich seinerzeit auf
eine Verfolgung „wegen seiner tamilischen Volkszugehörigkeit“ berufen hat und
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seine Anerkennung auf diesem Verfolgungsgrund beruht. Zu Recht hat das Be-
rufungsgericht daher mit Blick auf die zwischenzeitlichen Änderungen in Sri
Lanka geprüft, ob der Kläger dort auch heute noch mit beachtlicher Wahr-
scheinlichkeit eine an diesen Verfolgungsgrund anknüpfende Verfolgung be-
fürchten müsste. In diesem Zusammenhang hat es nicht nur die Gefahr einer
Gruppenverfolgung tamilischer Volkszugehöriger, sondern auch die Gefahr ei-
ner Verfolgung des Klägers auf Grund in seiner Person liegender individueller
Umstände verneint (UA S. 26 ff.). Eine Verletzung des Rechts auf rechtliches
Gehör ist dieser Begründung nicht zu entnehmen.
2. Soweit die Beschwerde für grundsätzlich bedeutsam hält,
ob das Verwaltungsgericht in einem Widerrufsverfahren
die inhaltliche Richtigkeit der Anerkennungsentscheidung
hinsichtlich des Flüchtlingsstatus überprüfen darf,
legt sie die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage nicht dar. Die
Beschwerde räumt selbst ein, dass das Berufungsgericht (hilfsweise) geprüft
habe, ob die seinerzeit geltend gemachten Verfolgungsgründe auch heute noch
vorliegen könnten. Soweit sie behauptet, es spreche alles dafür, dass das Beru-
fungsgericht dabei die Maßstäbe für die seinerzeitige Zuerkennung der Flücht-
lingseigenschaft mit dem im Widerrufsverfahren anzuwendenden Maßstab ver-
mische, wird dies nicht näher dargelegt und setzt die Beschwerde sich insbe-
sondere nicht damit auseinander, dass nach der Rechtsprechung des Senats
wegen der Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und das Erlöschen
der Flüchtlingseigenschaft für die Verfolgungsprognose beim Flüchtlingsschutz
inzwischen ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab gilt (vgl. Urteil vom
1. Juni 2011 - BVerwG 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22 Rn. 21 ff.). Im Übrigen
ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass auch eine rechtswidrige An-
erkennung widerrufen werden kann, wenn sich die für die Anerkennung maß-
geblichen Verhältnisse im Verfolgerstaat nachträglich wesentlich geändert ha-
ben (vgl. Urteil vom 22. November 2011 - BVerwG 10 C 29.10 - juris, zur Veröf-
fentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE bestimmt).
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2
Halbs. 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten wer-
den gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus
§ 30 RVG.
Prof. Dr. Berlit
Prof. Dr. Dörig
Fricke
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