Urteil des BVerwG vom 05.11.2008

Haftbefehl, Zusammensetzung, Anwendungsbereich, Verfahrensrecht

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 36.08
OVG 10 A 11086/07
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. November 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Richter und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsge-
richts Rheinland-Pfalz vom 19. Februar 2008 wird verwor-
fen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde ist unzulässig. Die be-
haupteten Verfahrensmängel werden nicht in einer Weise dargelegt, die den
Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.
Die Beschwerde beanstandet im Wesentlichen, dass das Berufungsgericht sei-
ner Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht nachgekommen sei. So habe
das Gericht nicht geklärt, ob der Kläger - ein türkischer Staatsangehöriger kur-
discher Volkszugehörigkeit, der sich nach den Feststellungen des Berufungsge-
richts mehr als 30 Jahre für die PKK engagiert hat (BA S. 15) - tatsächlich per
Haftbefehl gesucht wird und auf einer Liste mit „Terroristen“ steht. Die Be-
schwerde benennt selbst die Erkenntnisquellen, die das Berufungsgericht zu
seinen entsprechenden Feststellungen veranlasst hat. Die Beschwerde macht
jedoch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen sich dem Berufungsgericht eine
weitere Aufklärung hätte aufdrängen sollen. Der Hinweis, eine „gründlichere
Aufklärung“ hätte möglicherweise ergeben, dass kein Haftbefehl existiert und
der Kläger auf keiner „Liste“ verzeichnet ist, stellt keine ordnungsgemäße Auf-
klärungsrüge dar. Im Übrigen legt die Beschwerde nur unzureichend dar, wel-
che Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche
tatsächlichen Feststellungen, die zu einem für die Beklagte günstigeren Ergeb-
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nis geführt hätten, voraussichtlich getroffen worden wären. In Wahrheit rügt die
Beschwerde eine fehlerhafte Beweiswürdigung, die jedoch nicht dem Verfah-
rensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen ist, bzw. eine unzurei-
chende Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts (§ 108 Abs. 1 VwGO),
ohne dies aber auch nur ansatzweise zu belegen. Soweit die Beschwerde in
diesem Zusammenhang auf „Begründungsmängel“ verweist und sich damit of-
fenbar auch auf § 138 Nr. 6 VwGO beziehen will, fehlt es an jedem Anhalt hier-
für.
Die Aufklärungsrüge hinsichtlich der Anwendbarkeit des „Reuegesetzes“ auf
den Kläger ist ebenfalls unsubstanziiert. Das Berufungsgericht hat sich mit die-
sem Gesetz befasst und begründet, warum der Kläger „angesichts seines viel-
fältigen Einsatzes für die PKK“ von vornherein aus dem gesetzlichen Anwen-
dungsbereich ausscheidet (BA S. 16). Die Beschwerde geht hierauf nicht näher
ein und legt nicht dar, aus welchen Gründen das Vorgehen des Berufungsge-
richts verfahrensfehlerhaft sein soll (vgl. zur Auswertung ausländischen Rechts
Beschluss vom 13. Oktober 2000 - BVerwG 1 B 53.00 - Buchholz 130 § 25
StAG Nr. 11).
Sofern die Beschwerde im Zusammenhang mit der Foltergefahr für den Kläger
rügen will, das Berufungsgericht habe den aktuellen Lagebericht des Auswärti-
gen Amtes zur Türkei nicht berücksichtigt, wäre auch dieser Vorwurf ohne Sub-
stanz. Zum einen hat sich das Berufungsgericht auf den aktuellen Lagebericht
bezogen (BA S. 12). Zum anderen belegt die Beschwerde anhand des von ihr
zitierten Lageberichts nicht, dass einem PKK-Aktivisten wie dem Kläger, der
sich - so das Berufungsgericht - aus der Sicht der türkischen Sicherheitskräfte
als „schlimmer Staatsfeind“ mit umfassenden Kenntnissen über die PKK, deren
Strukturen und Ziele, deren Lager, Rückzugsgebiete und Logistik sowie deren
personelle Zusammensetzung (BA S. 15) darstellt, keine Foltergefahr droht.
Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2
Halbs. 2 VwGO).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden
gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30
RVG.
Dr. Mallmann
Richter
Fricke
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