Urteil des BVerwG vom 16.02.2010

Rechtliches Gehör, Sri Lanka, Politische Verfolgung, See

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 34.09
OVG 3 A 3295/07.A
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Februar 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und die Richterin am
Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Juli 2009 wird
abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO) und das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO)
gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die diversen von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen
Fragen rechtfertigen keine Zulassung der Revision. Auch zeigt die Beschwerde
nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise das Vor-
liegen eines Verfahrensmangels auf.
Wegen der Einzelheiten wird zunächst Bezug genommen auf den den Bevoll-
mächtigten des Klägers und der Beklagten bekannten Beschluss des Senats
vom 2. Februar 2010 - BVerwG 10 B 18.09 -. Ergänzend ist zum weiteren Vor-
bringen der Beschwerde anzumerken:
1. Die von der Beschwerde zusätzlich aufgeworfene Frage,
„ob es politische Verfolgung darstellt, wenn der Verfolger-
staat aus einer nach asylerheblichen Merkmalen be-
stimmbaren Gruppe Personen „herausgreift“, die er der
Unterstützung separatistischer Bewegung verdächtigt,
wenn diesen Personen anschließend kein rechtsstaatli-
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chen Grundsätzen genügendes Verfahren zuteil wird und
sie bei Verhören usw. mit der Anwendung von Folter
rechnen müssen“,
rechtfertigt schon deshalb keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher
Bedeutung, weil die Beschwerde nicht darlegt, inwiefern die aufgeworfene Fra-
ge entscheidungserheblich ist, nachdem das Berufungsgericht - in tatsächlicher
Hinsicht - davon ausgegangen ist, dass beim Kläger kein konkreter Anhalts-
punkt besteht, ihn der Nähe zur LTTE zu verdächtigen (vgl. UA S. 61).
2. Die Beschwerde hat schließlich auch keinen Erfolg, soweit sie in der Würdi-
gung der Angaben des Klägers zu seinem individuellen Verfolgungsschicksal
durch das Berufungsgericht in mehrfacher Hinsicht eine Verletzung des rechtli-
chen Gehörs und eine willkürliche Behandlung seines Vorbringens nach § 86
Abs. 2 und 3, § 108 VwGO sowie Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG in
seiner Ausprägung als allgemeinem Gleichheitssatz sieht.
Das Recht auf rechtliches Gehör gewährleistet den Verfahrensbeteiligten, sich
zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt und zur Rechtslage
vor einer gerichtlichen Entscheidung zu äußern. Aus dem Recht auf rechtliches
Gehör folgt jedoch weder ein Anspruch auf ein Rechtsgespräch noch eine all-
gemeine Hinweis- oder Aufklärungspflicht des Gerichts. Auch ist das Gericht
hiernach nicht verpflichtet, seine Beweiswürdigung vorab mit den Beteiligten zu
erörtern. Das Recht auf rechtliches Gehör wird nur dann verletzt, wenn das Ge-
richt im Sinne einer „Überraschungsentscheidung“ ohne vorherigen Hinweis
Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen ein gewissenhafter und
kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rech-
nen brauchte. Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich.
Das Berufungsgericht hat das Vorbringen des Klägers zu seinem persönlichen
Flucht- und Verfolgungsschicksal für nicht glaubhaft erachtet. Dies hat es damit
begründet, dass auch wenn die einzelnen von ihm aufgeführten Unstimmigkei-
ten für sich gesehen nicht besonders gravierend seien, sie unter Berücksichti-
gung der Vagheit und Substanzarmut der Angaben des Klägers in der Gesamt-
schau ein Bild ergäben, aufgrund dessen das Gericht nicht die Überzeugung
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habe gewinnen können, dass die Angaben des Klägers auf realen selbst erleb-
ten Geschehnissen beruhten (UA S. 21). Auch in diesem Zusammenhang
wendet sich die Beschwerde primär gegen die den Tatsachengerichten vorbe-
haltene Sachverhalts- und Beweiswürdigung. Eine unzulässige Überra-
schungsentscheidung ist dem nicht zu entnehmen. Das Berufungsgericht hat
den Kläger zu Beginn der mündlichen Verhandlung ausdrücklich auf seine
Rechtsprechung und die darin zum Ausdruck gebrachte Einschätzung zur Lage
der Tamilen in Sri Lanka hingewiesen. Damit wusste der Kläger, dass sein Be-
gehren nur Erfolg haben kann, wenn das Berufungsgericht sein persönliches
Verfolgungsschicksal für glaubhaft erachtet. In der mündlichen Verhandlung er-
hielt er Gelegenheit, sich hierzu umfassend zu äußern. Dabei wurden ihm
mehrfach Widersprüche zu seinen früheren Angaben vorgehalten.
Ein Zulassungsgrund ist auch nicht in Bezug auf die vom Kläger behauptete
Bootsfahrt von Iluppaikkadavi nach Mannar dargelegt. Soweit das Berufungs-
gericht in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen ist, dass die Luftlinienent-
fernung zwischen beiden Orten nach dem allgemein zugänglichen Kartenmate-
rial zu Sri Lanka ca. 20 km betrage (vgl. UA S. 19), wird diese Feststellung von
der Beschwerde nicht substantiiert in Frage gestellt. Gleiches gilt für die
Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, es sei nicht nachvollziehbar, dass
diese Distanz mit einem Paddelboot über teils offene See in 3 bis 4 Stunden
zurückgelegt werden könne (vgl. UA S. 19). Die Beschwerde hält dem lediglich
entgegen, dass einem „geübten Ruderer“ eine Geschwindigkeit von ca. 4 Meter
pro Sekunde „möglich“ sei, räumt aber selbst ein, dass sich dieser Wert auf
einen „Einhandruderer“ beziehe und bei einem größeren Boot geringere Werte
anzusetzen seien. Auch setzt sie sich nicht damit auseinander, dass das Beru-
fungsgericht erschwerend berücksichtigt hat, dass eine Überfahrt nur über die
offene See möglich ist. Damit greift die Beschwerde auch insoweit die Sach-
verhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an, ohne einen Verstoß
gegen das Recht auf rechtliches Gehör, die gerichtliche Begründungspflicht
oder einen sonstigen Verfahrensfehler schlüssig aufzuzeigen.
Der Senat sieht von einer weiteren Begründung der Entscheidung ab (§ 133
Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten wer-
den gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus
§ 30 RVG.
Dr. Mallmann
Prof. Dr. Dörig
Fricke
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