Urteil des BVerwG vom 11.06.2007

Bundesamt, Widerruf, Flüchtlingseigenschaft, Wahrscheinlichkeit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 32.07 (bisher: 1 B 172.06)
OVG 9 A 82/06.A
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Juni 2007
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Juli 2006 wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die allein auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde der Klägerin ist unbegründet.
1. Die von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,
ob § 73 Abs. 2a AsylVfG auf Widerrufsentscheidungen anzuwenden ist, die
nach dem 1. Januar 2005 ergangen sind, ist inzwischen durch das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 2007 - BVerwG 1 C 21.06 - (zur Ver-
öffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen) geklärt.
An der diesem Urteil zugrunde liegenden gemeinsamen mündlichen Verhand-
lung in mehreren Verfahren war auch der Prozessbevollmächtigte der Klägerin
beteiligt. § 73 Abs. 2a AsylVfG findet danach zwar grundsätzlich auch auf den
nach dem 1. Januar 2005 ausgesprochenen Widerruf von Anerkennungen, die
vor diesem Zeitpunkt unanfechtbar geworden sind, Anwendung, allerdings mit
der Maßgabe, dass die darin vorgesehene neue Drei-Jahres-Frist, nach deren
Ablauf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) spätestens
erstmals die Widerrufsvoraussetzungen prüfen muss, erst vom 1. Januar 2005
an zu laufen beginnt. Auch bei derartigen Alt-Anerkennungen kommt eine Er-
messensentscheidung über den Widerruf, wie sie die Beschwerde verlangt,
nach § 73 Abs. 2a Satz 3 AsylVfG erst in Betracht, wenn das Bundesamt in
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einem vorangegangenen Verfahren die Widerrufsvoraussetzungen sachlich
geprüft und verneint hat (Negativentscheidung). Das Berufungsgericht hat in
Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung eine Ermessensentscheidung des
Bundesamts im Falle der Klägerin nicht für erforderlich gehalten. Die von der
Beschwerde aufgeworfene Frage rechtfertigt daher zum jetzigen, für die Be-
schwerdeentscheidung insoweit maßgeblichen Zeitpunkt weder die Zulassung
der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung noch wegen einer nachträgli-
chen Divergenz.
2. Auch die zweite von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam aufgewor-
fene Frage, welcher Prognosemaßstab bei der Feststellung anzuwenden ist,
dass dem betreffenden Flüchtling bei einer Rückkehr in sein Heimatland nun-
mehr nicht auch aus anderen Gründen Verfolgung droht, insbesondere nicht
durch nichtstaatliche Akteure gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c AufenthG, ist
bereits rechtsgrundsätzlich geklärt (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C
15.05 - BVerwGE 126, 243 Rn. 26; bestätigt durch das oben bereits zitierte Ur-
teil vom 20. März 2007 - BVerwG 1 C 21.06 - juris Rn. 20). Danach ist, wenn
einem anerkannten Flüchtling im Falle des Widerrufs bei der Rückkehr in seinen
Heimatstaat keine Verfolgungswiederholung, sondern eine gänzlich neue und
andersartige Verfolgung droht, der allgemeine Maßstab der beachtlichen
Wahrscheinlichkeit anzuwenden (vgl. schon die Beschlüsse vom 14. November
2006 - BVerwG 1 B 220.06 - und vom 7. Dezember 2006 - BVerwG 1 B
258.06 - zu entsprechenden Rügen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin).
Dass und inwiefern der Fall der Klägerin Anlass zu erneuter oder weitergehen-
der Klärung der Frage in einem Revisionsverfahren geben soll, lässt sich der
Beschwerde nicht entnehmen.
Weitere rechtsgrundsätzliche Fragen werden von der Beschwerde nicht - wie
nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlich - aufgeworfen und dargelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten wer-
den gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus
§ 30 RVG. Hierzu weist der Senat darauf hin, dass der Gegenstandswert bei
Klagen auf Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft nach der
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neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 3 000 € beträgt (vgl.
Beschluss vom 21. Dezember 2006 - BVerwG 1 C 29.03 - juris).
Dr. Mallmann Beck Prof. Dr. Dörig