Urteil des BVerwG vom 21.03.2006

Begriff, Verfahrensmangel, Aufklärungspflicht, Rüge

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 3.06
VGH 23 B 05.62
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. März 2006
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts H i e n und die Richter am
Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. R u b e l und Dr. N o l t e
beschlossen:
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Re-
vision im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom
26. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2 556,25 € festge-
setzt.
G r ü n d e :
Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Be-
schwerde hat keinen Erfolg.
1. Als grundsätzlich bedeutsam im Sinne vom § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
wirft die Beschwerde die Frage auf,
"ob eine in Umsetzung einer Planungsabsicht errichtete Er-
schließungsanlage bereits vor dem endgültigen Abschluss des
Bebauungsplanverfahrens die Grenzziehung zwischen Innen-
und Außenbereich verschieben kann".
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Sie betrifft die
Auslegung des jeweiligen § 2 der Beitrags- und Gebührensatzungen zur Wasserab-
gabesatzung sowie zur Entwässerungssatzung des Beklagten, wonach ein Herstel-
lungsbeitrag u.a. für "bebaubare" Grundstücke erhoben wird, und mithin dem irrevi-
siblen Landesrecht zuzuordnende Normen des kommunalen Satzungsrechts, deren
Auslegung und Anwendung vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft wird (§ 137
Abs. 1 VwGO) und eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung
deswegen nicht begründen kann.
Die aufgeworfene Frage wird auch nicht dadurch zu einer solchen des
Bundesrechts, dass das Satzungsrecht, soweit darin von "bebaubaren" Grundstü-
cken die Rede ist, einen bundesrechtlich geprägten Begriff verwendet, dessen Inhalt
der Verwaltungsgerichtshof naheliegenderweise unter Rückgriff auf die Regelungen
der §§ 29 ff. BauGB bestimmt. Revisibles Bundesrecht liegt nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nämlich nur dann vor, wenn eine
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Regelung kraft eines Gesetzesbefehls des Bundesgesetzgebers gilt (vgl. etwa
BVerwG, Beschluss vom 24. März 1986 - BVerwG 7 B 35.86 - Buchholz 310 § 137
VwGO Nr. 132 S. 16 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Denn die genannten Vor-
schriften des Baugesetzbuchs beanspruchen nicht, die hier in Frage stehende Bei-
tragspflicht für die Herstellung von Wasserversorgungs- bzw. Entwässerungsanlagen
zu regeln. Ihre Anwendbarkeit folgt vielmehr aus der eigenständigen Entscheidung
des kommunalen Satzungsgebers, der den Beitragstatbestand selbst festgelegt hat
und - in der bindenden Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. § 173 Satz 1
VwGO i.V.m. § 560 ZPO) - mit dem Begriff der Bebaubarkeit auf die Regelungen der
§§ 29 ff. BauGB verwiesen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Juli 1997 - BVerwG
8 B 101.97 - juris - zum auch in den hier maßgeblichen Satzungen des Beklagten
verwendeten bundesrechtlichen Begriff der Gewerblichkeit). Diese in Bezug genom-
menen Vorschriften sind mithin ebenso irrevisibel, wie es eine wörtlich mit den
§§ 29 ff. BauGB übereinstimmende Regelung in der Satzung des Beklagten wäre
(vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 1974 - BVerwG 8 C 12.73 - Buchholz 310 § 137
VwGO Nr. 69 S. 28 m.w.N.).
2. Auch die Rüge der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) greift nicht
durch. Sie setzt u.a. voraus, dass sich die geltend gemachte Abweichung auf diesel-
be Rechtsvorschrift bezieht (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997
- BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 m.w.N.). Daran fehlt
es hier. Denn während - wie dargelegt - die Frage der Bebaubarkeit eines
Grundstücks hier eine solche des Landesrechts ist, bezieht sich die von der Be-
schwerde angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom
12. Dezember 1990 - BVerwG 4 C 40.87 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 138) auf
die bundesrechtliche Vorschrift des § 34 BauGB. Entscheidungen zu Rechtsvor-
schriften verschiedener Geltungsgrundlagen können jedoch, auch wenn die Rege-
lungen inhaltlich übereinstimmen, eine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2
VwGO nicht begründen (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 24. März 1986 - BVerwG
7 B 35.86 - a.a.O. S. 17).
3. Soweit die Beschwerde als Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO) rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe entgegen seiner Aufklärungspflicht
(§ 86 Abs. 1 VwGO) von einer sich aufdrängenden Ortsbesichtigung zur Frage eines
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Bebauungszusammenhangs abgesehen, erfüllt dieses Vorbringen bereits nicht die
Anforderungen, die § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung eines solchen Zu-
lassungsgrundes stellt (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997
- BVerwG 7 B 261.97 - a.a.O.). Denn die Beschwerde zeigt nicht auf, hinsichtlich
welcher konkreter Tatsachen weiterer Aufklärungsbedarf bestand und welche tat-
sächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären, die von
dem durch das Vorbringen der Beteiligten und die zu den Gerichtsakten gereichten
Karten und Fotografien vermittelten Erscheinungsbild abwichen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streit-
wertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG i.V.m. § 5 ZPO.
Hien
Prof. Dr. Rubel
Dr. Nolte