Urteil des BVerwG vom 08.06.2005

Beiladung, Rechtliches Gehör, Gerichtsverfahren, Bindungswirkung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 29.05 (10 B 9.05)
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Juni 2005
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts H i e n
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht V a l l e n d a r und
Prof. Dr. E i c h b e r g e r
beschlossen:
Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des
Senats vom 30. März 2005 - BVerwG 10 B 9.05 - wird zurück-
gewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rügeverfahrens.
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G r ü n d e :
Die Anhörungsrüge bleibt ohne Erfolg.
Der Kläger beanstandet mit der Anhörungsrüge, dass das Finanzamt Warendorf im
bisherigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beigeladen worden ist, und greift
daneben die Begründung in dem Beschluss des Senats vom 30. März 2005 an, mit
der die Beschwerde des Klägers auf Zulassung der Revision gegen den Beschluss
des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Januar
2005 (10 A 4699/04) als unzulässig verworfen worden ist.
Soweit der Kläger jedenfalls sinngemäß rügt, dass auch in dem Beschwerdeverfah-
ren vor dem Bundesverwaltungsgericht die Beiladung des Finanzamts Warendorf
hätte erfolgen müssen, ist nicht erkennbar und von dem Kläger auch nicht in einer
den Darlegungsanforderungen des § 152 a Abs. 2 Satz 6 VwGO genügenden Weise
dargetan, wie das Gericht - selbst wenn es so wäre - dadurch seinen Anspruch auf
rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt haben könnte (vgl.
§ 152 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die notwendige Beiladung eines am Verwal-
tungsrechtsstreit bisher nicht beteiligten Dritten, weil die Entscheidung auch ihm ge-
genüber nur einheitlich ergehen kann (§ 65 Abs. 2 VwGO), dient grundsätzlich nicht
dazu, den Anspruch eines der Hauptbeteiligten am verwaltungsgerichtlichen Verfah-
ren auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu wahren.
Zudem hat der Kläger seinen mit Schreiben vom 14. März 2005 an das Oberverwal-
tungsgericht gerichteten Antrag auf Beiladung des Finanzamts Warendorf, wie er in
der Anhörungsrüge selbst vorträgt, nicht in dem vorliegenden Verfahren gestellt, in
dem der hier angegriffene Beschluss des Senats ergangen ist, sondern in dem An-
hörungsrügeverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht mit dem Aktenzeichen 10 A
614/05, das zu dem Beschluss des Senats vom 30. März 2005 in der Sache BVerwG
10 B 19.05 geführt hat.
Unabhängig hiervon wäre für die vom Kläger angestrebte Beiladung des Finanzamts
weder in dem Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision
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(BVerwG 10 B 9.05) noch in dem parallel hierzu laufenden Anhörungsrügeverfahren
(BVerwG 10 B 19.05) Raum gewesen. Denn notwendige Beiladungen kann das Bun-
desverwaltungsgericht, soweit es als Revisionsgericht tätig wird, gemäß § 142 Abs. 1
VwGO nur im Revisionsverfahren selbst aussprechen. Das Unterbleiben der vom
Kläger angestrebten Beiladung des Finanzamts begründet daher nicht nur keinen
Gehörsverstoß, sondern ist schon deshalb auch im Übrigen nicht verfahrensfehler-
haft.
Der Senat weist schließlich zur Vermeidung weiterer Rechtsbehelfe darauf hin, dass
unabhängig hiervon das Finanzamt Warendorf im vorliegenden Verwaltungsrechts-
streit auch der Sache nach nicht notwendig beizuladen war. Zwar ist das Finanzamt
im Rechtsstreit um die Erteilung der Bescheinigung nach § 7 h Abs. 2 Satz 1 EStG
grundsätzlich beiladungsfähig, da es einem von der Beklagten verschiedenen
Rechtsträger angehört (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 28. August 2002
- BVerwG 9 VR 11.02 - Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 142). Der Umstand, dass die
durch den Kläger von der Beklagten begehrte Bescheinigung nach § 7 h Abs. 2
Satz 1 EStG im Steuerfestsetzungsverfahren für die Finanzbehörde bindend ist, so-
weit darin das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 h Abs. 1 Satz 1 EStG bestätigt
wird (vgl. R 83 a Abs. 4 Sätze 2 bis 5 ESt-Richtlinien zu § 7 h EStG), begründet indes
nicht die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung des Finanzamts. Denn aus
dieser Bindungswirkung folgt ebenso wenig wie in anderen Fällen die Steu-
erfestsetzungsbehörde bindender Grundlagenbescheide auch (vgl. § 175 Abs. 1
Nr. 1 AO), dass die gerichtliche Entscheidung im Streit über diesen Grundlagenbe-
scheid gegenüber der in bestimmtem Umfang gebundenen steuerfestsetzenden Be-
hörde nur einheitlich im Sinne des § 65 Abs. 2 VwGO ergehen kann.
Soweit der Kläger die Hinweise des Senats in dem angegriffenen Beschluss auf die
einschlägigen Gesetzesbestimmungen, aus denen sich die Unanfechtbarkeit des
Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts vom 28. Januar 2005 ergibt, durch den
sein Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt wurde, als nicht hinreichend ver-
ständlich beanstandet, behauptet er selbst nicht, dass gegen diesen Beschluss ein
Rechtsmittel gegeben war. Dies ist aus den dort genannten Gründen auch nicht der
Fall.
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Schließlich vermag der Kläger, unabhängig davon, dass er im vorliegenden Verfah-
ren ohnehin auf die Anhörungsrüge beschränkt ist, mit seiner Bezugnahme auf § 99
VwGO und § 86 FGO weder eine über § 7 h Abs. 2 Satz 1 EStG hinausgehende An-
spruchsgrundlage auf Ausstellung der begehrten Bescheinigung, noch eine Ver-
pflichtung zur Beiladung des Finanzamts aufzuzeigen. Denn beide Vorschriften re-
geln ausschließlich auf das Gerichtsverfahren beschränkte Auskunfts- und Aktenvor-
lagepflichten und nur für den Sonderfall der Auskunfts- oder Vorlageverweigerung die
Pflicht zur Beiladung der obersten Aufsichtsbehörde. Hiermit hat das Begehren des
Klägers nichts zu tun.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung
bedarf es nicht, da sich die Gerichtsgebühr unmittelbar aus Nr. 5400 der Anlage 1
zum GKG ergibt.
Hien Vallendar Prof. Dr. Eichberger