Urteil des BVerwG vom 15.01.2014

Bindungswirkung, Konversion, Rechtskraft, Unterliegen

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 25.13 (10 PKH 11.13)
OVG 2 LB 34/12
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. Januar 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Maidowski
beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen
Oberverwaltungsgerichts vom 11. Juli 2013 wird verwor-
fen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die auf einen Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwer-
de der Beklagten bleibt ohne Erfolg, da sie nicht den Darlegungsanforderungen
des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entspricht.
Bei einer Verfahrensrüge ist den Darlegungspflichten nur genügt, wenn der gel-
tend gemachte Verfahrensmangel sowohl in den ihn (vermeintlich) begründen-
den Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan
wird (stRspr, vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 -
Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 26). Dem genügt die Beschwerde nicht.
Die Beschwerde rügt ausschließlich einen Verstoß des Berufungsgerichts ge-
gen die gemäß § 121 VwGO von Amts wegen zu beachtende Rechtskraftbin-
dung. Zur Begründung weist sie darauf hin, dass das Berufungsgericht zur Zu-
erkennung der Flüchtlingseigenschaft verpflichtet habe, obwohl das Verwal-
tungsgericht die Klage auch insoweit abgewiesen und der Kläger einen Antrag
auf Zulassung der Berufung nur wegen der von ihm hilfsweise begehrten Fest-
stellung eines Abschiebungsverbots gestellt habe. Mit diesem und dem weite-
ren Vorbringen wird ein Verfahrensverstoß nicht schlüssig dargelegt.
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Dabei kann dahinstehen, ob der Flüchtlingsschutz - wie von der Beschwerde
angenommen - im Berufungszulassungsverfahren rechtskräftig abgeschichtet
worden ist oder ob dem möglicherweise die - im Tenor keinerlei Einschränkun-
gen aufweisende - Zulassungsentscheidung des Berufungsgerichts entgegen-
steht. Offen bleiben kann auch, ob die mögliche Fehlerhaftigkeit einer über ei-
nen Zulassungsantrag hinausgehenden Entscheidung über die Zulassung der
Berufung vom Revisionsgericht berücksichtigt werden dürfte oder ob dem ent-
gegenstünde, dass nach § 557 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 173 VwGO der Beurteilung
des Revisionsgerichts Entscheidungen, die der Endentscheidung der Vorin-
stanz vorausgegangen sind, nur dann unterliegen, wenn sie nicht unanfechtbar
sind, was für die Berufungszulassung nicht zutrifft (§ 152 Abs. 1 VwGO). Selbst
wenn man zu Gunsten der Beschwerde unterstellt, dass die negative Entschei-
dung des Verwaltungsgerichts zum Flüchtlingsschutz im Berufungszulassungs-
verfahren in Rechtskraft erwachsen ist, stünde § 121 VwGO einer späteren po-
sitiven Entscheidung zum Flüchtlingsschutz nur bei unveränderter Sach- und
Rechtslage entgegen. Denn die Rechtskraftbindung des § 121 VwGO verbietet
zwar grundsätzlich jede erneute und erst recht jede abweichende Verwaltungs-
und Gerichtsentscheidung. Diese Bindungswirkung endet aber bei einer nach-
träglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage (Urteil vom 1. März 2012
- BVerwG 10 C 8.11 - juris Rn. 10). Hiervon ist vorliegend auszugehen, da das
Berufungsgericht die Flüchtlingsanerkennung des Klägers mit dessen im Sep-
tember 2012 erfolgten Glaubenswechsel begründet. Dieser Umstand ist erst
während des Berufungszulassungsverfahrens und damit nach dem für die Ent-
scheidung des Verwaltungsgerichts maßgeblichen Zeitpunkt eingetreten. Damit
steht § 121 VwGO der Flüchtlingsanerkennung durch das Berufungsgericht
nicht entgegen. Ob das Vorgehen des Berufungsgerichts hinsichtlich des vom
Kläger nach seiner Konversion im Berufungsverfahren erneut begehrten Flücht-
lingsschutzes möglicherweise an einem anderen Verfahrensfehler leidet, bedarf
keiner Entscheidung, da die Beschwerde ausschließlich eine Verletzung des
§ 121 VwGO rügt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten wer-
den gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus
§ 30 RVG.
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Mit der nicht anfechtbaren Kostenentscheidung erübrigt sich eine Entscheidung
über den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers, der derzeit mangels Vorlage
einer aktuellen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnis-
se und entsprechender Nachweise auch in Ansehung der Erklärung, dass sich
an diesen Verhältnissen nichts geändert habe, nicht entscheidungsreif ist.
Prof. Dr. Berlit
Fricke
Dr. Maidowski
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