Urteil des BVerwG vom 14.10.2013

Auskunft, Amt, Beweismittel, Botschaft

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 20.13
VGH 9 B 10.30367
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Oktober 2013
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Maidowski
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungs-
gerichtshofs 25. Februar 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Beschwerde, mit der der Kläger Verfahrensmängel des Berufungsgerichts
(§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) rügt, hat keinen Erfolg.
Der Kläger hat in der Berufungsverhandlung die Vernehmung eines instruierten
Vertreters des Auswärtigen Amtes zu der Tatsache beantragt, dass es aufgrund
des gerichtlichen Schreibens vom 16. Januar 2008 weitere Ermittlungen durch
den Vertrauensanwalt der (deutschen) Botschaft in der Türkei gegeben habe,
dass insbesondere die Ehefrau des Dorfvorstehers F.C., der Sohn von S.B.,
M.B., S.B., sowie der Vater des Klägers, R.C. von dem Vertrauensanwalt ange-
rufen worden seien. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Beweisantrag als
unbehelflich abgelehnt und den Beschluss weiter damit begründet, dass zum ei-
nen die unter Beweis gestellte Tatsache nicht entscheidungsrelevant sei. Ob
der Vertrauensanwalt nach der ersten Auskunft des Auswärtigen Amtes (vom
4. Dezember 2007) nochmals vor Ort Recherchen angestellt habe, sei für die
Erkenntnislage insoweit ohne Bedeutung, als ersichtlich keine weiterführenden
Informationen hätten ermittelt werden können. Im Übrigen stehe eine derartige
weitergehende Anfrage nicht im Widerspruch zum Wortlaut der Auskunft des
Auswärtigen Amtes vom 3. April 2008. Zum anderen stellten amtliche Auskünfte
des Auswärtigen Amtes in Asylsachen selbstständige Beweismittel dar, die oh-
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ne förmliches Beweisverfahren im Wege des Freibeweises verwertet werden
könnten, ohne dass die Beteiligten einen Anspruch darauf hätten, dass die zu-
grunde liegenden Informationsquellen genannt würden oder der Verfasser der
Auskunft zur mündlichen Erläuterung geladen werde.
Die Beschwerde macht dazu im Wesentlichen geltend, das rechtliche Gehör
werde durch die Ablehnung des Beweisantrags verletzt. Die Begründung des
Verwaltungsgerichtshofs finde im Prozessrecht keine Stütze, da das Beru-
fungsgericht die Beweiswürdigung in unzulässiger Weise vorweggenommen
habe. Stelle sich nämlich die Richtigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache
heraus, lägen entsprechende weitere, vom Auswärtigen Amt nicht mitgeteilte
Informationen vor. Darüber hinaus ergäben sich in diesem Fall erhebliche Zwei-
fel an der Zuverlässigkeit von dessen Auskünften. Im Übrigen seien Tatsachen-
gerichte nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dann zur
näheren Prüfung der Auskünfte des Auswärtigen Amtes verpflichtet, wenn
durch bestimmte Anhaltspunkte belegte Zweifel an der Zuverlässigkeit der in
der Auskunft verwerteten Informationen erkennbar seien. Mit diesem Vorbrin-
gen zeigt die Beschwerde keinen Verfahrensmangel des Berufungsgerichts auf.
Auskünfte des Auswärtigen Amtes in Asylsachen stellen, auch wenn ihr Inhalt in
einer gutachtlichen Äußerung besteht, zulässige selbstständige Beweismittel
dar, die ohne förmliches Beweisverfahren verwertet werden können. Dadurch
soll es ermöglicht werden, das besondere Fachwissen einer Behörde in das
Verfahren einzuführen, ohne dass das Gericht gezwungen wäre, den Verfasser
der Auskunft oder weitere bei der Erstellung beitragende Bedienstete zu ver-
nehmen. Aus dieser Besonderheit der Beweiserhebung durch Einholung einer
amtlichen Auskunft ergibt sich, dass die Beteiligten - anders als im förmlichen
Verfahren einer Beweiserhebung durch Sachverständige - nicht nach § 98
VwGO i.V.m. § 411 Abs. 3 ZPO verlangen können, dass das Gericht das Er-
scheinen ihres Verfassers zwecks mündlicher Erläuterung der Auskunft anord-
net, weil dadurch die amtliche Auskunft ihre Eigenschaft als selbstständiges
schriftliches Beweismittel verlieren und ein Wechsel vom Freibeweis in den
formalisierten Sachverständigenbeweis eintreten würde. Vielmehr kann unter
Heranziehung des in §§ 402, 397 und § 411 Abs. 3 ZPO enthaltenen Rechts-
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gedankens nur eine Verpflichtung des Gerichts in Betracht kommen, auf schrift-
lichem Wege erneut an das Auswärtige Amt heranzutreten, wenn eine Erläute-
rung des Gutachtens durch einen Verfahrensbeteiligten verlangt wird (Urteil
vom 22. Januar 1985 - BVerwG 9 C 52.83 - Buchholz 310 § 87 VwGO Nr. 5 =
NVwZ 1986, 35).
Demzufolge war das Berufungsgericht nicht verpflichtet, einen instruierten Ver-
treter des Auswärtigen Amtes zu laden und ihn zu der unter Beweis gestellten
Tatsache einzuvernehmen. In dem hier vorliegenden Fall war es auch nicht ge-
halten, der Behauptung des Klägers durch eine weitere Anfrage beim Auswärti-
gen Amt nachzugehen. Denn das Verwaltungsgericht hatte bereits eine Aus-
kunft des Auswärtigen Amtes vom 4. Dezember 2007 u.a. zu der Frage der poli-
tischen Betätigung des Klägers, anhängigen Ermittlungsverfahren sowie Fahn-
dungsersuchen eingeholt. Diese hatte es aufgrund von Einwänden des Klägers
durch eine ergänzende Stellungnahme vom 3. April 2008 seitens des Auswärti-
gen Amtes erläutern lassen. Zu einer nochmaligen Nachfrage bestand mangels
hinreichend substanziiert vorgetragener Eignung der nunmehr aufgestellten
Behauptung zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, näm-
lich einer Gefährdung des Klägers bei Rückkehr in die Türkei, kein Anlass. We-
der bei Stellung des Beweisantrags noch mit der Beschwerde wurde ausrei-
chend substanziiert, aus welchen Gründen die unter Beweis gestellte Tatsache,
der Vertrauensanwalt der deutschen Botschaft in der Türkei habe aufgrund des
gerichtlichen Schreibens vom 16. Januar 2008 weiter durch Anrufe der von der
Klägerseite benannten Personen ermittelt, zur Klärung des für die Verfolgungs-
prognose relevanten Sachverhaltskerns bedeutsam ist. Das Vorbringen des
Klägers dazu ist spekulativ. Auch die von ihm vorgelegte schriftliche Stellung-
nahme des Dorfvorstehers vom 7. Januar 2008 begründet keine Zweifel am
Beweiswert der eingeholten Auskunft, da das Auswärtige Amt darin unter Nr. 6
nur über die mangelnde Erinnerung des Dorfvorstehers an Hausdurchsuchun-
gen beim Kläger zu dem genannten Zeitpunkt berichtet.
Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2
Halbs. 2 VwGO).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten wer-
den gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus
§ 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht
vor.
Prof. Dr. Kraft
Fricke
Dr. Maidowski
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