Urteil des BVerwG vom 31.08.2011

Widerruf, Sicherheit, Zustellung, Veröffentlichung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 19.11 (10 C 11.11)
OVG 2 L 223/08
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 31. August 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:
Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Mecklen-
burg-Vorpommern über die Nichtzulassung der Revision
gegen seinen Beschluss vom 9. März 2011 wird aufgeho-
ben.
Die Revision wird zugelassen.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
G r ü n d e :
Die Beschwerde der Beklagten ist zulässig und begründet.
Die Berufungsentscheidung weicht im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Voraussetzungen
für einen Widerruf der Flüchtlingsanerkennung ab, wie die Beschwerde zutref-
fend rügt. Das Oberverwaltungsgericht ist von dem Rechtssatz ausgegangen,
dass ein Widerruf nur möglich ist, wenn sich die maßgeblichen Verhältnisse im
Herkunftsland nachträglich und nicht nur vorübergehend so verändert haben,
dass bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die
Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinrei-
chender Sicherheit ausgeschlossen ist und auch nicht aus anderen Gründen
erneut Verfolgung droht (BA S. 4); entgegen der Rechtsauffassung des Klägers
wird dieser rechtliche Ansatz auch nicht durch die nachfolgenden Erwägungen
des Berufungsgerichts zu Art. 11 der Richtlinie 2004/83/EG aufgegeben oder
relativiert. Die Berufungsentscheidung setzt sich damit in Widerspruch zu der
von der Beklagten zitierten neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungs-
gerichts. Danach hat der vom Berufungsgericht herangezogene herabgestufte
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Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Sicherheit vor Verfolgung nach
Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG bei der Prüfung der Flüchtlingsanerken-
nung keine Bedeutung (mehr) und ist die Beendigung der Flüchtlingseigen-
schaft wegen Veränderungen im Herkunftsland grundsätzlich das Spiegelbild
der Anerkennung. Folglich kommt dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab auch
beim Widerruf der Flüchtlingsanerkennung nicht (mehr) zur Anwendung (vgl.
Urteile vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 23,
vom 24. Februar 2011 - BVerwG 10 C 3.10 - DVBl 2011, 716 und vom 1. Juni
2011 - BVerwG 10 C 10.10 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssamm-
lung BVerwGE vorgesehen).
Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beruht auf dieser Abweichung.
Über die weiteren Rügen der Beschwerde braucht daher nicht entschieden zu
werden.
Rechtsbehelfsbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen
BVerwG 10 C 11.11 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Be-
schwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu
begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simson-
platz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung vom
26. November 2004, BGBl I S. 3091) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung
der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von
§ 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO vertreten lassen.
Prof. Dr. Berlit
Prof. Dr. Dörig
Fricke
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