Urteil des BVerwG vom 12.10.2009

Öffentliche Sicherheit, Gefährdung, Zukunft, Wiederholungsgefahr

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 17.09
VGH A 4 S 120/09
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Oktober 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg vom 21. April 2009 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO) und Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat
keinen Erfolg.
1. Die behauptete Abweichung des Berufungsgerichts vom Urteil des Bundes-
verwaltungsgerichts vom 30. März 1999 - BVerwG 9 C 31.98 -
(BVerwGE 109, 1) ist nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO entsprechenden Weise dargelegt. Die Darlegung des Revisionszulas-
sungsgrundes der Divergenz setzt voraus, dass die Beschwerde einen inhaltlich
bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benennt,
mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung unter anderem des
Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwen-
dung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Daran fehlt es hier schon
deshalb, weil sich die angeblich divergierenden Entscheidungen auf unter-
schiedliche Rechtsvorschriften beziehen. Die von der Beschwerde angeführte
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist zu den Voraussetzungen des
Ausschlussgrundes des § 51 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 AuslG 1990 ergangen. Dieser
Vorschrift entspricht inzwischen die Regelung in § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 1
AufenthG. Das Berufungsgericht hat im Fall des Klägers dagegen angenom-
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men, dass er die Voraussetzungen für einen Ausschluss nach § 60 Abs. 8
Satz 1 Alt. 2 AufenthG (früher: § 51 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 AuslG 1990) erfüllt.
2. Die Grundsatzrüge genügt ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen des
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde hält für klärungsbedürftig,
„welche Anforderungen bei der Anwendung des § 60
Abs. 8 Satz 1 AufenthG wegen vormaliger strafrechtlicher
Verfehlungen an die Bejahung einer weiterhin bestehen-
den besonderen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit
und Ordnung gestellt werden müssen, insbesondere ob
insoweit eine Gefährdung der Art und Weise vorliegen
muss, die Gegenstand der vormaligen strafgerichtlichen
Verurteilung war, dies insbesondere dann, wenn bei einer
früheren Verurteilung wegen einer erheblichen, die öffent-
liche Sicherheit und Ordnung gefährdenden Straftat bei
dem Asylberechtigten bzw. politischen Flüchtling zwar
neuere strafrechtliche Verfehlungen vorliegen, die jedoch
nach Art und Gewicht keine vergleichbare Gefährdung der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung wie diejenige konsti-
tuieren, die in vormaligen strafgerichtlichen Verurteilung
ihren Ausdruck fanden.“
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung auf § 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2
AufenthG gestützt. Danach liegt ein Ausschlussgrund vor, wenn der Ausländer
eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens
oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von
mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Wann dies der Fall ist, ist in der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (vgl. Urteil vom
16. November 2000 - BVerwG 9 C 6.00 - BVerwGE 112, 185 zur wortgleichen
Vorgängerregelung in § 51 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 AuslG 1990). Danach führt die
rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren
nur dann zum Ausschluss, wenn im Einzelfall eine konkrete Wiederholungsge-
fahr festgestellt wird. Dies ist der Fall, wenn in Zukunft neue vergleichbare
Straftaten des Ausländers ernsthaft drohen. Bei dieser Prognose sind die be-
sonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe
der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer
Begehung und das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, aber
auch die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände
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bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. Dabei ist die der gesetzlichen
Regelung zugrundeliegende Wertung zu beachten, dass Straftaten, die so
schwerwiegend sind, dass sie zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jah-
ren geführt haben, typischerweise mit einer hohen Wiederholungsgefahr ver-
knüpft sind. In Anwendung dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht vorlie-
gend bei seiner Prognose, ob in Zukunft eine Gefahr für die Allgemeinheit durch
neue vergleichbare Straftaten des Ausländers ernsthaft droht, zu Recht auch
das zwischenzeitliche Verhalten des Klägers einbezogen. Ein darüber
hinausgehender Klärungsbedarf wird von der Beschwerde nicht dargelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten wer-
den gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus
§ 30 RVG.
Dr. Mallmann Prof. Dr. Dörig Fricke
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