Urteil des BVerwG vom 27.03.2006

Auflage, Meinung, Zivilprozessordnung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 16.06
VGH 5 TG 1491/05
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. März 2006
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hien und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte und Domgörgen
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Be-
schluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom
9. Januar 2006 wird verworfen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 244,92 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs ist nicht mit einem Rechtsmittel
zum Bundesverwaltungsgericht angreifbar (vgl. § 152 Abs. 1 VwGO). Nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auch in Fällen geltend ge-
machter „greifbarer Gesetzeswidrigkeit“ seit der Einfügung des § 321a in die
Zivilprozessordnung durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001
(BGBl I S. 1887) kein Raum mehr für eine Befassung des Gerichts der nächst-
höheren Instanz mit außerordentlichen Rechtsbehelfen. Denn der in dieser Be-
stimmung zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung kann ent-
nommen werden, dass eine im Rechtsmittelzug nicht mögliche Nachprüfung
einer gerichtlichen Entscheidung aufgrund eines außerordentlichen Rechtsbe-
helfs demjenigen Gericht vorbehalten bleiben soll, das die Entscheidung erlas-
sen hat (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 5. Oktober 2004 - BVerwG 2 B 90.04 -
NVwZ 2005, 232 und vom 21. Juli 2005 - BVerwG 9 B 9.05 - juris Rn. 2).
Im Übrigen rechtfertigt die Beschwerdebegründung nicht die Annahme, die dem
angefochtenen Beschluss zugrunde liegende Auslegung und Anwendung des
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§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO sei greifbar rechtswidrig, weil unter keinem Ge-
sichtspunkt vertretbar. Die Vorinstanz hat sich insoweit einer in Teilen der
Kommentarliteratur vertretenen Meinung (vgl. etwa Meyer-Ladewig/Rudisile,
in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 146 Rn. 15; Kopp/Schenke,
VwGO, 14. Auflage, § 146 Rn. 43) angeschlossen, wonach im Beschwerdever-
fahren des vorläufigen Rechtsschutzes neben den mit der Beschwerde darge-
legten Gründen ausnahmsweise auch solche Gründe berücksichtigt werden
dürfen, aus denen die angefochtene Entscheidung offensichtlich rechtswidrig
ist. Im Hinblick auf die zur Begründung angestellten Erwägungen, die sich an
Sinn und Zweck des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO orientieren, kann diese Auffas-
sung jedenfalls nicht als mit der Rechtsordnung schlechterdings unvereinbar
oder willkürlich qualifiziert werden; das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr
ausdrücklich ihre Verfassungsmäßigkeit bestätigt (vgl. BVerfG, Kammerbe-
schluss vom 14. August 2003 - 1 BvQ 30.03 - NJW 2003, 3689).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 und § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
Hien Dr. Nolte Domgörgen
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