Urteil des BVerwG vom 16.10.2007

Genfer Flüchtlingskonvention, Anerkennung, Widerruf, Kritik

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 123.07
VGH A 2 S 52/07
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Oktober 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Richter und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts-
hofs Baden-Württemberg vom 29. Mai 2007 wird verwor-
fen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Sie legt den geltend gemachten
Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache
(§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht in einer Weise dar, die den gesetzlichen An-
forderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.
Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache
setzt voraus, dass eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche
Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufgeworfen wird, die im Interesse der Ein-
heit oder Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Die Dar-
legungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangen die Bezeich-
nung einer konkreten Rechtsfrage, der in einem Revisionsverfahren entschei-
dungserhebliche Bedeutung zukommen würde, sowie einen Hinweis auf den
Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll.
Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsent-
scheidung zur Klärung einer bisher höchstrichterlich noch nicht beantworteten
fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Diesen Anforderungen genügt die
Beschwerdebegründung nicht.
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Die Beschwerde selbst bezeichnet keine konkrete Rechtsfrage, die höchstrich-
terlicher Klärung bedürfte. Dem Beschwerdevorbringen ist zu entnehmen, dass
„die Frage des Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung trotz weiter bestehender
allgemeiner Gefahren im Herkunftsland“ - hier im Irak - klärungsbedürftig sein
soll. „Eine Fortentwicklung des Rechts bezüglich dieser Frage … (sei)… drin-
gend geboten.“ Das Bundesverwaltungsgericht habe zwar in seinem Urteil vom
1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - (BVerwGE 124, 276 = Buchholz
402.25 § 73 AsylVfG Nr. 15) „über die Voraussetzungen des Widerrufs ent-
schieden“. Es habe dabei aber nicht alle klärungsbedürftigen Aspekte bei einem
Widerruf der Flüchtlingsanerkennung trotz weiter bestehender allgemeiner
Gefahren im Herkunftsland berücksichtigt. Das Bundesverwaltungsgericht sei
bisher nicht allen Kriterien der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) gefolgt. Es
habe bei seiner Argumentation übersehen, dass die englische Formulierung
einer Regelung der Konvention auf eine andere Auslegung hindeute. Zur Be-
rücksichtigung der Grundsätze der Konvention sei deshalb hinsichtlich des Wi-
derrufs der Flüchtlingseigenschaft bei weiter bestehenden allgemeinen Gefah-
ren im Herkunftsland eine Rechtsprechung zu entwickeln, die der Konvention
entspreche.
Die Beschwerde geht nicht darauf ein, dass nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts die maßgebende Vorschrift des § 73 Abs. 1
AsylVfG ihrem Inhalt nach dem von der Beschwerde betonten Art. 1 C Nr. 5
Satz 1 GFK entspricht. Der „Wegfall der Umstände“ im Sinne von Art. 1 C Nr. 5
Satz 1 GFK, aufgrund derer die Anerkennung als Flüchtling erfolgte, meint
- ebenso im Rahmen von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG - eine nachträgliche und
nicht nur vorübergehende Änderung der für die Anerkennung maßgeblichen
Verhältnisse. Ob dem Ausländer wegen allgemeiner Gefahren im Herkunfts-
staat eine Rückkehr unzumutbar ist, ist danach beim Widerruf der Asyl- und
Flüchtlingsanerkennung nach § 73 Abs. 1 AsylVfG nicht zu prüfen, sondern im
Rahmen der allgemeinen ausländerrechtlichen Vorschriften des Aufenthaltsge-
setzes zu berücksichtigen (vgl. inzwischen ferner Urteil des Senats vom 18. Juli
2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 = Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1
AufenthG Nr. 20).
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Mit ihrem Vorbringen, das sich auf die Kritik an der Rechtsprechung des Bun-
desverwaltungsgerichts beschränkt, macht die Beschwerde nicht ersichtlich,
inwiefern es anlässlich des Entscheidungsfalles - auf der Grundlage der bishe-
rigen Senatsrechtsprechung - weitergehenden oder neuen rechtsgrundsätzli-
chen Klärungsbedarf geben könnte. Soweit die Beschwerde am Rande die
Qualifikationsrichtlinie erwähnt, bezeichnet sie auch insoweit keine konkrete
Rechtsfrage, die höchstrichterlicher Klärung bedürfte (vgl. zu den den Widerruf
betreffenden Bestimmungen in Art. 14 i.V.m. Art. 11 dieser Richtlinie das Urteil
vom 20. März 2007 - BVerwG 1 C 21.06 - NVwZ 2007, 1089 = AuAS 2007,
164).
Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2
Halbs. 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden
gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30
RVG.
Dr. Mallmann Richter Fricke
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