Urteil des BVerwG vom 18.03.2014

Genehmigung, Rechtliches Gehör, Faires Verfahren, Grundstück

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 11.14
OVG 2 L 360/02
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. März 2014
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig, Prof. Dr. Kraft
und Dr. Maidowski.
beschlossen:
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-
Vorpommern vom 3. Dezember 2013 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Ent-
scheidung an das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-
Vorpommern zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussent-
scheidung vorbehalten.
G r ü n d e :
I
Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Sie
wenden sich gegen die der Beigeladenen zu 1 erteilte bestattungsrechtliche
Genehmigung, auf dem benachbarten Grundstück einen Friedhof wieder zu
eröffnen und zu betreiben. Das Verwaltungsgericht hat diese Genehmigung
aufgehoben, das Oberverwaltungsgericht die Anfechtungsklage unter Abände-
rung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. Zur Begründung hat es sich u.a.
auf ein vom Gericht in Auftrag gegebenes hydrogeologisches Gutachten zu der
Frage bezogen, ob flüssige Verwesungsrückstände von dem um etwa 1,70 m
höher gelegenen Vorhabengrundstück auf das Wohngrundstück übertreten kön-
nen. Die Gutachterin hat zur Ermittlung des Sachverhalts Messungen und Boh-
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rungen auf dem Vorhabengrundstück vorgenommen, ohne hiervon die Kläger
und die Beklagte vorab zu unterrichten. Die Kläger rügen eine Verletzung des
§ 108 Abs. 1 VwGO sowie Verstöße gegen §§ 97 und 86 VwGO.
II
Die auf Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde
führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung
des Rechtsstreits an das Berufungsgericht (§ 133 Abs. 6 VwGO).
1. Die von den Klägern gerügte Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes
(§ 108 Abs. 1 VwGO) liegt nicht vor.
Die Kläger halten dem Berufungsgericht vor, es habe sich bei seiner Entschei-
dung auf einen aktenwidrigen Sachverhalt gestützt, indem es davon ausgegan-
gen sei, die erteilte Genehmigung zum Betrieb des Friedhofs erlaube die Anla-
ge von Grabstätten nur außerhalb eines zehn Meter breiten Geländestreifens
entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze. Der Akteninhalt und die Be-
schwerdebegründung begründen die Rüge der Aktenwidrigkeit jedoch nicht.
Im Ausgangspunkt zu Recht weisen die Kläger allerdings darauf hin, dass die
erteilte Genehmigung vom 21. Februar 1997 eine räumliche Einschränkung des
Genehmigungsinhalts auf Teile des Vorhabengrundstücks nicht erkennen lässt.
Vielmehr umfasst die genehmigte Nutzung als Begräbnisstätte das gesamte
Grundstück der Beigeladenen zu 2. Insbesondere lässt sich weder dem Text
der Genehmigung noch der zeichnerischen Anlage entnehmen, dass ein Ge-
ländestreifen entlang der Grundstücksgrenze zu den Klägern von der geneh-
migten Nutzung ausgenommen sein soll. Der in diesem Bereich der Anlage
vorzufindenden zeichnerischen Wiedergabe einer Wegefläche lässt sich eine
solche Aussage für sich genommen nicht zuweisen.
Entgegen der Auffassung der Beschwerde haben jedoch die Beigeladenen und
die Beklagte eine Einschränkung des Genehmigungsumfangs im Laufe des Ge-
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richtsverfahrens verbindlich vorgenommen. Während die Beigeladene zu 1 im
Januar 1999 noch mitgeteilt hat, geplant sei eine Friedhofsnutzung der gesam-
ten Grundstücksfläche, haben sich die Beigeladenen und die Beklagte in der
ersten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 28. März 2007
einvernehmlich und verbindlich auf eine Freihaltung eines Grundstücksstreifens
von zehn Metern Breite entlang des klägerischen Grundstücks festgelegt. Zu
Unrecht versteht die Beschwerde den Wortlaut der Erklärung
„Wir verstehen die Genehmigung in der Gestalt des Wi-
derspruchsbescheides so, dass darin festgelegt ist, dass
ein Grundstücksstreifen von 10 m Breite entlang der ge-
meinsamen Grenze mit dem Grundstück der Kläger von
Grabstätten freizuhalten ist“
als die bloße Kundgabe einer Rechtsauffassung, die jederzeit revidiert werden
könne. Vielmehr handelt es sich um die verbindliche Auslegung einer Erklärung,
mit der die Beigeladene zu 1 in der Absicht, eine einvernehmliche Lösung zu
erzielen, im Laufe des Widerspruchsverfahrens zugesichert hatte, „mit den Be-
gräbnisstätten einen Mindestabstand von ca. 10 m zu den westlich angrenzen-
den Nachbargrundstücken zu halten“ (Widerspruchsbescheid vom 22. Septem-
ber 1998 S. 3). Durch diese Erklärung ist zugleich klargestellt, dass der genann-
te Geländestreifen zwar für Pflanzungen und einen Fußweg, nicht aber für
Grabstätten genutzt werden darf. Es kann offenbleiben, ob diese Nutzungsbe-
schränkung bereits Teil des ursprünglichen Genehmigungsinhalts war oder ob
ein nachträglicher Verzicht auf die Ausnutzung der Genehmigung im angege-
benen Umfang vorliegt.
Auch aus dem Fortgang des Verfahrens lässt sich nicht ableiten, dass das Be-
rufungsgericht seine Überzeugung auf aktenwidriger Tatsachengrundlage ge-
bildet hat. Vielmehr hat das Oberverwaltungsgericht der Beweisaufnahme durch
Sachverständigengutachten zu Recht nach § 98 VwGO, § 404 a Abs. 3 ZPO
die Annahme zu Grunde gelegt, dass Grabstätten einen Mindestabstand von
zehn Metern zum Grundstück der Kläger aufweisen werden.
Für die von der Beschwerde ebenfalls aufgeworfene Frage, in welcher Tiefe die
Grabsohle anzulegen ist, gilt im Ergebnis dasselbe wie für den Grenzabstand
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der zum Grundstück der Kläger nächstgelegenen Grabstätten. Denn auch in-
soweit haben die Adressaten der Genehmigung ebenso wie die Beklagte ver-
bindlich erklärt, dass die Genehmigung dahin zu verstehen ist, dass die Grab-
sohle der Begräbnisstätten in 1,70 m Tiefe angelegt werden muss. Auch inso-
weit kann demnach offenbleiben, ob darin eine Auslegung des ursprünglichen
oder eine nachträgliche einvernehmliche Einschränkung des zunächst weiter
gefassten Genehmigungsinhalts zu sehen ist. Denn jedenfalls sind die Beteilig-
ten auf Grund dieser zu Protokoll gegebenen verbindlichen Erklärungen gehin-
dert, von dem festgelegten Wert von 1,70 m Tiefe abzuweichen. Das vom Beru-
fungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten legt deshalb zu Recht die-
sen Wert zu Grunde.
2. Auch der von der Beschwerde gerügte Verstoß gegen § 86 VwGO ist nicht
gegeben. Die Beschwerde ist der Auffassung, das Berufungsgericht hätte un-
abhängig von der Frage, ob das hydrogeologische Gutachten der Sachverstän-
digen S. verwertbar ist, die hydrogeologischen, hygienischen und mikrobiologi-
schen Aspekte des Sachverhalts weiter aufklären müssen. Der damit geltend
gemachte Verfahrensfehler liegt jedoch nicht vor.
Der Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) gebietet eine Beweiserhe-
bung nur, wenn ein Verfahrensbeteiligter - insbesondere durch einen begründe-
ten Beweisantrag - auf sie hinwirkt oder sie sich hiervon unabhängig aufdrängt.
Dies ist der Fall, wenn das Gericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung
Anlass zu weiterer Aufklärung sehen muss (Urteile vom 29. Mai 2008 - BVerwG
10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht
Nr. 21 jeweils Rn. 13 und vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 28.10
- BVerwGE 140, 199 = Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 60 jeweils Rn. 25). Ein
solcher Fall ist hier indes nicht gegeben: Die Rüge der Beschwerde beruht auf
der tatsächlichen Annahme, dass die Grabsohle der auf dem Gelände geneh-
migten Bestattungen nicht bei 1,70 m, sondern höher liegen werde, so dass
Verwesungsrückstände und gesundheitsgefährdende Organismen infolge der
Bodenbeschaffenheit und durch Wasserbewegungen auch in einer Tiefe von
weniger als 1,70 m auf das Grundstück der Kläger gelangen könnten. Wie be-
reits ausgeführt, hat sich das Berufungsgericht jedoch verfahrensfehlerfrei auf
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den Standpunkt gestellt, dass die Anlage von Grabstätten auf einer Sohle von
weniger als 1,70 m Tiefe von der angegriffenen Genehmigung nicht gedeckt
wäre, weil die Beigeladenen und die Beklagte sich verbindlich auf dieses Maß
festgelegt haben; jede Abweichung wäre als Verstoß gegen die erteilte Geneh-
migung anzusehen. Auf dem Boden dieser Annahme bedarf es der von den
Klägern geforderten zusätzlichen Beweisaufnahme nicht.
3. Das Berufungsurteil beruht jedoch auf einem Verstoß gegen § 97 Satz 1
VwGO. Die in dieser Vorschrift geregelte Parteiöffentlichkeit der Beweiserhe-
bung räumt den Verfahrensbeteiligten einen Anspruch darauf ein, über bevor-
stehende Beweiserhebungen unterrichtet zu werden und daran teilzunehmen.
Dies bezieht sich nicht nur auf Beweisaufnahmen durch das Gericht, sondern in
entsprechender Anwendung auch auf die Ermittlung von Tatsachen durch
Sachverständige zur Vorbereitung des Gutachtens (Beschluss vom 12. April
2006 - BVerwG 8 B 91.05 - Buchholz 310 § 97 VwGO Nr. 5 = NJW 2006, 2058
m.w.N.; VGH München, Beschluss vom 15. Januar 2014 - 15 C 12.2250 - juris
Rn. 11). Der Grundsatz des fairen Verfahrens und der Anspruch auf Gewäh-
rung rechtlichen Gehörs gebieten es, den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit
zu geben, der Ermittlung der tatsächlichen Grundlagen eines Gutachtens durch
den Sachverständigen beizuwohnen und Stellungnahmen abzugeben, soweit
nicht zwingende rechtliche oder tatsächliche Hindernisse entgegenstehen (vgl.
Schnapp, Parteiöffentlichkeit bei Tatsachenfeststellungen durch den Sachver-
ständigen?, in: System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Fest-
schrift Menger, 1985, S. 557, 567 f.; Höffmann, Die Grenzen der Parteiöffent-
lichkeit, insbesondere beim Sachverständigenbeweis, Diss. jur. 1989, S. 104
ff.). Denn die Vollständigkeit und Richtigkeit der in dieser Phase einer Begut-
achtung festgestellten Grundlage für die sachkundige Arbeit des Sachverstän-
digen ist für die Aussagekraft des Gutachtens von ausschlaggebender Bedeu-
tung.
Hindernisse, die einer Teilnahme der Kläger und der Beklagten in den Terminen
auf dem Vorhabengrundstück entgegengestanden hätten, waren im vorliegen-
den Fall nicht gegeben. Die Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten wäre viel-
mehr ohne Weiteres rechtlich und tatsächlich möglich gewesen. Sie war auch
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nicht überflüssig, unabhängig davon, ob dies überhaupt einen im oben genann-
ten Sinne zwingenden Hinderungsgrund darstellen könnte. Zwar dienten die
drei Termine der Sachverständigen auf dem Vorhabengrundstück nicht in erster
Linie der unmittelbaren und unwiederholbaren Wahrnehmung von Sinnesein-
drücken, wie dies bei der Beweiserhebung durch Inaugenscheinnahme eines
Grundstücks oder Objekts häufig der Fall ist, sondern lediglich der Entnahme
von Bodenproben und der Vermessung des Höhenniveaus. Eine Anwesenheit
hätte den Verfahrensbeteiligten jedoch die Möglichkeit gegeben, sich rechtzeitig
mit der Auswahl der Probenentnahmestellen, mit der Bestimmung der Bohrtiefe
oder den Bezugspunkten für Messungen zu befassen und ihren Standpunkt
hierzu deutlich zu machen. Hierfür ist es auch ohne Belang, ob ein Sachver-
ständiger selbst oder technische Assistenten diese Arbeit ausführen. Dass eine
solche Einflussnahme mit gleicher Wirkung auch schriftsätzlich vor Beginn der
Beweisaufnahme oder sogar nachträglich möglich gewesen wäre, ist entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts nicht anzunehmen. Vielmehr ist gerade
die persönliche Teilnahme der Verfahrensbeteiligten an der Sachverhaltsermitt-
lung durch Sachverständige geeignet, das Recht auf Beweisteilhabe zu sichern;
sie dient im Übrigen auch der Akzeptanz der Begutachtung durch die Sachver-
ständigen.
Dem Berufungsgericht war es deshalb entgegen der von der Beklagten im
Schriftsatz vom 13. März 2014 geäußerten Auffassung verwehrt, sein durch
§ 98 VwGO i.V.m. § 404 a Abs. 4 ZPO eingeräumtes Ermessen dahin auszu-
üben, der Sachverständigen zwar aufzugeben, die Beigeladene zu 2 als Grund-
stückseigentümerin über bevorstehende Termine zu unterrichten, nicht aber die
übrigen Verfahrensbeteiligten. Vielmehr hätte der Sachverständigen aufgege-
ben werden müssen, rechtzeitig alle Beteiligten von jedem Termin auf dem
Vorhabengrundstück zu unterrichten, um ihnen die Teilnahme ohne Einschrän-
kungen zu ermöglichen.
Die Kläger sind auch nicht gehindert, sich auf den Verstoß gegen § 97 VwGO
zu berufen. Ein Rügeverlust ist insbesondere nicht dadurch eingetreten, dass
sie die Anfrage des Gerichts vom 18. Februar 2009, ob sie einen neuen Orts-
termin für sinnvoll hielten, unter Aufrechterhaltung ihrer Bedenken gegen die
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Vorgehensweise der Sachverständigen verneint haben. Auch wenn die in die-
sem Zusammenhang von den Klägern vertretene Rechtsauffassung, eine Hei-
lung des eingetretenen Verfahrensfehlers durch Nachholung der Beteiligung sei
überhaupt nicht möglich, rechtlich fehlerhaft ist (Beschluss vom 12. April 2006,
a.a.O., Rn. 6), liegt darin jedenfalls kein Verzicht auf das Rügerecht; einen sol-
chen haben die Kläger auch im weiteren Verlauf des Verfahrens weder aus-
drücklich noch konkludent erklärt. Einem Rügeverlust zu Lasten der Kläger
steht schon der Umstand entgegen, dass es Sache des Gerichts gewesen wä-
re, die durch seine fehlerhafte Handhabung des § 404 a ZPO mitverursachte
Unverwertbarkeit des Gutachtens durch geeignete Maßnahmen von Amts we-
gen zu beheben. Eine bloße Anfrage bei einem Verfahrensbeteiligten nach sei-
ner Bereitschaft zur Teilnahme an einem Ortstermin stellt keine geeignete
Maßnahme zur Heilung des Verfahrensfehlers dar. Vielmehr war die - bereits
eingetretene - Unverwertbarkeit des Gutachtens entweder durch eine vollstän-
dig neue Begutachtung oder dadurch zu beheben, den Beteiligten in einem ge-
richtlichen oder von der Gutachterin anberaumten Termin auf dem Vorhaben-
grundstück die Gelegenheit einzuräumen, Bedenken und Anregungen vorzutra-
gen, die im Rahmen eines ergänzenden Gutachtens zu verarbeiten gewesen
wäre (Beschluss vom 12. April 2006, a.a.O. Rn. 11). Dies hat das Berufungsge-
richt unterlassen, obwohl in der gegebenen prozessualen Situation auch die
gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) ein solches Vorgehen erfor-
dert hätte.
4. Im Hinblick auf die in Anbetracht der bisherigen Verfahrensdauer außeror-
dentliche Eilbedürftigkeit der Sache macht der Senat von der Möglichkeit Ge-
brauch, den Rechtsstreit gemäß § 133 Abs. 6 VwGO an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen, um eine möglichst zeitnah zu treffende abschließende Ent-
scheidung zu ermöglichen. Für den Fortgang des Verfahrens ist vor dem Hin-
tergrund der bisher vorliegenden Begutachtung durch die Sachverständige S.
zu bemerken, dass es zur Ermittlung einer rechtsfehlerfreien tatsächlichen Ent-
scheidungsgrundlage nicht zwingend eines neuen Gutachtens bzw. der Bestel-
lung eines mit dem Verfahren bisher nicht befassten Gutachters bedarf. Viel-
mehr wird - jedenfalls in einem ersten Schritt - ein gerichtlicher oder von der
Sachverständigen geladener Termin auf dem Vorhabengrundstück durchzufüh-
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ren sein, in dem die Gutachterin ihre Vorgehensweise, insbesondere die Aus-
wahl und Ausgestaltung der Probenahmen, erläutern kann und an dem alle Ver-
fahrensbeteiligten teilnehmen und ihre Bedenken und Anregungen vortragen
können. Sollte sich in diesem Termin ergeben, dass aus fachlichen Gründen
etwa Proben an anderer Stelle, erneute Proben oder andere denkbare Maß-
nahmen erforderlich sind, um dem Gutachten eine fachlich verlässliche Grund-
lage zu geben, so werden diese Maßnahmen in einem zweiten Schritt nachzu-
holen und wird ein ergänzendes Gutachten zu erstellen sein. Nur wenn sich
dies als nicht ausreichend erweisen sollte, mag eine neue Begutachtung durch
einen bisher mit der Sache nicht befassten Gutachter in Betracht zu ziehen
sein. In tatsächlicher Hinsicht wird auch diesen Maßnahmen zu Grunde zu le-
gen sein, dass die Grabsohle nach der angegriffenen Genehmigung bei 1,70 m
Tiefe verbindlich festgelegt ist und dass die Begräbnisstätten vom Grundstück
der Kläger einen Abstand von 10 m einzuhalten haben. Ergänzend ist darauf
hinzuweisen, dass die für die Reichweite des geltend gemachten Abwehrrechts
möglicherweise relevante Rechtsposition der Kläger auch dadurch geprägt ist,
dass die ihnen im Untergeschoss des Mehrfamilienhauses zugewiesenen
Räumlichkeiten nach den Bauakten lediglich als Abstellraum genehmigt sind, so
dass jede darüber hinausgehende Nutzung dieser Räume formell illegal sein
dürfte.
5. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Prof. Dr. Dörig
Prof. Dr. Kraft
Dr. Maidowski
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Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Prozessrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
VwGO
§ 97
ZPO
§ 404 a
Stichworte:
Friedhof; Wiedereröffnung; Sachverständiger; Ortstermin; Ortsbesichtigung;
Messung; Bodenprobe; Inaugenscheinnahme; Wahrnehmung; Parteiöffentlich-
keit; Ladung; Teilnahme; Gutachten; Unverwertbarkeit; Heilung; Ergänzungs-
gutachten; Verfahrensbeteiligter; rechtliches Gehör; faires Verfahren; Rügever-
lust.
Leitsätze:
1. Der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit (§ 97 Satz 1 VwGO) gilt auch für Orts-
termine eines Sachverständigen, die nicht der Aufnahme von Sinneseindrücken
durch Einnahme des Augenscheins, sondern der Durchführung technischer Un-
tersuchungen (Messungen, Entnahme von Bodenproben) dienen.
2. Hat ein Sachverständiger die Verfahrensbeteiligten unter Verstoß gegen § 97
Satz 1 VwGO nicht über bevorstehende Ortstermine zur Ermittlung der tatsäch-
lichen Grundlagen für das zu erstellende Gutachten unterrichtet, so kann dieser
zur Unverwertbarkeit des Gutachtens führende Mangel regelmäßig dadurch
geheilt werden, dass die unterbliebene Beteiligung nachgeholt und ein ergän-
zendes Gutachten erstellt wird (im Anschluss an Beschluss vom 12. April 2006
- BVerwG 8 B 91.05 - Buchholz 310 § 97 VwGO Nr. 5).
Beschluss des 10. Senats vom 18. März 2014 - BVerwG 10 B 11.14
I. VG Schwerin vom 23.10.2002 - Az.: VG 1 A 2795/98 -
II. OVG Greifswald vom 03.12.2013 - Az.: OVG 2 L 360/02 -