Urteil des BVerwG vom 25.09.2007

Neues Beweismittel, Genfer Flüchtlingskonvention, Konversion, Christentum

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 103.07
OVG A 2 B 832/05
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. September 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwal-
tungsgerichts vom 24. April 2007 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die ausschließlich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht
den Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrun-
des nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die Beschwerde hält für grundsätzlich bedeutsam,
1. ob § 28 Abs. 2 AsylVfG mit dem verfassungsrechtlichen
Verhältnismäßigkeitsprinzip in Einklang zu bringen ist oder
ferner eine unzulässige Rückwirkung darstellt,
2. ob § 28 Abs. 2 AsylVfG unter Berücksichtigung verfas-
sungskonformer Auslegung restriktiv auszulegen ist und
auf den Fall reduziert wird, dass ein offensichtlicher Miss-
brauch vorliegt, da andernfalls eine Schutzlücke entstün-
de,
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3. ob § 28 Abs. 2 AsylVfG von der Richtlinie des Rates
2004/83/EG vom 29. April 2004 (sog. Qualifikationsrichtli-
nie) ausgeschlossen wird,
4. ob § 28 Abs. 2 AsylVfG und die Qualifikationsrichtlinie
einschließlich deren Art. 5 Abs. 3 mit der Genfer Flücht-
lingskonvention einschließlich deren Art. 33 in Einklang
steht,
5. ob die Qualifikationsrichtlinie in Art. 10 Abs. 1 Buchst. b
und Art. 18 jeweils öffentlich rechtliche Religionsausübung
und religiöses Existenzminimum umfasst,
6. ob die Vorlage eines Taufscheines durch einen vom
muslemischen zum christlich-baptistischen Glauben Kon-
vertierten ein neues Beweismittel gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2
VwVfG darstellt und
7. unter welchen konkreten Voraussetzungen eine he-
rausgehobene Funktion eines iranischen Staatsangehöri-
gen christlicher Glaubenszugehörigkeit wegen in Deutsch-
land erfolgter Missionierungsaktivitäten angenommen wird
und unter welchen konkreten Voraussetzungen eine mis-
sionarische Tätigkeit sich deutlich von der missionarischen
Tätigkeit anderer Apostaten abhebt (Beschwerde-
begründung S. 2).
Hinsichtlich der zu § 28 Abs. 2 AsylVfG und der Qualifikationsrichtlinie unter
1. bis 4. aufgeworfenen Fragen ist nicht dargelegt und erkennbar, dass sie in
dem angestrebten Revisionsverfahren zu beantworten wären. Das Berufungs-
gericht hat seine Entscheidung, dem Kläger wegen der von ihm geltend ge-
machten Konversion zum Christentum keinen Flüchtlingsschutz nach § 60
Abs. 1 AufenthG zu gewähren, primär damit begründet, dass Wiederaufgrei-
fensgründe nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG schon deshalb nicht vorlägen, weil
der Kläger das Verwaltungsgericht über seine Taufe nicht innerhalb der Drei-
Monats-Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG informiert habe (UA S. 12). Lediglich er-
gänzend wurde darauf abgestellt, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60
Abs. 1 AufenthG wegen der Konversion im Übrigen auch im Falle einer recht-
zeitigen Geltendmachung wegen § 28 Abs. 2 AsylVfG nicht in Betracht käme
(UA S. 13). Gegen die primäre, das Berufungsurteil selbständig tragende Be-
gründung sind keine durchgreifenden Zulassungsrügen erhoben. Ist ein Urteil
auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, kann die Beschwer-
de gegen die Nichtzulassung der Revision aber nur Erfolg haben, wenn gegen
sämtliche tragenden Gründe zulässige und begründete Revisionszulassungs-
gründe geltend gemacht werden. Daran fehlt es hier.
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Auch, soweit der Kläger mit Frage 5 grundsätzlich geklärt haben möchte, ob
Art. 10 Abs. 1 Buchst. b der Qualifikationsrichtlinie „öffentlich rechtliche“ Religi-
onsausübung und religiöses Existenzminimum umfasst, was nur hinsichtlich des
Flüchtlingsschutzes in Betracht kommen könnte, fehlt es an einer Darlegung
der Entscheidungserheblichkeit. Soweit der Kläger unter Punkt 5 - bezogen auf
den subsidiären Schutz - eine grundsätzliche Klärung bezüglich Art. 18 der
Richtlinie anstrebt, fehlt jegliche Darlegung, weshalb die diesbezüglichen, auf
den Wortlaut der Vorschrift gestützten Ausführungen des Berufungsgerichts
(UA S. 18) Zweifeln begegnen und inwiefern die Frage der Klärung in einem
Revisionsverfahren bedarf.
Die unter 6. aufgeworfene Frage rechtfertigt ebenfalls keine Zulassung der Re-
vision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Die Beschwerde legt auch hier die
Entscheidungserheblichkeit nicht dar, nachdem das Berufungsgericht davon
ausgegangen ist, dass die vom Kläger geltend gemachte Konversion zum Chri-
stentum eine nachträgliche Änderung der Sachlage i.S.d. § 51 Abs. 1 Nr. 1
VwVfG darstellt.
Schließlich sind auch die unter 7. aufgeworfenen Fragen einer grundsätzlichen
Klärung im Revisionsverfahren nicht zugänglich. Die Fragen zielen im Kern
nicht - wie für eine Grundsatzrüge erforderlich - auf eine Rechtsfrage i.S.d.
§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, sondern betreffen die tatsächliche Seite der Verfol-
gungs- bzw. Gefahrenprognose und die den Tatsachengerichten vorbehaltene
Einzelfallprüfung und vermögen der Beschwerde daher nicht zum Erfolg zu ver-
helfen.
Der Senat sieht von einer weiteren Begründung der Entscheidung ab (§ 133
Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten wer-
den gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus
§ 30 Satz 1 RVG.
Dr. Mallmann Prof. Dr. Dörig Fricke
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