Urteil des BVerwG vom 22.07.2004

Gleichbehandlung, Gestaltung, Freiheit, Ermessensspielraum

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 10.04
OVG 2 LB 45/03
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Juli 2004
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S t o r o s t ,
Prof. Dr. E i c h b e r g e r und Dr. N o l t e
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen
Oberverwaltungsgerichts vom 7. April 2004 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 9 684,72 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unzulässig.
Soweit der Kläger mit ihr eine Abweichung des angefochtenen Urteils von dem Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. März 1980 - BVerwG 4 C 40.78 - (Die Ge-
meinde 1980, 287) rügen will (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), genügt die Beschwerde-
begründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Danach ist ein inhaltlich bestimmter, die angefochtene Entscheidung tragender abs-
trakter Rechtssatz zu benennen, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtspre-
chung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung
des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben
Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 19. August
1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 m.w.N.).
Daran fehlt es hier. Der Kläger trägt nämlich nicht vor, dass das Oberverwaltungsge-
richt das Erschließungsbeitragsrecht, auf das sich das zitierte Urteil des Bundesver-
waltungsgerichts bezieht, von dieser Entscheidung abweichend ausgelegt habe;
vielmehr beanstandet er, dass es die Rechtsprechung zum Erschließungsbeitrags-
recht nicht auf das durch andere - zudem landesrechtliche - Vorschriften geregelte
Anschlussbeitragsrecht übertragen habe. Damit kann keine Divergenzrüge begründet
werden.
Dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukomme (§ 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO), hat der Kläger ebenfalls nicht ausreichend dargetan. Hierzu muss eine be-
stimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die Revisionsentscheidung erheb-
liche Rechtsfrage des revisiblen Rechts formuliert und außerdem angegeben wer-
den, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen
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soll (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O., S. 14 m.w.N.). Dem trägt die
Beschwerdebegründung schon deswegen nicht genügend Rechnung, weil die sinn-
gemäß aufgeworfene Frage, ob ein so genannter Vollgeschossmaßstab mit einem
Steigerungssatz von 50 % für die über das erste Vollgeschoss hinausgehenden Voll-
geschosse auch ohne besondere örtliche Verhältnisse zulässig ist, die Auslegung der
landesrechtlichen Vorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 2 des Kommunalabgabengesetzes
des Landes Schleswig-Holstein (KAG) und damit irrevisibles Recht betrifft. Dessen
Nachprüfung ist dem Revisionsgericht versagt (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Hinweis
der Beschwerde darauf, dass sich die Frage in gleicher Weise im bundesrechtlichen
Erschließungsbeitragsrecht stelle, ändert daran nichts (vgl. etwa BVerwG, Beschluss
vom 25. Oktober 1995 - BVerwG 4 B 216.95 - BVerwGE 99, 351 <353 f.>). Dass sich
bezogen auf die Auslegung oder Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 2 KAG
klärungsbedürftige bundesrechtliche Fragen stellten, ist der Beschwerdebegründung
nicht zu entnehmen.
Unabhängig davon ist ein Klärungsbedarf insoweit auch nicht ersichtlich. Das gilt
namentlich in Bezug auf die vom Kläger beanstandete Auffassung der Vorinstanz,
dem Ortsgesetzgeber sei ein weiter Ermessensspielraum bei der Ausgestaltung des
Vollgeschossmaßstabs eingeräumt. Diese Auffassung steht in Einklang mit der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass Art. 3 Abs. 1 GG dem Norm-
geber weitgehende Freiheit für die Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen ein-
räume, die erst dort überschritten sei, wo - unter Einschluss von Gründen der Ty-
pengerechtigkeit und der Verwaltungspraktikabilität - ein sachlich einleuchtender
Grund für die Differenzierung oder Gleichbehandlung fehle (vgl. BVerwG, Beschluss
vom 30. April 1996 - BVerwG 8 B 31.96 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 37 S. 5 f.).
Davon kann bei einem 50-prozentigen Steigerungssatz angesichts des mit der An-
zahl der Vollgeschosse deutlich steigenden Maßes der baulichen Nutzbarkeit (vgl.
§ 17 BauNVO) regelmäßig noch keine Rede sein. Das vom Kläger angeführte, zum
Erschließungsbeitragsrecht ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom
7. März 1980 (a.a.O., S. 289) besagt nichts anderes. Denn darin hat das Gericht
- ebenfalls unter Betonung der Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers - einen Stei-
gerungssatz von nur 25 % für jedes weitere Vollgeschoss über das erste Vollge-
schoss hinaus zwar als im Regelfall unbedenklich erachtet, aber nicht einen höheren
Steigerungssatz als bundesrechtlich unzulässig gewertet.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung
auf § 13 Abs. 2, § 14 GKG a.F.
Dr. Storost Prof. Dr. Eichberger Dr. Nolte