Urteil des BVerwG vom 23.02.2012

Ausschluss, Organisation, Akte, Straftat

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 10 B 1.12, 10 PKH 1.12
OVG 4 LB 5/11
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Februar 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskos-
tenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abge-
lehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen
Oberverwaltungsgerichts vom 6. Oktober 2011 wird ver-
worfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Dem Kläger konnte die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden,
weil seine Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine Aussicht
auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Die Beschwerde ist unzulässig. Der allein geltend gemachte Revisionszulas-
sungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht
in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden
Weise dargetan. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu,
wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des
revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des
Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechts-
frage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis
auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen
soll. Die Beschwerde muss also erläutern, dass und inwiefern die Revisionsent-
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scheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fall-
übergreifenden Rechtsfrage führen kann.
1. Die Beschwerde macht zunächst geltend, die Rechtssache habe grundsätzli-
che Bedeutung, weil das Berufungsgericht hinsichtlich der Voraussetzungen für
einen Ausschluss nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG in mehreren Punkten
die Grundsätze und Feststellungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in
seinem Urteil vom 9. November 2010 (Rs. C-57/09 und C-101/09, InfAuslR
2011, 40) nicht beachtet habe und damit von diesem Urteil abgewichen sei. Mit
diesem und dem weiteren Vorbringen wirft die Beschwerde keine einer grund-
sätzlichen Klärung bedürftige Rechtsfrage auf, sondern wendet sich der Sache
nach allein gegen die Anwendung der vom Gerichtshof aufgestellten unions-
rechtlichen Vorgaben auf den vorliegenden Fall. Dieses Vorbringen vermag im
Übrigen auch keine Zulassung der Revision wegen Divergenz zu begründen
(§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
2. Weiter hält die Beschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig,
wann bei Unterstützungshandlungen für eine terroristische
Organisation der Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Satz 1
Nr. 3 AsylVfG i.V.m. Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie
2004/83/EG (Zuwiderhandlungen gegen die Ziele und
Grundsätze der Vereinten Nationen) greift, insbesondere
für welche Unterstützungshandlungen im Vorfeld welcher
terroristischer Aktivitäten, die in welchem räumlich-
organisatorischen Einflussbereich der betreffenden Per-
son stehen müssen, die betreffende Person eine individu-
elle Verantwortung für die Handlungen der Organisation
trifft und welcher individuelle Beitrag der einzelnen betref-
fenden Person wann ein Gewicht erreicht hat, das dem
der Ausschlussgründe des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2
AsylVfG entspricht.
In diesem Zusammenhang legt die Beschwerde nicht dar, inwiefern angesichts
der vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 9. November 2010 (a.a.O.) aufgestell-
ten und vom Bundesverwaltungsgericht in seinen Urteilen vom 31. März 2011
- BVerwG 10 C 2.10 - (BVerwGE 139, 272) und vom 7. Juli 2011 - BVerwG
10 C 26.10 - (zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE
vorgesehen, InfAuslR 2011, 456) weiter spezifizierten Anforderungen für einen
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Ausschluss nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG weiterhin Klärungsbedarf be-
steht. Auch zeigt sie nicht auf, inwiefern hier angesichts der vom Berufungsge-
richt unter Berücksichtigung des anzulegenden (abgesenkten) Beweismaßes
tatrichterlich festgestellten und von der Beschwerde nicht mit Verfahrensrügen
angegriffenen individuellen Beiträgen des Klägers, die das Berufungsgericht als
Unterstützungshandlungen im Vorfeld terroristischer Akte der PKK im Zeitraum
von 1996 bis 1999 bewertet hat und denen es im Wege einer wertenden Ge-
samtbetrachtung ein der Beteiligung an einer schweren nichtpolitischen Straftat
i.S.v. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG entsprechendes Gewicht beigemessen
hat, ein über den Einzelfall des Klägers hinausgehender Klärungsbedarf be-
steht. Stattdessen wendet sich die Beschwerde vor allem gegen die den Tatsa-
chengerichten vorbehaltene Sachverhalts- und Beweiswürdigung, der sie in
Bezug auf die durch das Berufungsgericht getroffenen Feststellungen und de-
ren tatrichterliche Würdigung fallbezogen ihre gegenteilige Auffassung gegen-
überstellt.
Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2
Halbs. 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten wer-
den gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus
§ 30 RVG.
Prof. Dr. Berlit
Prof. Dr. Dörig
Fricke
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