Urteil des BVerwG vom 28.08.2012

Unwiderlegbare Vermutung, Entscheidungsformel, Befehl, Rechtswidrigkeit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WRB 1.11
TDG S 6 BLa 02/10 und S 6 GL 41/09
TDG S 6 RL 08/11
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberstabsfeldwebel …,
…,
- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt …,
… -
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Schachtschneider und
den ehrenamtlichen Richter Oberfeldwebel Zitzelsperger
am 28. August 2012 beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der
Beschluss der 6. Kammer des Truppendienstgerichts Süd
vom 31. März 2011 geändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass der Vorwurf des Kompaniechefs
des Feldjägerausbildungskommandos …/…. Deutsches
Einsatzkontingent ISAF in der Teileinheitsführerbespre-
chung am 23. Dezember …, der Antragsteller habe einen
ihm erteilten Befehl zur Ausarbeitung eines „Befehls für
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die Richtschützenausbildung“ nicht ausgeführt, unberech-
tigt war.
Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesver-
waltungsgericht und vor dem Truppendienstgericht ein-
schließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen
notwendigen Aufwendungen werden dem Bund auferlegt.
G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die verfahrens-
fehlerhafte Fassung der Entscheidungsformel (Tenor) in einer Entscheidung
des Truppendienstgerichts Süd.
Der 1961 geborene Antragsteller ist Berufssoldat, dessen Dienstzeit voraus-
sichtlich mit Ablauf des 31. Juli 2015 enden wird. Mit Wirkung vom 1. Mai 2005
wurde er zum Oberstabsfeldwebel ernannt. Seit dem 1. September 2005 wurde
er in der .../Feldjägerbataillon … in B. verwendet. Zur Zeit ist er bei der
.../Feldjägerbataillon … in Be. eingesetzt.
Im Rahmen seiner Kommandierung zum ... Deutschen Einsatzkontingent ISAF
in Mazar-e Sharif/Afghanistan leistete der Antragsteller vom 16. November …
bis zum 28. Januar … Dienst als Teileinheits- und Zugführer des ... Zuges im
Feldjägerausbildungskommando … im ….
Mit Schreiben vom 3. Januar 2009 beschwerte er sich gegen Vorwürfe, die der
Kompaniechef und Führer des vorbezeichneten Ausbildungskommandos,
Hauptmann U., am 23. Dezember … ihm gegenüber in Gegenwart anderer Sol-
daten geäußert habe. Mit Schriftsatz vom 8. Januar … legte er dar, der Kompa-
niechef habe ihn in der Teileinheitsführerbesprechung des Feldjägerausbil-
dungskommandos … am 23. Dezember … beschuldigt, seine Befehle nicht
auszuführen. Dabei gehe es insbesondere um einen Befehl, ihm, dem Kompa-
niechef, einen schriftlichen Befehl für die Richtschützenausbildung vorzulegen.
Einen derartigen Befehl habe er, der Antragsteller, jedoch nicht erhalten, son-
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dern nur den Auftrag zur Erarbeitung eines Ausbildungsprogramms zur Richt-
schützenausbildung. Dem sei er unverzüglich nachgekommen. Mit Schreiben
vom 11. Januar 2009 beantragte der Antragsteller beim Kommandeur des Lo-
gistikunterstützungsbataillons Mazar-e Sharif (MES)/…. Deutsches Einsatzkon-
tingent ISAF, den Kompaniechef zur Rücknahme der in der Teileinheitsführer-
besprechung erhobenen Vorwürfe zu veranlassen.
Die Beschwerde des Antragstellers wies der Kommandeur des Logistikunter-
stützungsbataillons MES mit Beschwerdebescheid vom 17. Januar 2009 zu-
rück. Die weitere Beschwerde des Antragstellers vom 2. Februar 2009 wies der
Stellvertretende Kommandeur des …. Deutschen Einsatzkontingents ISAF mit
Beschwerdebescheid vom 9. März 2009 zurück.
Am 15. April 2009 beantragte der Antragsteller dagegen mit Schreiben seines
Bevollmächtigten die Entscheidung des Truppendienstgerichts. Die 6. Kammer
des Truppendienstgerichts Süd wies den Antrag durch Beschluss vom
6. August 2009 (Az.: …) zurück; sie ließ die Rechtsbeschwerde nicht zu. Diesen
Beschluss hat der Senat auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers
durch Beschluss vom 24. März 2010 (BVerwG 1 WNB 3.10) wegen eines Ver-
fahrensfehlers aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung an das Truppendienstgericht Süd zurückverwiesen.
In dem fortgesetzten Wehrbeschwerdeverfahren bezog sich der Antragsteller
auf das Zeugnis des Hauptfeldwebels B. zum Beweis dafür, dass der Kompa-
niechef ihm, dem Antragsteller, lediglich den Auftrag erteilt habe, ein Ausbil-
dungskonzept zu erstellen. Der Antragsteller beantragte, der Beschwerde vom
3. Januar 2009 unter Aufhebung der Beschwerdebescheide vom 17. Januar
2009 und vom 9. März 2009 stattzugeben und festzustellen, dass Hauptmann
U. (der Kompaniechef) ihn, den Antragsteller, zu Unrecht beschuldigt habe, sei-
ne Befehle nicht auszuführen.
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Nachdem die 6. Kammer des Truppendienstgerichts Süd den angebotenen
Beweis erhoben hatte, entschied sie mit dem angefochtenen Beschluss vom
31. März 2011 (Az.: … und …) über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung
und erklärte ihn in den Entscheidungsgründen für begründet. Der Tenor des Be-
schlusses lautet wie folgt:
„1. Dem Antrag auf Entscheidung des Truppendienstge-
richts wird stattgegeben.
2. Die dem Antragsteller in diesem Beschwerdeverfahren
erwachsenen notwendigen Aufwendungen trägt der
Bund.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.“
Gegen diesen ihm am 14. Juli 2011 zugestellten Beschluss hat der Antragstel-
ler am 12. August 2011 durch seinen Bevollmächtigten Nichtzulassungsbe-
schwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, im Tenor der Entschei-
dung sei den Sachanträgen aus dem Schriftsatz vom 23. September 2010 nicht
Rechnung getragen. Die angefochtenen Beschwerdebescheide seien nicht auf-
gehoben worden; eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Äuße-
rungen des Hauptmanns U. sei unterblieben. Damit genüge Nr. 1 des Tenors
nicht den Anforderungen an eine vollstreckbare Entscheidung.
Mit Beschluss vom 18. Oktober 2011 (Az.: …) hat die 6. Kammer des Truppen-
dienstgerichts Süd der Nichtzulassungsbeschwerde abgeholfen und die
Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss vom 31. März 2011 zugelassen. Im
Entscheidungstenor heißt es weiter:
„2. Die Sache wird dem Bundesverwaltungsgericht
- Wehrdienstsenate - zur Entscheidung vorgelegt.
3. Auf § 22b Abs. 5 Satz 2 wird hingewiesen.“
Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 25. Oktober
2011 zugestellt. Dieser übermittelte die Begründung der Rechtsbeschwerde mit
Schriftsatz vom 25. November 2011 an das Bundesverwaltungsgericht, wo die
Begründung am selben Tag um 18.07 Uhr einging. Das Bundesverwaltungsge-
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richt leitete die Beschwerdebegründung per Telefax am 28. November 2011 an
die 6. Kammer des Truppendienstgerichts Süd weiter.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 12. Dezember 2011 an das Trup-
pendienstgericht Süd hat der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist beantragt. Der
Bevollmächtigte hat vorgetragen, er habe das Bundesverwaltungsgericht als
den richtigen Adressaten der Beschwerdebegründung ansehen dürfen, weil das
Verfahren bereits diesem Gericht zur Entscheidung vorgelegt gewesen sei. Ins-
besondere deshalb und mangels einer klaren gesetzlichen Regelung in § 22b
Abs. 5 WBO habe er angenommen, dass - auch mit Blick auf § 139 Abs. 3
Satz 2 VwGO - die Begründung der Rechtsbeschwerde dem Bundesverwal-
tungsgericht vorzulegen sei.
Außerdem beantragt der Antragsteller eine Entscheidung des Senats in der Sa-
che selbst (§ 22a Abs. 6 Satz 2 WBO), und zwar
1. festzustellen, dass der Vorwurf des Kompaniechefs in
der Teileinheitsführerbesprechung am 23. Dezember
…, er, der Antragsteller, sei ungehorsam gewesen,
rechtswidrig war,
2. die Beschwerdebescheide vom 17. Januar 2009 und
vom 9. März 2009 aufzuheben,
3. die ihm, dem Antragsteller, in diesem Beschwerdever-
fahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen dem
Bund aufzuerlegen.
Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hat mit Schreiben vom 2. Januar 2012 Stel-
lung genommen und vorgetragen, dass eine dem § 139 Abs. 3 Satz 2 VwGO
vergleichbare Regelung in § 22b Abs. 5 WBO nicht aufgenommen worden sei.
Im Übrigen habe der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts mit
Beschluss vom 30. November 2011 (BVerwG 2 WRB 1.11) entschieden, dass
im Rechtsbeschwerdeverfahren die Begründung der Rechtsbeschwerde beim
Truppendienstgericht einzureichen sei. § 7 Abs. 1 WBO sei nicht zugunsten des
Antragstellers anzuwenden. Er müsse sich zurechnen lassen, dass sein Be-
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vollmächtigter die Versäumung der Frist zur Beschwerdebegründung zu vertre-
ten habe. Dieser habe sich durch Gesetzesstudium rechtzeitig die erforderli-
chen Kenntnisse über die maßgeblichen Rechtsbehelfsfristen verschaffen kön-
nen. Er habe außerdem vorsorglich die Begründung der Rechtsbeschwerde
auch beim Truppendienstgericht einreichen oder den sicheren Weg über den
nächsten Disziplinarvorgesetzten des Antragstellers wählen können (§ 22b
Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 22a Abs. 5 Satz 2, § 21 Abs. 2 Satz 1 und § 17 Abs. 4
Satz 3 WBO). Auch sei ein Rechtsschutzbedürfnis für das mit der Rechtsbe-
schwerde verfolgte Anliegen nicht erkennbar. Der indifferente Tenor der ange-
fochtenen Entscheidung des Truppendienstgerichts lasse sich ohne Weiteres
unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe im Sinne des Antragstellers
eindeutig auslegen.
Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 (seit 1. April 2012: R II 2) - hat
sich mit Schriftsatz vom 10. Januar 2012 der Äußerung des Bundeswehrdiszi-p-
linaranwaltes angeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des
Truppendienstgerichts Süd - …, …, … - und auf die Gerichtsakten des Bundes-
verwaltungsgerichts BVerwG 1 WB 6.10 und BVerwG 1 WNB 3.10 Bezug ge-
nommen. Die Akten haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
a) Sie ist vom Truppendienstgericht durch den Abhilfebeschluss vom
18. Oktober 2011 zugelassen worden (§ 22a Abs. 1 i.V.m. § 22b Abs. 5 Satz 1
WBO). An diese Entscheidung ist das Bundesverwaltungsgericht gebunden
(§ 22a Abs. 3 WBO).
b) Die Beschwerde ist im Ergebnis auch rechtzeitig begründet worden.
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aa) Der Senat lässt offen, ob der Auffassung des 2. Wehrdienstsenats des Bun-
desverwaltungsgerichts (im Beschluss vom 30. November 2011 - BVerwG
2 WRB 1.11 -) zu folgen ist, dass bei einer Abhilfeentscheidung durch das
Truppendienstgericht die gemäß § 22b Abs. 5 Satz 2 WBO erforderliche frist-
gebundene Begründung der Rechtsbeschwerde bei dem Truppendienstgericht
einzureichen sei, dessen Beschluss angefochten wird.
Denn auch wenn das Truppendienstgericht im Rahmen des § 22b Abs. 5
Satz 1, 1. Alt., Satz 2 WBO der richtige Adressat der Beschwerdebegründung
sein sollte, kann sich der Antragsteller auf die Verlängerung der Begründungs-
frist berufen. Denn er war gemäß § 7 Abs. 1, Abs. 2 WBO durch einen unab-
wendbaren Zufall an der Einhaltung der Begründungsfrist gehindert, weil im
Abhilfebeschluss des Truppendienstgerichts vom 18. Oktober 2011 eine vorge-
schriebene Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben ist.
bb) § 7 Abs. 1, Abs. 2 WBO gilt angesichts seines nicht eingeschränkten Wort-
lauts auch für Fristen im gerichtlichen Antragsverfahren und im Beschwerdever-
fahren nach §§ 22a, 22b WBO (ebenso: Dau, WBO, 5. Aufl. 2009, § 7 Rn. 3
und 4). Die Vorschrift in § 7 Abs. 1, Abs. 2 WBO ist nicht nur auf die förmlichen
Rechtsbehelfe und die insoweit einzuhaltenden Fristen nach der Wehrbe-
schwerdeordnung anzuwenden, sondern auch auf die Begründungspflicht für
die zugelassene Rechtsbeschwerde und die insoweit einzuhaltende Frist nach
§ 22b Abs. 5 Satz 2 WBO.
Das Bundesverwaltungsgericht hat für die Rechtsmittelbegründungsfristen in
ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass sowohl über die Begrün-
dungspflicht als auch über die einzuhaltende Begründungsfrist in einer Rechts-
mittelbelehrung im Sinne des § 58 Abs. 1 VwGO zu belehren ist (grundlegend:
Beschluss des Großen Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juli
1957 - BVerwG GrSen. 1.57 - BVerwGE 5, 178; Urteile vom 30. Juni 1998
- BVerwG 9 C 6.98 - BVerwGE 107, 117 = Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 4 -
juris Rn. 17 und vom 4. Oktober 1999 - BVerwG 6 C 31.98 - BVerwGE 109,
336 = Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 74 - juris Rn. 16). Das beruht maßgeblich
auf der Erwägung, dass der potenzielle Rechtsmittelführer bei zweistufig aufge-
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bauten Rechtsmitteln eines besonderen Hinweises zur Verwirklichung des
Grundsatzes auf Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG)
bedarf. Diese Rechtsprechung ist ohne Einschränkung auf die Beschwerdebe-
gründungspflicht und -frist in § 22b Abs. 5 Satz 2 WBO zu übertragen, zumal
§ 22b Abs. 5 Satz 3 WBO ausdrücklich eine entsprechende Belehrungspflicht
für das Gericht vorschreibt, das die Rechtsbeschwerde zulässt.
Diese im Sinne des § 7 Abs. 2 WBO „vorgeschriebene“ Rechtsbehelfsbeleh-
rung hat das Truppendienstgericht in seinem Abhilfebeschluss vom 18. Oktober
2011 unterlassen. Der Hinweis in Nr. 3 der Entscheidungsformel auf 㤠22b
Abs. 5 Satz 2“ (ohne Gesetzesangabe) stellt keine Rechtsbehelfsbelehrung dar.
Eine Rechtsbehelfsbelehrung muss aus ihrem Text heraus verständlich formu-
lieren, was das Gesetz prozessual dem potenziellen Rechtsmittelführer zur
(möglichen) weiteren Rechtsverfolgung abverlangt. Der pauschale Hinweis auf
eine Vorschrift, ohne den Pflichtenkreis für den potenziellen Rechtsmittelführer
im Einzelnen zu benennen, trägt diesem Erfordernis nicht Rechnung.
Der Mangel einer vorgeschriebenen Rechtsbehelfsbelehrung begründet gemäß
§ 7 Abs. 2 WBO die unwiderlegbare Vermutung eines unabwendbaren Zufalls
im Sinne des § 7 Abs. 1 WBO (stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 16. Dezember
2008 - BVerwG 1 WB 19.08 - Rn. 27
133, 13 und Buchholz 449 § 3 SG Nr. 50> und - BVerwG 1 WB 59.08 - Rn. 27
Nr. 51>; ebenso: Dau, a.a.O., § 7 Rn. 25). Auf die Frage einer durch Bevoll-
mächtigte verschuldeten Fristversäumung kommt es im Rahmen des § 7 Abs. 2
WBO nicht an.
Da der Begründungsschriftsatz des Antragstellers vom 25. November 2011
durch das Bundesverwaltungsgericht am 28. November 2011 per Telefax an
das Truppendienstgericht Süd weitergeleitet worden ist, ist die Begründung un-
ter Beachtung der Zwei-Wochen-Frist des § 7 Abs. 1 WBO beim Truppen-
dienstgericht Süd eingegangen. Dies gilt ebenso für den die Zwei-Wochen-Frist
wahrenden Schriftsatz des Bevollmächtigten des Antragstellers vom
12. Dezember 2011.
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cc) Das auch für die Rechtsbeschwerde erforderliche Rechtsschutzbedürfnis
des Antragstellers ergibt sich daraus, dass die Entscheidungsformel des ange-
griffenen Beschlusses nicht erkennen lässt, worüber das Truppendienstgericht
entschieden hat.
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
a) Der Senat hat im Rechtsbeschwerdeverfahren nur zu prüfen, ob die ange-
fochtene Entscheidung gegen Rechtsvorschriften verstößt.
Das entspricht sowohl dem Willen des Gesetzgebers als auch der Systematik
der Vorschriften über die Rechtsbeschwerde. Bei der Einführung der §§ 22a,
22b WBO (durch das am 1. Februar 2009 in Kraft getretene Wehrrechtsände-
rungsgesetz 2008 vom 31. Juli 2008 ) hat der Gesetzgeber
die Absicht verfolgt, durch eine Überprüfung der Entscheidungen der Truppen-
dienstgerichte durch das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen für
eine einheitliche Rechtsprechung zu schaffen und die Weiterentwicklung des
Rechts zu fördern. Dabei hat er sich erklärtermaßen an den Bestimmungen in
§ 132 VwGO orientiert, weil die Rechtsbeschwerde „auf eine Grundsatz- und
Divergenzrechtsprechung in Wehrbeschwerdesachen abzielt“; die Rechtsbe-
schwerde soll der höchstrichterlichen Klärung von Grundsatz- und Divergenz-
fragen und mit der Einführung der Verfahrensrüge auch der effektiven Durch-
setzung der Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes dienen (vgl. Begründung
der Bundesregierung zum „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung wehrrechtli-
cher und anderer Vorschriften “,
BTDrucks. 16/7955, S. 36 zu § 22a). Diese am Revisionsrecht der Verwal-
tungsgerichtsordnung ausgerichtete Zielsetzung des Gesetzgebers ist unmittel-
bar in der Systematik des § 22a Abs. 2 WBO und des § 22b Abs. 2 WBO abge-
bildet. Im Revisionsverfahren findet nur eine Kontrolle der Vorinstanz auf Ver-
stöße gegen Rechtsvorschriften statt (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO).
b) Das Truppendienstgericht hat im Beschluss vom 31. März 2011 mit der Fas-
sung der Entscheidungsformel „Dem Antrag auf Entscheidung des Truppen-
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dienstgerichts wird stattgegeben.“ gegen die Verfahrensvorschrift des § 19
Abs. 1 Satz 2, Satz 3 WBO verstoßen.
In § 19 Abs. 1 WBO wird der Verfahrensabschluss bei einem erfolgreichen An-
trag auf gerichtliche Entscheidung geregelt und der materielle Inhalt der Ent-
scheidung des Truppendienstgerichts festgelegt. Dabei wird - auch mit Blick auf
die Vollstreckungsfähigkeit des Entscheidungstenors - bestimmt, dass das
Truppendienstgericht die wehrdienstgerichtlich angefochtene Maßnahme oder
Unterlassung (§ 17 Abs. 3 WBO) entweder aufhebt oder ihre Rechtswidrigkeit
feststellt oder eine genau bestimmte Handlungs- bzw. Neubescheidungsver-
pflichtung für die zuständigen Vorgesetzten bzw. Dienststellen der Bundeswehr
ausspricht. Eine schlichte und undifferenzierte „Stattgabe“ lässt § 19 Abs. 1
WBO nicht zu. Ebensowenig gestattet die Vorschrift eine Auslegung des Tenors
unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des Gerichts.
Im Fall des Antragstellers war es deshalb rechtlich geboten, in Präzisierung des
von ihm gestellten Sachantrags in der Entscheidungsformel festzustellen, dass
der Vorwurf des Kompaniechefs des Feldjägerausbildungskommandos
…/... Deutsches Einsatzkontingent ISAF in der Teileinheitsführerbesprechung
am 23. Dezember …, der Antragsteller habe einen ihm erteilten Befehl zur Aus-
arbeitung eines „Befehls für die Richtschützenausbildung“ nicht ausgeführt, un-
berechtigt war. Dieser Ausspruch beruht auf den mit Rechtsbehelfen nicht an-
gegriffenen und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen des Truppen-
dienstgerichts (vgl. § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 137 Abs. 2 VwGO), in denen es
unter anderem ausgeführt hat: „Nach nochmaliger Auswertung der Verfahrens-
akte und Würdigung des sich daraus ergebenden Gesamtbildes war der Kom-
paniechef nicht berechtigt, dem Beschwerdeführer im Rahmen der Teileinheits-
führerbesprechung am 23. Dezember … im … wegen eines nicht erfolgten Be-
fehls Ungehorsam vorzuwerfen.“
Mit dem Feststellungsausspruch sind die angefochtenen Beschwerdebescheide
gegenstandslos. Sie unterliegen deshalb nicht einer gesonderten Aufhebung.
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Der Senat hat damit nur über den geltend gemachten Verfahrensmangel ent-
schieden, weil die Voraussetzungen des § 22a Abs. 2 Nr.1 und Nr. 2 WBO nicht
vorliegen (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 137 Abs. 3 VwGO).
3. Da die Sache hinsichtlich einer Neufassung der Entscheidungsformel ent-
scheidungsreif ist und keiner weiteren Aufklärung bedarf, macht der Senat von
der Möglichkeit des § 22a Abs. 6 Satz 2 WBO Gebrauch und entscheidet selbst
in der Sache, indem er den Beschluss des Truppendienstgerichts ändert und
die beanstandete Entscheidungsformel neu fasst.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 22a Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 21 Abs. 2
Satz 1 und § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO.
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