Urteil des BVerwG vom 20.10.2010

Meldung, Beschwerdefrist, Rüge, Überprüfung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WNB 5.10
TDG N 8 BLa 6/09
TDG N 8 RL 2/10
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Hauptmann …,
…,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte …,
… -
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 20. Oktober 2010 beschlossen:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulas-
sung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Trup-
pendienstgerichts Nord vom 5. August 2010 wird zurück-
gewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens.
- 2 -
G r ü n d e :
I
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Sache kommt die von der Be-
schwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 22a Abs. 2 Nr. 1
WBO) nicht zu.
Nach der ständigen Rechtsprechung der Revisionssenate des Bundesverwal-
tungsgerichts ist eine Rechtssache nur dann grundsätzlich bedeutsam im Sinne
des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren
die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über
den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungs-
bedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. In der Be-
schwerdebegründung muss daher dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h.
näher ausgeführt werden (stRspr; vgl. u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961
- BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.> = Buchholz 310 § 132 VwGO
Nr. 18 S. 21 f.), dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundes-
rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung im
beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (vgl. auch Beschluss vom
24. Januar 2008 - BVerwG 6 BN 2.07 - Buchholz 402.41 Allgemeines Polizei-
recht Nr. 85 Rn. 14). Dies gilt nach der Rechtsprechung der beiden Wehr-
dienstsenate auch für die § 132 Abs. 2 Nr. 1 und § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO
nachgebildeten Regelungen des § 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO und des § 22b Abs. 2
Satz 2 WBO (vgl. Beschlüsse vom 1. Juli 2009 - BVerwG 1 WNB 1.09 - Buch-
holz 450.1 § 22a WBO Nr. 1 = NZWehrr 2009, 258 und vom 15. Juli 2009
- BVerwG 2 WNB 1.09 -).
Die von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage,
welche inhaltlichen Anforderungen an eine Beschwerde,
insbesondere die Mitteilung der Beschwerdeabsicht und
die Bezeichnung der Beschwer gestellt werden müssen,
ganz besonders auch im Hinblick auf eine Abgrenzung zur
bloßen Meldung,
1
2
3
- 3 -
führt nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des
Truppendienstgerichts Nord vom 5. August 2010, weil sie in der Rechtspre-
chung des Senats bereits geklärt ist bzw. sich unter Berücksichtigung dieser
Rechtsprechung ohne Weiteres beantworten lässt.
Nach der - auch vom Antragsteller in der Nichtzulassungsbeschwerde zutref-
fend wiedergegebenen - Rechtsprechung des Senats kommt es nicht darauf an,
ob der Beschwerdeführer ausdrücklich die Worte „ich beschwere mich“ ge-
braucht oder seine Eingabe als „Beschwerde“ bezeichnet; entscheidend ist viel-
mehr, ob bei objektiver Betrachtung aus dem Inhalt seines Vorbringens ent-
nommen werden muss, dass er sich durch eine Maßnahme beschwert fühlt und
eine erneute Überprüfung erstrebt (vgl. Beschluss vom 11. April 1975 - BVerwG
1 WB 3.74 - ; Dau, WBO,
5. Aufl. 2009, § 6 Rn. 32). Die Rechtsprechung des Senats steht im Einklang
mit der Rechtsprechung zu den Anforderungen an den Inhalt anderer Rechts-
behelfe, insbesondere zu dem der Wehrbeschwerde vergleichbaren Rechtsbe-
helf des Widerspruchs nach §§ 68 ff. VwGO. Auch dort ist anerkannt, dass als
Widerspruch im Sinne des § 69 VwGO jede Äußerung zu verstehen ist, durch
die der Betroffene zu erkennen gibt, er sei mit der getroffenen Entscheidung
oder Maßnahme nicht einverstanden; auf die Bezeichnung als Widerspruch
kommt es nicht an; im Zweifel sind Erklärungen eines Betroffenen so auszule-
gen, dass er denjenigen Rechtsbehelf einlegen will, der nach Lage der Sache
seinen Belangen entspricht und eingelegt werden muss, um den erkennbar an-
gestrebten Erfolg zu erreichen (vgl. Urteil vom 28. April 2009 - BVerwG 2 A 8.08
- Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 55 = NJW 2009, 2968 m.w.N.; Rennert,
in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 70 Rn. 3; Dolde/Porsch, in: Schoch/
Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, Stand Mai 2010, § 69 Rn. 4 m.w.N.).
Die Frage, ob bei Anwendung dieser Grundsätze ein konkretes Schreiben als
Beschwerde anzusehen ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung, sondern be-
trifft nur den Einzelfall. Soweit der Antragsteller vorbringt, er habe mit seinem
(im Betreff als „Meldung“ bezeichneten) Schreiben vom 14. April 2008 durch
Aufbau und Diktion eindeutig eine Beschwer geltend gemacht und eine Ände-
rung seiner dienstlichen Beurteilung, jedenfalls aber einen Bescheid über die
4
5
- 4 -
Rechtmäßigkeit des Vorgehens seiner Vorgesetzten erwartet, formuliert er da-
her keine klärungsbedürftige Rechtsfrage, sondern wendet sich - nach Art einer
Berufungsbegründung - dagegen, dass das Truppendienstgericht, das in dem
Beschluss vom 5. August 2010 die Beschwerdequalität des Schreibens vom
14. April 2008 verneint hat, die vorstehenden Grundsätze falsch angewandt
habe. Mit der Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung im Einzelfall kann aber die
Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Rechtssache nicht erreicht werden.
Auf die vom Antragsteller weiter aufgeworfene Frage, auf welchen Zeitpunkt im
vorliegenden Fall für die Berechnung der Beschwerdefrist abzustellen ist,
kommt es nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 154 Abs. 2
VwGO.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
6
7