Urteil des BVerwG vom 28.05.2008

Ausbildung, Rechtsschutz, Erlass, Form

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WDS-VR 8.08
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Stabsfeldwebel …,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 28. Mai 2008 beschlossen:
Der Antrag, den Bundesminister der Verteidigung im
Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den
Antragsteller an der nach der Wahl zum Hauptpersonalrat
stattfindenden Ausbildung der Mitglieder des Gesamtver-
trauenspersonenausschusses gemäß § 45 Abs. 3 SBG
teilnehmen zu lassen, wird als derzeit unzulässig abge-
lehnt.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller begehrt, den Bundesminister der Verteidigung im Wege der
einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn an einer Ausbildung für die Mitglie-
der des Gesamtvertrauenspersonenausschusses gemäß § 45 Abs. 3 SBG teil-
nehmen zu lassen.
Der Antragsteller ist Berufssoldat. Nachdem er bereits dem 4. Gesamtvertrau-
enspersonenausschuss beim Bundesministerium der Verteidigung angehört
hatte, wurde er im Februar 2008 erneut zum Mitglied des 5. Gesamtvertrauens-
personenausschusses gewählt. Der Antragsteller ist derzeit für die Geschäfts-
führung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses freigestellt.
Vom 10. bis 12. März 2008 fand - in Verbindung mit der nachfolgenden konsti-
tuierenden und ersten Sitzung (13. und 14. März 2008) - beim Zentrum … in K.
eine Ausbildung für die
Mitglieder des neu
gewählten
5. Ge-
samtvertrauenspersonenausschusses statt. Zu dieser Ausbildung hatte sich der
Antragsteller angemeldet und war zunächst zugelassen worden. Das Bundes-
ministerium der Verteidigung - … - machte die Zulassung unmittelbar vor Ver-
anstaltungsbeginn wieder rückgängig, weil die Ausbildung nur für erstmalig ge-
wählte Mitglieder des Gesamtvertrauenspersonenausschusses vorgesehen sei
und der Antragsteller wegen seiner Mitgliedschaft im 4. Gesamtvertrauens-
personenausschuss keinen Schulungsbedarf habe. Der Antragsteller nahm dar-
aufhin nur an der konstituierenden und ersten Sitzung, nicht aber an der Aus-
bildung teil.
Gegen die Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung - … - richtet
sich ein beim Senat anhängiger Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Ent-
scheidung (BVerwG 1 WB 17.08).
Außerdem hatte der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel bean-
tragt, an der Ausbildung vom 10. bis 12. März 2008 teilnehmen zu können. Die-
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sen Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 1. April 2008 (BVerwG 1 WDS-VR
7.08) aus prozessualen Gründen abgelehnt, weil die Ausbildung bereits vor
Eingang des Eilantrags beim Senat beendet und eine Teilnahme des Antrag-
stellers daran schon deshalb nicht mehr möglich war.
Zusammen mit der Begründung und den Sachanträgen im Verfahren BVerwG
1 WB 17.08 hat der Antragsteller mit Schreiben vom 16. April 2008 (dort Antrag
Nr. 2) einen weiteren - hier gegenständlichen - Antrag auf vorläufigen Rechts-
schutz gestellt, der die Teilnahme an der nächsten, nach der Wahl zum Haupt-
personalrat durchzuführenden Ausbildung gemäß § 45 Abs. 3 SBG betrifft.
Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat mit Bescheid vom 20. Mai
2008 den Erlass einer einstweiligen Maßnahme gemäß § 3 Abs. 2 WBO abge-
lehnt und mit Schreiben vom selben Tage zu dem an den Senat gerichteten
Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz Stellung genommen.
Zur Begründung seines Antrags trägt der Antragsteller insbesondere vor:
§ 45 Abs. 3 SBG enthalte für die Ausbildung der Mitglieder des Gesamtvertrau-
enspersonenausschusses - anders als § 19 Abs. 4 SBG für die Ausbildung der
Vertrauenspersonen - keine Beschränkung auf erstmalig gewählte Amtsinha-
ber. Es sei Wille des Gesetzgebers, alle Mitglieder des Gesamtvertrauensper-
sonenausschusses gleich auszubilden, um zu Beginn der Ausbildung einen ein-
heitlichen Ausbildungs- und Wissensstand herzustellen. Die Feststellung eines
Schulungsbedarfs sei nicht erforderlich. Auch entstünden keine Kosten für ex-
terne Bildungsträger, da die Ausbildung an einer bundeswehreigenen Einrich-
tung stattfinde. Bedingt durch unterschiedliche Wahlverfahren und Wahltermine
seien die 35 Mitglieder des 5. Gesamtvertrauenspersonenausschusses bereits
im Februar 2008 gewählt worden, während die Soldatenvertreter im Hauptper-
sonalrat, die als weitere Mitglieder hinzuträten, erst im Mai 2008 gewählt wür-
den. Auch diese weiteren Mitglieder des Gesamtvertrauenspersonenausschus-
ses seien unverzüglich nach ihrer Wahl vom Bundesministerium der Verteidi-
gung für ihre Aufgaben auszubilden. Nachdem er zur Ausbildung vom 10. bis
12. März 2008 nicht zugelassen worden sei, wolle er nun an dieser gleicharti-
gen Ausbildung teilnehmen.
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Der Antragsteller beantragt
vorläufigen Rechtsschutz zur Teilnahme an der nach der
Wahl zum Hauptpersonalrat stattfindenden Ausbildung
nach § 45 Abs. 3 SBG.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antrag sei unzulässig, weil derzeit lediglich eine allgemeine Absicht beste-
he, auf eine entsprechende Mitteilung des Gesamtvertrauenspersonenaus-
schusses hin eine Schulungsmaßnahme durchzuführen. Eine endgültige Ent-
scheidung darüber, wer und wann an einer solchen Schulung, die in erster Linie
für die neu gewählten Mitglieder des Hauptpersonalrats gedacht sei, teilnehme,
werde frühestens nach dem 10. Juni 2008 getroffen; für diesen Tag habe das
Bundesministerium der Verteidigung - … - unter Einbindung des Gesamtver-
trauenspersonenausschusses eine Einzelfallbetrachtung für die Auswahl zu
schulender Mitglieder des Gesamtvertrauenspersonenausschusses geplant.
Der Antrag sei im Übrigen auch unbegründet, weil der Antragsteller keinen An-
ordnungsanspruch habe. Es bestehe kein Bedürfnis, den Antragsteller als er-
fahrenes Mitglied des Gesamtvertrauenspersonenausschusses in den Grund-
zügen der Mandatstätigkeit in diesem Gremium oder über neuere Rechtspre-
chung zu schulen. Der hinter der Vorschrift des § 19 Abs. 4 SBG stehende
Rechtsgedanke, dass ein Schulungsanspruch ein entsprechendes persönliches
Schulungsbedürfnis voraussetze, sei auch für die Auslegung des § 45 Abs. 3
SBG fruchtbar zu machen.
Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der
Beteiligten sowie der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des Bun-
desministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 397/08 sowie 226, 227/08 - und
die Gerichtsakten der Verfahren BVerwG 1 WB 17.08 und BVerwG 1 WDS-VR
7.08 haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
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II
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Bei sach- und interessengerechter Auslegung begehrt der Antragsteller, den
Bundesminister der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung zu ver-
pflichten, ihn an der nach der Wahl zum Hauptpersonalrat stattfindenden Aus-
bildung der Mitglieder des Gesamtvertrauenspersonenausschusses gemäß
§ 45 Abs. 3 SBG teilnehmen zu lassen. Ein solcher Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung ist in entsprechender Anwendung von § 123 VwGO im
wehrdienstgerichtlichen Verfahren grundsätzlich statthaft (stRspr, vgl. Be-
schlüsse vom 17. Juni 1992 - BVerwG 1 WB 46.92 - DokBer B 1993, 197 und
vom 24. August 1993 - BVerwG 1 WB 56.93 - BVerwGE 93, 389 <390> =
NZWehrr 1994, 211).
Der Antrag ist jedoch derzeit unzulässig, weil der Antragsteller kein berechtigtes
Interesse an der Gewährung von Rechtsschutz hat.
Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung und in entsprechender Weise ein An-
trag auf vorläufigen Rechtsschutz im Wehrbeschwerdeverfahren setzen eine
dienstliche Maßnahme (oder deren Unterlassung) voraus, die angegriffen oder
aber erbeten wird (§ 17 Abs. 3 Satz 1 WBO, hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1
WBO). Eine solche Maßnahme liegt hier (noch) nicht vor. Die Ausbildung ge-
mäß § 45 Abs. 3 SBG für die im Mai 2008 gewählten Soldatenvertreter im
Hauptpersonalrat, die als weitere Mitglieder des Gesamtvertrauenspersonen-
ausschusses hinzutreten (§ 35 Abs. 1 Satz 3 SBG), befindet sich noch in der
Vorbereitung. Eine Auswahl der Teilnehmer ist - nicht nur hinsichtlich des An-
tragstellers, sondern generell - noch nicht getroffen. Das Bundesministerium der
Verteidigung - … - und der Gesamtvertrauenspersonenausschuss planen für
den 10. Juni 2008 eine Einzelbetrachtung der Mitglieder des Gesamtver-
trauenspersonenausschusses, aus der sich die Rahmendaten für die Ausbil-
dung ergeben sollen. Wann auf der Grundlage dieser Betrachtung anschlie-
ßend eine Auswahlentscheidung ergeht, ist nicht erkennbar. Die Befürchtung
des Antragstellers, er werde wie bei der Ausbildung, die vom 10. bis 12. März
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für die gewählten Mitglieder des Gesamtvertrauenspersonenausschusses (§ 35
Abs. 1 Satz 1 SBG) stattgefunden hat, auch zu der geplanten gleichartigen
Ausbildung für die Soldatenvertreter im Hauptpersonalrat nicht zugelassen
werden, betrifft deshalb nicht eine bereits existente, sondern lediglich für die
Zukunft erwartete Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO.
Vor Ergehen einer truppendienstlichen Maßnahme kommt
Rechtsschutz - und zwar sowohl in Form eines Antrags auf gerichtliche Ent-
scheidung in der Hauptsache als auch (wie hier) in Form eines Antrags auf Er-
lass einer einstweiligen Anordnung - grundsätzlich nur in engen Grenzen in Be-
tracht (vgl. zum Folgenden Beschluss vom 22. Januar 2003 - BVerwG 1 WB
44.02 - Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 48 = NZWehrr 2003, 119 mit zahlreichen
Nachweisen; zu den entsprechenden Voraussetzungen des vorbeugenden vor-
läufigen Rechtsschutzes im allgemeinen Verwaltungsprozessrecht vgl. Puttler,
in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 123 Rn. 39, 71 m.w.N.). Die Zuläs-
sigkeit eines Antrags auf vorbeugenden Rechtsschutz setzt danach einerseits
voraus, dass das künftige Handeln der Vorgesetzten des Soldaten nach seinem
Inhalt und seinen tatsächlichen wie rechtlichen Voraussetzungen soweit spezi-
fiziert ist, dass eine Rechtmäßigkeitsprüfung durch den Senat möglich ist. So-
lange sich noch nicht mit der dafür erforderlichen Bestimmtheit übersehen lässt,
welche Maßnahmen drohen oder unter welchen tatsächlichen und rechtlichen
Voraussetzungen sie ergehen werden, kann ein berechtigtes Interesse an
vorbeugendem Rechtsschutz dagegen nicht anerkannt werden. Das für einen
Antrag auf vorbeugenden Rechtsschutz erforderliche Rechtsschutzbedürfnis
verlangt zum anderen, dass dem Soldaten nicht zugemutet werden kann, die
beabsichtigte truppendienstliche Maßnahme abzuwarten, weil schon eine nur
kurzfristige Hinnahme der befürchteten Maßnahme geeignet wäre, ihn in be-
sonders schwerwiegender, womöglich nicht wieder gutzumachender Weise in
seinen Rechten zu beeinträchtigen.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
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Zum einen ist die künftige Maßnahme, die vom Gericht überprüft werden soll,
noch nicht hinreichend spezifiziert. Dies betrifft sowohl den Zeitpunkt als auch
den konkreten Zuschnitt der - in erster Linie an die hinzutretenden Soldatenver-
treter im Hauptpersonalrat gerichteten - Ausbildungsveranstaltung. Auch er-
scheint es angebracht, das Ergebnis des Abstimmungsprozesses zwischen
dem Bundesministerium der Verteidigung - … - und dem Gesamtvertrauens-
personenausschuss abzuwarten, zumal beide Seiten mit den Schreiben vom
5. Mai 2008 (…) bzw. vom 19. Mai 2008 (Sprecher GVPA) jeweils bedenkens-
werte Sachargumente vorgebracht haben, aus denen sich durchaus Spielräume
für die zu treffende Entscheidung über den Teilnehmerkreis der Ausbildung
ergeben.
Zum anderen ist es dem Antragsteller zumutbar, die von ihm befürchtete erneu-
te Nichtzulassung zu der Ausbildung nach § 45 Abs. 3 SBG abzuwarten. Da die
Auswahl der Teilnehmer schon aus organisatorischen Gründen mit einigem
zeitlichen Vorlauf getroffen wird, besteht im Falle einer negativen Entscheidung
für den Antragsteller hinreichend Gelegenheit, bis zum Beginn der Veranstal-
tung im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes seine Rechte geltend zu machen
und eine Klärung der dann konkret strittigen Punkte zu erlangen. Dem Senat
liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich eine den effektiven (auch
vorläufigen) Rechtsschutz ausschließende Situation wie am 10. März 2008
wiederholen wird, als die Zulassung des Antragstellers nach seiner Anreise zur
Ausbildung unmittelbar vor Veranstaltungsbeginn wieder aufgehoben wurde.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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