Urteil des BVerwG vom 26.10.2012

Aufschiebende Wirkung, Annahme Von Geschenken, Versetzung, Dienstort

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WDS-VR 6.12
BVerwG 1 WDS-VR 7.12
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Fregattenkapitän …,
….,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte …,
… -
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 26. Oktober 2012 beschlossen:
Die Verfahren BVerwG 1 WDS-VR 6.12 und BVerwG
1 WDS-VR 7.12 werden zu gemeinsamer Entscheidung
verbunden.
Die Verfahren werden eingestellt.
Der Antrag, die dem Antragsteller in den Verfahren vor
dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der in den
vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Auf-
wendungen dem Bund aufzuerlegen, wird abgelehnt.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller hat die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes
gegen die Versetzungsverfügung des Personalamts der Bundeswehr vom
2. August 2012 (Verfahren BVerwG 1 WDS-VR 6.12) und gegen die
1. Korrektur vom 3. September 2012 zu dieser Versetzungsverfügung (Verfah-
ren BVerwG 1 WDS-VR 7.12) begehrt, mit der er von seinem bisherigen
Dienstposten als Kommandeur der Lehrgruppe … der …schule (…) in P. zum
… in R. bzw. - in der Gestalt der 1. Korrektur vom 3. September 2012 - zum …,
Abteilung …, in B. versetzt worden ist.
Der 1968 geborene Antragsteller ist Berufssoldat in der Laufbahn der Offiziere
des Truppendienstes der Marine. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit Ab-
lauf des 30. Juni 2029 enden. Zum Fregattenkapitän wurde er mit Wirkung vom
3. Januar 2003 ernannt. Zum 1. März 2011 wurde er mit einer voraussichtlichen
Verwendungsdauer bis zum 30. September 2013 auf den Dienstposten des
Kommandeurs der Lehrgruppe … bei der … in P. versetzt. Von dort komman-
dierte ihn das Marineamt mit Verfügungen vom 30. Januar 2012 und vom
21. Mai 2012 für die Zeit vom 6. Februar bis zum 31. Juli 2012 zur Dienstleis-
tung zur Abteilung … des … nach B. . Seit dem 15. Oktober 2012 wird der An-
tragsteller aufgrund der bestandskräftigen Versetzungsverfügung des Perso-
nalamts der Bundeswehr vom 5. September 2012 auf einem Dienstposten als
Einsatzstabsoffizier Streitkräfte beim … der Bundeswehr verwendet.
Mit Schreiben vom 19. Juli 2012 beantragte der Amtschef des Marineamtes als
nächsthöherer Disziplinarvorgesetzter des Antragstellers beim Personalamt der
Bundeswehr die umgehende Wegversetzung des Antragstellers vom Dienst-
posten des Kommandeurs der Lehrgruppe … bei der … . Zur Begründung führ-
te er aus, dass gravierende Spannungen zwischen dem Antragsteller und ande-
ren Soldaten der … bestünden und darüber hinaus das Vertrauen sowohl der
Vorgesetzten als auch zahlreicher Untergebener in den Antragsteller nachhaltig
und unwiederherstellbar zerrüttet sei. Dadurch würden die dienstlichen Belange
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so ernst und nachhaltig beeinträchtigt, dass eine Versetzung des Antragstellers
erforderlich sei, um einen störungsfreien Dienstbetrieb an der … gewährleisten
zu können. Die Existenz erheblicher Spannungen habe der Antragsteller selbst
in seiner Eingabe an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages vom
23. Januar 2012 beschrieben. Er habe darin eine Vielzahl von Anlässen und
Begebenheiten genannt, bei denen die Spannungen zwischen ihm und dem
Kommandeur der …, aber auch zwischen ihm und anderen Soldaten der …
evident geworden seien. In diesem Zusammenhang spreche der Antragsteller
selbst von einem dadurch eingetretenen Vertrauensverlust. Der Kommandeur
der … habe in seiner Stellungnahme zu dieser Eingabe die vorgetragenen
Spannungen und Vertrauensverluste bestätigt. Der Kommandeur habe die
schon im Vorfeld der Zuversetzung des Antragstellers aufgetretenen Probleme
bezüglich der Übergabe der Dienstgeschäfte und des Kommandos über die
Lehrgruppe … dargestellt. Schon bald nach der Übernahme des Dienstpostens
durch den Antragsteller sei es aufgrund seines Verhaltens zu weiteren Span-
nungen mit verschiedenen Soldaten der … gekommen. Aus den dem Verset-
zungsvorschlag beigefügten Unterlagen und Meldungen gehe hervor, dass der
Antragsteller ein nicht hinnehmbares einschüchterndes und aggressives Auftre-
ten gegenüber anderen Soldaten an den Tag lege. Mehrere Soldaten, darunter
der Fachbereichsleiter Infanterie und der S 1-Offizier der … lehnten eine weite-
re persönliche Zusammenarbeit mit dem Antragsteller ab. Überdies habe der
Kommandeur der … am 2. Februar 2012 gegen den Antragsteller eine Diszipli-
narmaßnahme verhängt, weil der Antragsteller im November 2011 entgegen
der diesbezüglichen Regelung der Messeordnung der Messegesellschaft …
verschiedene alkoholische Getränke in die Offiziermesse der … eingebracht
und sie den Inspektionsfeldwebeln der Lehrgruppe … zum Verzehr angeboten
habe; ferner habe er ihnen Zigarren angeboten und selbst entgegen dem
Rauchverbot in den Räumlichkeiten der Messe geraucht. Im Rahmen einer pri-
vaten Weihnachtsfeier am 21. Dezember 2011 in den Räumlichkeiten der 1./…
habe der Antragsteller trotz des Rauchverbots innerhalb des Inspektionsgebäu-
des geraucht und dadurch ihm unterstellte Unteroffiziere und Mannschaftssol-
daten, darunter auch Lehrgangsteilnehmer, ebenfalls zum Rauchen in den In-
spektionsräumlichkeiten verleitet. Schließlich habe der Antragsteller versucht,
durch Beeinflussung des Inspektionsfeldwebels 3./… eine im Rahmen der ge-
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gen ihn geführten disziplinaren Ermittlungen nachteilige Aussage zu seinen
Gunsten zu verändern. Die vom Antragsteller gegen diese Disziplinarmaßnah-
me erhobene Beschwerde sei durch den - noch nicht bestandskräftigen - Be-
scheid des Admirals Ausbildung und Weiterentwicklung des Marineamtes vom
5. März 2012 zurückgewiesen worden. Das mehrfach disziplinar relevante
Fehlverhalten des Antragstellers als eines Vorgesetzten in der herausgehobe-
nen Dienststellung eines Lehrgruppenkommandeurs schädige in jedem Fall das
Vertrauen in dessen Person nachhaltig. Dies gelte unabhängig davon, dass
eine Entscheidung des Truppendienstgerichts noch ausstehe, weil bereits der
im Raum stehende begründete Verdacht einer schuldhaften Dienstpflichtverlet-
zung zu einer nachhaltigen Störung des erforderlichen Vertrauensverhältnisses
zwischen dem Antragsteller und seinem Disziplinarvorgesetzten geführt habe.
Die sich über einen Zeitraum von zehn Monaten stetig aufbauenden und verfes-
tigenden Spannungen und Vertrauensverluste seien dem Antragsteller frühzei-
tig kommuniziert worden; eine Verhaltensänderung sei eingefordert worden.
Gleichwohl habe der Antragsteller sein Verhalten nicht geändert. Eine Rückkehr
zu spannungsfreier und vertrauensvoller Zusammenarbeit im Dienstbetrieb sei
nicht zu erwarten. Zahlreiche Soldaten der …, unter anderem der Vorsitzende
des Örtlichen Personalrats …, die Vertrauensperson der Offiziere der … sowie
deren Stellvertreter, die Vertrauensperson der Unteroffiziere der …, der
S 1-Offizier, die Inspektionsfeldwebel der 1. und 3. Inspektion und nicht zuletzt
der Kommandeur der … hätten allein auf das Gerücht hin, dass der Antragstel-
ler erneut seine Dienstgeschäfte an der … aufnehmen könnte, in Meldungen
und Eingaben persönliche Konsequenzen angekündigt bzw. erklärt, dass sie für
diesen Fall gravierende persönliche Nachteile befürchteten. Die vom Antragstel-
ler gegen den Entwurf des Versetzungsvorschlags vorgebrachten Einwände
seien nicht begründet.
Der Entwurf des Versetzungsvorschlags und die dazu unter dem 22. Juni 2012
abgegebene Stellungnahme des nächsten Disziplinarvorgesetzten des Antrag-
stellers waren diesem am 25. Juni 2012 eröffnet worden. Der Antragsteller hatte
mit Schreiben vom 28. Juni 2012 zu dem Versetzungsvorschlag Stellung ge-
nommen. Der auf seinen Antrag hin angehörte Örtliche Personalrat beim …
hatte unter dem 11. Juli 2012 erklärt, dass aufgrund der dargelegten Ereignisse
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in der Vergangenheit keine Chance gesehen werde, dass mit der Rückkehr des
Antragstellers in seine Funktion als Lehrgruppenkommandeur ein spannungs-
und störungsfreier Dienstbetrieb zukünftig noch möglich sein werde. Deshalb
sprächen keine Gründe gegen den Versetzungsvorschlag.
Das Personalamt der Bundeswehr versetzte den Antragsteller mit der ange-
fochtenen Verfügung vom 2. August 2012 mit Dienstantritt am 3. August 2012
und mit einer voraussichtlichen Verwendungsdauer bis zum 30. September
2012 unter Nutzung einer Planstelle des z.b.V.-Etats zum …und gab als
Dienstort „R.“ an. Der Antragsteller legte dagegen mit Schreiben seiner Bevoll-
mächtigten vom 3. September 2012 Beschwerde ein und beantragte am
6. September 2012 die Aussetzung der Vollziehung der Versetzungsverfügung.
Diesen Antrag lehnte der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - mit Be-
scheid vom 12. September 2012 ab. Mit Schriftsatz vom 7. September 2012
beantragte der Antragsteller die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch
das Bundesverwaltungsgericht (Verfahren BVerwG 1 WDS-VR 6.12).
Mit der 1. Korrektur vom 3. September 2012 zur Versetzungsverfügung vom
2. August 2012 änderte das Personalamt den Dienstort R. in den Dienstort B. .
Gegen die Versetzungsverfügung in der Fassung der 1. Korrektur legte der An-
tragsteller mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 13. September 2012 Be-
schwerde ein; zugleich beantragte er die Aussetzung der Vollziehung dieser
Entscheidung. Diesen Antrag lehnte der Bundesminister der Verteidigung
- R II 2 - mit Bescheid vom 18. September 2012 ab. Gegen die Versetzungsver-
fügung vom 2. August 2012 in der Fassung der 1. Korrektur vom 3. September
2012 beantragte der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom
14. September 2012 ebenfalls die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
durch das Bundesverwaltungsgericht (Verfahren BVerwG 1 WDS-VR 7.12).
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Zu den beiden Verfahren hat der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - mit
Schreiben vom 13. September 2012 bzw. vom 20. September 2012 Stellung
genommen.
Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens hat der Antragsteller insbe-
sondere vorgetragen:
Die Versetzungsverfügung vom 2. August 2012 sei schon deshalb rechtswidrig,
weil er zum … an den Dienstort R. versetzt werde. Tatsächlich entspreche dies
nicht den realen Gegebenheiten. Er habe zu keinem Zeitpunkt seinen Dienst in
R. angetreten. Vielmehr sei er aufgefordert worden, sich nach B. zu begeben.
Dort versehe er seit der Umsetzung der Versetzungsverfügung seinen Dienst.
Infolge der falschen Versetzungsverfügung erhalte er am Dienstort B. kein
Trennungsgeld. Die kurzzeitige Versetzung für lediglich wenige Wochen solle
offenbar verhindern, dass er zur …schule in P. zurückkehren könne. Dies sei
ermessensfehlerhaft. Die Versetzungsverfügung vom 2. August 2012 sei ihm im
Übrigen nicht formell eröffnet worden. Kapitän zur See W. habe ihm lediglich
die Absicht eröffnet, dass er versetzt werden solle. Auch in der Fassung der
1. Korrektur sei die Versetzungsentscheidung des Personalamtes rechtswidrig,
weil das zugrundeliegende Verfahren einfachsten rechtsstaatlichen Grundsät-
zen widerspreche. Dem Versetzungsvorschlag sei ein Aktenordner mit einem
heillosen Sammelsurium von nicht zusammenhängenden Schriften beigefügt
gewesen. Unterschiedliche Personen hätten zu unterschiedlichen Zeitpunkten
irgendwelche Schreiben verfasst, die ihm teilweise unbekannt und teilweise in-
haltlich falsch seien. Dem Versetzungsvorschlag habe nur belastendes Material
zugrunde gelegen. Das Personalamt habe insofern auf der Grundlage lediglich
selektiv ausgewählter Unterlagen entschieden.
Der Antragsteller hat sinngemäß beantragt,
die aufschiebende Wirkung seiner Beschwerde vom
3. September 2012 gegen die Versetzungsverfügung des
Personalamts der Bundeswehr vom 2. August 2012
(Verfahren BVerwG 1 WDS-VR 6.12)
und die aufschiebende Wirkung seiner Beschwerde vom
13. September 2012 gegen die Versetzungsverfügung des
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Personalamts vom 2. August 2012 in der Fassung der
1. Korrektur vom 3. September 2012 (Verfahren BVerwG
1 WDS-VR 7.12)
anzuordnen.
Der Bundesminister der Verteidigung hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Er hat unter Bezugnahme auf seine Bescheide vom 12. September 2012 und
vom 18. September 2012 ausgeführt, dass für die Wegversetzung des Antrag-
stellers von der ... ein dienstliches Bedürfnis bestanden habe. Die herausgeho-
bene Stellung des Antragstellers als Kommandeur der Lehrgruppe … habe es
nicht zugelassen, dass der Inhaber eines solchen Dienstpostens weiter Dienst
in der … verrichte, wenn das Vertrauensverhältnis zu Kameraden, Untergebe-
nen und Vorgesetzten nachhaltig gestört sei und zumindest auch der Verdacht
eines Dienstvergehens gegen ihn bestehe.
Der Bundesminister der Verteidigung hat am 27. Juli 2012 seinen Erlass „Diszi-
plinare Unterstellung der in Dienststellen der Wehrverwaltung verwendeten
Soldatinnen und Soldaten“ herausgegeben. Darin hat er in Nr. 2 mit sofortiger
Wirkung das Personalamt der Bundeswehr und die Stammdienststelle der Bun-
deswehr aus ihrer truppendienstlichen Unterstellung unter den Inspekteur der
Streitkräftebasis herausgelöst und angeordnet, dass diese Dienststellen ihre
Geschäfte als zivile Dienststellen der Wehrverwaltung führen. Durch gerichtli-
che Verfügung vom 21. September 2012 sind die Verfahrensbeteiligten zu der
Frage angehört worden, ob es sich bei den angefochtenen Verfügungen (noch)
um dienstliche Maßnahmen handelt, für deren gerichtliche Kontrolle im Sinne
des § 17 Abs. 1 WBO das Truppendienstgericht bzw. gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1
WBO das Bundesverwaltungsgericht sachlich zuständig ist.
Dazu hat der Antragsteller mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom
1. Oktober 2012 vorgetragen, dass der Amtschef des Marineamtes mit seinem
Versetzungsvorschlag gegen seine Vorgesetztenpflichten aus § 10 Abs. 2,
Abs. 3 SG und außerdem gegen § 7 SG und gegen § 13 Abs. 1 SG verstoßen
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habe. Deshalb sei eine sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts
gegeben.
Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hat (in Abstimmung mit dem Bundesministe-
rium der Verteidigung - R II 1 und R II 2 - ) mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2012
ebenfalls die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für gege-
ben angesehen und im Wesentlichen vorgetragen, dass es für den einzuschla-
genden Rechtsweg ohne Belang sei, ob der Bundesminister der Verteidigung
die personaltechnische Funktion durch eine militärische Dienststelle oder durch
eine oder mehrere zivile Dienststellen in einem zivilen Organisationsbereich
Personal erledigen lasse. Es entspreche der ständigen Rechtsprechung des
Senats, dass er für Streitigkeiten zuständig sei, die als „truppendienstliche
Maßnahmen“ auf dem Verhältnis der besonderen militärischen Über- und Un-
terordnung beruhten. Die Entscheidung, wann und wo ein Soldat verwendet
werde, gehöre zum Kern der Personalführungsbefugnisse des Bundesministers
der Verteidigung. Zur Wahrnehmung dieser Befugnisse habe er sich seit jeher
bestimmter Dienststellen bedient. Ob diese als militärische oder als zivile
Dienststellen der Bundeswehr strukturiert seien, sei für die Qualifizierung von
Versetzungen und Kommandierungen als truppendienstliche Maßnahmen un-
erheblich. Es sei überdies nicht notwendig, dass die truppendienstliche Maß-
nahme von einem militärischen Vorgesetzten getroffen werde. Im Übrigen sei
die Personalführungs- und Entscheidungsbefugnis untrennbar mit der soldati-
schen Treuepflicht des § 7 SG im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts
des Soldatengesetzes verknüpft. Die durch eine Versetzung oder Kommandie-
rung unmittelbar berührte Dienstleistungspflicht korrespondiere mit dem Recht
des Soldaten, dass ihm diese Pflicht nur im rechtlich zulässigen Rahmen auf-
erlegt werde.
Zur Frage des Rechtsweges hat der Senat am 22. Oktober 2012 mit den Ver-
fahrensbeteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt.
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Im Hinblick auf den Ablauf der Geltungsdauer der angefochtenen Verfügungen
am 30. September 2012 hat der Antragsteller mit Schreiben seiner Bevollmäch-
tigten vom 26. Oktober 2012 den Rechtsstreit in beiden Verfahren in der Haupt-
sache für erledigt erklärt und sinngemäß beantragt,
die Kosten der Verfahren dem Bundesminister der Vertei-
digung aufzuerlegen.
Der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - hat der Erklärung der Erledigung
der Hauptsache durch den Antragsteller zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Ak-
ten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des Bundesministers der Vertei-
digung - R II 2 - … und … -, die Sachakte des Personalamts der Bundeswehr
mit dem vollständigen Versetzungsvorschlag und sämtlichen Anlagen, ferner
die Personalgrundakte des Antragstellers und die Gerichtsakten BVerwG 1 WB
38.12 und BVerwG 1 WB 39.12 haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Die Verfahren BVerwG 1 WDS-VR 6.12 und BVerwG 1 WDS-VR 7.12 beruhen
auf demselben Lebenssachverhalt und dienten dem Ziel, vorläufigen Rechts-
schutz gegen die Wegversetzung des Antragstellers von seinem Dienstposten
als Kommandeur der Lehrgruppe … bei der … in P. zu erlangen. Sie werden
deshalb für die noch erforderliche Kostenentscheidung zur gemeinsamen Ent-
scheidung verbunden (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 93 Satz 1 VwGO).
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in beiden Verfahren in der Hauptsa-
che übereinstimmend für erledigt erklärt haben, sind die Verfahren in entspre-
chender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß
§ 21 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kos-
ten der Verfahren zu entscheiden. Für die Kostenentscheidung sind die im Pro-
zessrecht allgemein geltenden Grundsätze maßgebend. Danach ist bei über-
einstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen
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unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden
(§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 3, § 23a Abs. 2 WBO und § 161 Abs. 2
Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 3. Juni 2009 - BVerwG 1 WB
2.09 - m.w.N.).
Billigem Ermessen entspricht es, die dem Antragsteller in den Verfahren er-
wachsenen notwendigen Aufwendungen nicht dem Bund aufzuerlegen, weil die
Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach dem bisherigen
Sach- und Streitstand erfolglos geblieben wären.
1. Zwar hat der Antragsteller mit der Einlegung der Anträge auf Gewährung vor-
läufigen Rechtsschutzes beim Bundesverwaltungsgericht - 1. Wehrdienstsenat -
den richtigen Rechtsweg beschritten.
Streitgegenstand der Verfahren ist eine Versetzungsverfügung, die ebenso wie
die Kommandierung eines Soldaten oder seine Umsetzung (= Anordnung des
Dienstpostenwechsels) zu den Entscheidungen über die dienstliche Verwen-
dung des Soldaten gehört (grundlegend: Beschluss vom 17. Januar 1974
- BVerwG 1 WB 89.72 - BVerwGE 46, 220, 222). Entscheidungen über die
dienstliche Verwendung des Soldaten, die in der Judikatur und der wehrrechtli-
chen Literatur zur Abgrenzung von den „Verwaltungsangelegenheiten“ (betref-
fend insbesondere das Statusverhältnis zwischen dem Soldaten und dem
Dienstherrn und die in § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO ausgenommenen vier Rege-
lungsmaterien) auch als „truppendienstliche“ Maßnahmen bezeichnet werden,
unterliegen nach ständiger Rechtsprechung des Senats der gerichtlichen Kon-
trolle durch die Wehrdienstgerichte (Beschlüsse vom 17. Januar 1974, a.a.O.,
vom 16. März 1977 - BVerwG 1 WB 137.76 - BVerwGE 53, 265, <1. Leitsatz>
und vom 19. Dezember 1996 - BVerwG 1 WB 71.96 - DokBer B 1997, 185 =
juris Rn. 10). Für die Bestimmung, ob es sich um eine truppendienstliche oder
um eine Verwaltungsangelegenheit handelt, sind die „wahre Natur des geltend
gemachten Anspruchs und die begehrte Rechtsfolge“ maßgeblich (grundle-
gend: Beschlüsse vom 10. Juni 1969 - BVerwG 1 WB 69.69 - BVerwGE 33,
307, vom 19. August 1971 - BVerwG 1 WB 21.71 - BVerwGE 43, 258, 259 f und
vom 7. Juli 1981 - BVerwG 1 WB 25.81 - BVerwGE 73, 208 f).
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Die Organisationsweisung des Bundesministers der Verteidigung in Nr. 2 sei-
nes Erlasses „Disziplinare Unterstellung der in Dienststellen der Wehrverwal-
tung verwendeten Soldatinnen und Soldaten“ vom 27. Juli 2012 gibt keine Ver-
anlassung, diese Rechtsprechung zu revidieren. Denn die Organisationsstruktur
des Trägers einer Verwendungsentscheidung als (militärische oder zivile)
Dienststelle oder als (militärisches oder ziviles) Amt der Bundeswehr stellt kein
Abgrenzungskriterium für die Bestimmung des Rechtswegs zu den Wehrdienst-
gerichten dar.
a) Das folgt bereits aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 WBO.
Abweichend von § 82 Abs. 1 SG, der für Klagen der Soldaten aus dem Wehr-
dienstverhältnis generell die sachliche Zuständigkeit der allgemeinen Verwal-
tungsgerichte anordnet, eröffnet § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (ggf. i.V.m. § 21
Abs. 2 Satz 1 WBO) den speziellen Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten,
wenn die dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung zugrunde liegende Be-
schwerde eine Verletzung von Rechten des Soldaten oder eine Verletzung von
Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegenüber zum Gegenstand hat, die im Zwei-
ten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme
der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind. Diese zentralen Anknüpfungspunkte des
individuellen Rechtsschutzes - Rechte des Soldaten und Pflichten eines Vorge-
setzten ihm gegenüber - sind seit Inkrafttreten der Wehrbeschwerdeordnung
vom 23. Dezember 1956 (BGBl. I Seite 1066, 1068) unverändert in § 17 Abs. 1
Satz 1 WBO enthalten. Daraus folgt zunächst, dass die Wehrdienstgerichte
- außerhalb der „Verwaltungsangelegenheiten“ - für die gerichtliche Überprü-
fung der Befehle und sonstigen Maßnahmen (vgl. § 19 Abs. 1 WBO) sowie ggf.
der Unterlassungen (vgl. § 17 Abs. 3 WBO) von militärischen Vorgesetzten
gegenüber Soldaten sachlich zuständig sind. Diese Zuständigkeit knüpft an die
Rechte und Pflichten in dem besonderen Verhältnis der militärischen Über- und
Unterordnung an, wobei das Gesetz aber lediglich auf „einen“ Vorgesetzten
abstellt, nicht auf den (nächsten) Disziplinarvorgesetzten oder auf den Vorge-
setzten mit unmittelbarer Befehlsbefugnis gegenüber dem betroffenen Sol-
daten.
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Außerdem sind die Wehrdienstgerichte für die Kontrolle von dienstlichen Maß-
nahmen und Unterlassungen zuständig, die sich auf die Rechte der Soldaten
beziehen, die § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO aus dem Zweiten Unterabschnitt des
Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes in Bezug nimmt und für deren Gewähr-
leistung es maßgeblich ist, ob ein (militärischer) Vorgesetzter entschieden
bzw. eine gebotene Entscheidung/Handlung unterlassen hat oder ob ein unmit-
telbares (militärisches) Über- und Unterordnungsverhältnis vorliegt. Die Kompe-
tenz zur Entscheidung über zahlreiche dieser Rechte der Soldaten ist gesetzlich
nicht einem (militärischen) Vorgesetzten, sondern einer Dienststelle der Bun-
deswehr übertragen. Das gilt zum Beispiel im Rahmen des § 19 Abs. 1 Satz 2
SG (Ausnahme für Annahme von Geschenken: oberste oder letzte oberste
Dienstbehörde), des § 20 Abs. 5 Satz 1 SG i.V.m. § 9 Abs. 1 BNV (Genehmi-
gung von Nebentätigkeiten: oberste Dienstbehörde, BMVg als Behörde oder die
von ihm beauftragte Stelle), des § 28 Abs. 1, Abs. 3 SG i.V.m. § 14 SUV (Erho-
lungs- und Sonderurlaub: BMVg als Behörde oder die vom ihm bestimmte Stel-
le), des § 28 Abs. 5 SG (Betreuungsurlaub: Entlassungsdienststelle des Sol-
daten, vgl. Walz/Eichen/Sohm, SG, 2. Aufl. 2010, § 28, Rn. 46), des § 28 Abs. 6
SG (Wahlbewerberurlaub: BMVg als Behörde, vgl. Walz et al., a.a.O., Rn. 62),
des § 28 Abs. 7 SG i.V.m. § 3 EltZSoldV (Elternzeit: BMVg als Behörde oder
die von ihm beauftragte Stelle) oder des § 30a Abs. 2 Satz 1 SG i.V.m. § 4
STzV (Teilzeitbeschäftigung: BMVg als Entlassungsdienststelle, sonstige Ent-
lassungsdienststelle).
Nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO erstreckt sich die sachliche
Zuständigkeit der Wehrdienstgerichte mithin ausdrücklich auch auf Entschei-
dungen, Maßnahmen und Unterlassungen von Dienststellen der Bundeswehr,
ohne dass der Gesetzgeber danach differenziert hat, ob diese ihre Maßnahmen
als militärische oder als zivile Dienststellen der Bundeswehr zu treffen haben.
Insofern korrespondiert § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO inhaltlich mit § 1 Abs. 1 Satz 1
WBO, der sich ebenfalls auf militärische und auf zivile Dienststellen der Bun-
deswehr bezieht (Dau, WBO 5. Aufl. 2009, § 1 Rn. 71 ff).
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Dabei ist hervorzuheben, dass im Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Verteidigung in der Verwaltungspraxis auch über Versetzungen, Komman-
dierungen und Umsetzungen (Dienstpostenwechsel) von Soldaten in der Regel
bestimmte personalisierte militärische Vorgesetzte entscheiden. Für diese
Anordnungen zur dienstlichen Verwendung fehlen gesetzliche bzw. normative
Vorschriften; sie sind ausschließlich in Verwaltungsvorschriften bzw. in Erlassen
des Bundesministeriums der Verteidigung geregelt, insbesondere in den Richt-
linien zur Versetzung, zum Dienstpostenwechsel und zur Kommandierung von
Soldaten vom 3. März 1988 (VMBl S. 76) in der zuletzt am 9. Juni 2009 (VMBl
S. 86) geänderten Fassung - im Folgenden: Versetzungsrichtlinien - sowie in
der ZDv 14/5, Teil B 171. Das Bundesministerium der Verteidigung hat in der
ZDv 14/5 einerseits Versetzungen, Kommandierungen und Umsetzungen als
Befehle qualifiziert, andererseits für deren Anordnung ausdrücklich auch
Dienststellen der Bundeswehr als zuständig bezeichnet. Die in Nr. 15 ZDv 14/5
Teil B 171 festgelegte originäre Zuständigkeit der jeweiligen Dienststellen-Leiter
wird in der ständigen Verwaltungspraxis in der Regel nicht ausgeübt. Es han-
deln vielmehr die Fach- und Personalreferate „im Auftrag“.
b) Dass die Rechtswegzuweisung an die Wehrdienstgerichte in erster Linie von
der Frage abhängen soll, welche Rechte und Pflichten in Rede stehen,
nicht aber von der Organisationsstruktur der insoweit verpflichteten Entschei-
dungsträger, folgt außerdem aus der historischen Auslegung des § 17 Abs. 1
Satz 1 WBO. Der Gesetzgeber verfolgte mit der Neuregelung des Rechtsschut-
zes für Soldaten in der Wehrbeschwerdeordnung durch unabhängige Wehr-
dienstgerichte das Ziel, zwar die Streitigkeiten um die Rechtsstellung des Sol-
daten, insbesondere um die Begründung und die Beendigung des Wehrdienst-
verhältnisses, den allgemeinen Verwaltungsgerichten zuzuweisen. Die Fälle, in
denen der Soldat im „eigentlichen militärischen Dienstbereich in seinen Rechten
verkürzt wird“ und die „zum Bereich des inneren Gefüges der Bundeswehr“ ge-
hören, sollten hingegen den Wehrdienstgerichten zugewiesen sein, die für die
Entscheidung derartiger Materien wegen der Besetzung mit ehrenamtlichen
Richtern (Soldaten) als militärischen Fachbeisitzern neben den Berufsrichtern
und wegen der möglichen beschleunigten Rechtsprechung dieser Spruchkörper
besonders geeignet erschienen (Begründung der Bundesregierung zum „Ent-
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wurf einer Wehrbeschwerdeordnung“, BT-Drucks 2/2359 vom 4. Mai 1956, S. 6,
7, 14 ). Diese Abgrenzung des Gesetzgebers erstreckt sich in-
haltlich vor allem auf die konkrete Verwendung des Soldaten, d.h. auf seine
„Einweisung in einen bestimmten soldatischen Pflichtenkreis“ (vgl. dazu Urteil
vom 14. März 1984 - BVerwG 6 C 70.82 - BVerwGE 69, 83, 86 = Buchholz
238.4 § 20 SG Nr. 1 S. 3). Die Entscheidungen über die dienstliche Verwen-
dung eines Soldaten betreffen den Kern des inneren militärischen Dienstbe-
triebs, dessen Kontrolle der historische Gesetzgeber über § 17 Abs. 1 Satz 1
WBO den Wehrdienstgerichten zuweisen wollte.
c) Auch die systematische Auslegung der Norm stützt dieses Ergebnis. Wie die
Bevollmächtigten und der Bundeswehrdisziplinaranwalt zutreffend hervorheben,
verweist § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO unter anderem auf die in § 7 SG geregelte
Pflicht zum treuen Dienen. Zur Dienstleistungspflicht nach § 7 SG gehört die
Pflicht des Soldaten, jederzeit versetzungsbereit zu sein; damit ist die Personal-
führungs- und Entscheidungsbefugnis der insoweit zuständigen Entscheidungs-
träger der Bundeswehr unmittelbar mit der soldatischen Treuepflicht verbunden.
Das Prinzip der jederzeitigen Versetzbarkeit der Soldaten ist unabdingbarer
Bestandteil der Führung des militärischen Personals (vgl. Beschlüsse vom
6. Mai 1971 - BVerwG 1 WB 8.70 - BVerwGE 43, 215, 219 und vom 24. Juli
1996 - BVerwG 1 WB 55.96 - juris Rn. 12). Die über die dienstliche Verwen-
dung getroffene Personalmaßnahme konkretisiert jeweils einzelfall- und perso-
nenbezogen die soldatische Treuepflicht; sie ist damit im „eigentlichen militäri-
schen Dienstbereich“ verankert, hingegen nicht im Statusbereich oder im Be-
reich der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 31 SG). Zur Dienstleistungspflicht
des Soldaten nach § 7 SG gehört es im Übrigen, nicht nur Befehlen seiner mili-
tärischen Vorgesetzten, sondern auch den Anordnungen und Weisungen ziviler
Vorgesetzter zu folgen (Scherer/Alff/Poretschkin, SG, 8. Aufl., 2008, § 1,
Rn. 55, § 7, Rn. 16 und 21; Walz et al., a.a.O., § 1 Rn. 69 m.w.N.).
Innerhalb des § 7 SG stellt die jederzeitige Versetzbarkeit allerdings nicht ein
bedingungsloses Prinzip dar. Vielmehr hat der betroffene Soldat ein Recht da-
rauf, dass ihn die Treuepflicht bei Anordnungen und Entscheidungen zu seiner
dienstlichen Verwendung nur nach Maßgabe der insoweit geltenden rechtlichen
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Rahmenbedingungen trifft. Hierbei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die in
den Versetzungsrichtlinien sehr detailliert geregelten Voraussetzungen für Ver-
wendungsentscheidungen, die an die Gesundheit des Soldaten und seiner
nächsten Angehörigen, an eine eventuelle Schwerbehinderung, an den Schutz
von Ehe und Familie sowie an die Aufrechterhaltung einer effektiven Personal-
vertretung der Soldaten anknüpfen, individuelle Rechte des Soldaten im Sinne
des § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO begründen können, der auch auf § 6 SG und in-
soweit auf Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 2 GG und Art. 6 Abs. 1 GG sowie auf § 35 SG
verweist.
d) Über das Vorstehende hinaus lässt sich verallgemeinernd sagen, dass die
Entscheidungen über die dienstliche Verwendung eines Soldaten ihrem Inhalt
nach eine des Zweiten Unterabschnitts des Ersten Abschnitts des Sol-
datengesetzes sind, die als solche in die Rechtswegzuweisung an die Wehr-
dienstgerichte fällt. Das Soldatengesetz regelt Statusfragen in einem systema-
tisch getrennten und abgeschlossenen Vorschriftenkomplex (im Zweiten Ab-
schnitt); einzelne damit eng zusammenhängende im Zweiten Unterabschnitt
des Ersten Abschnitts geregelte Aspekte, die vornehmlich die Rechtsstellung
des Soldaten im Verhältnis zum Dienstherrn betreffen, sind von der Rechts-
wegzuweisung an die Wehrdienstgerichte ausdrücklich ausgenommen (§§ 24,
25, 30 und 31 SG). Soweit das Soldatengesetz Vorschriften enthält, die auf
Entscheidungen zur dienstlichen Verwendung des Soldaten („truppendienstli-
che“ Entscheidungen) einwirken, finden sich diese im Zweiten Unterabschnitt
des Ersten Abschnitts; das gilt insbesondere für die Vorschriften über die Lauf-
bahnen der Soldaten in § 27 SG. Würde für die typischen Entscheidungen über
die dienstliche Verwendung des Soldaten (Versetzung, Kommandierung und
Anordnung des Dienstpostenwechsels) deshalb eine den §§ 27 bis 29 BBG
entsprechende gesetzliche Grundlage geschaffen (die für Soldaten bisher fehlt),
liegt es nahe, diese systematisch im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Ab-
schnitts anzusiedeln.
2. Die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wären aber in der
Sache erfolglos geblieben.
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Die Versetzungsverfügung des Personalamts vom 2. August 2012 war - auch in
der Fassung ihrer 1. Korrektur vom 3. September 2012 - rechtmäßig und hat
den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt.
Ein Soldat hat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte fachliche oder
örtliche Verwendung oder auf Verwendung auf einem bestimmten Dienstpos-
ten. Die insoweit zu treffende Ermessensentscheidung kann nur auf Ermes-
sensfehler im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 WBO überprüft werden sowie da-
rauf, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von
diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Ge-
brauch gemacht worden ist (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 114 VwGO). Die ge-
richtliche Überprüfung richtet sich auch darauf, ob die vom Bundesministerium
der Verteidigung im Wege der Selbstbindung in Erlassen und Richtlinien festge-
legten Maßgaben und Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, wie sie
sich hier insbesondere aus den Versetzungsrichtlinien ergeben.
Für die Wegversetzung des Antragstellers von seinem Dienstposten als Kom-
mandeur der Lehrgruppe … bei der … in P. bestand ein dienstliches Bedürfnis.
Nach Nr. 5 Buchst. h der Versetzungsrichtlinien ist das dienstliche Bedürfnis für
eine (vorzeitige) Versetzung gegeben, wenn Störungen, Spannungen und/oder
Vertrauensverluste, die den Dienstbetrieb unannehmbar belasten, nur durch
eine Versetzung des Soldaten behoben werden können. Nach ständiger Recht-
sprechung des Senats erstreckt sich der Geltungsbereich der Nr. 5 Buchst. h
der Versetzungsrichtlinien nicht nur auf das Verhältnis zwischen einem Sol-
daten und seinem nächsten (Disziplinar-)Vorgesetzten, sondern erfasst auch
die genannten Störungen im Verhältnis zu weiteren (vorgesetzten) Dienststellen
oder zu Kameraden eines Soldaten (vgl. z.B. Beschlüsse vom 10. März 2004
- BVerwG 1 WB 54.03 -, vom 13. Juni 2007 - BVerwG 1 WDS-VR 2.07 -
soweit nicht abgedruckt in Buchholz 449.7 § 48 SBG Nr. 2> und vom
15. August 2008 - BVerwG 1 WDS-VR 12.08 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 47,
Rn. 23).
Dass gravierende Spannungen und Vertrauensverluste zwischen dem Antrag-
steller und dem Kommandeur der … sowie weiteren Soldaten, die bei der …
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verwendet werden, bestehen, ist letztlich nicht streitig. Dies hat der Antragstel-
ler selbst in seiner Eingabe an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundes-
tages vom 23. Januar 2012 im Einzelnen dargestellt, die er ausdrücklich zum
Gegenstand seiner Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ge-
macht hat. In dieser Eingabe hat der Antragsteller u.a. ausgeführt, dass die „Si-
tuation an der … nunmehr insgesamt vollständig eskaliert“ sei. Er führt u.a. aus,
dass sich die Zusammenarbeit mit dem Dienststellenleiter von Beginn an äu-
ßerst schwierig gestaltet habe. Es habe Konfrontationen mit dem Kommandeur
der Schule gegeben; die Spannungen zwischen dem Kommandeur und der
Lehrgruppe … seien „hinlänglich bekannt“. Dass gravierende Spannungen zwi-
schen dem Antragsteller als Lehrgruppenkommandeur und anderen Soldaten
an der …, insbesondere in dem Bereich der Lehrgruppe, bestanden, ergibt sich
im Einzelnen aus den Stellungnahmen des S 1-Offiziers der … vom 7. Juni
2012, der Vertrauensperson der Unteroffiziere der … vom 17. Juni 2012, der
Vertrauensperson der Offiziere vom 18. Juni 2012, des Vorsitzenden des Per-
sonalrats der … vom 19. Juni 2012 und des Hauptbootsmanns I. vom 18. Juni
2012. In diesen Äußerungen, die dem Versetzungsantrag des Amtschefs des
Marineamtes beigefügt waren, wird übereinstimmend die Auffassung dargelegt,
dass eine weitere sachdienliche Zusammenarbeit mit dem Antragsteller und
eine störungsfreie Dienstbeziehung zu ihm nicht möglich seien. Schon aufgrund
dieser Unterlagen ist die Einschätzung des Personalamts nicht zu beanstanden,
dass während der Verwendung des Antragstellers als Lehrgruppenkomman-
deur Spannungen und Vertrauensverluste in der … eingetreten sind, die den
Dienstbetrieb unannehmbar belasteten und an denen der Antragsteller beteiligt
war.
Überdies konnte die Einschätzung unannehmbarer Belastungen des Dienstbe-
triebes nach gefestigter Rechtsprechung des Senats ohne Rechtsfehler darauf
gestützt werden, dass gegen den betroffenen Soldaten der Verdacht einer
schuldhaften Dienstpflichtverletzung besteht (vgl. Beschlüsse vom 8. Mai 2001
- BVerwG 1 WB 14.01 -, vom 14. Juli 2005 - BVerwG 1 WB 66.04 - NZWehrr
2006, 157 und vom 26. Oktober 2006 - BVerwG 1 WB 24.06 - Rn. 27). Gegen
den Antragsteller wurde mit Verfügung des Kommandeurs der … vom
2. Februar 2012 eine Disziplinarbuße mit der Begründung verhängt, dass er als
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Vorgesetzter mangelnde Disziplin hinsichtlich des Rauchens gezeigt habe, Un-
tergebene aufgefordert habe zu rauchen und trotz bestehender Rauchverbote
das Rauchen von Untergebenen geduldet habe, alkoholische Getränke ent-
gegen bestehender Bestimmungen in die Offiziermesse eingebracht habe und
einen Zeugen im Rahmen der gegen den Antragsteller geführten disziplinaren
Ermittlungen zu beeinflussen versucht habe. Dieser Verdacht stellt eine Störung
des Dienstbetriebs dar, denn er war objektiv geeignet, insbesondere das Ver-
trauen der Vorgesetzten des Antragstellers in dessen uneingeschränkte Integri-
tät in seiner Funktion als Lehrgruppenkommandeur zu beeinträchtigen. In die-
sem Zusammenhang ist es unerheblich, dass die Disziplinarbuße angefochten
wurde und der ihr zugrunde gelegte - vom Antragsteller teilweise bestrittene -
Sachverhalt nicht rechtskräftig festgestellt ist. Nach ständiger Rechtsprechung
des Senats reicht der bloße Verdacht der dem betroffenen Soldaten zur Last
gelegten schuldhaften Dienstpflichtverletzung aus, um ein dienstliches Bedürf-
nis für eine Wegversetzung zu begründen (vgl. z.B. Beschluss vom 26. Oktober
2006 - BVerwG 1 WB 24.06 - Rn. 27 m.w.N.).
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kommt es im Fall einer Span-
nungsversetzung nicht darauf an, wer an der Entstehung der Störungen, Span-
nungen oder des Vertrauensverlusts „schuld“ ist bzw. ob einem der Beteiligten
überhaupt eine „Schuld“ im Rechtssinne zugewiesen werden kann; für eine
Wegversetzung genügt es vielmehr, dass der von der Maßnahme betroffene
Soldat an den entstandenen Störungen, Spannungen und Vertrauensverlusten
beteiligt war (vgl. zum Ganzen: Beschluss vom 13. Juni 2007 - BVerwG 1 WDS-
VR 2.07 -
m.w.N.>). Das traf hier auf den Antragsteller zu.
Die Einschätzung des Personalamts, dass die aufgetretenen Spannungen und
Vertrauensverluste den Dienstbetrieb an der … unannehmbar belasteten und
nur durch eine Versetzung des Antragstellers behoben werden konnten, ist
nachvollziehbar und rechtlich nicht zu beanstanden. Die herausgehobene Stel-
lung des Kommandeurs einer Lehrgruppe, der umfangreiche Vorgesetztenfunk-
tionen wahrzunehmen und innerhalb der Lehrgruppe eine besondere Vorbild-
funktion zu erfüllen hat, lässt es nicht zu, dass der Inhaber eines solchen
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Dienstpostens weiter Dienst in seiner Einheit verrichtet, wenn der hinreichende
Verdacht eines Dienstvergehens gegen ihn besteht und wenn die zwischen ihm
und anderen Soldaten und dem Kommandeur der Schule bestehenden Span-
nungen ein solches Ausmaß erreicht haben, dass die Effektivität und Wirksam-
keit des täglichen Dienstbetriebs nicht mehr in der erforderlichen Form gewähr-
leistet ist.
Bestand danach ein dienstliches Bedürfnis für die Wegversetzung des Antrag-
stellers von seinem Dienstposten bei der … in P., begründet dieser Umstand
zugleich das dienstliche Bedürfnis für seine Versetzung auf einen zbV-Dienst-
posten beim M. .
Gegen diese Zuversetzung und insbesondere gegen den Dienstort B. hat der
Antragsteller keine Einwände erhoben. Entgegen seiner Auffassung ist es un-
erheblich, dass in der Erstfassung der Versetzungsverfügung vom 2. August
2012 - wie der Bundesminister der Verteidigung darlegt, infolge eines Bürover-
sehens - der nicht zutreffende Dienstort R. genannt worden ist. Die Erstfassung
der Verfügung vom 2. August 2012 ist dem Antragsteller, wie er selbst vorträgt,
nicht förmlich eröffnet worden. Eine Versetzungsverfügung wird - ungeachtet
ihrer Wirkung für die individuelle Rechtsstellung des versetzten Soldaten nach
Nr. 12 Abs. 1 ZDv 14/5 Teil B 171 - erst mit ihrer Bekanntgabe an den betroffe-
nen Soldaten wirksam. Das ergibt sich aus der im Wehrbeschwerdeverfahren
entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG (Be-
schluss vom 25. März 2008 - BVerwG 1 WDS-VR 4.08 - Buchholz 449.7 § 23
SBG Nr. 6 Rn. 26 m.w.N.).
Mit der am 3. September 2012 verfügten 1. Korrektur hat das Personalamt den
zutreffenden Dienstort B. rückwirkend in die Versetzungsverfügung vom
2. August 2012 eingefügt und damit vor dem Wirksamwerden der Erstfassung
dieser Versetzungsverfügung deren Regelungsgehalt bezüglich des Dienstortes
inhaltlich geändert. Vom Antragsteller ist nicht substantiiert dargelegt und für
den Senat auch nicht ersichtlich, dass die falsche Angabe des Dienstortes R. in
der noch nicht wirksamen Erstfassung seine Rechte im Hinblick auf die Ver-
wendungsänderung hätte verletzen können. Der Antragsteller hat insoweit
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selbst vorgetragen, dass er in Vollzug der Versetzung zum … mit Dienstantritt
am 3. August 2012 zu keiner Zeit am Dienstort R. eingesetzt worden sei; viel-
mehr sei ihm von Vorgesetzten befohlen worden, den Dienstort B. aufzusuchen.
Da die 1. Korrektur rückwirkend auf den Tag des Dienstantritts ausgesprochen
worden ist, sind die vom Antragsteller befürchteten Nachteile bei der Tren-
nungsgeldgewährung nicht nachvollziehbar.
Die angefochtene Versetzungsentscheidung weist auch keine formellen Fehler
auf. Sie steht mit Nr. 21 der Versetzungsrichtlinien im Einklang. Danach sind
Versetzungen mit Wechsel des Standortverwaltungsbereichs dem Soldaten
spätestens drei Monate vor Dienstantritt bei der neuen Einheit/Dienststelle be-
kanntzugeben. Dies gilt jedoch nicht bei einer Versetzung nach Nr. 5 Buchst. h
der Versetzungsrichtlinien.
Die weiteren Formalien der Nr. 9 der Versetzungsrichtlinien sind eingehalten
worden. Der nächste Disziplinarvorgesetzte des Antragstellers hat zu dem Ver-
setzungsvorschlag des nächsthöheren Vorgesetzten am 22. Juni 2012 Stellung
genommen. Der Örtliche Personalrat beim … ist auf Antrag des Antragstellers
zu dem Versetzungsvorschlag angehört worden. Der Antragsteller selbst hat
sich zu dem Versetzungsvorschlag äußern können und diese Gelegenheit
wahrgenommen.
Die Ermessensentscheidung im Rahmen der Versetzungsentscheidung lässt
ebenfalls keine Rechtsfehler erkennen. Konkrete Anhaltspunkte für einen Er-
messensfehlgebrauch oder eine Überschreitung der gesetzlichen Grenzen des
Ermessens sind nicht ersichtlich. Der Umstand, dass das Personalamt den An-
tragsteller lediglich für die Zeit vom 3. August bis zum 30. September 2012 zum
… versetzt hat, dokumentiert keine fehlerhafte Ausübung des Ermessens. In-
soweit hat der Amtschef des … im Versetzungsvorschlag plausibel und nach-
vollziehbar dargelegt, dass eine kurzfristige Spannungsversetzung die Möglich-
keit habe schaffen sollen, den Dienstposten des Kommandeurs der Lehrgrup-
pe … zeitnah nachzubesetzen. Angesichts der besonderen Bedeutung dieses
Dienstpostens insbesondere für den Ausbildungsbetrieb ist es rechtlich nicht zu
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beanstanden, dass das Personalamt eine weitere zweimonatige faktische Va-
kanz als nicht mehr akzeptabel angesehen hat.
Dr. von Heimburg
Dr. Frentz
Dr. Langer
Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Wehrbeschwerdeverfahrensrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
WBO § 17 Abs. 1
SG § 82
Stichworte:
Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten;
Dienstliche Maßnahme;
Dienstliche Verwendung eines Soldaten
Leitsatz:
Entscheidungen über die dienstliche Verwendung eines Soldaten unterliegen
als „truppendienstliche“ Maßnahmen gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO der ge-
richtlichen Überprüfung durch die Wehrdienstgerichte. Das gilt unabhängig da-
von, ob der Bundesminister der Verteidigung den Erlass solcher Maßnahmen
einer militärischen oder einer zivilen Dienststelle der Bundeswehr übertragen
hat.
Beschluss des 1. Wehrdienstsenats vom 26. Oktober 2012
- BVerwG 1 WDS-VR 6.12, BVerwG 1 WDS-VR 7.12 -