Urteil des BVerwG vom 29.04.2008

Versetzung, Universität, Aufschiebende Wirkung, Unbestimmter Rechtsbegriff

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WDS-VR 6.08
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Leutnant ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 29. April 2008 beschlossen:
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Antrags auf
gerichtliche Entscheidung vom 24. Januar 2008 gegen die
fernschriftliche Versetzungsverfügung des Personalamts
der Bundeswehr vom 11. Dezember 2007 und die Aufhe-
bung der Vollziehung dieser Versetzungsverfügung anzu-
ordnen, wird abgelehnt.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich gegen seine vom Personalamt der Bundeswehr
angeordnete Versetzung von der Universität der Bundeswehr X zur
.../...bataillon ... in M.
Der 1982 geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit mit einer auf sechs Jahre
festgesetzten Dienstzeit, die mit Ablauf des 30. Juni 2008 enden wird. Nach
dem Offizieranwärterlehrgang und dem Offizierlehrgang wurde er mit Wirkung
vom 1. Juli 2005 zum Leutnant ernannt. Das Personalamt der Bundeswehr ver-
fügte zum 1. Oktober 2005 seine Versetzung zur Universität der Bundeswehr X,
Fachbereich ..., auf einen Dienstposten mit der Ausbildungs- und Tätigkeitsbe-
zeichnung „Schüler“ zum Zweck des Studiums der ...
Mit Telefax-Schreiben vom 10. Dezember 2007 teilte der Leiter Studentenfach-
bereichsgruppe ... der Universität der Bundeswehr X dem Personalamt mit,
dass der Antragsteller sein Studium nicht erfolgreich beendet habe; es bestehe
keinerlei Prüfungsanspruch mehr. Eine Versetzung solle aufgrund des eheli-
chen Kindes des Antragstellers zum 7. Januar 2008 erfolgen, um den Umzug
reibungslos koordinieren zu können. Der Leiter Studentenfachbereichsgrup-
pe ... teilte als Verwendungswünsche des Antragstellers „Raum H.,
...bataillon ... B.“ mit.
Mit der angefochtenen fernschriftlichen Verfügung vom 11. Dezember 2007
ordnete das Personalamt die Versetzung des Antragstellers von der Universität
der Bundeswehr X zur .../...bataillon ... in M. zum 1. Januar 2008 mit Dienstan-
tritt am 7. Januar 2008 an.
Gegen diese ihm am 14. Dezember 2007 bekannt gegebene Verfügung legte
der Antragsteller mit Schreiben vom 16. Dezember 2007 Beschwerde ein und
machte geltend, er habe am 8. November 2007 einen Antrag auf Studienzeit-
verlängerung gestellt, der noch nicht beschieden sei. Er fühle sich beschwert,
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weil ein Abbruch seines Studiums angestrebt werde, ohne ihm zuvor einen ab-
schließenden Bescheid auf diesen Antrag zu eröffnen. Er bitte, die Rechtmä-
ßigkeit der Versetzung zu prüfen und gegebenenfalls die Maßnahme rückgän-
gig zu machen. Zugleich beantragte der Antragsteller die Aussetzung des Voll-
zuges der Versetzung.
Den Antrag des Antragstellers vom 8. November 2007, das Überschreiten der
Höchststudienzeit von zwei Jahren zum Abschluss der Diplomvorprüfung zu
genehmigen, hatte das Personalamt mit Bescheid vom 12. Dezember 2007
abgelehnt. Dieser Bescheid wurde dem Antragsteller am 7. Januar 2008 eröff-
net; er ist bestandskräftig.
Mit Bescheid vom 24. Januar 2008 wies der Bundesminister der Verteidigung
- PSZ I 7 - den Antrag des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung der
Versetzungsverfügung zurück.
Mit Schreiben vom 24. Januar 2008 legte der Antragsteller einen als „Untätig-
keitsbeschwerde“ bezeichneten Rechtsbehelf ein, den der Bundesminister der
Verteidigung - PSZ I 7 - als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die
Versetzungsverfügung gewertet und mit seiner Stellungnahme vom 6. März
2008 dem Senat vorgelegt hat (Verfahren BVerwG 1 WB 16.08). In der Untä-
tigkeitsbeschwerde hat der Antragsteller ergänzend beantragt, „den Dienstan-
tritt in M. aufzuschieben, bis eine endgültige Entscheidung getroffen wurde“.
Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens trägt der Antragsteller insbe-
sondere vor:
Ein Aufschub seines Dienstantritts in M. sei notwendig, weil ansonsten Tatsa-
chen geschaffen würden, die nur mühsam rückgängig gemacht werden könn-
ten. Bis heute sei über seine Beschwerde vom 16. Dezember 2007 nicht ent-
schieden worden. Mit der Personalentscheidung sei er nach wie vor nicht ein-
verstanden. Zwar sei er am 7. Januar 2008 exmatrikuliert worden; seine Ver-
setzung als Zugführer in die .../...bataillon ... halte er jedoch für falsch. Mit
Rücksicht auf sein Dienstzeitende am 30. Juni 2008 und auf einen noch beste-
henden Urlaubsanspruch im Umfang von 38 Tagen stünden die verursachten
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Trennungsgeld-Kosten in keinem Verhältnis zu dem dienstlichen Nutzen, den
eine Versetzung an diesen Standort mit sich bringen könne. Der Dienstposten
des Zugführers erfordere eine Kontinuität, die bei einer Wahrnehmung durch
ihn an nur noch 69 Tagen nicht gewährleistet sei. Überdies sei es für ihn als
Familienvater eine erhebliche Belastung, wöchentlich 1 450 km Autofahrt zu
bewältigen, ohne dass dies dienstlich erforderlich sei. Insoweit beziehe er sich
auf die „Teilkonzeption Vereinbarkeit von Familie und Dienst in den Streitkräf-
ten“. Er verstehe nicht, warum seine Dienstzeit nicht ausreiche, um ihn sozial-
verträglich nach H. oder nach X zu versetzen. Ihm sei auch nicht erklärlich, wa-
rum es keine Begründung für einen z.b.V.-Dienstposten in X gebe. Zwei Fach-
bereichsleiter hätten ihm zugesichert, dass an der Universität infolge der Dop-
pelbelastung durch die Heeresstudentenjahrgänge ein akuter Bedarf an Offizie-
ren bestehe. Er halte es nach wie vor nicht für zulässig, einen Studenten der
Universität der Bundeswehr an einen anderen Standort zu versetzen, bevor
dessen Studienabbruch nicht rechtskräftig sei. Außerdem rüge er, dass nicht
fristgerecht auf seine Beschwerde geantwortet worden sei.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Nach seiner Auffassung liege kein Antrag des Antragstellers auf Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes vor. Der Beschwerde vom 16. Dezember 2007 sei
ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 3 Abs. 2 WBO zu entnehmen
gewesen, der am 24. Januar 2008 förmlich beschieden worden sei. Der
Antragsteller habe - nach Neufestsetzung des Dienstantrittstermins auf den
28. Januar 2008 - an diesem Tag bei der .../...bataillon ... seinen Dienst ange-
treten. Infolgedessen sei ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
nach § 21 Abs. 2 i.V.m. § 17 Abs. 6 Satz 2 WBO unzulässig, weil er auf eine
rechtliche Unmöglichkeit gerichtet sei. In der Sache bestünden keine Zweifel an
der Rechtmäßigkeit der Versetzungsverfügung vom 11. Dezember 2007.
Nachdem der Antragsteller endgültig sein Studium nicht bestanden habe und
exmatrikuliert worden sei, sei der Zweck seiner Versetzung zur Universität der
Bundeswehr X nicht mehr gegeben. Sein Dienstposten mit der Ausbildungs-
und Tätigkeitsbezeichnung „Schüler“ werde nun für die Ausbildung anderer
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nachfolgender Offiziere an der Universität der Bundeswehr benötigt. Der
Wechsel auf eine Planstelle des z.b.V.-Etats innerhalb der Universität sei nicht
möglich. Derartige Stellen dürften nur unter Anlegung eines strengen Maßsta-
bes bei Vorliegen eines dienstlichen Bedürfnisses in Anspruch genommen wer-
den. Dafür genüge die Aussage zweier Studentenfachbereichsleiter, dass es an
der Universität sinnvolle Aufgaben für den Antragsteller bzw. einen akuten Be-
darf an Offizieren gäbe, nicht. Für die Zuversetzung des Antragstellers zur
.../...bataillon ... in M. bestehe ebenfalls ein dienstliches Bedürfnis, weil dort der
Dienstposten des Zugführers frei und zu besetzen sei. An den vom Antragstel-
ler gewünschten Standorten seien keine freien Dienstposten verfügbar, die für
ihn in Betracht kämen. Im ...bataillon ... in B. seien alle Dienstposten der Dotie-
rung A 9/A 10 bis zum 30. Juni 2008 (= Dienstzeitende des Antragstellers) be-
setzt. Der einzige nach Besoldungsgruppe A 9/A 10 bewertete Dienstposten am
Standort H., der für den Antragsteller aufgrund seiner Vorerfahrung in Frage
käme, sei seit dem 1. September 2007 noch bis zum 31. August 2009 besetzt.
Auch beim ...zentrum Heer in W. habe kein Dienstposten für den Antragsteller
gefunden werden können. Eine Verwendung in S. unter Nutzung einer Planstel-
le des z.b.V.-Etats sei ebenfalls nicht möglich. Der vom Antragsteller vorgetra-
gene persönliche Grund, seine Familie könne bei einer Versetzung an die von
ihm bevorzugten Standorte sozialverträglich bei seinen Schwiegereltern in
Standortnähe wohnen, und die wöchentliche Belastung durch Familienheim-
fahrten seien nicht so gewichtig, dass ihnen nach Nr. 7 der Versetzungsrichtli-
nien der Vorrang vor den dienstlichen Bedürfnissen hätte eingeräumt werden
müssen.
Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen den Be-
teiligten gewechselten Schriftsätze und der Akten Bezug genommen. Die Be-
schwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - 97/08 -, die
Gerichtsakte BVerwG 1 WB 16.08 und die Personalgrundakte des Antragstel-
lers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
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II
Der Antragsteller hat keinen förmlichen Sachantrag gestellt.
Mit seiner Beschwerde vom 16. Dezember 2007 und seiner Untätigkeitsbe-
schwerde vom 24. Januar 2008 hat er - neben der Aufhebung der Verset-
zungsverfügung des Personalamts der Bundeswehr - beantragt, einerseits den
„Vollzug der Versetzung auszusetzen“ und „den Dienstantritt in M. aufzuschie-
ben“, andererseits (zusätzlich) „die Maßnahme rückgängig zu machen“.
Dieses Rechtsschutzbegehren ist sach- und interessengerecht dahin auszule-
gen, dass der Antragsteller bezüglich der Versetzungsverfügung vom
11. Dezember 2007 nicht nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei-
ner Untätigkeitsbeschwerde vom 24. Januar 2008 wünscht, die gemäß § 21
Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 WBO als Antrag
auf gerichtliche Entscheidung zu werten ist (vgl. Beschluss vom 4. März 2004
- BVerwG 1 WB 32.03 - BVerwGE 120, 188 = Buchholz 403.11 § 20 BDSG
Nr. 1 = NZWehrr 2007, 165 ). Vielmehr strebt er
erkennbar außerdem die Vollzugsfolgenbeseitigung, also die gerichtliche An-
ordnung der Aufhebung der Vollziehung der angefochtenen Versetzungsverfü-
gung an.
Dieser Antrag ist zulässig.
Entgegen der Auffassung des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 -
steht der am 28. Januar 2008 vollzogene Dienstantritt am Standort M. der Zu-
lässigkeit des Antrags nicht entgegen. Der Dienstantritt hat nicht die rechtliche
Wirkung, dass die Versetzungsverfügung des Personalamts der Bundeswehr
nicht mehr Gegenstand einer Anordnung im vorläufigen Rechtsschutz sein
könnte.
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Ist die angefochtene truppendienstliche Maßnahme oder Entscheidung - wie im
vorliegenden Fall - im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits vollzo-
gen, kann effektiver Rechtsschutz im Rahmen des § 17 Abs. 6 Satz 2 WBO
(hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) ergänzend durch eine entsprechende
Anwendung des § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO gewährt werden (Beschluss vom
29. November 2004 - BVerwG 1 WDS-VR 10.04 -). Das gilt jedenfalls solange,
wie ein Rückgängigmachen der vollzogenen truppendienstlichen Maßnahme
oder Entscheidung noch möglich ist (Böttcher/Dau, WBO, 4. Aufl. 1997, § 17
Rn. 124). Eine Versetzung stellt keine irreversible Maßnahme dar, sondern
kann jederzeit - auch nach erfolgtem Dienstantritt - rückgängig gemacht wer-
den.
Richtet sich der Eilrechtsschutzantrag gegen eine bereits vollzogene truppen-
dienstliche Maßnahme oder Entscheidung, ist insbesondere die Kombination
der Anträge nach § 17 Abs. 6 Satz 2 WBO und nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO
(in analoger Anwendung) statthaft und auch geboten, weil die isolierte gerichtli-
che Anordnung der Vollzugsfolgenbeseitigung ohne vorherige Anordnung der
aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen die Maßnahme oder Ent-
scheidung nicht zulässig ist (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 80
Rn. 136; Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 80 Rn. 92).
Der danach zulässige Antrag ist jedoch unbegründet.
Der Gesetzgeber hat dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbar-
keit truppendienstlicher Maßnahmen grundsätzlich den Vorrang vor privaten
Belangen eingeräumt (§ 17 Abs. 6 Satz 1 WBO). Die Anordnung der aufschie-
benden Wirkung kommt deshalb nur in Betracht, wenn sich bereits bei summa-
rischer Prüfung durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochte-
nen Maßnahme ergeben oder dem Soldaten durch deren sofortige Vollziehung
unzumutbare, insbesondere nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden
(stRspr, vgl. Beschlüsse vom 11. Januar 2007 - BVerwG 1 WDS-VR 7.06 -
Buchholz 449.7 § 23 SBG Nr. 4 und vom 13. Juni
2007 - BVerwG 1 WDS-VR 1.07 - Buchholz 449.7 § 48 SBG Nr. 1 = NZWehrr
2008, 39 jeweils m.w.N.).
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Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, sodass auch die Bedingungen für
die Anordnung der Aufhebung der Vollziehung der Versetzungsverfügung nicht
vorliegen.
Bei summarischer Prüfung bestehen weder durchgreifende Zweifel an der
Rechtmäßigkeit der Versetzungsverfügung des Personalamts vom 11. Dezem-
ber 2007 noch entstehen dem Antragsteller durch ihre sofortige Vollziehung
unzumutbare, insbesondere nicht wieder gutzumachende Nachteile.
Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Vorlage des
Hauptsacheverfahrens durch den Bundesminister der Verteidigung beim Senat
(hier: 11. März 2008) maßgeblich (Beschluss vom 26. Februar 2008 - BVerwG
1 WB 47.07 -).
Der Soldat hat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte fachliche
oder örtliche Verwendung oder auf Verwendung auf einem bestimmten Dienst-
posten. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorge-
pflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte bzw. die zu-
ständige personalbearbeitende Stelle über die Verwendung eines Soldaten,
sofern hierfür ein dienstliches Bedürfnis besteht, nach pflichtgemäßem Ermes-
sen. Während das Vorliegen eines dienstlichen Bedürfnisses als unbestimmter
Rechtsbegriff gerichtlich voll nachprüfbar ist, kann die Ermessensentscheidung
nur daraufhin überprüft werden, ob der Vorgesetzte oder die zuständige Stelle
den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in
seinen Rechten verletzt bzw. die gesetzlichen Grenzen des ihm/ihr insoweit
zustehenden Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der
Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. In diesem
Zusammenhang ist insbesondere zu prüfen, ob die gesetzlich vorgegebenen
oder vom Bundesministerium der Verteidigung im Wege der Selbstbindung in
Erlassen und Richtlinien festgelegten Verfahrensvorschriften eingehalten sind
(stRspr, z.B. Beschlüsse vom 27. Februar 2003 - BVerwG 1 WB 57.02 -
BVerwGE 118, 25 <27> = Buchholz 252 § 23 SBG Nr. 2 = NZWehrr 2003, 212
und vom 11. Januar 2007 a.a.O.).
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Die Anfechtung einer Versetzungsverfügung erfasst grundsätzlich sowohl die
Weg- als auch die Zuversetzung (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 29. August 1984
- BVerwG 1 WB 79.82 - BVerwGE 76, 255, vom 14. November 2002 - BVerwG
1 WB 33.02 - und vom 10. April 2008 - BVerwG 1 WDS-VR 5.08 -).
Das dienstliche Bedürfnis für die Wegversetzung des Antragstellers von der
Universität der Bundeswehr X ergibt sich daraus, dass der dort von ihm wahr-
genommene Dienstposten mit der Ausbildungs- und Tätigkeitsbezeichnung
„Schüler“ nach dem endgültigen Nichtbestehen seines Studiums zur ausbil-
dungs- und dienstgradgerechten Verwendung, zum Verwendungsaufbau bzw.
zur Förderung für einen anderen Soldaten benötigt wird. Dieser Gesichtspunkt
kann das dienstliche Bedürfnis für eine Wegversetzung nach Nr. 5 Buchst. d
der Richtlinien zur Versetzung, zum Dienstpostenwechsel und zur Kommandie-
rung von Soldaten vom 3. März 1988 (VMBl S. 76) in der zuletzt geänderten
Fassung vom 11. August 1998 (VMBl S. 242) - im Folgenden: Versetzungsricht-
linien - rechtfertigen.
Der Leiter Studentenfachbereichsgruppe ... der Universität der Bundeswehr X
hat mit Telefax vom 10. Dezember 2007 gemeldet, dass der Antragsteller die
Diplomvorprüfung endgültig nicht bestanden und keinerlei Prüfungsanspruch
mehr habe; damit habe er sein Studium nicht erfolgreich beendet. Das Perso-
nalamt hat mit bestandskräftigem Bescheid vom 12. Dezember 2007 das Ge-
such des Antragstellers auf Genehmigung zum Überschreiten der Höchststu-
dienzeit abgelehnt. Daraufhin ist der Antragsteller mit bestandskräftiger Verfü-
gung der Universität der Bundeswehr X vom 7. Januar 2008 nach endgültig
nicht bestandener Diplomvorprüfung exmatrikuliert worden. In dieser Verfügung
wird ergänzend festgestellt, dass alle Wiederholungsmöglichkeiten ausge-
schöpft sind.
Nach Nr. 6 des Erlasses des Bundesministeriums der Verteidigung „Personelle
Bestimmungen für das Studium von Offizieranwärtern/Offizieren an einer Uni-
versität der Bundeswehr“ vom 26. März 2002 (PSZ I 1 - Az.: 16-26-00/8 -) ist
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das Studium an einer Universität der Bundeswehr beendet, wenn der studie-
rende Soldat die Hochschulzwischenprüfung endgültig nicht bestanden hat.
Damit ist der Zweck der Versetzung des Antragstellers an die Universität der
Bundeswehr X weggefallen. Zugleich ergibt sich daraus die Notwendigkeit, den
von ihm bis dahin zweckentsprechend besetzten Dienstposten „Schüler“ für
einen anderen zum Studium zugelassenen Offizier freizumachen.
Für die Zuversetzung des Antragstellers zur .../...bataillon ... in M. besteht eben-
falls ein dienstliches Bedürfnis, weil der dort von ihm wahrzunehmende Dienst-
posten eines Zugführers frei und zu besetzen ist (vgl. Nr. 5 Buchst. a der Ver-
setzungsrichtlinien). Dass die Voraussetzungen eines dienstlichen Bedürfnisses
für die Versetzung im vorliegenden Fall erfüllt sind, stellt der Antragsteller nicht
in Frage. Eine Prüfung von alternativen Möglichkeiten der Versetzung,
insbesondere an vom Antragsteller bevorzugte andere Standorte, ist unter dem
Gesichtspunkt des dienstlichen Bedürfnisses nicht erforderlich; das für eine
Versetzung notwendige dienstliche Bedürfnis kann sich allein daraus ergeben,
dass ein Dienstposten frei ist und besetzt werden muss (Beschluss vom
9. Januar 2008 - BVerwG 1 WDS-VR 10.07 - m.w.N.).
Die angefochtene Versetzungsverfügung ist auch im Hinblick auf die Regelung
in Nr. 21 der Versetzungsrichtlinien im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.
Zwar ist angesichts des vom Personalamt ursprünglich auf den 7. Januar 2008
und nunmehr auf den 28. Januar 2008 festgelegten Dienstantrittstermins die
Drei-Monats-Frist nicht gewahrt. Eine Beeinträchtigung der Schutzvorschrift in
Nr. 21 der Versetzungsrichtlinien könnte jedoch nur noch entscheidungsrele-
vant sein, wenn der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren insoweit spezifiziert
dargelegt hätte, inwieweit er durch die Fristverletzung (weiterhin) in eigenen
Rechten im Sinne des § 17 Abs. 3 WBO verletzt wird. Das ist jedoch unterblie-
ben. Darüber hinaus würde die Nichteinhaltung der Drei-Monats-Frist aus-
schließlich den in der Verfügung genannten Zeitpunkt des Dienstantritts berüh-
ren, jedoch nicht die Rechtmäßigkeit der Maßnahme selbst (stRspr, vgl. z.B.
Beschlüsse vom 12. Mai 2005 - BVerwG 1 WB 43.04 - BVerwGE 123, 346 =
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Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 35 = NZWehrr 2006, 85
öffentlicht> und vom 25. April 2007 - BVerwG 1 WB 66.06 -).
Die Versetzungsanordnung vom 11. Dezember 2007 gibt auch im Übrigen nach
der im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen sum-
marischen Beurteilung keinen Anlass zur rechtlichen Beanstandung.
Dies gilt insbesondere für die vom Personalamt getroffene Ermessensent-
scheidung. Zwar hat der zuständige Vorgesetzte bei einer
Verwendungsentscheidung gemäß § 10 Abs. 3 SG auch die persönlichen und
familiären Belange des Soldaten unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht
in seine Überlegungen einzubeziehen. Er darf aber davon ausgehen, dass ein
Soldat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche Verwendung
hat (stRspr, Beschlüsse vom 30. August 2001 - BVerwG 1 WB 37.01 - Buchholz
311 § 17 WBO Nr. 45 und vom 10. April 2008 - BVerwG 1 WDS-VR 2.08).
Schwerwiegende persönliche Gründe, die nach Nr. 6 der Versetzungsrichtlinien
einer Versetzung des Antragstellers entgegenstehen könnten, hat dieser nicht
geltend gemacht. Derartige Gründe sind auch für den Senat nicht ersichtlich.
Soweit der Antragsteller Aspekte der kontinuierlichen Wahrnehmung seines
derzeitigen Dienstpostens und seiner familiären Wohnsituation in das Verfahren
einführt, ergeben sich daraus keine Gründe im Sinne der Nr. 7 der Verset-
zungsrichtlinien, die das Personalamt zum Verzicht auf die Versetzung hätten
nötigen müssen. Diese Gesichtspunkte lassen sich mit dienstlichen Belangen
nicht in Einklang bringen. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat in
der Vorlage an den Senat im Einzelnen dargelegt, dass für den Antragsteller
weder eine Planstelle des z.b.V.-Etats an der Universität der Bundeswehr X zur
Verfügung steht noch freie Dienstposten im Raum H., in B. oder in W. verfügbar
sind. Dem ist der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten.
Die vom Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 7. Februar 2008 geltend ge-
machte „Zusicherung“ zweier Fachbereichsleiter der Universität der Bundes-
wehr X, dort gebe es einen akuten Bedarf an Offizieren, begründet keine Bin-
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dungswirkung für die Ermessensentscheidung des Personalamts. Abgesehen
davon, dass die behauptete „Zusicherung“ keinen zusagenden, sondern allen-
falls einen informierenden Inhalt aufweist, liegt nach ständiger Rechtsprechung
des Senats eine bindende Zusicherung nur dann vor, wenn eine eindeutige und
auf ein bestimmtes gerichtete Erklärung mit Bindungswillen von ei-
nem Vorgesetzten abgegeben wird, der zu dieser Erklärung aufgrund der Hand-
lungszuständigkeit seiner Dienststelle und seiner eigenen Stellung in dieser
Dienststelle rechtlich befugt ist (vgl. Beschlüsse vom 22. März 1995 - BVerwG
1 WB 81.94 - BVerwGE 103, 219 = Buchholz 316 § 38 VwVfG Nr. 12, vom
28. März 2006 - BVerwG 1 WB 30.05 - und vom 20. September 2006 - BVerwG
1 WB 25.06 - Buchholz 449.2 § 40 SLV 2002 Nr. 2
licht>). Daran fehlt es hier. Verwendungsentscheidungen für die an einer Uni-
versität der Bundeswehr studierenden Offiziere obliegen dem Personalamt der
Bundeswehr als der zuständigen personalbearbeitenden Dienststelle; diese
Zuständigkeit gilt auch für verwendungsbezogene Zusicherungen.
Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, die Versetzung von der Universität
der Bundeswehr X habe nicht angeordnet werden dürfen, bevor über seinen
Verlängerungsantrag vom 8. November 2007 entschieden worden sei. Im für
die gerichtliche Überprüfung maßgeblichen Zeitpunkt (am 11. März 2008) war
der Antragsteller bestandskräftig von der Universität durch Bescheid vom
7. Januar 2008 exmatrikuliert worden. Am 7. Januar 2008 hatte er außerdem
den Bescheid des Personalamts vom 12. Dezember 2007 erhalten, mit dem
sein Gesuch um Genehmigung zum Überschreiten der Höchststudienzeit von
zwei Jahren zum Abschluss der Diplomvorprüfung abgelehnt worden war. Die-
sen Bescheid hat er nicht angefochten.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers widerspricht die angefochtene Ver-
setzungsentscheidung auch nicht der „Teilkonzeption Vereinbarkeit von Familie
und Dienst in den Streitkräften“, die der Generalinspekteur der Bundeswehr am
21. Mai 2007 erlassen hat. Diese Teilkonzeption stellt - wie bereits der Titel do-
kumentiert - ein Konzept zur „Verbesserung der Vereinbarkeit vom Familie und
Dienst“ dar und sieht unter Nr. 4.1 (Personalführung) u.a. vor, familienfreundli-
che Verwendungskonzepte bzw. Werdegangsmodelle zu entwickeln und anzu-
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streben. Aus der Teilkonzeption folgt aber kein konkreter Rechtsanspruch eines
einzelnen Soldaten auf bestimmte Maßnahmen, die die Vereinbarkeit von Fa-
milienbetreuung und Dienst fördern. Ebenso wenig steht die Teilkonzeption der
Anordnung einer notwendigen Versetzungsverfügung entgegen. Vielmehr über-
lässt es die Teilkonzeption den zuständigen Stellen, im Rahmen ihrer Ermes-
sensentscheidung „geeignete“ Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels zu tref-
fen (Beschluss vom 9. Januar 2008 - BVerwG 1 WDS-VR 10.07 -).
Bei seiner Ermessensausübung hat das Personalamt die vom Bundesminister
der Verteidigung - PSZ I 7 - im Einzelnen genannten Standorte in der Nähe des
Familienwohnsitzes des Antragstellers in N. geprüft, dort aber keine freien
Dienstposten für den Antragsteller ermitteln können. Damit standen - auch an-
gesichts der noch möglichen kurzen Verwendungsdauer von fünf Monaten -
objektiv keine alternativen Verwendungsmöglichkeiten für den Antragsteller zur
Verfügung.
Die Versetzungsentscheidung ist im Übrigen formell rechtmäßig. Bei Verset-
zungsverfügungen, die auf Nr. 5 Buchst. a und Buchst. d der Versetzungsricht-
linien gestützt werden, ist eine spezielle Anhörung nach Nr. 9 der Versetzungs-
richtlinien nicht erforderlich. Insoweit war dem Antragsteller in entsprechender
Anwendung des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG (Beschlüsse vom 19. November 1998
- BVerwG 1 WB 33.98 -, vom 27. Juli 2006 - BVerwG 1 WB 22.06 - Buchholz
449 § 3 SG Nr. 38 und vom 25. April 2007
- BVerwG 1 WB 66.06 -) die Möglichkeit eröffnet, mit seiner Beschwerde seine
Bedenken gegen die Verwendungsentscheidung des Personalamts vorzubrin-
gen.
Soweit der Antragsteller auch die Art und Weise der Verfahrensbehandlung vor
der Entscheidung über seine Versetzung angreifen will, verkennt er, dass diese
nicht zum Gegenstand eines selbstständigen Verfahrens bzw. eines selbst-
ständigen Antrags vor den Wehrdienstgerichten gemacht werden kann. Nach
ständiger Rechtsprechung des Senats stellt die Art und Weise der Verfahrens-
behandlung keine Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO (i.V.m.
§ 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) dar und bildet deshalb für sich genommen keinen
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statthaften Beschwerdegegenstand; sie ist nicht isoliert bzw. selbstständig an-
fechtbar. Rechtsschutz wird allein gegen die Maßnahme selbst gewährt; nur im
Rahmen der Anfechtung einer Maßnahme oder Entscheidung kann auch eine
Überprüfung auf eventuelle Verfahrensfehler erfolgen (Beschluss vom
26. Februar 2008 - BVerwG 1 WB 47.07 - mit zahlreichen weiteren Nachwei-
sen).
Für den Senat ist nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller durch den Vollzug
der Versetzung nicht wieder gutzumachende Nachteile entstehen.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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