Urteil des BVerwG vom 26.06.2007

Weiterbildung, Neue Beweismittel, Klinikum, Dienstzeit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WDS-VR 4.07
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberstabsarzt Dr. ...,
...,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...,
... -
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 26. Juni 2007 beschlossen:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes, das Bun-
desministerium der Verteidigung, Personalamt der Bundeswehr, zu verpflichten,
ihm vorläufig die Weiterführung der Weiterbildungsmaßnahme „Subspezialisie-
rung Gefäßchirurgie“ zu gewähren.
Der 1963 geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit mit einer auf zwölf Jahre
festgesetzten Dienstzeit, die mit Ablauf des 31. Dezember 2007 endet. Zum
Oberstabsarzt wurde er am 16. Februar 2003 ernannt. Derzeit wird er als Sani-
tätsstabsoffizier im Bundeswehrkrankenhaus B. verwendet.
Der Antragsteller leistete vom 1. Juli 2003 bis zum 31. März 2007 Dienst als
Sanitätsstabsoffizier im Bundeswehrkrankenhaus L. Mit Verfügung vom 6. Juni
2003 wurde er für die Zeit vom 1. Juli 2003 bis zum 30. Juni 2004 an das Städ-
tische Klinikum ... in L. kommandiert, um dort an einer Weiterbildung mit dem
Ziel der Subspezialisierung für Gefäßchirurgie teilzunehmen. Nach Ende des
Kommandierungszeitraums erkrankte der Antragsteller und wurde nach seiner
Genesung wieder als Arzt am Bundeswehrkrankenhaus L. eingesetzt. Da die
Weiterbildungsordnung der Sächsischen Ärztekammer für die Weiterbildung
„Subspezialisierung Gefäßchirurgie“ eine Dauer von zwei Jahren festlegt, war
geplant, den Antragsteller ab dem 1. Dezember 2006 für ein weiteres Jahr an
das Städtische Klinikum ... zu kommandieren.
Am 23. Juni 2006 leitete der Wehrdisziplinaranwalt für den Bereich Sanitäts-
kommando ... gegen den Antragsteller disziplinare Vorermittlungen ein. Im Juli
2006 wurde die Sache gemäß § 33 Abs. 3 WDO wegen des Verdachts der fahr-
lässigen Körperverletzung durch Unterlassen an die Staatsanwaltschaft L. ab-
gegeben (dort Az.: ...) und das Disziplinarverfahren bis zur Beendigung des
Strafverfahrens ausgesetzt. Dem Antragsteller wird vorgeworfen, einen Entlas-
sungsbericht für einen Patienten unterzeichnet zu haben, in dem es u.a. heißt,
die laborchemischen Parameter lägen im Normbereich, obwohl dem Antragstel-
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ler gleichzeitig ein Laborbefund vorgelegen habe, wonach erhöhte Laborwerte
auf einen pathologischen Befund hinwiesen, der den Antragsteller - neben wei-
teren beschuldigten Ärzten - dazu hätte veranlassen müssen, den Patienten u-
rologisch untersuchen zu lassen.
Mit Schreiben des Personalamts der Bundeswehr vom 31. Juli 2006 wurde dem
Antragsteller mitgeteilt, dass in der bisherigen Planung seiner weiteren Ver-
wendung eine Weiterbildung zum Schwerpunkt Gefäßchirurgie vorgesehen ge-
wesen sei. Hierzu sei im Personalgespräch am 9. Dezember 2005 eine einjäh-
rige Kommandierung an eine zivile Klinik in die Planung aufgenommen worden.
Aufgrund der Ermittlungen wegen des Verdachts einer Straftat sei gemäß
Nr. 135 ZDv 20/7 von förderlichen Maßnahmen, zu denen auch eine Komman-
dierung zur zivilen Aus- und Weiterbildung zähle, zumindest bis zum Abschluss
der Untersuchungen abzusehen. Der Antragsteller werde auf dem bisherigen
Dienstposten in der bisherigen Verwendung weiter eingesetzt.
Unter dem 12. Oktober 2006 wurde dem Antragsteller ein „Aktenvermerk über
eine Personalmaßnahme“ des Personalamts der Bundeswehr übersandt. In
dem Aktenvermerk wird u.a. ausgeführt, dass aufgrund des laufenden Vor-
gangs beim Wehrdisziplinaranwalt derzeit von jeder förderlichen Personalmaß-
nahme abzusehen sei, so dass die zunächst vorgesehene einjährige zivile Wei-
terbildung mit Beginn zum 1. Dezember 2006 nicht umgesetzt werden könne.
Es sei vorgesehen, den Antragsteller bis zum 31. März 2007 im Bundeswehr-
krankenhaus L. zu belassen und zum 1. April 2007 an das Bundeswehrkran-
kenhaus B. zu versetzen.
Mit Verfügung des Personalamts der Bundeswehr vom 17. Oktober 2006 wurde
der Antragsteller an das Bundeswehrkrankenhaus B. versetzt, wo er seit dem
2. April 2007 Dienst leistet.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 4. Dezember 2006 forderte der An-
tragsteller das Personalamt der Bundeswehr auf, die Wehrbereichsverwaltung
Ost zu veranlassen, im Zusammenhang mit der mit dem Städtischen Klinikum
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... in L. getroffenen Rahmenvereinbarung einen Vertrag zur Fortsetzung der
Weiterbildung „Gefäßchirurgie“ zu schließen.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 2006 an die Bevollmächtigten des Antragstel-
lers wies das Personalamt der Bundeswehr nochmals auf die disziplinaren Vor-
ermittlungen und auf die Abgabe der Sache an die Staatsanwaltschaft hin. Eine
Teilnahme an der Weiterbildung komme gemäß Nr. 135 ZDv 20/7 nicht in Be-
tracht. Gründe für die Annahme eines Härtefalles seien nicht erkennbar.
Mit Schriftsatz vom 15. Januar 2007 schlugen die Bevollmächtigten des An-
tragstellers vor, die Dienstzeit des Antragstellers zum 31. Januar 2007 einver-
nehmlich zu beenden. Mit Bescheid vom 17. Januar 2007 lehnte das Personal-
amt der Bundeswehr dieses Begehren, das es als Antrag auf Verkürzung der
Dienstzeit von SaZ 12 auf SaZ 11 Jahre und 1 Monat auslegte, mangels eines
dienstlichen Interesses an der Entlassung des Antragstellers ab.
Unter dem 5. März 2007 beantragte der Antragsteller durch seine Bevollmäch-
tigten beim Verwaltungsgericht L. den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit
dem Ziel, das Personalamt der Bundeswehr zu verpflichten, ihm vorläufig die
Weiterführung der Weiterbildungsmaßnahme „Subspezialisierung Gefäßchirur-
gie“ zu gewähren.
Mit Beschluss vom 23. April 2007 (Az.: ...) erklärte das Verwaltungsgericht L.
den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für unzulässig und verwies den
Rechtsstreit an das Bundesverwaltungsgericht - Wehrdienstsenate -.
Zur Begründung seines vor dem Senat weiterverfolgten Begehrens trägt der
Antragsteller insbesondere vor:
Es sei fraglich, ob das ihm vorgeworfene Fehlverhalten tatsächlich strafrechtlich
zu sanktionieren sei. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand gehe er nur von ei-
nem geringen Mitverschuldensanteil aus, so dass auch seine strafrechtliche
Verantwortung als gering einzustufen sei. Die ZDv 20/7 könne nicht als Grund-
lage für die Verweigerung der Weiterbildung dienen. Nach der Vorbemerkung in
Nr. 1 ZDv 20/7 würden in dieser ausschließlich Regelungen über die Beförde-
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rung, Einweisung in Planstellen, Einstellung und Übernahme sowie für die Zu-
lassung zur Laufbahn der Laufbahngruppen der Mannschaften, Unteroffiziere
und Offiziere getroffen, nicht jedoch Regelungen über die Verweigerung einer
Weiterbildung. Zudem sei seine Weiterbildung keine „Förderung“ im Sinne von
Nr. 135 ZDv 20/7. Die ZDv 20/7 biete allenfalls die Grundlage dafür, den Beginn
einer Fördermaßnahme zu verhindern, nicht jedoch - wie hier - eine bereits be-
gonnene Weiterbildung zu unterbrechen. Bei Nr. 135 ZDv 20/7 handele es sich
um eine Ermessensvorschrift; ein Ermessen habe das Personalamt jedoch
nicht ausgeübt. Die Weiterbildungsmaßnahme sei ihm, dem Antragsteller, ver-
bindlich zugesagt worden, sodass er nun einen Rechtsanspruch auf deren Fort-
setzung habe. Schließlich sei die Verweigerung der Weiterbildung auch willkür-
lich, da der Vorgesetzte des Antragstellers, Oberstarzt B., gegen den in dersel-
ben Strafsache ermittelt werde, während des laufenden Ermittlungsverfahrens
am 1. Oktober 2006 zum Chefarzt des Bundeswehrkrankenhauses L. ernannt
worden sei.
Der Antragsteller beantragt,
das Bundesministerium der Verteidigung, Personalamt der
Bundeswehr, gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu ver-
pflichten, ihm vorläufig die Weiterführung der Weiterbil-
dungsmaßnahme „Subspezialisierung Gefäßchirurgie“ zu
gewähren.
Mit Schreiben vom 1. Juni 2007 teilte der Bundesminister der Verteidigung
- PSZ I 7 - dem Antragsteller mit, dass die Voraussetzungen zum Erlass einer
Entscheidung nach § 3 Abs. 2 WBO nicht vorlägen. Die Ablehnung der Fortset-
zung der Weiterbildung sei bestandskräftig. Auch bestehe keine Veranlassung,
eine neue Entscheidung über die Fortführung der Weiterbildungsmaßnahme zu
treffen; Gründe im Sinne des § 51 VwVfG lägen nicht vor. Hinsichtlich des An-
trags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt der Bundesminister
der Verteidigung,
den Antrag zurückzuweisen.
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Dem Antrag fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsteller hätte
eine Regelung entsprechend einer einstweiligen Anordnung auch gemäß § 3
Abs. 2 WBO erreichen können. Einen solchen Antrag habe er jedoch vor dem
Antrag auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz durch die Gerichte nicht
gestellt. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei außerdem un-
statthaft. Anders als nach der Verwaltungsgerichtsordnung sei die Gewährung
von vorläufigem Rechtsschutz im Rahmen der Wehrbeschwerdeordnung immer
auch von der Einlegung des Hauptsacherechtsbehelfs in Form der Beschwerde
abhängig; diesen habe der Antragsteller jedoch nicht eingelegt. Der Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung sei ferner auch deshalb unzulässig, weil
die Weiterführung der Weiterbildungsmaßnahme mittlerweile bestandskräftig
abgelehnt worden sei.
Der Antrag sei im Übrigen auch offensichtlich unbegründet. Gemäß Nr. 134
ZDv 20/7 könne jedes Dienstvergehen Auswirkungen auf eine mögliche Förde-
rung, wozu ausdrücklich auch Verwendungsentscheidungen gehörten, haben.
Der Antragsteller sei entgegen seinem Vortrag auch nicht von einer laufenden
Weiterbildung abgelöst worden. Mit der Kommandierung an das Städtische Kli-
nikum ... für die Zeit vom 1. Juli 2003 bis zum 30. Juni 2004 sei ein Teil der
Weiterbildung abgeschlossen gewesen. Die geplante Fortsetzung der Weiter-
bildung hätte einer entsprechenden neuen Entscheidung, nämlich einer weite-
ren Kommandierung, bedurft; diese Kommandierungsverfügung sei eine Ver-
wendungsentscheidung im Sinne von Nr. 134 ZDv 20/7. Wegen der disziplina-
ren Ermittlungen gegen den Antragsteller habe das Personalamt der Bundes-
wehr daher zu Recht die Weiterbildung abgelehnt. Aufgrund der Soll-Vorschrift
der Nr. 135 ZDv 20/7 sei das Personalamt der Bundeswehr bei seiner Ermes-
sensausübung gebunden gewesen; dass es im Übrigen sein Ermessen ausge-
übt habe, zeigten die Aussagen zur Frage des Vorliegens eines Härtefalls im
Schreiben vom 19. Dezember 2006.
Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung fehle es schließlich auch an ei-
nem Anordnungsgrund, weil die vom Antragsteller begehrte Weiterbildung,
auch wenn diese sofort angetreten würde, nicht mehr vor dem Ausscheiden des
Antragstellers aus dem Dienstverhältnis zu Ende geführt werden könnte. Grün-
de dafür, warum die Maßnahme unbedingt noch in der aktiven Dienstzeit des
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Antragstellers begonnen werden müsse, seien weder ersichtlich noch vorgetra-
gen worden.
Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der
Beteiligten und der Akten Bezug genommen. Die im Zusammenhang mit dem
Antrag auf Weiterführung der Weiterbildungsmaßnahme angefallenen Verwal-
tungsvorgänge, die Personalgrundakte des Antragstellers und die Akte des Ver-
fahrens vor dem Verwaltungsgericht (Az.: ...) haben dem Senat bei der Bera-
tung vorgelegen.
II
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist unzulässig.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist in entsprechender An-
wendung von § 123 VwGO auch im wehrdienstgerichtlichen Verfahren grund-
sätzlich statthaft (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 17. Juni 1992 - BVerwG 1 WB
46.92 - DokBer B 1993, 197, vom 24. August 1993 - BVerwG 1 WB 56.93 -
BVerwGE 93, 389 <390>, vom 16. August 2004 - BVerwG 1 WDS-VR 4.04 -
und vom 30. Juni 2005 - BVerwG 1 WDS-VR 2.05 -).
Der Senat ist zur Entscheidung über den Antrag berufen. Die - auch im Verfah-
ren des vorläufigen Rechtsschutzes zulässige (Beschluss vom 27. Mai 2004
- BVerwG 1 WDS-VR 2.04 - Buchholz 236.1 § 28 SG Nr. 4; anderer Ansicht
Böttcher/Dau, WBO, 4. Aufl. 1997, § 17 Rn. 137, § 18 Rn. 91) - Verweisung
durch das Verwaltungsgericht (§ 23 Abs. 7 i.V.m. § 18 Abs. 3 WBO) ist entspre-
chend § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG hinsichtlich des Rechtswegs zu den Wehr-
dienstgerichten bindend. Das Bundesverwaltungsgericht - Wehrdienstsenate -
ist auch das sachlich zuständige Gericht. Zuständig für Anträge auf vorläufigen
Rechtsschutz ist das Gericht, das über den Hauptantrag zu entscheiden hat
bzw. - wenn die Hauptsache noch nicht anhängig ist - über den entsprechenden
Hauptsacherechtsbehelf zu entscheiden hätte (vgl. Böttcher/Dau, a.a.O., § 17
Rn. 146). Das ist hier das Bundesverwaltungsgericht, weil über Beschwerden
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gegen Maßnahmen des Personalamts der Bundeswehr der Bundesminister der
Verteidigung entscheidet, gegen dessen Entscheidung wiederum der Antrag auf
gerichtliche Entscheidung unmittelbar zum Bundesverwaltungsgericht eröffnet
ist (§ 21 Abs. 1 WBO).
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch mangels
Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil das Begehren des Antragstellers,
die Weiterbildung „Subspezialisierung Gefäßchirurgie“ im Wege einer (zweiten)
Kommandierung an eine geeignete Klinik für die Dauer eines weiteren Jahres
fortführen (und abschließen) zu können, durch das Schreiben des Personal-
amts der Bundeswehr vom 31. Juli 2006 bestandskräftig abgelehnt worden ist
(vgl. Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand 2006, § 123
Rn. 102; Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004, § 123 Rn. 16). Da über
das Begehren in der Hauptsache bei summarischer Prüfung des Sachverhalts
bereits unanfechtbar entschieden ist, geht der Antrag auf eine vorläufige Rege-
lung ins Leere.
Das Schreiben des Personalamts der Bundeswehr vom 31. Juli 2006 stellt eine
Maßnahme dar, die zum Gegenstand einer Beschwerde gemacht werden kann
und gemacht werden muss, wenn sie nicht in Bestandskraft erwachsen soll. Der
Begriff der Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 (i.V.m. § 21 Abs. 2
Satz 1) WBO setzt eine dem öffentlichen Recht zugehörige Handlung eines
Vorgesetzten oder einer Dienststelle der Bundeswehr voraus, die im Verhältnis
der Über- und Unterordnung getroffen oder erbeten wird; dabei kommt es nicht
darauf an, ob sie auch auf die Herbeiführung von Rechtswirkungen abzielt
(stRspr, grundlegend: Beschlüsse vom 25. März 1976 - BVerwG 1 WB 105.75 -
BVerwGE 53, 160 <161> und vom 12. November 1986 - BVerwG 1 WB 127.83,
97.84 - BVerwGE 83, 242 <246>). Zum Begriff der Maßnahme rechnen insbe-
sondere auch ablehnende Entscheidungen auf Anträge des Soldaten sowie
Kommandierungen bzw. deren Ablehnung (vgl. Böttcher/Dau, a.a.O., § 1
Rn. 106). Die Mitteilung in dem Schreiben vom 31. Juli 2006, wonach von för-
derlichen Maßnahmen zugunsten des Antragstellers, zu denen auch eine
Kommandierung zur zivilen Aus- und Weiterbildung zähle, zumindest bis zum
Abschluss der strafrechtlichen Untersuchungen abgesehen werde, stellt eine
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solche Maßnahme dar. Ausdrücklich und unmissverständlich wurde dem An-
tragsteller erklärt, dass die bis dahin geplante Fortsetzung der Weiterbildungs-
maßnahme „Subspezialisierung Gefäßchirurgie“ und die damit verbundene ein-
jährige Kommandierung an eine zivile Klinik nicht erfolgen und der Antragsteller
stattdessen weiter auf dem bisherigen Dienstposten und in der bisherigen Ver-
wendung eingesetzt werde.
Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass der Antragsteller rechtzeitig
gegen diese mit dem Schreiben vom 31. Juli 2006 getroffene Maßnahme Be-
schwerde eingelegt hat. Nach § 6 Abs. 1 WBO muss eine Beschwerde spätes-
tens binnen zwei Wochen, nachdem der Beschwerdeführer von dem Be-
schwerdeanlass Kenntnis erhalten hat, eingelegt werden. Der Antragsteller hat
das - von ihm als Anlage AS 7 zum Antragsschriftsatz vom 5. März 2007 vorge-
legte - auf den 31. Juli 2006 datierte Schreiben des Personalamts offenkundig
erhalten. Es ist vom Antragsteller weder vorgetragen noch gibt es sonst An-
haltspunkte dafür, dass es bei der Übermittlung des Schreibens wesentliche
Verzögerungen gegeben hätte. Das genaue, aus den vorliegenden Akten nicht
ersichtliche Datum der Kenntnisnahme durch den Antragsteller kann daher da-
hingestellt bleiben. Denn der Antragsteller hat jedenfalls in hinreichender zeitli-
cher Nähe zu der Mitteilung, dass von einer Fortsetzung der Weiterbildung ab-
gesehen wird, keine Beschwerde eingelegt. Soweit man in der Weigerung des
Antragstellers, den „Aktenvermerk über eine Personalmaßnahme“ vom
12. Oktober 2006 in dem Feld „Zustimmend zur Kenntnis genommen“ zu unter-
zeichnen (Beiakte zu Az. 25-02-12 372/07 Bl. 19), oder in dem Schriftsatz der
Bevollmächtigten des Antragstellers vom 4. Dezember 2006 sinngemäß (auch)
eine Beschwerde gegen das Schreiben des Personalamts vom 31. Juli 2006
sehen wollte, wäre diese nach dem Ablauf der Beschwerdefrist und damit ver-
spätet erhoben. Im Übrigen hat der Antragsteller auch gegen das - den Inhalt
der Verfügung vom 31. Juli 2006 - bekräftigende Schreiben des Personalamts
der Bundeswehr vom 19. Dezember 2006 keinen Rechtsbehelf eingelegt.
Der Antragsteller war auch nicht durch einen unabwendbaren Zufall im Sinne
von § 7 WBO an der Einhaltung der Frist gehindert. Insbesondere kommt eine
Verlängerung der Beschwerdefrist gemäß § 7 Abs. 2 WBO wegen fehlender
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Rechtsbehelfsbelehrung nicht in Betracht. Auf diese Vorschrift kann sich ein
Beschwerdeführer nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nur berufen,
wenn eine gesetzliche Verpflichtung bestand, ihm eine Rechtsmittelbelehrung
zu erteilen, oder wenn eine solche im Hinblick auf eine nicht vorauszusetzende
Kenntnis der Frist verfassungsrechtlich geboten war (Beschluss vom
4. November 2004 - BVerwG 1 WB 36.04 - m.w.N.). Nach ständiger Rechtspre-
chung des Senats bedürfen indessen truppendienstliche Erstmaßnahmen - wie
die hier angefochtene Mitteilung des Personalamts der Bundeswehr - keiner
Rechtsbehelfsbelehrung (vgl. Beschlüsse vom 25. April 1974 - BVerwG 1 WB
47, 74.73 - BVerwGE 46, 251 und vom 20. Juli 2004 - BVerwG 1 WDS-VR
3.04 - Buchholz 311 § 23 WBO Nr. 1 jeweils m.w.N.). Die Wehrbeschwerdeord-
nung schreibt Rechtsbehelfsbelehrungen verpflichtend nur für ablehnende Be-
schwerdeentscheidungen in § 12 Abs. 1 Satz 4 und § 16 Abs. 4 WBO vor. Eine
darüber hinausgehende verfassungsrechtliche Verpflichtung ist nicht ersichtlich.
Den Antragsteller auf die Frist des § 6 Abs. 1 WBO hinzuweisen, bestand recht-
lich keine Veranlassung, weil diese Frist bei allen Soldaten als bekannt voraus-
gesetzt werden kann. Gleiches gilt für die Frage, wer „nächster Disziplinarvor-
gesetzter“ ist, bei dem die Beschwerde eingelegt werden kann (Beschluss vom
20. Juli 2004 a.a.O.).
Die Bestandskraft des Schreibens vom 31. Juli 2006, mit dem das Personalamt
die Fortsetzung der Weiterbildungsmaßnahme abgelehnt hat, ist schließlich
auch nicht im Wege des Wiederaufgreifens des Verfahrens durchbrochen wor-
den (zur entsprechenden Anwendung von § 51 VwVfG vgl. Beschlüsse vom
16. Mai 2002 - BVerwG 1 WB 7.02 - Buchholz 402.8 § 2 SÜG Nr. 2 und vom
13. Juni 2004 - BVerwG 1 WB 12.04 - Buchholz 402.8 § 17 SÜG Nr. 2 =
NZWehrr 2007, 78 jeweils m.w.N.). Der Bundesminister der Verteidigung
- PSZ I 7 - hat dem Antragsteller mit Schreiben vom 1. Juni 2007 mitgeteilt,
dass keine Veranlassung bestehe, eine neue Entscheidung hinsichtlich der
Weiterbildungsmaßnahme zu treffen. Der Antragsteller habe weder neue Be-
weismittel vorgebracht noch habe sich die Sach- und Rechtslage nach Be-
standskraft der Ablehnung geändert. Auch seien die disziplinaren Ermittlungen
weiterhin bis zu dem - noch offenen - Abschluss des Strafverfahrens ausge-
setzt. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass der Bundesminister der
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Verteidigung unter diesen Umständen ein Wiederaufgreifen des unanfechtbar
abgeschlossenen Verfahrens abgelehnt hat.
Von der Belastung des Antragstellers mit Verfahrenskosten sieht der Senat ab,
weil er die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 WBO zwar für
gegeben erachtet, der Antrag aber nicht mutwillig erscheint. Dies gilt auch für
das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, weil dieses Teil des Verfahrens vor
dem Bundesverwaltungsgericht ist (§ 4 Abs. 1 GKG).
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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