Urteil des BVerwG vom 01.08.2006

Hauptsache, Fernschreiben, Mitbewerber, Slv

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WDS-VR 3.06
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Hauptbootmanns …,
…,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte …,
… -
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze als Vorsitzenden,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
am 1. August 2006 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
I
Der 1977 geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit mit einer auf zwölf Jahre
festgesetzten Dienstzeit, die voraussichtlich mit Ablauf des 31. März 2010 en-
den wird. Zum Hauptbootsmann wurde er am 14. November 2005 ernannt.
Nach vorangegangenem Einsatz als Elektronikmeister an Bord der Fregatte
„M.“ wird er seit dem 1. Mai 2005 als Hörsaalgruppenleiter in der V. Inspektion
der M…schule in K. verwendet.
Mit Schreiben vom 4. August 2005 beantragte der Antragsteller seine Zulas-
sung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes (OffzMilFD) in
der Verwendungsgruppe Marineelektronik.
Diesen Antrag lehnte das Personalamt der Bundeswehr (PersABw) mit Be-
scheid vom 27. März 2006 unter Hinweis auf die Auswahlkonferenz am 7. Feb-
ruar 2006 und die Entscheidung des Amtschef PersABw vom 3. März 2006 mit
der Begründung ab, für die vom Antragsteller angestrebte Verwendungsgruppe
seien Bewerber mit einem günstigeren Eignungs- und Leistungsbild zur Zulas-
sung ausgewählt worden.
Gegen diesen ihm am 11. April 2006 eröffneten Bescheid legte der Antragstel-
ler mit Schreiben vom 12. April 2006 Beschwerde ein. Am 9. Mai 2006 hat er
beim Verwaltungsgericht Greifswald die Gewährung vorläufigen Rechtsschut-
zes beantragt.
Zur Begründung trägt er insbesondere vor:
Der Bescheid vom 27. März 2006 sei rechtswidrig, weil er auf einer unzulängli-
chen Beurteilungsgrundlage ergangen sei. Seine letzte „rechtskräftige“ plan-
mäßige Beurteilung vom 10. September 2003 sei am maßgeblichen Stichtag für
die Bewerbung (28. Oktober 2005) älter als zwei Jahre gewesen. Für diesen
Fall sei in den Mitteilungen der Stammdienststelle der Marine (SDM) vom
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19. Juli 2005 zum Auswahlverfahren 2006 vorgesehen, dass eine Sonderbeur-
teilung anzufordern sei. Die planmäßige Beurteilung vom 10. September 2003
habe deshalb in der Auswahlkonferenz nicht berücksichtigt werden dürfen; eine
Sonderbeurteilung nach Nr. 206 Buchst. a ZDv 20/6 habe die personalbearbei-
tende Stelle nicht eingeholt. Die Eilbedürftigkeit der angestrebten vorläufigen
Regelung ergebe sich aus der Gefahr, dass zwischenzeitlich das Auswahlver-
fahren „seinen Abschluss durch das Aussprechen der vorab verfügten Ernen-
nungen“ finden und er selbst dann im Jahr 2006 nicht mehr berücksichtigt wer-
den könne.
Er beantragt,
dass das für das Jahr 2006 laufende Auswahlverfahren
auf Zulassung zur Laufbahn der OffzMilFD (§ 40 SLV),
beschränkt auf das Verfügen der Ernennungen bzw. das
Aussprechen derselben in Bezug auf die Mitbewerber des
Antragstellers, ruht, bis aufgrund einer auf ihn, den An-
tragsteller, ausgestellten rechtskräftigen Sonderbeurtei-
lung eine erneute Entscheidung über alle Bewerber in ei-
nem gesondert angesetzten Termin der Auswahlkommis-
sion getroffen wird.
Das Verwaltungsgericht G. hat durch Beschluss vom 18. Mai 2006 - 6 B
681/06 - den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für unzulässig erklärt
und den Rechtsstreit an das Bundesverwaltungsgericht - Wehrdienstsenate -
verwiesen.
Zu dem Antrag hat der Bundesminister der Verteidigung (BMVg) - PSZ I 7 - mit
Schriftsatz vom 3. Juli 2006 Stellung genommen und im Wesentlichen vorge-
tragen:
Am 24. September 2005 sei für den Antragsteller eine planmäßige Beurteilung
zum Vorlagetermin 30. September 2005 erstellt worden. Die zu dieser Beurtei-
lung gefertigten Stellungnahmen des Ersten Offiziers und des Kommandanten
der Fregatte „M.“ seien mit Verfügung der SDM vom 10. November 2005 unter
Hinweis auf die nicht korrekte Durchführung des Erörterungsverfahrens aufge-
hoben worden. Im März 2006 seien die neu gefassten Stellungnahmen des
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Ersten Offiziers vom 12. Februar 2006 und des Kommandanten vom 20. März
2006 bei der SDM eingegangen. Mit fernschriftlicher Verfügung vom 2. Juni
2006 habe das PersABw seinen Bescheid vom 27. März 2006 aufgehoben und
eine Sonderbeurteilung für den Antragsteller angefordert. Im nachfolgenden
Fernschreiben vom 22. Juni 2006 habe das PersABw die Erstellung einer Son-
derbeurteilung jedoch für verzichtbar erklärt, weil mittlerweile eine abgeschlos-
sene Beurteilung vom 24. September 2005 vorliege. Seitens des BMVg sei be-
absichtigt, die SDM über das PersABw anzuweisen, die mit Fernschreiben vom
22. Juni 2006 zugleich verfügte Nachbetrachtung des Antragstellers auf der
Grundlage der planmäßigen Beurteilung vom 24. September 2005 so lange
auszusetzen, bis das insoweit anhängig gemachte Beschwerdeverfahren beim
Truppendienstgericht Nord rechtskräftig abgeschlossen sei.
In der Sache sei der Antrag des Antragstellers unzulässig, weil er auf ein recht-
lich unmögliches Ziel gerichtet sei. Die in der Konferenz am 7. Februar 2006
ausgewählten Mitbewerber hätten vom PersABw bereits ihre Zulassungsbe-
scheide erhalten. Einen Anordnungsanspruch könne der Antragsteller nicht
glaubhaft machen. Es sei nicht ersichtlich, dass der Antragsteller im Wege der
„Ermessensreduzierung auf Null“ einen Anspruch auf Zulassung zur Laufbahn
der OffzMilFD habe. Schließlich bestehe kein Anordnungsgrund, weil dem An-
tragsteller zuzumuten sei, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. In früheren
Wehrbeschwerdeverfahren sei wiederholt gegenüber dem Bundesverwal-
tungsgericht darauf hingewiesen worden, dass dem jeweiligen Antragsteller bei
einer späteren Entscheidung in der Hauptsache nicht die fehlende Verfügbar-
keit einer Planstelle oder die Ausschöpfung der Jahrgangsquote entgegen
gehalten werde, falls er bei der Auswahl zum OffzMilFD rechtswidrig übergan-
gen worden sein sollte. Deshalb bestehe auch keine Gefahr, dass beispielswei-
se durch die Zulassung ausgewählter Kandidaten zu Anwärtern für die Lauf-
bahn der OffzMilFD bzw. durch deren Versetzung auf eine Planstelle des
z.b.V.-Schüleretats die Verwirklichung der Rechte des Antragstellers vereitelt
oder wesentlich erschwert würde.
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Der BMVg beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen den Be-
teiligten gewechselten Schriftsätze und der Akten Bezug genommen. Die Ver-
fahrensakten des BMVg - PSZ I 7 - 280/06, 415/06 und DL 439/06 - sowie die
Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vor-
gelegen.
II
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bleibt ohne Erfolg.
Er ist bei sachgerechter Auslegung darauf gerichtet, den BMVg im Wege der
einstweiligen Anordnung zu verpflichten, das für das Jahr 2006 laufende Aus-
wahlverfahren für die Zulassung zur Laufbahn der OffzMilFD - mit der im Antrag
bezeichneten Beschränkung - bis zu einer erneuten Entscheidung der Aus-
wahlkommission über alle Bewerber unter Berücksichtigung einer zuvor für den
Antragsteller gefertigten rechtskräftigen Sonderbeurteilung ruhen zu lassen.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist in entsprechender An-
wendung des § 123 VwGO im wehrdienstgerichtlichen Verfahren grundsätzlich
statthaft (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 17. Juni 1992 - BVerwG 1 WB 46.92 -
DokBer B 1993, 197, vom 24. August 1993 - BVerwG 1 WB 56.93 - BVerwGE
93, 389 <390>, vom 16. August 2004 - BVerwG 1 WDS-VR 4.04 - und vom
30. Juni 2005 - BVerwG 1 WDS-VR 2.05 -).
Für einen derartigen Antrag ist der Senat auch instanziell zuständig.
In der Hauptsache ist auf die Beschwerde des Antragstellers vom 12. April 2006
gegen den Bescheid des PersABw vom 27. März 2006 seitens des BMVg inner-
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halb eines Monats (vgl. § 16 Abs. 2 WBO) kein Beschwerdebescheid im Sinne
des § 12 Abs. 1 WBO ergangen. Die Beschwerde hat sich durch die Auf-
hebungsverfügung des PersABw vom 2. Juni 2006 noch nicht vollständig erle-
digt, denn der Antragsteller hatte mit seinem Rechtsbehelf um die Erteilung ei-
ner Sonderbeurteilung gebeten. Diese hat das PersABw in seinem Fernschrei-
ben vom 22. Juni 2006 jedoch ausdrücklich für entbehrlich erklärt. Bei unter-
bliebener Beschwerdeentscheidung des BMVg ist in der Hauptsache gemäß
§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 WBO unmittelbar
der Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu-
lässig (Beschluss vom 4. März 2004 - BVerwG 1 WB 32.03 - BVerwGE 120,
188 = Buchholz 403.11 § 20 BDSG Nr. 1). Die - instanzielle - Zuständigkeit für
einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO
analog obliegt dem Gericht, das auch über den Hauptantrag zu entscheiden
hätte (Böttcher/Dau, WBO, 4. Aufl. 1997, § 17 Rn. 146).
Soweit sich allerdings der Antrag auf das „Verfügen der Ernennungen“ im Aus-
wahlverfahren der Zulassung zur Laufbahn der OffzMilFD gemäß § 40 SLV be-
zieht, ist er unzulässig.
Die Entscheidung über die Zulassung zur Laufbahn der OffzMilFD nach § 40
Abs. 1, § 44 SLV i.V.m. Nr. 801 ff. ZDv 20/7 stellt keine „Ernennung“ im Sinne
des § 4 Abs. 1 SG, also keine statusbegründende oder statusberührende Ent-
scheidung dar; sie ist vielmehr eine truppendienstliche Verwendungsentschei-
dung (stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 10. März 2005 - BVerwG 1 WB 55.04 -
und vom 20. Juni 2005 - BVerwG 1 WB 60.04 - PersV 2005, 388). Die Gewäh-
rung vorläufigen Rechtsschutzes bezüglich statusbegründender oder statusbe-
rührender Entscheidungen wäre im Übrigen nicht vor den Wehrdienstgerichten,
sondern gemäß § 82 Abs. 1 SG i.V.m. § 17 Abs. 1 WBO und § 123 VwGO vor
den allgemeinen Verwaltungsgerichten zu suchen.
Soweit der anwaltlich gestellte Antrag im Interesse des Antragstellers demnach
dahin umzudeuten wäre, dass er die Verfügungen der Zulassungen zur Lauf-
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bahn der OffzMilFD zum Gegenstand hat, erweist er sich ebenfalls als unzuläs-
sig.
Mit diesem Inhalt ist der Antrag auf ein rechtlich unmögliches Ziel gerichtet.
Denn die in der Auswahlkonferenz am 7. Februar 2006 ausgewählten Mitbe-
werber des Antragstellers haben nach unwidersprochen gebliebener Darlegung
des BMVg bereits vom PersABw ihre Zulassungsbescheide erhalten, sodass
eine Sicherungsanordnung im Hinblick auf das Zulassungsverfahren 2006
rechtlich nicht mehr möglich ist.
Davon abgesehen hat der Antragsteller den für den Erlass einer einstweiligen
Anordnung erforderlichen Anordnungsgrund im Sinne des § 123 Abs. 1 Satz 2,
Abs. 3 VwGO analog i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO nicht dargelegt. Insofern hätte er
glaubhaft machen müssen, dass ihm ohne die Gewährung vorläufigen Rechts-
schutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile ent-
stehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsa-
che nicht mehr in der Lage wäre (Beschluss vom 30. Juni 2005 - BVerwG
1 WDS-VR 2.05 - m.w.N.).
Einen derartigen Anordnungsgrund hat der Antragsteller nicht dargetan; ein
solcher ist auch für den Senat nicht erkennbar. Der BMVg hat wiederholt - u.a.
in den Verfahren BVerwG 1 WB 73.01, 1 WB 5.03, 1 WB 55.04, 1 WB 60.04
und 1 WB 25.05 - und auch im vorliegenden Verfahren mitgeteilt, dass eine
nachträgliche Zulassung von Bewerbern, hier des Antragstellers für das Aus-
wahljahr 2006, noch möglich wäre, wenn der Antrag des Antragstellers in der
Hauptsache erfolgreich wäre. Überdies ist der nach Nr. 25 der vom Bundesmi-
nisterium der Verteidigung erlassenen „Richtlinie für die Auswahl von Feldwe-
beln für die Zulassung zur Laufbahn der OffzMilFD“ vom 23. Juli 2002 maßgeb-
liche Zulassungstermin für die angestrebte Laufbahn, hier der 1. Oktober 2006,
gegenwärtig noch nicht abgelaufen. Vor diesem Hintergrund besteht kein Raum
für die Annahme, dass hinsichtlich des Antragsbegehrens eine besondere Eil-
bedürftigkeit besteht.
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Der Senat kann deshalb offenlassen, ob der Antragsteller einen Anordnungs-
anspruch im Hinblick auf die Erfolgaussicht in der Hauptsache glaubhaft ge-
macht hat.
Von der Belastung des Antragstellers mit Verfahrenskosten sieht der Senat ab,
weil er die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 WBO nicht für
gegeben erachtet.
Golze Dr. Frentz Dr. Deiseroth
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