Urteil des BVerwG vom 25.03.2013

Erstinstanzliches Gericht, Hauptsache, Erlass, Einweisung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WDS-VR 11.13
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberst ...,
...,
- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...,
... -
Beigeladener:
Herr Oberst i.G. ...,
...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 25. März 2013 beschlossen:
Der Antrag, dem Bundesminister der Verteidigung im We-
ge der einstweiligen Anordnung zu untersagen, den Bei-
geladenen zum 1. April 2013 auf den Dienstposten des
Leiters der Auswertungszentrale Elektronische Kampffüh-
rung beim Kommando ... zu versetzen, wird abgelehnt.
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G r ü n d e :
I
Der 1956 geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet vo-
raussichtlich mit Ablauf des 31. Juli 2017. Er wurde 2005 zum Oberst befördert
und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 16 eingewiesen. Derzeit wird
der Antragsteller als Kommandeur des ... eingesetzt.
Mit Schreiben vom 29. Mai 2012 bewarb sich der Antragsteller um die Verset-
zung auf den Dienstposten des Leiters der Auswertungszentrale Elektronische
Kampfführung beim Kommando ... Am 20. Dezember 2012 entschied der Abtei-
lungsleiter Personal im Bundesministerium der Verteidigung, diesen Dienstpos-
ten mit dem Beigeladenen zu besetzen. Am 8. Januar 2013 wurde dem Antrag-
steller vom Kommandeur des Kommandos ... telefonisch mitgeteilt, dass er
nicht für den Dienstposten ausgewählt worden sei; dieselbe Mitteilung erhielt
der Antragsteller nochmals mit Schreiben des Personalamts der Bundeswehr
vom 28. Januar 2013.
Gegen die Auswahlentscheidung erhob der Antragsteller mit Schriftsatz seines
Bevollmächtigten an das Personalamt der Bundeswehr vom 26. Februar 2013
und mit Schriftsatz vom 27. Februar 2013 an den Abteilungsleiter Personal im
Bundesministerium der Verteidigung jeweils „Widerspruch“.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 28. Februar 2013 beantragte der
Antragsteller außerdem beim Verwaltungsgericht Köln, dem Bundesminister der
Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO
zu untersagen, den Dienstposten des Leiters der Auswertungszentrale Elektro-
nische Kampfführung beim Kommando ... mit einer Mitbewerberin oder einem
Mitbewerber zu besetzen, solange nicht über seine, des Antragstellers, Bewer-
bung rechtskräftig entschieden ist. Mit Schriftsatz vom 19. März 2013 erklärte
der Antragsteller, dass er Eilrechtsschutz nicht zum Zwecke der vorläufigen
Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe B 3 begehre, sondern ver-
hindern wolle, dass der Beigeladene bereits zum 1. oder 2. April 2013 den strit-
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tigen Dienstposten besetze; demgemäß sei sein Antrag auf die vorläufige Un-
tersagung der Stellenbesetzung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Haupt-
sacheverfahren gerichtet. Über diesen Antrag zu entscheiden sei allein das
Bundesverwaltungsgericht befugt, sodass entsprechende Verweisung beantragt
werde.
Das Verwaltungsgericht Köln entschied daraufhin mit Beschluss vom 20. März
2013 (Az. 9 L 239/13), dass der Verwaltungsrechtsweg unzulässig ist, und ver-
wies den Rechtsstreit an das Bundesverwaltungsgericht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Ak-
ten Bezug genommen. Die Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts Köln - Az. ... -
lag dem Senat bei der Beratung vor.
II
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist in entsprechender An-
wendung des § 123 VwGO im wehrdienstgerichtlichen Verfahren grundsätzlich
statthaft. Das folgt aus der Verweisung in § 23a Abs. 2 WBO in der seit dem 1.
Februar 2009 geltenden Fassung (Bek. vom 22. Januar 2009, BGBl I S. 81) und
entsprach auch zuvor der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Be-
schluss vom 24. August 1993 - BVerwG 1 WB 56.93 - BVerwGE 93, 389 =
NZWehrr 1994, 211).
Es kann offenbleiben, ob sich der Antragsteller auf einen Anordnungsanspruch
berufen kann. Jedenfalls hat er den für den Erlass einer einstweiligen Anord-
nung erforderlichen Anordnungsgrund (§ 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO
i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) nicht dargelegt. Insofern hätte er glaubhaft machen
müssen, dass ihm ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere
und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren
nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in
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der Lage wäre (stRspr, z.B. Beschluss vom 29. März 2010 - BVerwG 1 WDS-
VR 1.10 - Rn. 15 m.w.N.). Ein derartiger Anordnungsgrund liegt zur Zeit nicht
vor.
Dem Antragsteller drohen durch die Besetzung des strittigen Dienstpostens
zum 1. oder 2. April 2013 mit dem Beigeladenen keine Nachteile, die nicht
nachträglich mit der Entscheidung in der Hauptsache wieder beseitigt werden
könnten. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Senats verfestigt sich eine
einmal getroffene militärische Verwendungsentscheidung - auch nach einer der
Bewertung des Dienstpostens entsprechenden Beförderung oder Einweisung in
die Planstelle einer höheren Besoldungsgruppe - nicht dahin, dass der durch
sie begünstigte Soldat eine rechtlich gesicherte Position erwirbt, auf dem ihm
zugewiesenen Dienstposten verbleiben zu können. Der Beigeladene müsste es
vielmehr hinnehmen, von dem Dienstposten wegversetzt zu werden, wenn der
Antragsteller bei der Stellenbesetzung ihm gegenüber rechtswidrig übergangen
worden wäre (vgl. z.B. Beschluss vom 25. April 2007 - BVerwG 1 WB 31.06 -
BVerwGE 128, 329 <330 f.> = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 41 Rn. 39 m.w.N. so-
wie zuletzt Beschluss vom 26. Februar 2013 - BVerwG 1 WB 14.12 - Rn. 23).
Ein Anordnungsgrund ergibt sich zur Zeit auch nicht unter dem Gesichtspunkt
des Erfahrungsvorsprungs, den der Beigeladene auf dem strittigen Dienstpos-
ten erlangen kann. Nach der Rechtsprechung des Senats und des für das Be-
amtenrecht zuständigen 2. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts
(vgl. Beschlüsse vom 29. April 2010 - BVerwG 1 WDS-VR 2.10 - Buchholz 310
§ 123 VwGO Nr. 28 Rn. 20 f. und vom 19. Dezember 2011 - BVerwG 1 WDS-
VR 5.11 - BVerwGE 141, 271 <272 f.> = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 63 Rn. 29 f.
sowie Beschluss vom 27. September 2011 - BVerwG 2 VR 3.11 - juris Rn. 17)
kann in Konkurrentenstreitigkeiten um die Besetzung eines Dienstpostens ein
Anordnungsgrund für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung be-
stehen, weil ein rechtswidrig ausgewählter Bewerber auf dem Dienstposten ei-
nen Erfahrungsvorsprung erlangen kann, der im Fall des Obsiegens des An-
tragstellers in der Hauptsache bei einer erneuten Auswahlentscheidung zu be-
rücksichtigen wäre. Dabei geht es um den materiellen Erfahrungsvorsprung, der
sich - unabhängig von bestimmten Beurteilungszeiträumen oder Beurteilungs-
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stichtagen - in dem Leistungsbild des ausgewählten Bewerbers niederschlägt
und den der rechtswidrig übergangene Bewerber nicht mehr ausgleichen kann.
Ein insoweit (beurteilungs-)relevanter Erfahrungsvorsprung und damit ein An-
ordnungsgrund ist nach der Rechtsprechung des Senats (Beschlüsse vom 29.
April 2010 a.a.O. und vom 19. Dezember 2011 a.a.O.) jedoch erst dann anzu-
nehmen, wenn zwischen dem Dienstantritt des ausgewählten Bewerbers auf
dem strittigen Dienstposten und der gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsa-
che ein Zeitraum von deutlich mehr als sechs Monaten liegt. Da der Beigelade-
ne den Dienst auf dem strittigen Dienstposten überhaupt erst am 1. oder 2. April
2013 antreten soll, kann sich ein Anordnungsgrund unter diesem Gesichtspunkt
frühestens im Oktober 2013 ergeben, sofern bis dahin die Hauptsache noch
nicht entschieden sein sollte.
Dem Antragsteller sind keine Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil der Se-
nat die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2
WBO) nicht für gegeben erachtet. Dies gilt auch hinsichtlich der Kosten des
Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Köln (vgl. zum Folgenden Beschluss
vom 12. Februar 2009 - BVerwG 1 WDS-VR 1.09 - Rn. 17). Gemäß § 17b Abs.
2 Satz 1 GVG sind die Kosten im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Teil
der Kosten des Verfahrens vor dem Senat. Verweist - wie hier - ein erstinstanz-
liches Gericht (oder ein Rechtsmittelgericht) ein Verfahren an ein erstinstanzli-
ches Gericht desselben oder eines anderen Zweiges der Gerichtsbarkeit, ist
das frühere erstinstanzliche Verfahren kostenrechtlich als Teil des Verfahrens
vor dem übernehmenden Gericht zu behandeln (§ 4 GKG). Kosten werden
deshalb nur nach den für das übernehmende Gericht geltenden Vorschriften
erhoben. Da die gerichtlichen Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung ge-
richtsgebührenfrei sind (§ 20 Abs. 4 WBO i.V.m. § 137 Abs. 1 WDO) und dem
Antragsteller im wehrdienstgerichtlichen Verfahren auch sonst keine Kosten
aufzuerlegen sind, erstreckt sich dies auch auf den Verfahrensabschnitt vor
dem Verwaltungsgericht Köln.
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Der Beigeladene trägt seine ihm entstandenen Aufwendungen selbst, weil er
keinen eigenen Antrag gestellt hat.
Dr. von Heimburg
Dr. Frentz
Dr. Langer