Urteil des BVerwG vom 29.05.2008

Versetzung, Aufschiebende Wirkung, Amt, Verdacht

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WDS-VR 10.08
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Fregattenkapitän …,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 29. Mai 2008 beschlossen:
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Antrags auf
gerichtliche Entscheidung vom 15. Mai 2008 gegen die
Versetzungsverfügung des Bundesministeriums der Ver-
teidigung - … - vom 9. Mai 2008 anzuordnen, wird abge-
lehnt.
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G r ü n d e :
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Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die ihm am 8. Mai
2008 verbindlich angekündigte und am 14. Mai 2008 ausgehändigte Verfügung
des Bundesministeriums der Verteidigung - … - vom 9. Mai 2008, mit der seine
Versetzung zum …amt auf den Dienstposten eines Infrastrukturstabsoffiziers
beim …stab W. in D. mit Dienstantritt am 2. Juni 2008 angeordnet worden ist.
Der 1964 geborene Antragsteller ist Berufssoldat, dessen Dienstzeit voraus-
sichtlich mit Ablauf des 30. Juni 2023 enden wird. Unter Einweisung in eine
Planstelle der Besoldungsgruppe A 14 wurde er am 22. Februar 2002 zum Fre-
gattenkapitän ernannt. Seit dem 2. November 1995 wird der Antragsteller als
Dauerverwender im …dienst geführt. Seit dem 6. November 2006 ist er als Re-
ferent im Organisationsstab des Bundesministeriums der Verteidigung, Referat
… eingesetzt. Die voraussichtliche Verwendungsdauer auf diesem Dienstpos-
ten war auf den 31. Juli 2009 festgelegt.
Auf Weisung des Bundesministers der Verteidigung vom 6. Februar 2008 nahm
die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Inspekteurs der Marine
gegen den Antragsteller gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 WDO Vorermittlungen auf.
Diesen Ermittlungen lag zugrunde, dass der Antragsteller bei einer stichpro-
benartigen Überprüfung der dienstlichen Internetnutzung durch Angehörige des
Bundesministeriums der Verteidigung (auf der Grundlage der „Rahmendienst-
vereinbarung über die Protokollierung informationstechnischer Systeme zwi-
schen dem BMVg und dem Hauptpersonalrat“ vom 3. Mai 2006) zum Stichtag
10. Dezember 2007 durch erhebliche private Nutzung des Internets aufgefallen
war. Für diesen Stichtag lag seine private Nutzung des dienstlichen Internetzu-
gangs bei ca. 77 %. Dabei wurden auch Dateien der Kategorie „Sex/Porno“
aufgefunden. Nach einer Vernehmung des Antragstellers am 14. Januar 2008,
in der er die private Nutzung des Internets einräumte, ergaben weitere Überprü-
fungen, dass der Antragsteller von Juli 2007 bis Januar 2008 mit einem Anteil
von 47,4 % den dienstlichen Internetzugang zum Aufruf von Seiten mit priva-
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tem Inhalt genutzt hatte (davon 15,9 % „Sex/Porno“-Dateien). Dies entsprach
einem Umfang von mehr als 100 Stunden.
Dieser im Einzelnen in einer Leitungsvorlage des Bundesministeriums der Ver-
teidigung - PSZ I 7 - vom 22. Januar 2008 dokumentierte Sachverhalt und die
Absicht, ihn wegen eingetretenen Vertrauensverlusts bzw. einer Störung des
Dienstbetriebs zum …amt auf den o.g. Dienstposten zu versetzen, wurden dem
Antragsteller im Rahmen eines Personalgesprächs am 14. März 2008 eröffnet.
Die Leitungsvorlage wurde seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 16. April
2008 übermittelt.
Zu der beabsichtigten Versetzung nahmen die Bevollmächtigten des An-
tragstellers mit Schriftsatz vom 15. April 2008 Stellung. Auf Antrag des An-
tragstellers äußerte sich der Personalrat beim Bundesministerium der Verteidi-
gung unter dem 17. April 2008 zu der beabsichtigten Maßnahme und bat u.a.,
eine Versetzung erst in Erwägung zu ziehen, wenn die Ermittlungen abge-
schlossen seien und der Antragsteller zur Äußerung Gelegenheit gehabt habe.
Am 29. April 2008 entschied Staatssekretär Dr. W. in Vertretung des Ministers
unter Berücksichtigung des Zwischenberichts der Wehrdisziplinaranwaltschaft
vom 12. März 2008 sowie der Stellungnahmen des Antragstellers, seiner Be-
vollmächtigten und des Personalrats, an der beabsichtigten Versetzung festzu-
halten.
Daraufhin wurde dem Antragsteller am 8. Mai 2008 ein abschließender Vermerk
über das Personalgespräch vom 14. März 2008, über die weiteren Anhörungen
und Ermittlungen sowie über die Entscheidung des Staatssekretärs eröffnet.
Unmittelbar anschließend erhielt der Antragsteller die verbindliche Ankündigung
der beabsichtigten Versetzung, gegen die er mit Schreiben vom 13. Mai 2008
Beschwerde einlegte.
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Mit der am 14. Mai 2008 eröffneten förmlichen Verfügung vom 9. Mai 2008 ord-
nete das Bundesministerium der Verteidigung - … - die Versetzung des An-
tragstellers zum …amt auf den Dienstposten Infrastrukturstabsoffizier beim
…stab W., Teileinheit/Zeile …, in D. mit Dienstantritt am 2. Juni 2008 an.
Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 15. Mai 2008 Beschwerde
ein.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 20. Mai 2008 beantragte er ergän-
zend die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.
Die Rechtsbehelfe des Antragstellers vom 13. und 15. Mai 2008 hat der Bun-
desminister der Verteidigung - PSZ I 7 - als Antrag auf gerichtliche Entschei-
dung gewertet und mit seiner Stellungnahme vom 26. Mai 2008 im Verfahren
BVerwG 1 WB 42.08 dem Senat vorgelegt. In dieser Stellungnahme hat er sich
zugleich zum Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes geäußert.
Zur Begründung seines Begehrens auf vorläufigen Rechtsschutz trägt der An-
tragsteller insbesondere vor:
Die angefochtene Versetzung erfolge ohne Rechtsgrund. Der geltend gemachte
Vertrauensverlust bzw. die behaupteten Störungen des Dienstbetriebs recht-
fertigten nicht die Versetzung. Er habe in der jüngeren Vergangenheit zugege-
benermaßen seinen dienstlichen Internetzugang privat genutzt. Dafür werde er
im Disziplinarverfahren die Verantwortung übernehmen. Gleichwohl scheide
eine Spannungsversetzung aus, weil eine unannehmbare Belastung des
Dienstbetriebs nicht eingetreten sei. Weder der Staatssekretär noch seine un-
mittelbaren Vorgesetzten hätten das Vertrauen in seine Person und in seine
uneingeschränkte fachliche Leistungsfähigkeit verloren. Feststellungen zu einer
Auswirkung des behaupteten Vertrauensverlusts auf den Dienstbetrieb seien
nicht getroffen worden. Ihm werde lediglich die Nutzung des dienstlichen Inter-
netzugangs zu privaten Zwecken vorgeworfen. Eine derartige private Nutzung
des Internets wirke sich jedoch nicht auf den Dienstbetrieb aus, sondern finde
quasi „außerhalb“ des Dienstbetriebs statt. Auch während der Dienstzeit besitze
ein im Öffentlichen Dienst Beschäftigter eine Privatsphäre und dürfe sich mit
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dieser sprechend, lesend oder nachdenkend beschäftigen. Es seien keine Teile
seiner Arbeit liegen geblieben. Nach Ziffer 6 der „Belehrung für Internet-Nutzer“
des Bundesministeriums der Verteidigung solle im Übrigen bereits bei einem
Anfangsverdacht der nichtdienstlichen Nutzung des bereitgestellten Internetzu-
gangs die dienstliche Zugangsberechtigung vorläufig entzogen werden. Bis
heute stehe ihm aber sein dienstlicher Internetzugang uneingeschränkt zur Ver-
fügung. Insbesondere seien „private“ Internetseiten bis heute für ihn nicht ge-
sperrt. Auch sein gutes Beurteilungsbild rechtfertige es nicht, an der beabsich-
tigten Versetzung festzuhalten. Für den Dienstposten beim …amt verfüge er
nicht über die erforderliche Vorerfahrung.
Der Antragsteller beantragt,
im Wege der einstweiligen Anordnung die Vollziehung der
Versetzungsverfügung der Antragsgegnerin vom 9. Mai
2008, durch welche er mit Wirkung zum 2. Juni 2008 ver-
setzt werden solle, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in
der Hauptsache auszusetzen.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung
zurückzuweisen.
Für die Versetzung des Antragstellers folge das dienstliche Bedürfnis aus ein-
getretenen Störungen und Vertrauensverlusten, die den Dienstbetrieb unan-
nehmbar belasteten. Gegen den Antragsteller bestehe der Verdacht einer
schuldhaften Dienstpflichtverletzung, der sich auf Beweismittel sowie auf die
Aussage des Antragstellers in seiner Vernehmung vom 14. Januar 2008 und in
seinen Anhörungsschreiben stütze. Er habe das vorgehaltene Dienstvergehen
eingeräumt. Sein pflichtwidriges Verhalten, das auch durch den Zwischenbe-
richt der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Inspekteurs der Mari-
ne vom 12. März 2008 bestätigt werde, lasse Zweifel aufkommen, ob er zukünf-
tig zuverlässig und mit dem berechtigten Anspruch auf Vertrauen seine ihm
übertragenen Aufgaben erledigen werde. Als Angehöriger des Bundesministe-
riums der Verteidigung unterliege der Antragsteller besonderen Anforderungen
an seine Gewissenhaftigkeit, Integrität und Vertrauenswürdigkeit. Ohne er-
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kennbaren Grund habe er seine Dienstpflichten in erheblichem Maße vernach-
lässigt. Dies führe zu einer nachhaltigen Zerstörung des vom Dienstherrn in ihn
gesetzten Vertrauens. Der Dienstherr müsse sich jederzeit uneingeschränkt auf
die Zuverlässigkeit und Gesetzestreue seiner Mitarbeiter, insbesondere bei der
Ausübung einer herausgehobenen Tätigkeit wie einer ministeriellen oder nach-
richtendienstlichen Verwendung, verlassen können. Mit jeder erneuten privaten
Nutzung des Internetzugangs über einen längeren Zeitraum habe sich der An-
tragsteller bewusst über bestehende Regeln hinweggesetzt. Ein milderes Mittel
als die Versetzung des Antragstellers habe nicht zur Verfügung gestanden. Die
Befürchtung, dass ein Mitarbeiter einer konstanten Kontrolle bei den täglichen
Dienstgeschäften bedürfe, sei im Dienstbetrieb ein unannehmbarer Umstand.
Die Nutzung des Internets zu privaten Zwecken habe der Antragsteller inner-
halb der festgelegten Dienstzeiten vorgenommen. Eine Sperrung des dienstli-
chen Internetzugangs zu einem früheren Zeitpunkt sei ausgeschlossen gewe-
sen, weil der Dienstposten des Antragstellers im Bundesministerium der Vertei-
digung zwingend auf die Nutzung des Internets angewiesen sei. Deshalb sei
von der Sperrung zunächst abgesehen und der Antragsteller unter eine ver-
stärkte Dienstaufsicht seines Vorgesetzten gestellt worden. Dies könne jedoch
aus den dargelegten Gründen kein auf Dauer angelegter Zustand sein. Viel-
mehr müsse durch die Versetzung erreicht werden, wieder einen ordnungsge-
mäßen Dienstbetrieb zu gewährleisten. Der neue Dienstort des Antragstellers
sei von seinem Wohnort in M. nur knapp 20 Fahrminuten weiter entfernt als der
bisherige Dienstort. Daher sei die Möglichkeit einer Dienstaufnahme für den
Antragsteller ohne größeren Aufwand möglich. Mit seiner Verwendung als Inf-
rastrukturstabsoffizier werde ihm außerdem ein Aufgabenbereich übertragen,
der seiner Eignung und seinen Erfahrungen als ausgebildeter Diplom-Ingenieur
im Bereich Vermessungswesen entspreche.
Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen den Be-
teiligten gewechselten Schriftsätze und der Akten Bezug genommen. Die Be-
schwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - 449/08 - sowie
die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat
bei der Beratung vorgelegen.
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Der als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO in
entsprechender Anwendung) formulierte Antrag auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes ist bei sach- und interessengerechter Auslegung des Rechts-
schutzbegehrens als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des
Antrags auf gerichtliche Entscheidung vom 15. Mai 2008 gegen die Verset-
zungsverfügung des Bundesministeriums der Verteidigung - … - vom 9. Mai
2008 auszulegen.
Dieser Antrag ist gemäß § 17 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO zu-
lässig.
Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
Der Gesetzgeber hat dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbar-
keit truppendienstlicher Maßnahmen grundsätzlich den Vorrang vor privaten
Belangen eingeräumt (§ 17 Abs. 6 Satz 1 WBO). Die Anordnung der aufschie-
benden Wirkung kommt deshalb nur in Betracht, wenn sich bereits bei summa-
rischer Prüfung durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochte-
nen Maßnahme ergeben oder dem Soldaten durch deren sofortige Vollziehung
unzumutbare, insbesondere nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden
(stRspr, vgl. Beschlüsse vom 11. Januar 2007 - BVerwG 1 WDS-VR 7.06 -
Buchholz 449.7 § 23 SBG Nr. 4 und vom 13. Juni
2007 - BVerwG 1 WDS-VR 1.07 - Buchholz 449.7 § 48 SBG Nr. 1 = NZWehrr
2008, 39 jeweils m.w.N.).
Bei summarischer Prüfung bestehen gegen die Rechtmäßigkeit der Verset-
zungsverfügung vom 9. Mai 2008 keine rechtlichen Bedenken.
Der Soldat hat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte fachliche
oder örtliche Verwendung oder auf Verwendung auf einem bestimmten Dienst-
posten. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorge-
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pflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte über die Ver-
wendung eines Soldaten, sofern hierfür ein dienstliches Bedürfnis besteht, nach
seinem pflichtgemäßen Ermessen (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 25. September
2002 - BVerwG 1 WB 30.02 - Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 30
veröffentlicht> und vom 10. Oktober 2002 - BVerwG 1 WB 40.02 - jeweils
m.w.N.). Dabei sind die gesetzlich vorgegebenen oder vom Bundesministerium
der Verteidigung im Wege der Selbstbindung in Erlassen und Richtlinien fest-
gelegten Maßgaben und Verfahrensvorschriften einzuhalten (vgl. Beschlüsse
vom 27. Februar 2003 - BVerwG 1 WB 57.02 - BVerwGE 118, 25 <27> =
Buchholz 252 § 23 SBG Nr. 2 = NZWehrr 2003, 212
licht> und vom 11. Januar 2007 a.a.O.).
Die Anfechtung einer Versetzungsverfügung erfasst grundsätzlich sowohl die
Weg- als auch die Zuversetzung.
Nach dem im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes vorliegenden Erkennt-
nisstand bestehen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wegversetzung des
Antragstellers von seinem bisherigen Dienstposten.
Für die Wegversetzung des Antragstellers aus dem Bundesministerium der
Verteidigung - Referat … - besteht ein dienstliches Bedürfnis.
Das dienstliche Bedürfnis für eine (vorzeitige) Versetzung liegt vor, wenn Stö-
rungen, Spannungen und/oder Vertrauensverluste, die den Dienstbetrieb un-
annehmbar belasten, nur durch Versetzung eines der beteiligten Soldaten be-
hoben werden können (Nr. 5 Buchst. h der Richtlinien zur Versetzung, zum
Dienstpostenwechsel und zur Kommandierung von Soldaten vom 3. März 1988
in der zuletzt am 11. August 1998 geänderten
Fassung - Versetzungsrichtlinien -; stRspr, vgl. u.a. Beschlüsse vom 14. Juli
2005 - BVerwG 1 WB 66.04 - NZWehrr 2006, 157 und vom 26. Oktober 2006
- BVerwG 1 WB 24.06 - m.w.N.). Eine Wegversetzung nach Nr. 5 Buchst. h der
Versetzungsrichtlinien kann insbesondere darauf gestützt werden, dass gegen
den betroffenen Soldaten der Verdacht einer schuldhaften Dienstpflichtverlet-
zung besteht (Beschlüsse vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 WB 14.01 -, vom
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14. Juli 2005 a.a.O., vom 1. Juni 2006 - BVerwG 1 WDS-VR 1.06 - und vom
31. Januar 2007 - BVerwG 1 WB 36.06 -).
Ein derartiger Fall liegt hier vor.
Nach den Feststellungen des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 7 -
auf der Basis des Zwischenberichts der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den
Bereich des Inspekteurs der Marine vom 12. März 2008 und der eigenen Äuße-
rungen des Antragstellers besteht der Verdacht, dass dieser durch die uner-
laubte private Nutzung seines dienstlichen Internetzugangs über einen längeren
Zeitraum im Umfang von mehr als 100 Stunden eine schuldhafte Dienst-
pflichtverletzung begangen hat. Nr. 1005 Satz 3 ZDv 54/100 („IT-Sicherheit in
der Bundeswehr“) bestimmt, dass dienstliche Hard- und Software nur zu dienst-
lichen Zwecken genutzt werden dürfen. Dementsprechend hat das Bundesmi-
nisterium der Verteidigung in der - vom Antragsteller selbst in das Verfahren
eingeführten - „Belehrung für Internet-Nutzer“ im Abschnitt 3. unter der Über-
schrift „Verbotene Nutzung“ angeordnet, dass die Nutzung des Internetzu-
gangs zu anderen als dienstlichen Zwecken verboten sei; dies schließe jede
Form der möglichen Informationsgewinnung und Informationsbereitstellung im
Internet ein.
Die ihm vorgehaltene unzulässige private Nutzung seines dienstlichen Internet-
zugangs hat der Antragsteller sowohl in der Stellungnahme seiner Bevollmäch-
tigten vom 15. April 2008 als auch in seiner eidesstattlichen Versicherung vom
23. Mai 2008 eingeräumt und erklärt, er werde dafür im Disziplinarverfahren die
Verantwortung übernehmen.
Die Einschätzung des Bundesministeriums der Verteidigung - … -, dass jeden-
falls die durch das Verhalten des Antragstellers aufgetretenen Störungen des
Dienstbetriebs diesen unannehmbar belasten und nur durch eine umgehende
Beendigung der Verwendung des Antragstellers auf seinem bisherigen Dienst-
posten behoben werden können, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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Der Senat kann insoweit offenlassen, ob bei den unmittelbaren Vorgesetzten
des Antragstellers und bei der Leitung des Ministeriums ein Vertrauensverlust
eingetreten ist oder nicht. Dafür spricht immerhin, dass Staatssekretär Dr. W.
die Leitungsvorlage, in der die Vorwürfe gegen den Antragsteller und der dar-
aus hergeleitete Vertrauensverlust im Einzelnen dargelegt worden sind,
zugleich in Vertretung des Ministers abgezeichnet und damit gebilligt hat. Der
Umstand, dass er sich auch weiterhin von dem Antragsteller hat zuarbeiten las-
sen, steht dem nicht entgegen, zumal an der fachlichen Eignung des An-
tragstellers keine Zweifel bestehen. Ein Vertrauensverlust muss nicht zur Folge
haben, dass - bis zur Wirksamkeit der beabsichtigten Spannungsversetzung -
jeglicher dienstlicher Kontakt vermieden wird.
Der Bundesminister der Verteidigung hat im Einzelnen dargelegt, dass das
Verhalten des Antragstellers nicht nur das Vertrauen seiner Vorgesetzten in
seine Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit nachhaltig erschüttert habe. Überdies kön-
ne die Wahrnehmung der täglichen Dienstgeschäfte durch den Antragsteller nur
unter ständiger Kontrolle erfolgen; die Befürchtung aber, dass ein Mitarbeiter
wie hier der Antragsteller bei der Erledigung der täglichen Dienstgeschäfte einer
konstanten Kontrolle bedürfe, sei ein im Dienstbetrieb unannehmbarer
Umstand. Der Bundesminister der Verteidigung hat deshalb betont, dass die zur
Zeit erforderliche verstärkte Dienstaufsicht über den Antragsteller keinen
Dauerzustand darstellen könne. Es sei zwingend erforderlich, dass sich ein Sol-
dat wie der Antragsteller in der besonderen sicherheitsrelevanten Verwendung
im Ministerium uneingeschränkt an die Regelungen zum Umgang mit dem In-
ternet halte. Der Antragsteller habe durch sein Verhalten gezeigt, dass er wie-
derholt seine eigenen ausschließlich privaten Belange vor die dienstliche Not-
wendigkeit der Einhaltung der Vorschriftenlage gestellt und damit den Anforde-
rungen an seine Funktion als Angehöriger des Ministeriums nicht entsprochen
habe. Die Versetzung sei unumgänglich, um wieder einen ordnungsgemäßen
und reibungslosen Dienstbetrieb zu gewährleisten.
Angesichts dieser Umstände und der speziellen Funktion des Antragstellers als
Referent im Bereich der … ist es nachvollziehbar und rechtsfehlerfrei begrün-
det, dass das Bundesministerium der Verteidigung - … - aus dem vom An-
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tragsteller nicht bestrittenen Verhalten die Schlussfolgerung gezogen hat, es sei
unvertretbar, diesen im Referat … weiter zu verwenden, obwohl der Verdacht
einer erheblichen Dienstpflichtverletzung gegen ihn besteht und der
Dienstbetrieb durch die daher gegenüber dem Antragsteller erforderlichen
ständigen zusätzlichen Kontroll- und Aufsichtsmaßnahmen in der dargelegten
Art und Weise unannehmbar belastet wird. Auf die Frage, ob der Antragsteller
trotz der Nutzung des Internets zu privaten Zwecken während der Dienstzeit
seine dienstlichen Aufgaben in vollem Umfang erfüllt hat, kommt es nicht an.
Entgegen der Empfehlung des Personalrats war das Bundesministerium der
Verteidigung - … - nicht gehalten, die Einleitung des gerichtlichen Disziplinar-
verfahrens und dessen Abschluss abzuwarten. Nach ständiger Rechtsprechung
des Senats reicht der bloße Verdacht der dem betroffenen Soldaten zur Last
gelegten schuldhaften Dienstpflichtverletzung aus, um ein dienstliches Bedürf-
nis für eine Wegversetzung zu begründen (Beschlüsse vom 8. Mai 2001 a.a.O.,
vom 26. Oktober 2006 a.a.O. und vom 31. Januar 2007 a.a.O.).
Für die Zuversetzung des Antragstellers zum …amt besteht ebenfalls ein
dienstlichen Bedürfnis, weil der dort von ihm wahrzunehmende Dienstposten
frei und zu besetzen ist (vgl. Nr. 5 Buchst. a der Versetzungsrichtlinien). Dass
diese Voraussetzung eines dienstlichen Bedürfnisses der Zuversetzung im vor-
liegenden Fall erfüllt ist, stellt der Antragsteller nicht in Frage. Soweit er seine
Vorerfahrung für diesen Dienstposten bezweifelt, verkennt der Antragsteller,
dass es eine der gerichtlichen Nachprüfung entzogene Frage der militärischen
Zweckmäßigkeit darstellt, ob und inwieweit die auf einem militärischen Dienst-
posten wahrzunehmenden Aufgaben eine besondere Ausbildung oder Vorver-
wendung des betroffenen Soldaten erfordern (stRspr; Beschlüsse vom
13. November 2003 - BVerwG 1 WB 40.03 - und vom 26. Februar 2008
- BVerwG 1 WB 47.07 - jeweils m.w.N.).
Eine fehlerhafte Ermessenausübung (§ 114 VwGO in entsprechender Anwen-
dung) oder ein Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse (§ 17
Abs. 3 Satz 2 WBO) ist bei summarischer Überprüfung der Versetzungsverfü-
gung ebenfalls nicht ersichtlich. Versetzungshinderungsgründe im Sinne der
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Nr. 6 oder 7 der Versetzungsrichtlinien hat der Antragsteller nicht geltend ge-
macht.
Die erforderliche Anhörung (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SBG) durch den Personal-
rat beim Bundesministerium der Verteidigung (§ 52 Abs. 1 Satz 1 SBG) wurde
ordnungsgemäß durchgeführt. Auch der Antragsteller ist in Übereinstimmung
mit Nr. 9 der Versetzungsrichtlinien zu der beabsichtigten Versetzung angehört
worden.
Soweit der Antragsteller beanstandet, die Weiternutzung des dienstlichen In-
ternetzugangs sei ihm bis heute nicht untersagt worden, ergibt sich hieraus kein
Ermessensfehler. Der Antragsteller war nach dem unbestritten gebliebenen
Vorbringen des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - für seine tägliche
Arbeit im Referat … zwingend auf den Internetzugang angewiesen, und zwar
mit einer Berechtigung, die über den üblichen Umfang hinausging. Eine unver-
zügliche Sperrung dieses Zugangs wäre gleichbedeutend mit einer Nichtver-
wendbarkeit des Antragstellers auf seinem bisherigen Dienstposten gewesen
und hätte zu einer sofortigen Wegversetzung führen müssen. Für die Über-
gangszeit bis zur Entscheidung des Staatssekretärs über die Versetzung des
Antragstellers (am 29. April 2008) hat der Bundesminister der Verteidigung
nach seiner Darlegung durch verstärkte Dienstaufsicht des zuständigen Refe-
ratsleiters eine Wiederholung des Dienstvergehens weitgehend ausschließen
können.
Schließlich ist nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller durch die sofortige Voll-
ziehung der Versetzungsverfügung , insbesondere nicht wieder
gutzumachende Nachteile entstünden. Solche Nachteile hat der Antragsteller
auch im Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 28. Mai 2008 nicht plausibel
dargetan.
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