Urteil des BVerwG vom 12.04.2013

Staatssekretär, Vergleich, Hauptsache, Empfehlung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WDS-VR 1.13
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberstleutnant …,
…,
- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt …,
… -
Beigeladener:
Herr Oberstleutnant …,
…,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 12. April 2013 beschlossen:
Der Bundesminister der Verteidigung wird im Wege der
einstweiligen Anordnung verpflichtet, bis zu einer Ent-
scheidung des Senats über den Antrag des Antragstellers
auf gerichtliche Entscheidung vom 18. Januar 2013 gegen
die Auswahlentscheidung des Abteilungsleiters Personal
im Bundesministerium der Verteidigung vom 8. Januar
2013 (BVerwG 1 WB 8.13) die Umsetzung des Beigelade-
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nen auf den Dienstposten MAD-Stabsoffizier und Grup-
penleiter „…“ (…) in der Abteilung … des Amtes für den
Militärischen Abschirmdienst vorläufig rückgängig zu ma-
chen.
Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesver-
waltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Ver-
fahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden
dem Bund auferlegt.
G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich mit seinem Antrag auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes gegen die Entscheidung des Abteilungsleiters Personal im
Bundesministerium der Verteidigung, den nach Besoldungsgruppe A 16 bewer-
teten Dienstposten MAD-Stabsoffizier und Gruppenleiter „…“ in der Abteilung …
des Amtes für den Militärischen Abschirmdienst (MAD-Amt) in Köln mit dem
Beigeladenen zu besetzen.
Der 19.. geborene Antragsteller ist Berufssoldat, dessen Dienstzeit voraussicht-
lich mit Ablauf des 30. September 20.. enden wird. Er wurde am 21. Februar
20.. zum Oberstleutnant ernannt und mit Wirkung vom 1. November 20.. in eine
Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 eingewiesen. Er verfügt aufgrund der am
17. Februar 19.. bestandenen Zweiten Juristischen Staatsprüfung über die Be-
fähigung zum Richteramt. Der Antragsteller wurde vom 1. April 2000 bis zum
3. August 2003 als …-Stabsoffizier (…) im MAD-Amt in Köln verwendet. Am
7. September 2000 wurde ihm der Ausbildungs- und Tätigkeitsnachweis
1000 406 („MAD-Stabsoffizier“) zuerkannt. Vom 4. August 2003 bis zum
30. April 2004 wurde er im Personalamt der Bundeswehr in Köln als
…-Stabsoffizier und anschließend vom 1. Mai 2004 bis zum 30. September
2009 als Referent im Referat … im Bundesministerium der Verteidigung ver-
wendet. Seit dem 1. Oktober 2009 ist er als …-Stabsoffizier und Dezernatsleiter
beim Personalamt der Bundeswehr (…) eingesetzt.
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Am 18. Februar 2011 entschied der Abteilungsleiter Personal-, Sozial- und Zen-
tralangelegenheiten im Bundesministerium der Verteidigung, den strittigen
Dienstposten mit dem Beigeladenen zu besetzen. Der Beigeladene wurde da-
raufhin zum 1. April 2011 mit Dienstantritt am 26. April 2011 auf den Dienstpos-
ten versetzt.
Mit Beschluss vom 19. Dezember 2011 (BVerwG 1 WDS-VR 5.11) verpflichtete
der Senat auf Antrag des Antragstellers den Bundesminister der Verteidigung
im Wege der einstweiligen Anordnung, die Versetzung des Beigeladenen auf
den Dienstposten vorläufig rückgängig zu machen. Daraufhin wechselte der
Beigeladene auf Anordnung des Bundesministeriums der Verteidigung
- PSZ I 2 - vom 29. Dezember 2011 zum 1. Januar 2012 auf ein „dienstposten-
ähnliches Konstrukt“ (z.b.V.-Dienstposten) im MAD-Amt. Dort wurde er mit der
Wahrnehmung von Aufgaben in der Abteilung … und ab dem 13. Februar 2012
in der Abteilung … als … des MAD-Amtes für erforderliche Arbeiten des MAD
im Rahmen des Untersuchungsausschusses „…“ betraut.
Am 16. März 2012 wurde der am 28. Dezember 19… geborene Beigeladene
auf Anforderung des zuständigen Personalführers in einer Sonderbeurteilung
beurteilt. Diese erstreckte sich auf seine Tätigkeiten im MAD-Amt und auf die
zuvor von ihm wahrgenommenen Aufgaben als Referent im Bundesministerium
der Verteidigung - … -. Der Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung auf dem
Dienstposten wurde mit 8,0 bewertet.
Am 23. Mai 2012 entschied Staatssekretär Wolf - nach Beteiligung von Staats-
sekretär Beemelmans - aufgrund einer Vorlage des Referates P II 1 vom
15. Mai 2012, für Zeitverwender im MAD könnten Abweichungen vom „Modell
für die Verwendungsplanung der Offiziere des Truppendienstes im MAD“
(BMVg - Staatssekretär vom 1. Februar 2002) dergestalt vorgenommen wer-
den, dass nach Maßgabe der Personalführung des MAD von der modellhaften
Forderung einer Vorverwendung im MAD und einer bereits erfolgten Ausbildung
zum MAD-Stabsoffizier abgewichen werden dürfe.
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Am 25. Mai 2012 leitete das Referat PSZ I 2 ein erneutes Auswahlverfahren zur
Besetzung des strittigen Dienstpostens ein. Unter dem 8. Januar 2013 legte das
Referat P II 1 dem Abteilungsleiter Personal im Bundesministerium der Vertei-
digung eine Entscheidungsvorlage zur Besetzung des Dienstpostens vor, der
ein Protokoll des zuständigen Beratungsgremiums mit einem Auswahlrational
und den Personalbögen der fünf betrachteten Kandidaten beigefügt waren. In
der Vorlage wurden die wesentlichen Aufgaben des Dienstposteninhabers dar-
gestellt. Als „Besonderheiten“ war Folgendes ausgeführt:
„Da kein geeigneter MAD-Offizier für die Besetzung des
Dienstpostens zur Verfügung steht, werden Offiziere, die
als Zeitverwender im MAD verwendet werden sollen, be-
trachtet. Zu beachten bei der Nachbesetzung sind die
Aufgabenbeschreibung sowie das Modell für die Verwen-
dungsplanung der Offiziere des Truppendienstes im MAD.
Das Personalmodell sieht vor, dass für eine Führungsver-
wendung im MAD das in Basis- und Aufbauverwendungen
unter Beweis gestellte Eignungs-, Befähigungs- und Leis-
tungspotenzial ausschlaggebend ist. Bei Zeitverwendern
(Soldaten, die nur temporär im MAD verwendet werden)
sollte für Verwendungen ab der A 15-Ebene eine Vorver-
wendung im MAD gegeben sein. Weiterhin sehen Aufga-
ben- und Tätigkeitsbeschreibungen vor, dass die Soldaten
im Rahmen der Personalauswahl über eine MAD-interne
fachliche Ausbildung gemäß Arbeitsweisung 8 (Bezug 2.)
verfügen sollen.
Das Modell für die Verwendungsplanung bedarf der An-
passung. Diese erfolgt im Rahmen der Umstrukturierung
des MAD und nach erfolgter Abschichtung der Personal-
führung des MAD zum Bundesamt für Personalmanage-
ment der Bundeswehr. Zur Erhöhung der Flexibilisierung
im Rahmen der Bestenauswahl kann nach Billigung durch
Staatssekretär Wolf vom 23.05.2012 bei Zeitverwendern
des MAD im Einzelfall nach Maßgabe des personalfüh-
renden Referates P II 1 von der Forderung der erforderli-
chen MAD-fachlichen Ausbildung gemäß Arbeitswei-
sung 8 (MAD-interne Weisung) und der erforderlichen
Vorverwendung gemäß Modell für die Verwendungspla-
nung der Offiziere des Truppendienstes im MAD (siehe
Aufgabenbeschreibung) abgewichen werden. Diese Ent-
scheidung hat P II 1 bei dem vorliegenden Auswahlverfah-
ren getroffen. Dies ist erforderlich, weil nur ein verschwin-
dend geringer Teil der Streitkräfte über eine Vorverwen-
dung im MAD verfügt. Ansonsten wäre im Bereich der
Zeitverwender des MAD eine Bestenauswahl für Förder-
dienstposten nicht gegeben. Personalamt der Bundeswehr
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wurde über das Abweichen vom Personalmodell und der
Aufgabenbeschreibung anlässlich der Aufforderung, ge-
eignete Kandidaten zu benennen, informiert.“
In der Vorlage wurden der Beigeladene, der Antragsteller und drei weitere
Oberstleutnante in einem ausführlichen „Kandidatenvergleich“ in ihren Werde-
gängen, mit ihren Qualifikationen sowie in ihrem Beurteilungsbild vorgestellt.
Die Vorlage schließt mit folgender „Besetzungsempfehlung“ ab:
„Oberstleutnant A ist der einzige Kandidat mit einer Vor-
verwendung im MAD. Im Vergleich zu den anderen Kan-
didaten fallen jedoch seine nur bis in die A 15-Ebene be-
stätigten Verwendungshinweise ins Gewicht. Ihm fehlt ak-
tuell eine Entwicklungsprognose „deutlich oberhalb der
allgemeinen Laufbahnperspektive“, ein herausragendes
Leistungsbild sowie bestätigte Verwendungsvorschläge in
die A 16-Ebene. Der Offizier erfüllt die Anforderungen des
„Kataloges streitkräftegemeinsamer Bedarfsträgerforde-
rungen für Auswahl- und Verwendungsplanungsverfahren
im Rahmen des Personalmanagements“, die an
A 16-Verwendungen gestellt werden nicht und ist somit für
diese Ebene auch nicht geeignet. Ferner ist bei seinem
dokumentierten Leistungsbild von 6,20 im Vergleich zu
8,00 bei Oberstleutnant B der Unterschied so groß, dass
dessen teilweise bessere Befähigung wegen seiner lang-
jährigen Vorverwendung im MAD gegenüber Oberstleut-
nant B gar nicht mehr berücksichtigt werden darf, ohne
das Prinzip der Bestenauslese zu verletzen. Der Leis-
tungsunterschied zwischen Oberstleutnant F. und Oberst-
leutnant B ist ebenfalls so groß, dass Oberstleutnant F. im
Leistungsvergleich unterliegt.
Im weiteren Eignungs- und Leistungsvergleich der verblei-
benden Kandidaten fällt der wertende Vergleich aus Sicht
P II 1 zu Gunsten von Oberstleutnant B aus. Mit der bes-
ten Leistungsbewertung im Kandidatenvergleich, seinem
breiteren fachlichen Aufbau in Referentenverwendungen
im BMVg, der umfangreichen Erfahrung in Grundsatzan-
gelegenheiten und seiner als Kompaniechef und vor allem
als Bataillonskommandeur bewiesenen Führungsverwen-
dung überzeugt Oberstleutnant B in der Gesamtbetrach-
tung am ehesten.
Aus diesem Grund wird die Nachbesetzung des Dienst-
postens mit Oberstleutnant B vorgeschlagen.“
Im Beratungsgremium hatten der Generalinspekteur der Bundeswehr am
4. Dezember 2012, der Inspekteur der Streitkräftebasis am 20. November
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2012, der Inspekteur des Heeres am 20. Dezember 2012, der Inspekteur der
Luftwaffe am 28. Dezember 2012 und die Militärische Gleichstellungsbeauftrag-
te am 5. November 2012 für die Besetzung des strittigen Dienstpostens mit
dem Beigeladenen votiert. Der Abteilungsleiter Personal erklärte sich unter dem
8. Januar 2013 mit der Empfehlung, den Dienstposten mit dem Beigeladenen
zu besetzen, einverstanden. Mit Verfügung vom 10. Januar 2013 ordnete das
Bundesministerium der Verteidigung - P II 1 - die Umsetzung des Beigeladenen
zum 9. Januar 2013 auf den Dienstposten an.
Gegen die ihm am 14. Januar 2013 mitgeteilte Auswahlentscheidung zugunsten
des Beigeladenen hat der Antragsteller mit Schreiben seines Bevollmächtigten
vom 18. Januar 2013 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und mit
Schreiben vom 22. Januar 2013 die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
beantragt.
Zu beiden Anträgen hat der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - mit
Schriftsatz vom 6. Februar 2013 Stellung genommen.
Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens trägt der Antragsteller insbe-
sondere vor:
Die Auswahlentscheidung für die Besetzung des Dienstpostens leide an formel-
len und materiellen Fehlern. Insbesondere sein Rechtsanspruch auf faire und
chancengleiche Behandlung im Bewerberauswahlverfahren sei verletzt. Die
seinerzeit nach den „Vorstellungsgesprächen“ im MAD-Amt ausgesprochene
Empfehlung des Präsidenten des MAD-Amtes, den Beigeladenen für den streit-
befangenen Dienstposten auszuwählen, sei weiterhin existent. Er könne nicht
nachvollziehen, wie danach ein faires und chancengerechtes Auswahlverfahren
durchgeführt worden sein solle. Außerdem sei die Entscheidung des Senats,
die Versetzung des Beigeladenen vorläufig rückgängig zu machen, missachtet
und nur unzureichend vollzogen worden. Denn der Beigeladene sei auf einem
„dienstpostenähnlichen Konstrukt“ im MAD-Amt verblieben, wo er zuvor noch
nie verwendet worden sei. Eine Verwendung des Beigeladenen im MAD-Amt
scheide aus, weil dieser nicht über die nach dem Modell für die Verwendungs-
planung für die Offiziere des Truppendienstes im MAD erforderliche Vorver-
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wendung im MAD und auch nicht über die insoweit notwendige Ausbildungs-
und Tätigkeitsbezeichnung MAD-Stabsoffizier verfüge. Er selbst habe hingegen
mit einer dreijährigen einschlägigen MAD-Vorverwendung sowie mit der zu-
erkannten Ausbildungs- und Tätigkeitsbezeichnung „MAD-Stabsoffizier“ hinrei-
chende Aussichten, in einem neuen Bewerbungsauswahlverfahren zum Zuge
zu kommen. Die für den Beigeladenen erstellte Sonderbeurteilung sei unzuläs-
sig und im Übrigen mit seiner eigenen planmäßigen Beurteilung zum
30. September 2011 nicht vergleichbar. Der Beigeladene habe zum Vorlage-
termin 30. September 2011 planmäßig beurteilt werden müssen, weil er zu die-
sem Zeitpunkt auf einem höherwertigen Dienstposten verwendet worden sei, für
den Nr. 205 Buchst. a ZDv 20/6 die Erstellung einer planmäßigen Beurteilung
vorschreibe. In der Sonderbeurteilung des Beigeladenen habe dessen Verwen-
dung im MAD-Amt nicht berücksichtigt werden dürfen. Überdies sei ein Durch-
schnittswert der Aufgabenerfüllung von 8,0 für einen nachrichtendienstlichen
Laien wie den Beigeladenen unerklärlich.
Die für ihn selbst zum 30. September 2011 erstellte planmäßige Beurteilung ha-
be nicht verwertet werden dürfen, weil sie im Sinne des § 44 VwVfG nichtig sei.
Für diese Beurteilung sei eine falsche Vergleichsgruppe gebildet worden. Die
Erlassänderung durch Staatssekretär Wolf sei ebenfalls rechtswidrig. Zu dieser
Erlassänderung habe der Gesamtvertrauenspersonenausschuss gehört werden
müssen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beteiligungspflicht eingehalten
worden sei. Außerdem sei die vorgenommene Erlassänderung für den strittigen
Dienstposten irrelevant, weil es sich dabei um einen Dauerverwender-
Dienstposten handele. Für derartige Dienstposten sei eine MAD-spezifische
Vorverwendung zwingend notwendig.
Der Antragsteller beantragt,
den Bundesminister der Verteidigung im Wege der einst-
weiligen Anordnung zu verpflichten, bis zu einer Entschei-
dung des Wehrdienstsenats über den Antrag vom
18. Januar 2013 gegen die Auswahlentscheidung des Ab-
teilungsleiters Personal im Bundesministerium der Vertei-
digung vom 8. Januar 2013 die Versetzung des ausge-
wählten Offiziers, Oberstleutnant B, auf den Dienstposten
MAD-Stabsoffizier und Gruppenleiter „…“ in der Abtei-
lung … des MAD-Amtes vorläufig rückgängig zu machen.
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Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hält die getroffene Auswahlentscheidung für rechtmäßig und führt insbeson-
dere aus:
Der strittige Dienstposten habe sich zunehmend zu der zentralen Schlüssel-
position für die Bearbeitung von Anfragen aus dem parlamentarischen Bereich
und der Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung zu allen Aufgaben-
gebieten des MAD sowie für die Bearbeitung von Gesetzesvorhaben entwickelt.
Für die Besetzung des Dienstpostens kämen daher vorrangig MAD-Stabs-
offiziere (Dauerverwender) in Frage, die langjährige Erfahrung in diesem Be-
reich gesammelt hätten und über die entsprechende Förderperspektive verfüg-
ten. Sofern ein solcher Offizier nicht zur Verfügung stehe und eine Besetzung
mit einem Offizier von außen erfolgen müsse, werde als unabdingbare Voraus-
setzung die juristische Qualifikation (Stabsoffizier Recht) gesehen. Vor diesem
Hintergrund habe man ein MAD-externes Kandidatenfeld identifizieren müssen,
das über eine langjährige Erfahrung in der Bearbeitung von juristischen Grund-
satzangelegenheiten verfüge und diese möglichst auf breiter Basis durch meh-
rere Verwendungen in entsprechenden ministeriellen Bereichen erworben habe.
Unter Berücksichtigung dieser vom Bedarfsträger geforderten Qualifikations-
merkmale seien - mangels entsprechend geeigneter MAD-Stabsoffiziere - für
die Nachbesetzung des Dienstpostens nur MAD-externe Stabsoffiziere mit der
Befähigung zum Richteramt, mit Führungserfahrung aus einer Vorverwendung
als Bataillonskommandeur und einer Vorverwendung im Bereich juristischer
Grundsatzangelegenheiten in Betracht gekommen. Das Erfordernis einer Vor-
verwendung in der Truppe auf der Ebene eines Bataillonskommandeurs sei in
der ergänzenden Aufgabenbeschreibung vom 27. Februar 2012 aufgeführt, weil
der Dienstposteninhaber für alle Soldaten der Abteilung … die Aufgabe eines
Disziplinarvorgesetzten mit der Disziplinargewalt der Stufe 2 (Disziplinarbefug-
nis eines Bataillonskommandeurs) wahrzunehmen habe. Im Auswahlverfahren
seien vier Stabsoffiziere Recht identifiziert worden, die zu diesem Zeitpunkt
über eine individuelle Förderperspektive in die Ebene A 16 verfügt hätten. Der
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Antragsteller, dem in seiner letzten planmäßigen Beurteilung zum
30. September 2011 nur noch die Förderperspektive A 15 zuerkannt worden
sei, sei als fünfter Kandidat ebenfalls mitbetrachtet worden. Ausschlaggebende
Bedeutung für die Auswahl des Beigeladenen sei der letzten dienstlichen Be-
urteilung beigemessen worden, in der der Beigeladene einen Durchschnittswert
der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten von 8,0 erreicht habe. Demge-
genüber habe der Antragsteller lediglich einen Durchschnittswert von 6,2 erzielt.
Der Abteilungsleiter Personal habe damit auf das Auswahlkriterium zurückge-
griffen, das nach der Rechtsprechung, aber auch nach den Bestimmungen der
ZDv 20/6, vorrangig heranzuziehen sei. Darüber hinaus verfüge der Antragstel-
ler - im Gegensatz zu den anderen Kandidaten - nicht über die an den Dienst-
posten geknüpften Anforderungen einer Vorverwendung im Bereich juristischer
Grundsatzangelegenheiten und über Führungserfahrung als Bataillonskom-
mandeur oder in einer vergleichbaren Führungsverwendung.
Im Hinblick auf den Vortrag des Antragstellers, dass die Empfehlung des Präsi-
denten des MAD-Amtes zugunsten des Beigeladenen weiterhin existent sei, sei
darauf hinzuweisen, dass die Position des Präsidenten zur Jahresmitte 2012
neu besetzt worden sei und der derzeitige Präsident von den „Vorstellungsge-
sprächen“ keine Kenntnis gehabt habe. Entgegen der Auffassung des Antrag-
stellers habe für den Beigeladenen eine planmäßige Beurteilung nicht mehr
erstellt werden dürfen, weil - nach dem Aufschub des Vorlagetermins vom
30. September 2011 auf den 31. Dezember 2011 - der Beigeladene zu diesem
Vorlagetermin die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Erstellung einer
planmäßigen Beurteilung gemäß Nr. 205 Buchst. a (1) ZDv 20/6 nicht mehr er-
füllt habe. Seine eigene planmäßige Beurteilung zum 30. September 2011 habe
der Antragsteller nicht angefochten; als bestandskräftige Grundlage habe sie
deshalb für die Auswahlentscheidung berücksichtigt werden können. Die von
ihm nunmehr behauptete Nichtigkeit der Beurteilung erschließe sich nicht. Die
Änderung des Erlasses über das Modell für die Verwendungsplanung durch
Staatssekretär Wolf sei rechtlich nicht zu beanstanden. Ursprünglich habe
Staatssekretär Biederbick in Personalunion für personelle Grundsatzfragen so-
wie für die Fach- und Rechtsaufsicht über den MAD den Erlass verfügt. Um
nunmehr beide Fachbereiche abzudecken, hätten Staatssekretär
Beemelmans
und Staatssekretär Wolf die Neuregelung gemeinsam abgezeichnet. Als beteili-
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gungspflichtige Maßnahme werde diese Anpassung nicht bewertet. Auch wenn
der strittige Dienstposten grundsätzlich für Dauerverwender vorgesehen sei,
könne er, wenn Kandidaten aus dem MAD für die Besetzung fehlten, nicht ein-
fach vakant gelassen werden. Vielmehr müsse in den Streitkräften nach dem
bestgeeigneten Soldaten - im Modell des Zeitverwenders - gesucht werden.
Der Beigeladene hatte im Verfahren Gelegenheit zur Äußerung. Er hat keinen
Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Ak-
ten Bezug genommen. Die Verfahrensakten des Bundesministers der Verteidi-
gung - R II 2 - ../13 und ../13 -, die Personalgrundakten des Beigeladenen und
des Antragstellers sowie die Gerichtsakten BVerwG 1 WB 8.13, BVerwG
1 WDS-VR 5.11 und BVerwG 1 WB 45.11 haben dem Senat bei der Beratung
vorgelegen.
II
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat Erfolg.
1. Der Antrag ist gemäß § 23a Abs. 2 WBO in Verbindung mit § 123 Abs. 1
Satz 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
a) Für den Antrag ist das Bundesverwaltungsgericht als Gericht der - am
6. Februar 2013 rechtshängig gewordenen - Hauptsache sachlich zuständig
(§ 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Die strittige Auswahlentscheidung hat entspre-
chend der Anordnung in Nr. 2.7 und Nr. 2.8 der „Übergangsregelung für die
Auswahl von militärischem Personal zur Besetzung von Dienstposten im Militä-
rischen Abschirmdienst und im Amt für Militärkunde der Besoldungsgruppen
A16 und B3“ vom 25. Oktober 2012 (P II 1 <40> - Az. 16-30-00/10) der Abtei-
lungsleiter Personal im Bundesministerium der Verteidigung als zuständiger
Entscheidungsträger getroffen. Für die gerichtliche Überprüfung dieser Aus-
wahlentscheidung ist das Bundesverwaltungsgericht unmittelbar sachlich zu-
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ständig, weil die Entscheidung des Abteilungsleiters Personal im Sinne des
§ 21 Abs. 1 WBO dem Bundesminister der Verteidigung zuzurechnen ist.
b) Der Rechtsstreit hat sich durch die Besetzung des strittigen Dienstpostens
mit dem Beigeladenen nicht in der Hauptsache erledigt. Nach ständiger Recht-
sprechung des Senats verfestigt sich eine einmal getroffene militärische Ver-
wendungsentscheidung nicht dahin, dass der durch sie begünstigte Soldat eine
rechtlich gesicherte Position erwirbt, auf dem ihm zugewiesenen Dienstposten
verbleiben zu können; er müsste es vielmehr hinnehmen, von seinem Dienst-
posten wegversetzt zu werden, wenn der Antragsteller bei der Stellenbesetzung
ihm gegenüber rechtswidrig übergangen worden ist (vgl. z.B. Beschluss vom
21. Oktober 2010 - BVerwG 1 WB 18.10 - BVerwGE 138, 70 = Buchholz 449
§ 3 SG Nr. 59, Rn. 20 m.w.N. ).
2. Für die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung ist ein Anord-
nungsgrund gegeben (§ 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2
ZPO).
Nach der Rechtsprechung des Senats und des für das Beamtenrecht zuständi-
gen 2. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts besteht in Konkurren-
tenstreitigkeiten um die Besetzung eines Dienstpostens ein Anordnungsgrund
für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, weil ein rechtswidrig
ausgewählter Bewerber auf dem Dienstposten einen Erfahrungsvorsprung er-
langen kann, der im Fall des Obsiegens des Antragstellers in der Hauptsache
bei einer erneuten Auswahlentscheidung zu berücksichtigen ist. Dabei geht es
um den materiellen Erfahrungsvorsprung, der sich - unabhängig von bestimm-
ten Beurteilungszeiträumen oder Beurteilungsstichtagen - in dem Leistungsbild
des ausgewählten Bewerbers niederschlägt und den der rechtswidrig übergan-
gene Bewerber nicht mehr ausgleichen kann. Ein insoweit (beurteilungs-)rele-
vanter Erfahrungsvorsprung und damit ein Anordnungsgrund ist dann anzu-
nehmen, wenn zwischen dem Dienstantritt auf dem strittigen Dienstposten und
der gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache ein Zeitraum von deutlich
mehr als sechs Monaten liegt (Beschlüsse vom 29. April 2010 - BVerwG
1 WDS-VR 2.10 - Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 28 Rn. 20 f., vom 25. Juli
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2011 - BVerwG 1 WDS-VR 1.11 - Rn. 12 und vom 19. Dezember 2011
- BVerwG 1 WDS-VR 5.11 - Rn. 30; vgl. auch Beschluss vom 27. September
2011 - BVerwG 2 VR 3.11 - Rn. 17 m.w.N.).
Der Beigeladene hat seinen Dienst auf dem strittigen Dienstposten am
9. Januar 2013 angetreten. Bei diesem Dienstantritt handelt es sich aber um die
erneute Wahrnehmung des strittigen Dienstpostens, auf dem der Beigeladene
zuvor schon vom 26. April 2011 bis zum 31. Dezember 2011 - also deutlich
mehr als sechs Monate lang - eingesetzt worden ist. Da es nach der zitierten
Rechtsprechung des Senats und des 2. Revisionssenats des Bundesverwal-
tungsgerichts bei der Feststellung eines Anordnungsgrundes um den Schutz
des übergangenen Bewerbers vor einem zunehmend anwachsenden materiel-
len Erfahrungsvorsprung geht, den der ausgewählte Bewerber auf dem stritti-
gen Dienstposten erwerben und weiter ausbauen kann, ist bei der Frage, ob der
ausgewählte Kandidat auf dem Dienstposten mehr als sechs Monate verwendet
worden ist, der gesamte Zeitraum seiner Verwendung auf dem strittigen Dienst-
posten zu berücksichtigen. Das sind in der Person des Beigeladenen inzwi-
schen etwa elf Monate.
3. Dem Antragsteller steht auch ein Anordnungsanspruch zur Seite. In der
Hauptsache bestehen durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der zu-
gunsten des Beigeladenen getroffenen Auswahlentscheidung des Abteilungslei-
ters Personal vom 8. Januar 2013. Diese Entscheidung ist rechtswidrig, weil die
für sie ausschlaggebende Feststellung, der Beigeladene verfüge über ein bes-
seres dokumentiertes Leistungsbild als der Antragsteller, nicht auf einer hinrei-
chend tragfähigen Grundlage vergleichbarer dienstlicher Beurteilungen getrof-
fen wurde.
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a) Die Entscheidung des Abteilungsleiters Personal ist hinreichend dokumen-
tiert.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu beamtenrechtli-
chen Konkurrentenstreitigkeiten um Beförderungsämter folgt aus Art. 33 Abs. 2
i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG die Verpflichtung des Dienstherrn, die seiner Entschei-
dung zugrunde liegenden wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich nieder-
zulegen, um eine sachgerechte Kontrolle durch den unterlegenen Bewerber
und ggf. durch das Gericht zu ermöglichen (BVerfG, Kammerbeschluss vom
9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 - BVerfGK 11, 398 <402 f.> = NVwZ 2007, 1178 =
ZBR 2008, 169). § 3 Abs. 1 SG übernimmt die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2
GG in das Dienstverhältnis der Soldaten und erstreckt sie über Ernennungen
hinaus ausdrücklich auf Verwendungsentscheidungen. Der Senat hat deshalb
eine entsprechende Verpflichtung zur Dokumentation der wesentlichen Aus-
wahlerwägungen auch für Entscheidungen angenommen, die - wie im vorlie-
genden Fall - ein Konkurrenzverhältnis um eine höherwertige militärische Ver-
wendung betreffen (vgl. z.B. Beschlüsse vom 25. April 2007 - BVerwG 1 WB
31.06 - BVerwGE 128, 329 <335 f.> = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 41 und vom
16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 19.08 - BVerwGE 133, 13 <14 f.> = Buch-
holz 449 § 3 SG Nr. 50, Rn. 36). Zur Dokumentation verpflichtet ist primär die
Stelle, die für die zu treffende Auswahlentscheidung zuständig ist (vgl. Be-
schlüsse vom 27. Januar 2010 - BVerwG 1 WB 52.08 - Rn. 29 f.
veröffentlicht in Buchholz 449 § 3 SG Nr. 54> und vom 23. Februar 2010
- BVerwG 1 WB 36.09 - Rn. 27
BVerwGE 136, 119 = Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 17 Rn. 27>).
Die Dokumentationspflicht ist, was von dem Antragsteller auch nicht in Frage
gestellt wird, im vorliegenden Fall erfüllt. Der nach Nr. 2.8 des zitierten Über-
gangserlasses vom 25. Oktober 2012 für die Auswahlentscheidung zuständige
und damit dokumentationspflichtige Abteilungsleiter Personal hat unter dem
8. Januar 2013 die ihm mit Schreiben vom selben Tag vom Bundesministerium
der Verteidigung - P II 1 - übermittelte Empfehlung des zu beteiligenden Bera-
tungsgremiums (Generalinspekteur der Bundeswehr, Inspekteure der Streitkräf-
tebasis, des Heeres und der Luftwaffe sowie die Militärische Gleichstellungsbe-
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auftragte im Bundesministerium der Verteidigung), den strittigen Dienstposten
mit dem Beigeladenen zu besetzen, mit seiner Namens-Paraphe und mit dem
Datum abgezeichnet. Zugleich hat er damit die ausführliche Entscheidungsvor-
lage vom 8. Januar 2013 abgezeichnet, mit der ihm die der Empfehlung zu-
grunde liegenden Unterlagen unterbreitet wurden und er um Zustimmung zu der
Auswahlentscheidung gebeten wurde. Diese Zustimmung hat er mit gesonder-
tem Schreiben vom 8. Januar 2013 an den Referatsleiter P II 1 (sowie nach-
richtlich an die Mitglieder des Beratungsgremiums) noch einmal bestätigt. Mit
der Einverständniserklärung und der Abzeichnung der Entscheidungsvorlage
hat sich der Abteilungsleiter Personal auch den Inhalt der Auswahlunterlagen
zu eigen gemacht und damit diejenigen Erwägungen fixiert, die der gerichtli-
chen Kontrolle zugrunde zu legen sind.
b) Die angefochtene Auswahlentscheidung des Abteilungsleiters Personal ist
rechtswidrig, weil die ausweislich der „Besetzungsempfehlung“ ausschlagge-
bende Auswahlerwägung, dass der Beigeladene über ein besseres dokumen-
tiertes Leistungsbild als der Antragsteller verfüge, nicht auf einer hinreichend
tragfähigen Grundlage vergleichbarer Beurteilungen beruht.
Die vom Abteilungsleiter Personal gebilligte Entscheidungsvorlage bezeichnet
als ausschlaggebende Auswahlerwägung den Vergleich des Beurteilungsbildes
des Beigeladenen und des Antragstellers auf der Basis der zuletzt aktuellen
planmäßigen Beurteilung des Antragstellers vom 25. Juli 2011 (zum 30. Sep-
tember 2011), in der diesem ein Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung auf
dem Dienstposten von 6,2 bescheinigt wird, und der für den Beigeladenen am
16. März 2012 erstellten Sonderbeurteilung mit einem Durchschnittswert von
8,0.
Dieser Vergleich ist schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil der Beigeladene nicht
eine Sonderbeurteilung, sondern zum Vorlagetermin 30. September 2011 eine
planmäßige Beurteilung nach Maßgabe der Nr. 205 Buchst. a (1) ZDv 20/6 hät-
te erhalten müssen. Denn zu diesem Stichtag wurde er auf dem nach A16 be-
werteten strittigen Dienstposten und damit auf einem Dienstposten verwendet,
dessen Besoldungshöhe durch Beförderung/Einweisung noch nicht erreicht
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worden war. Nichts anderes ergibt sich unter Berücksichtigung des Vortrags
des Bundesministers der Verteidigung, dass mit Zustimmung des Referates P II
1 der Vorlagetermin 30. September 2011 für den Beigeladenen auf den 31. De-
zember 2011 aufgeschoben worden sei. Auch zu diesem Zeitpunkt wurde der
Beigeladene noch auf dem strittigen höherwertigen Dienstposten verwendet.
Seine Umsetzung auf ein „dienstpostenähnliches Konstrukt“ erfolgte erst mit
Wirkung ab dem 1. Januar 2012; erst zu diesem Stichtag wurde die Weisung
des Senats im Beschluss vom 19. Dezember 2011 - BVerwG 1 WDS-VR 5.11 -
vollzogen, die Versetzung des Beigeladenen auf den strittigen Dienstposten
vorläufig rückgängig zu machen.
Die Sonderbeurteilung des Beigeladenen und die planmäßige Beurteilung des
Antragstellers sind außerdem inhaltlich nicht vergleichbar.
Grundsätzlich bestehen nach der Rechtsprechung des Senats keine durchgrei-
fenden rechtlichen Bedenken, in einer Auswahlentscheidung eine planmäßige
dienstliche Beurteilung mit einer Sonderbeurteilung zu vergleichen (vgl. grund-
legend: Beschluss vom 24. Mai 2011 - BVerwG 1 WB 59.10 - Buchholz 449 § 3
SG Nr. 60, Rn. 37). Voraussetzung dafür ist aber, dass die heranzuziehenden
aktuellen dienstlichen Beurteilungen ihre Funktion als Maßstab des Eignungs-
und Leistungsvergleichs im Auswahlverfahren erfüllen können, indem sie mate-
riell vergleichbar sind. Die Funktion einer (planmäßigen) Beurteilung in einer
Auswahlentscheidung als Instrument der „Klärung einer Wettbewerbssituation“
erfordert die Gewährleistung einer Vergleichbarkeit der Beurteilungen. Deshalb
muss schon im Beurteilungsverfahren soweit wie möglich gleichmäßig verfah-
ren werden; die Beurteilungsmaßstäbe müssen gleich sein und gleich ange-
wendet werden. Insbesondere der gemeinsame Beurteilungsstichtag und der
jeweils gleiche Beurteilungszeitraum garantieren eine höchstmögliche Ver-
gleichbarkeit. Für das Auswahlverfahren folgt hieraus, dass zur Wahrung der
Chancengleichheit der Bewerber ein inhaltlicher Vergleich von planmäßigen
Beurteilungen nur zulässig ist, wenn er sich im Wesentlichen auf die gleichen
Beurteilungszeiträume die gleichen Beurteilungsstichtage erstreckt (Be-
schlüsse vom 25. März 2010 - BVerwG 1 WB 27.09 - BVerwGE 136, 198 =
Buchholz 449 § 3 SG Nr. 55 und vom 24. Mai 2011 a.a.O.
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Rn. 33). Diese Grundsätze gelten genauso für den Fall, dass eine Sonderbe-
urteilung mit einer planmäßigen dienstlichen Beurteilung in einem Auswahlver-
fahren miteinander verglichen werden soll.
Die relativ aktuellsten dienstlichen Beurteilungen, die für den Antragsteller als
planmäßige Beurteilung und für den Beigeladenen als Sonderbeurteilung er-
stellt worden sind, sind nach diesen Kriterien nicht miteinander vergleichbar.
aa) Der Vergleich der Beurteilungen führt nicht bereits deshalb zu einem Fehler
im Auswahlverfahren, weil die aktuellste Beurteilung des Antragstellers zum
30. September 2011 nichtig und deshalb für den Vergleich nicht tauglich wäre.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erwächst die dienstliche Beurtei-
lung eines Soldaten, die nicht fristgerecht im Beschwerdeweg angefochten wird,
in Bestandskraft, sofern sie nicht ausnahmsweise nach den entsprechend an-
wendbaren Grundsätzen des § 44 VwVfG nichtig ist (vgl. z.B. Beschlüsse vom
23. Februar 2010 - BVerwG 1 WB 36.09 - BVerwGE 136, 119 = Buchholz 449.2
§ 2 SLV 2002 Nr. 17, Rn. 48 ff und vom 18. Mai 2010 - BVerwG 1 WB 25.09 -,
Rn. 17). Der Antragsteller hat die planmäßige dienstliche Beurteilung vom
25. Juli 2011 (zum Vorlagetermin 30. September 2011) nicht mit der Beschwer-
de angefochten. Ein Nichtigkeitsgrund im Sinne von § 44 Abs. 2 VwVfG ist nicht
ersichtlich und vom Antragsteller auch nicht geltend gemacht. Auch ein sonsti-
ger Nichtigkeitsgrund nach Maßgabe des § 44 Abs. 1 VwVfG ist nach dem Vor-
trag des Antragstellers nicht erkennbar, zumal die Voraussetzung der Offen-
kundigkeit des Fehlers nicht erfüllt ist. Die vom Antragsteller geltend gemachte
Fehlerhaftigkeit der Beurteilung müsste danach für einen unvoreingenomme-
nen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen Be-
obachter ohne Weiteres ersichtlich sein und sich ihm als evident aufdrängen
(vgl. Kopp/Rammsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, § 44 Rn. 12). Der vom Antrag-
steller vorrangig geltend gemachte Verstoß gegen die Vergleichsgruppenbil-
dung würde - sein Vorliegen unterstellt - keinen besonders schwerwiegenden
und zudem keinen offensichtlichen Fehler darstellen, der entsprechend § 44
Abs. 1 VwVfG die Nichtigkeit seiner Beurteilung zur Folge hätte. Es war deshalb
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nicht rechtlich ausgeschlossen, die bestandskräftige dienstliche Beurteilung des
Antragstellers vom 25. Juli 2011 im Auswahlverfahren zu verwerten.
bb) Die für den Antragsteller und den Beigeladenen erstellten Beurteilungen
sind aber nicht vergleichbar, weil bei ihnen keine Identität der Beurteilungsstich-
tage und der Beurteilungszeiträume besteht.
Die letzte planmäßige Beurteilung des Antragstellers war auf den Vorlagetermin
30. September 2011 bezogen. Zu diesem Beurteilungsstichtag hat der Bun-
desminister der Verteidigung keine planmäßige Beurteilung des Beigeladenen
erstellen lassen. Die vom zuständigen Personalführer angeforderte Sonderbe-
urteilung stellt keine Beurteilung dar, die eine fehlende planmäßige Beurteilung
ersetzen kann. Die Sonderbeurteilung des Beigeladenen weist insoweit nicht
die gemäß Nr. 206 Buchst. a Satz 3 ZDv 20/6 erforderlichen Kennzeichnungen
auf, derzufolge in Abschnitt 1.1 b der Beurteilung neben dem Grund für die
Sonderbeurteilung zusätzlich die Kennung „P“ und das Datum der zu ersetzen-
den planmäßigen Beurteilung aufzunehmen sind. Die für den Beigeladenen er-
stellte Sonderbeurteilung ist schon aus diesem formellen Grund nicht auf den
Stichtag 30. September 2011 zu beziehen. Es kommt hinzu, dass sie materiell
auch die geänderten Verwendungen des Beigeladenen im MAD-Amt ab dem
1. Januar 2012 bewertet; dieser Beurteilungsteil weist keinen inhaltlichen Bezug
zum Beurteilungsstichtag 30. September 2011 auf.
Außerdem divergieren die Beurteilungszeiträume im Sinne der Nr. 406
Buchst. a ZDv 20/6 in den Beurteilungen des Antragstellers und des Beigelade-
nen in einem Ausmaß, das ihre inhaltliche Vergleichbarkeit ausschließt.
Nach Nr. 406 Buchst. a ZDv 20/6 endet der Beurteilungszeitraum mit der Unter-
schrift der oder des beurteilenden Vorgesetzten in der anstehenden Beurteilung
(Beurteilungsdatum). Im Hinblick auf die erforderliche Aktualität der Dokumenta-
tion des Leistungsstandes der konkurrierenden Bewerber um einen Dienstpos-
ten darf das Ende des Beurteilungszeitraums in den zu vergleichenden Beurtei-
lungen nicht zu weit auseinanderfallen. Im vorliegenden Fall datiert die dem
Antragsteller zum Stichtag 30. September 2011 erteilte planmäßige Beurteilung
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vom 25. Juli 2011. Die dem Beigeladenen erteilte Sonderbeurteilung datiert
hingegen vom 16. März 2012. Damit besteht zwischen dem jeweiligen Ende der
Beurteilungszeiträume für den Antragsteller und den Beigeladenen eine Zeit-
spanne von annähernd acht Monaten. Diese Zeitspanne umfasst ein Drittel des
bei typisierender Betrachtung 24 Monate umfassenden Zeitraums, der nach
Nr. 203 Buchst. a ZDv 20/6 als regelmäßiges Beurteilungsintervall für Stabsoffi-
ziere zugrunde zu legen ist. Der Zeitraum von annähernd acht Monaten über-
schreitet außerdem erheblich den Zeitraum von drei Monaten, der für ein regu-
läres Aufschieben einer planmäßigen Beurteilung nach Nr. 203 Buchst. g ZDv
20/6 zur Verfügung steht. Angesichts dieser gravierenden zeitlichen Divergenz
zwischen dem Ende der Beurteilungszeiträume in den beiden zu vergleichen-
den Beurteilungen kann von der notwendigen Identität der Beurteilungszeiträu-
me nicht mehr die Rede sein.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 21 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 20
Abs. 1 Satz 1 WBO. Der Beigeladene trägt seine Kosten selbst.
Dr. von Heimburg
Dr. Frentz
Dr. Langer
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