Urteil des BVerwG vom 25.07.2011

Hauptsache, Ermessen, Rechtsschutz, Erlass

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WDS-VR 1.11
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberst i.G. …,
…,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte …,
… -
Beigeladener:
Herr Oberst i.G. …,
…,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 25. Juli 2011 beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt.
Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesver-
waltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Ver-
fahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden
dem Bund auferlegt.
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G r ü n d e :
I
Der Rechtsstreit betraf die Nachbesetzung des nach Besoldungsgruppe B 3
bewerteten Dienstpostens eines G 3 und Leiters der Abteilung … im … zum
1. September 2010.
Am 29. März 2010 hatte der Abteilungsleiter Personal-, Sozial- und Zentralan-
gelegenheiten (PSZ) im Bundesministerium der Verteidigung entschieden, den
Dienstposten mit dem Beigeladenen zu besetzen. Gegen diese Auswahlent-
scheidung wandte sich der Antragsteller mit dem durch Schriftsatz seiner Be-
vollmächtigten vom 12. Mai 2010 erhobenen Antrag auf gerichtliche Entschei-
dung, den der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit seiner Stellung-
nahme von 13. Dezember 2010 dem Senat vorlegte (BVerwG 1 WB 59.10).
Der Beigeladene wurde unter vorangehender Kommandierung (vom 23. August
bis 31. August 2010) zum 1. September 2010 mit Dienstantritt am 23. August
2010 auf den Dienstposten des G 3 und Leiters der Abteilung … beim … ver-
setzt.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 5. Januar 2011 beantragte der An-
tragsteller beim Senat vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 123 VwGO. Seinen
am gleichen Tag gestellten Antrag gemäß § 3 Abs. 2 WBO lehnte der Bundes-
minister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit Bescheid vom 11. Januar 2011 ab. Im
gerichtlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beantragte der Antrag-
steller daraufhin, die Antragsgegnerin unter Aufhebung der Entscheidung des
Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 11. Januar 2011 zu verpflich-
ten, zumindest bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung im Hauptsachever-
fahren die Versetzung des Beigeladenen auf den strittigen Dienstposten vorläu-
fig rückgängig zu machen.
Mit dem im Hauptsacheverfahren ergangenen Beschluss vom 24. Mai 2011 hob
der Senat die Entscheidung des Abteilungsleiters PSZ vom 29. März 2010, den
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strittigen Dienstposten mit dem Beigeladenen zu besetzen, auf und verpflichtete
den Bundesminister der Verteidigung, über die Besetzung des Dienstpostens
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Unter
dem 6. Juli 2011 verfügte das Bundesministerium der Verteidigung den Wech-
sel des Beigeladenen auf einen Dienstposten z.b.V. mit Wirkung zum 1. Juli
2011.
Mit Schriftsätzen seiner Bevollmächtigten vom 18. und 19. Juli 2011 erklärte der
Antragsteller daraufhin das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der
Hauptsache für erledigt und beantragte,
die Kosten des Verfahrens der Bundesrepublik Deutsch-
land aufzuerlegen.
Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat sich mit Schreiben vom
4. Juli 2011 bereits vorab einer Erledigungserklärung des Antragstellers ange-
schlossen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten, insbe-
sondere auf den zwischen den Beteiligten im Hauptsacheverfahren ergangenen
Beschluss des Senats vom 24. Mai 2011 Bezug genommen. Die Verfahrensak-
ten des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az. … und … -, die Per-
sonalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, sowie die Gerichtsakte
des Hauptsacheverfahrens BVerwG 1 WB 59.10 haben dem Senat bei der Be-
ratung vorgelegen.
II
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend
für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von
§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m.
§ 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für
die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grund-
sätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung
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über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen
Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1
VwGO; stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 22. April 2008 - BVerwG 1 WB 4.08 -
m.w.N.).
Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, die dem Antragsteller erwachsenen
notwendigen Auslagen dem Bund aufzuerlegen, weil der Antrag auf vorläufigen
Rechtsschutz voraussichtlich Erfolg gehabt hätte.
1. Überwiegendes spricht dafür, dass ein Anordnungsgrund (§ 123 Abs. 1
Satz 2, Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) für die vom Antragsteller be-
gehrte einstweilige Anordnung gegeben war.
Zwar entspricht es ständiger Rechtsprechung des Senats, dass sich eine ein-
mal getroffene militärische Verwendungsentscheidung nicht dahin verfestigt,
dass der durch sie begünstigte Soldat eine rechtlich gesicherte Position erwirbt,
auf dem ihm zugewiesenen Dienstposten verbleiben zu können; er muss es
- wie im vorliegenden Fall der Beigeladene - vielmehr hinnehmen, von seinem
Dienstposten wegversetzt zu werden, wenn der Antragsteller bei der Stellenbe-
setzung ihm gegenüber rechtswidrig übergangen worden ist (vgl. Beschlüsse
vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 19.08 - Rn. 29 m.w.N.
abgedruckt in BVerwGE 133, 13 und in Buchholz 449 § 3 SG Nr. 50> und vom
13. April 2011 - BVerwG 1 WB 21.10 - Rn. 22). Der Senat hat jedoch grundsätz-
lich anerkannt, dass auch unter diesen Voraussetzungen ein Anordnungsgrund
unter dem Gesichtspunkt des Erfahrungsvorsprungs, den der ausgewählte Be-
werber auf dem strittigen Dienstposten erlangen kann und der im Falle des Ob-
siegens des Antragstellers in der Hauptsache bei einer erneuten Auswahlent-
scheidung zu berücksichtigen ist, bejaht werden kann; ein insoweit relevanter
Erfahrungsvorsprung und damit ein Anordnungsgrund ist dann anzunehmen,
wenn zwischen dem Dienstantritt auf dem strittigen Dienstposten und der ge-
richtlichen Entscheidung in der Hauptsache ein Zeitraum von deutlich mehr als
sechs Monaten verstrichen ist (Beschluss vom 29. April 2010 - BVerwG 1 WDS-
VR 2.10 - Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 28 Rn. 20 f.).
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Im vorliegenden Fall lag zwischen dem Dienstantritt des Beigeladenen auf dem
Dienstposten des G 3 und Leiters der Abteilung … beim … am 23. August 2010
und der Entscheidung des Senats in der Hauptsache mit Beschluss vom
24. Mai 2011 ein Zeitraum von rund neun Monaten. Ohne dass es einer ab-
schließenden Klärung der Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anord-
nungsgrunds bedarf, ist jedenfalls für die vorliegende Billigkeitsentscheidung
über die Kosten des Verfahrens davon auszugehen, dass im Zeitpunkt der Er-
ledigung ein Anordnungsgrund unter dem Gesichtspunkt des vom Beigelade-
nen bereits erlangten und sich ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung
weiter vergrößernden Erfahrungsvorsprungs auf dem Dienstposten vorlag.
2. Der Antragsteller konnte sich auch mit Erfolg auf einen Anordnungsanspruch
berufen. Insoweit wird auf die Gründe des in der Hauptsache ergangenen Be-
schlusses des Senats vom 24. Mai 2011 - BVerwG 1 WB 59.10 - Rn. 30 ff. -
verwiesen.
3. Der Beigeladene trägt die ihm entstandenen Kosten selbst.
Golze
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Dr. Langer
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