Urteil des BVerwG vom 06.03.2014

Beendigung des Dienstverhältnisses, Vertrauensperson, Versetzung, Ermessensspielraum

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 9.14
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Örtlichen Personalrats bei …,
vertreten durch den Vorsitzenden …,
…,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 6. März 2014 beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt.
G r ü n d e :
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Der Antragsteller machte eine Verletzung seiner Beteiligungsrechte nach dem
Soldatenbeteiligungsgesetz geltend.
Mit Formularschreiben vom 26. August 2013 bekundete der bei … verwendete
Oberleutnant F. sein Interesse an einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhe-
stand gemäß § 2 SKPersStruktAnpG zum Ende des Monats Oktober 2013, al-
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ternativ zum Ende des Monats Dezember 2013, und beantragte hierzu die An-
hörung der Vertrauensperson. Mit Schreiben vom 29. August 2013 nahm der
Antragsteller zu der Interessenbekundung Stellung. Er empfahl, die von Ober-
leutnant F. angegebenen schwerwiegenden familiären und dienstlichen Gründe
in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen, und erklärte, dass ein ab-
schließender Anhörungsbeitrag erst nach Kenntnis der beabsichtigten Ent-
scheidung der personalbearbeitenden Stelle möglich sei; sofern der Interessen-
bekundung nicht entsprochen werden solle, werde um eine Erläuterung der zur
Entscheidung führenden Gründe gebeten.
Mit Bescheid vom 1. Oktober 2013 teilte das Bundesamt für das Personalmana-
gement der Bundeswehr Oberleutnant F. mit, dass seiner Interessenbekundung
nicht entsprochen werde, weil ein dienstliches Interesse an seiner Weiterver-
wendung bestehe. Hiergegen legte Oberleutnant F. Beschwerde ein.
Mit Schreiben vom 1. November 2013 erhob auch der Antragsteller mit dem
Hinweis, dass er am 16. Oktober 2013 durch Oberleutnant F. von dem ableh-
nenden Bescheid erfahren habe, Beschwerde wegen Nichtdurchführung der
nach §§ 20, 23 SBG gebotenen Beteiligung. Er rügte insbesondere, dass die
Erläuterung der Gründe nicht durchgeführt worden sei, die er für den Fall erbe-
ten habe, dass der Interessenbekundung nicht entsprochen werden solle. Mit
Schreiben vom 12. Dezember 2013 erhob der Antragsteller weitere Beschwer-
de, weil über seine Beschwerde vom 1. November 2013 nicht innerhalb eines
Monats entschieden worden sei, und beantragte zugleich die Entscheidung
durch das Bundesverwaltungsgericht. Der Bundesminister der Verteidigung
- R II 2 - legte den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit einer am 5. Februar
2014 beim Gericht eingegangenen Stellungnahme dem Senat vor.
Mit E-Mail vom 15. November 2013 hob das Bundesamt für Personalmanage-
ment der Bundeswehr den Bescheid vom 1. Oktober 2013, mit dem der Interes-
senbekundung des Oberleutnant F. an einer vorzeitigen Versetzung in den Ru-
hestand nicht entsprochen worden war, auf. Im Hinblick darauf erklärte der An-
tragsteller mit Schreiben vom 25. Februar 2014 den Rechtsstreit in der Haupt-
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sache für erledigt. Der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - schloss sich
der Erledigungserklärung mit Schreiben vom 28. Februar 2014 an.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung
- R II 2 - Az.: …/13 - hat dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend
für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von
§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m.
§ 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für
die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grund-
sätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung
über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen
Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1
VwGO; stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 22. April 2008 - BVerwG 1 WB 4.08 -
Rn. 8 m.w.N.).
Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, die notwendigen Aufwendungen
des Antragstellers dem Bund aufzuerlegen, weil der Antrag auf gerichtli-
che Entscheidung voraussichtlich keinen Erfolg gehabt hätte.
Beruft sich der bei einer Dienststelle der Bundeswehr gebildete Personalrat auf
eine Behinderung in seinen Beteiligungsrechten in Angelegenheiten, die nur die
Soldaten betreffen, so ist gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1, § 16 SBG, § 17 Abs. 1
Satz 1 WBO - abweichend von § 48 Satz 1 SBG, § 83 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG -
der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten gegeben (stRspr, vgl. Beschluss
vom 17. Februar 2009 - BVerwG 1 WB 37.08 - Rn. 17 m.w.N.
veröffentlicht in BVerwGE 133, 135 und Buchholz 449.7 § 20 SBG Nr. 3>).
Sachlich zuständig ist vorliegend das Bundesverwaltungsgericht (§ 21 Abs. 1
und Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO).
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Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wäre - ungeachtet der Frage des rich-
tigen Sachantrags - jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen gewesen, weil
eine Verletzung von Beteiligungsrechten des Antragstellers nach dem Solda-
tenbeteiligungsgesetz mangels eines materiellen Beteiligungstatbestands nicht
in Betracht kam.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann das vom Antragsteller als
verletzt gerügte Anhörungsrecht nach § 20 SBG nicht von dem materiellen Be-
teiligungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 SBG (bzw. anderer entsprechender
Beteiligungstatbestände) getrennt werden (vgl. Beschluss vom 17. Februar
2009 a.a.O. Rn. 19 m.w.N.). Eine mit der Beschwerde angreifbare Rechtsver-
letzung des Antragstellers kann deshalb nicht isoliert in der (behaupteten) Miss-
achtung der Anhörungsvorschrift des § 20 SBG liegen, sondern stets nur in der
Verletzung des Anhörungsrechts in Verbindung mit einem materiellen Beteili-
gungstatbestand.
Ein materieller Tatbestand, der eine Beteiligung des Antragstellers anordnet
oder eröffnet, ist vorliegend nicht gegeben. Ein Beteiligungserfordernis ergibt
sich insbesondere nicht aus der - hier einzig in Betracht kommenden - Bestim-
mung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SBG. Danach soll bei der vorzeitigen Been-
digung des Dienstverhältnisses auf Antrag des betroffenen Soldaten der Perso-
nalrat (hier in Gestalt der zur Entscheidung berufenen Soldatenvertreter, § 52
Abs. 1 SBG) durch den Dienststellenleiter angehört werden; allerdings gilt dies
nur, „sofern das Soldaten- oder das Wehrpflichtgesetz einen Ermessensspiel-
raum einräumt“. Die von Oberleutnant F. begehrte vorzeitige Versetzung in den
Ruhestand sollte jedoch nicht nach einer Ermessensvorschrift des Soldaten-
oder des Wehrpflichtgesetzes, also insbesondere nicht nach §§ 44, 45 SG, er-
folgen. Die in der Interessenbekundung ausdrücklich in Bezug genommene
Rechtsgrundlage der hier beantragten Ruhestandsversetzung ist vielmehr § 2
des - als Art. 1 des Gesetzes zur Begleitung der Reform der Bundeswehr vom
21. Juli 2012 (BGBl I S. 1583) erlassenen - Gesetzes zur Anpassung der per-
sonellen Struktur der Streitkräfte (Streitkräftepersonalstruktur-Anpassungs-
gesetz - SKPersStruktAnpG), der für eine bestimmte Zahl von Berufssoldatin-
nen und Berufssoldaten die Möglichkeit der Versetzung in den Ruhestand vor
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Erreichen der Altersgrenze vorsieht. Bei § 2 SKPersStruktAnpG handelt es sich
zwar um eine Vorschrift, die einen Ermessensspielraum einräumt (so auch
Scherer/Alff/Poretschkin, SG, 9. Aufl. 2013, § 43 Rn. 14). Die (im Rahmen der
Bundeswehrreform bis zum 31. Dezember 2017 gesetzlich eröffnete) Möglich-
keit der vorzeitigen Ruhestandsversetzung nach § 2 SKPersStruktAnpG steht
jedoch und im Rang gleichberechtigt mit der regulären Ruhestandsrege-
lung der §§ 44, 45 SG. § 2 SKPersStruktAnpG verweist auch nicht ergänzend
auf §§ 44, 45 SG, sondern enthält eine in sich geschlossene, auf einen be-
stimmten Anlass bezogene selbständige Regelung. Die gegenständliche Per-
sonalmaßnahme - vorzeitige Versetzung in den Ruhestand gemäß § 2 SKPers-
StruktAnpG - ist deshalb keine „vorzeitige Beendigung des Dienstverhältnisses,
sofern das Soldaten- oder das Wehrpflichtgesetz einen Ermessensspielraum
einräumt“, im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SBG.
Eine Verletzung von Beteiligungsrechten des Antragstellers nach dem Solda-
tenbeteiligungsgesetz kann sich schließlich auch nicht daraus ergeben, dass
eine Anhörung der Vertrauensperson (bzw. des die Rechte der Vertrauensper-
son wahrnehmenden Personalrats) in dem für die Interessenbekundung ausge-
gebenen Formular als Option vorgesehen ist und deshalb offenbar, wenn vom
betroffenen Soldaten gewünscht, regelmäßig praktiziert wird. Der Senat hat mit
Beschluss vom 25. Oktober 2011 - BVerwG 1 WB 36.11 - (Buchholz 449.7 § 23
SBG Nr. 9 LS und Rn. 42 = NZWehrr 2012, 77 LS <79>,) unter ausdrücklicher
Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung entschieden, dass die Anhörungs-
rechte der Vertrauenspersonen der Soldaten zu Personalmaßnahmen nicht
über die gesetzlichen Regelungen des Soldatenbeteiligungsgesetzes hinaus
- etwa durch Verwaltungsvorschriften oder durch Selbstbindung einer Dienst-
stelle der Bundeswehr - erweitert werden können. Maßgeblich dafür ist, dass
der Katalog der Beteiligungsrechte der Vertrauensperson bei Personalmaß-
nahmen in § 23 Abs. 1 Satz 1 SBG abschließend geregelt ist. Die Konzentration
der Beteiligungstatbestände in § 23 Abs. 1 Satz 1 SBG auf die dort bestimmten
Personalmaßnahmen entsprach einer ausdrücklichen Zielsetzung des Gesetz-
gebers (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Entwurf
eines Gesetzes über die Beteiligung der Soldaten und der Zivildienstleistenden
vom 5. Juni 1990 ). Überdies ergibt sich aus
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§ 20 SBG, dass die Vertrauensperson nur über beteiligungspflichtige beabsich-
tigte Maßnahmen und Entscheidungen zu unterrichten und dazu anzuhören ist.
Damit hat der Gesetzgeber eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass zum Zweck
der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit - im Sinne eines Vorrangs des Geset-
zes - die förmlichen und unter Berücksichtigung des § 23 Abs. 2 Satz 2 SBG
einklagbaren Beteiligungspflichten allein im Gesetz geregelt und limitiert sein
sollen. Ein eventuell darüber hinausgehend praktiziertes Verfahren der Beteili-
gung bei vorzeitigen Versetzungen in den Ruhestand gemäß § 2 SKPersStruk-
tAnpG würde sich demgemäß lediglich als eine nicht förmliche Konsultation der
Vertrauensperson darstellen; Fehler in diesem nicht förmlichen Verfahren wür-
den keine mit der Wehrbeschwerde anfechtbare Verletzung von Beteiligungs-
rechten nach dem Soldatenbeteiligungsgesetz darstellen.
Dr. von Heimburg
Dr. Frentz
Dr. Langer
Sachgebiet:
BVerwGE:
Nein
Wehrbeschwerderecht
Fachpresse:
Ja
Rechtsquellen:
SBG
§ 23 Abs. 1
SKPersStruktAnpG
§ 2
Stichworte:
Anhörung der Vertrauensperson; Beteiligungstatbestand; vorzeitige Versetzung
in den Ruhestand.
Leitsatz:
Die Versetzung in den Ruhestand vor Erreichen der Altersgrenze gemäß § 2
des Gesetzes zur Anpassung der personellen Struktur der Streitkräfte (SKPers-
StruktAnpG) vom 21. Juli 2012 ist keine vorzeitige Beendigung des Dienstver-
hältnisses im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SBG, zu der auf Antrag des
betroffenen Soldaten die Vertrauensperson angehört werden soll.
Beschluss des 1. Wehrdienstsenats vom 6. März 2014 - BVerwG 1 WB 9.14