Urteil des BVerwG vom 22.07.2009

Russische Föderation, Russland, Beförderung, Amt

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 81.08
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Feldwebel …,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Breitkreutz und
den ehrenamtlichen Richter Stabsfeldwebel Lüddens
am 22. Juli 2009 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in
seiner erweiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü 2) durch den Geheimschutzbeauf-
tragten des …amtes.
Der Antragsteller ist Soldat auf Zeit mit einer Verpflichtungszeit von zwölf Jah-
ren. Die Dienstzeit endet voraussichtlich am 2. April 2018.Er ist in Russland
geboren und hat dort 13 Jahre gelebt. Er besitzt außer der deutschen Staats-
angehörigkeit auch die russische Staatsangehörigkeit. Seine Ehefrau ist aus-
schließlich russische Staatsangehörige.
Der Antragsteller leistet gegenwärtig Dienst bei der …staffel des Jagdbomber-
geschwaders … in L. Hierbei handelt es sich um eine Tätigkeit, die eine Si-
cherheitsüberprüfung der Stufe Ü 2 erfordert. Infolgedessen wurde durch den
Sicherheitsbeauftragten seiner Einheit am 14. Mai 2006 erstmals ein Sicher-
heitsüberprüfungsverfahren eingeleitet.
In dem Formular über die Sicherheitserklärung gab der Antragsteller an, er
selbst sei über die Jahreswende 2002/2003 und seine Ehefrau in der Zeit von
März 2002 bis Juli 2005 dreimal zu Verwandtenbesuchen in einem Dorf bei
…/Russland gewesen. Bei Befragung durch den MAD vom 17. Oktober 2006
und 4. Oktober 2007 gab der Antragsteller an, dass er gedanklich Russe sei,
sich jedoch auch in Deutschland wohlfühle. Auf Reisen nach Russland wolle er
aber keinesfalls verzichten. Auch seine privaten und familiären Gewohnheiten
im Hinblick auf die Sicherheitsaspekte wolle er nicht verändern.
Mit Schreiben vom 24. Januar 2008 teilte der Geheimschutzbeauftragte beim
…amt dem Antragsteller mit, bei der Überprüfung durch den Militärischen Ab-
schirmdienst hätten sich sicherheits- und entscheidungserhebliche Umstände
ergeben, und gab dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Der Disziplinarvorgesetzte des Antragstellers erklärte mit Schreiben vom
15. Februar 2008, der Antragsteller sei aufgrund der fehlenden Fachausbildung
in keinen sicherheitssensitiven Bereichen eingesetzt. Er habe bei allen lehr-
gangsgebundenen Ausbildungen und bei allen staffeleigenen Einweisungen
hervorragende Ergebnisse (mehrfach Lehrgangsbester) und ausgezeichnete
Führungsleistungen gezeigt. Auftreten, Haltung und Pflichterfüllung seien
durchweg auf äußerst hohem Niveau. Das gezeigte Leistungsbild lasse bisher
keinerlei Zweifel an seiner Loyalität, Zuverlässigkeit bzw. Vertrauenswürdigkeit
aufkommen.
In einer persönlichen Anhörung beim Geheimschutzbeauftragten des Streitkräf-
teamtes am 4. März 2008 erklärte der Antragsteller, seine Ehefrau habe auf
Erbansprüche im Zusammenhang mit einem Haus in Russland zugunsten ihrer
Mutter notariell verzichtet. Zu der Angabe, er fühle sich gedanklich zwar als
Russe, würde sich jedoch andererseits auch in Deutschland wohlfühlen, könne
er nur sagen, er könne nicht verleugnen, dass er aus Russland stamme und
dort 13 Jahre gelebt habe. Er fühle sich sowohl als Russe als auch als Deut-
scher, könne aber nicht genau definieren, wohin er gehöre. Er könne aber aus-
schließen, dass er auf Dauer nach Russland zurückkehren werde. Seine Ehe-
frau habe vor kurzem einen Einbürgerungsantrag gestellt, über den noch nicht
entschieden sei. Dabei habe sie unterschrieben, dass sie nach der Einbürge-
rung die russische Staatsbürgerschaft ablegen werde. Sofern er es sich selbst
finanziell leisten könne, werde er auch einen Antrag auf Entlassung aus der
russischen Staatsbürgerschaft stellen.
Zu der ebenfalls bei der mündlichen Anhörung erörterten Frage eines mögli-
chen Reiseverzichts erklärten der Antragsteller und seine Ehefrau mit Schrei-
ben vom 14. März 2008, sie hätten den Sachstand gründlich besprochen und
könnten nicht garantieren, für die Zeit der Verwendung bei der Bundeswehr auf
Reisen zu den Verwandten nach Russland zu verzichten, da sie an größeren
familiären Ereignissen, wie z.B. Hochzeiten der Geschwister teilnehmen möch-
ten. Außerdem seien sie der Meinung, dass die Reiseverzichtserklärung zu
sehr in ihre Grundrechte eingreife. Aus diesem Grund seien sie nicht bereit,
eine Reiseverzichtserklärung abzugeben.
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Mit Bescheid vom 2. April 2008 stellte der Geheimschutzbeauftragte beim
Streitkräfteamt fest, bei der erweiterten Sicherheitsüberprüfung hätten sich
Umstände ergeben, die im Hinblick auf die sicherheitsempfindliche Tätigkeit des
Antragstellers ein Sicherheitsrisiko darstellten. Die Entscheidung umfasse auch
die Verwendung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit der Überprüfungsart
Ü 1. Zur Begründung führte er aus, die Russische Förderation gehöre zu den
Staaten mit besonderen Sicherheitsrisiken. Sowohl der Antragsteller als auch
seine Ehefrau seien Staatsangehörige dieses Landes, woraus auch rechtliche
Bindungen an diesen Staat resultierten. Insofern könnten sie durch Be-
hörden/Institutionen dieses Staates auch rechtlich in Anspruch genommen wer-
den. Sie unterlägen nach wie vor den dortigen Gesetzen und könnten von die-
sem Staat unter Hinweis auf die Verpflichtung zur Loyalität und andere fortbe-
stehende Staatsbürgerpflichten rechtlich und tatsächlich in Anspruch genom-
men werden. Daher könne bei einem Aufenthalt in dem Staat nicht einmal die
deutsche Auslandsvertretung die Interessen des Antragstellers oder die seiner
Ehefrau nach deutschem bzw. internationalem Recht wirksam vertreten. Da der
Antragsteller zudem zu russischen Staatsangehörigen persönliche, verwandt-
schaftliche Kontakte und Beziehungen unterhalte, Reisen dorthin bereits
durchgeführt habe und zukünftig beabsichtige, womit Behördenkontak-
te/Kontakte mit einer diplomatischen Vertretung dieses Staates verbunden sei-
en, unterliege er einer erhöhten Gefährdung, nachrichtendienstlich kontaktiert
zu werden. Insgesamt müsse somit festgestellt werden, dass der Antragsteller
als Bundeswehrangehöriger - zudem als Angehöriger einer besonders sensiti-
ven Dienststelle - mit seinen rechtlichen und verwandtschaftlichen/persön-
lichen/emotionalen Bindungen/Beziehungen an/in einen Staat mit besonderen
Sicherheitsrisiken einer besonderen Gefährdung unterliege, nachrichtendienst-
lich verstrickt zu werden, insbesondere bei Reisen in diesen Staat, womit er
sich dem direkten „Zugriff“ dortiger staatlicher Organe aussetze.
Die Einlassung des Antragstellers im Rahmen der Anhörung sei nicht geeignet,
die sicherheitserheblichen Umstände zu entkräften. Da er und seine Ehefrau es
abgelehnt hätten, eine Reiseverzichtserklärung abzugeben, bleibe der sicher-
heitserhebliche Sachverhalt bestehen. Auch wenn die positive Einschätzung
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des Vorgesetzten zweifelsfrei für den Betroffenen spreche, bestehe der sicher-
heitserhebliche Sachverhalt derzeit weiter, sodass aus Gründen der militäri-
schen Sicherheit die Feststellung eines Sicherheitsrisikos als vorbeugende
Maßnahme geboten sei. Die zwischenzeitlich erfolgte Beförderung des An-
tragstellers zum Feldwebel lasse diese Entscheidung unberührt. Positive
dienstliche und fachliche Leistungen stünden der sicherheitsmäßigen Bewer-
tung nicht entgegen.
Diese Entscheidung wurde dem Antragsteller erstmals am 24. April 2008 und
erneut am 14. Mai 2008 förmlich bekannt gegeben.
Mit Schreiben vom 29. April 2008, beim Staffelchef der …staffel des Jagdbom-
bergeschwaders … eingegangen am 30. April 2008, legte der Antragsteller ge-
gen die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten Beschwerde ein und
führte zur Begründung aus, er sehe in seinem Fall keine Gefährdung durch An-
bahnungs- und Werbungsversuche der fremden Nachrichtendienste, da er kei-
ne Verwandtschaft ersten Grades in Russland habe. Außerdem sei er in den
letzten gut zehn Jahren gerade zweimal nach Russland gereist. Auch hinsicht-
lich seiner Ehefrau sehe er keine Anhaltspunkte, die ein Sicherheitsrisiko dar-
stellen würden. Sie sei zwar russische Staatsbürgerin und habe Verwandte ers-
ten Grades in Russland. Darin sehe er aber kein Sicherheitsrisiko. Seine Ehe-
frau habe die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt, deswegen müsse sie au-
tomatisch die russische Staatsbürgerschaft ablegen. Für die Dauer des Einbür-
gerungsverfahrens werde seine Frau nicht nach Russland reisen. Die vom Ge-
heimschutzbeauftragten vorformulierten Reiseverzichtserklärungen hätten sie
deswegen nicht unterschrieben, weil diese ihrer Meinung nach in ihre Grund-
rechte aus Art. 3 und Art. 33 des Grundgesetzes eingriffen. Unklar sei ihm, wa-
rum er nicht vor dem Eintritt in die Bundeswehr von dem Einplaner darüber
aufgeklärt worden sei, dass die für ihn vorgesehene Stelle eine Sicherheits-
überprüfung erfordere. Er sei als ausgebildeter Elektroniker in die Bundeswehr
eingetreten. Bei seiner Bewerbung sei klar gewesen, dass er im Bereich Elekt-
ronische Kampfführung eingesetzt werde. Auch den Personalbehörden sei be-
kannt, dass zur sinnvollen Ausübung der dortigen Tätigkeit die Sicherheitsstu-
fe 2 erforderlich sei. Außerdem sei bei der Einstellung bekannt gewesen, dass
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sowohl er als auch seine Ehefrau aus der Russischen Förderation stammten
und dass noch Verwandte in Russland lebten. Dieser Umstand werde nun dafür
verwandt, ihn und seine Ehefrau zu einem Reiseverzicht zu zwingen, um ihm so
die Sicherheitsüberprüfung zu ermöglichen. Insbesondere die Ehefrau sei nicht
bereit, einen derartigen Reiseverzicht zu erklären. Gerade in Sonderfällen wie
Todesfällen sei es notwendig, dass seine Ehefrau und auch er selbst nach
Russland reisten, um an dortigen Trauerfeierlichkeiten teilzunehmen. Er habe
im Rahmen der Bewerbungsgespräche alles offenbart, was er zu seiner Person
gefragt worden sei. Es handele sich also nicht um neue Erkenntnisse, die nun
zur Verwehrung der Sicherheitsstufe 2 führen sollten, sondern um „Uralt-
Erkenntnisse“.
Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - wies die Beschwerde des An-
tragstellers mit Bescheid vom 12. August 2008 zurück. Zur Begründung wie-
derholte er im Wesentlichen die Begründung des Ausgangsbescheides und
führte ergänzend aus, der Antragsteller zeige auch nicht das erforderliche Be-
wusstsein für die Belange der militärischen Sicherheit. Vielmehr beschränke er
sich in seiner Argumentation auf sein subjektives Empfinden und lasse im
Rahmen der Anhörung erkennen, dass die ihm dargelegten sicherheits- und
entscheidungserheblichen Gesichtspunkte für ihn irrelevant seien. Insbesonde-
re sei er nicht bereit, die sicherheitserheblichen Umstände mit dem ihm zur Ver-
fügung stehenden Mittel - z.B. einem Reiseverzicht - zu entkräften. Dabei greife
dieser Reiseverzicht nicht in die Grundrechte des Antragstellers oder seiner
Ehefrau ein. Der Umstand, dass die russische Abstammung des Antragstellers
bereits bei der Einstellung bekannt gewesen sei, sei für die Sicherheitsüberprü-
fung ohne Belang. Die Zugehörigkeit zu einem Staat mit besonderen Sicher-
heitsrisiken führe nicht immer automatisch zur Feststellung eines Sicherheitsri-
sikos, es werde grundsätzlich eine Einzelfallprüfung vorgenommen. Folglich
hätten die Einplaner nicht zwingend von einer negativen Entscheidung hinsicht-
lich der Sicherheitsüberprüfung ausgehen müssen. Auch ein „Berufsverbot“
liege nicht vor. Der Antragsteller könne auch ohne gültige Sicherheitsüberprü-
fung seinem Beruf als Soldat nachgehen. Dass dies nicht in der von ihm ge-
wünschten Verwendungsreihe oder auf einem gewünschten Dienstposten er-
folgen könne, sei dabei für das Sicherheitsüberprüfungsverfahren unerheblich.
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Aufgrund der Gesamtumstände sei es im Interesse der militärischen Sicherheit
zum Schutz des Antragstellers und seiner Familie vorliegend erforderlich, ihn
nicht in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit zu verwenden. Der Möglichkeit
einer milderen Maßnahme in Form einer Auflagenentscheidung stehe entge-
gen, dass der Antragsteller und seine Ehefrau eine Reiseverzichtserklärung
verweigert hätten. Andere Maßnahmen, durch die eine Feststellung des Si-
cherheitsrisikos hätte vermieden werden können und die dabei in gleicher Wei-
se die sicherheitserheblichen Umstände berücksichtigt hätten, seien nicht er-
sichtlich.
Gegen diese, dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 15. August 2008
zugestellte Entscheidung, richtet sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung
vom 28. August 2008, der am selben Tage beim Bundesministerium der Ver-
teidigung - PSZ I 7 - eingegangen und dem Senat mit Stellungnahme vom
27. November 2008 vorgelegt worden ist.
Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, es sei absurd, auszuführen, dass
der Einplaner nicht zwingend von einer negativen Entscheidung hinsichtlich der
Sicherheitsüberprüfung habe ausgehen müssen. Zumindest wäre es notwendig
gewesen, offen, ehrlich und korrekt mit Bewerbern umzugehen, die aus einem
anderen Land stammen. Es sei zwingend notwendig, dass die Bewerber auf
entsprechende Probleme hingewiesen würden. Diese Hinweispflicht gebietet
die Fürsorge, die auch zukünftigen Soldaten zuteil werden müsse.
Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, der Geheimschutzbeauftragte beim …amt sei im Rahmen
des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums rechts- und ermessensfehlerfrei
zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller aufgrund seiner Kontakte
zu Personen in einem Staat mit besonderen Sicherheitsrisiko als potenzielle
Zielperson für fremde Nachrichtendienste in Betracht kommen könne. In der
Antragsbegründung seien keine neuen Gründe vorgetragen worden, die eine
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andere Entscheidung als die Feststellung eines Sicherheitsrisikos rechtfertigen
könnten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der
Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Ver-
teidigung - PSZ I 7 - Az.: … - und die Personalgrundakte des Antragstellers ha-
ben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Der Antragsteller hat keinen bestimmten Sachantrag gestellt. Bei sach- und
interessengerechter Auslegung seines Vorbringens beantragt er sinngemäß,
den Bescheid des Geheimschutzbeauftragten beim …amt vom 2. April 2008
und den Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 -
vom 12. August 2008 aufzuheben.
2. Dieser Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Geheim-
schutzbeauftragten beim …amt vom 2. April 2008 und der Beschwerdebescheid
des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 12. August 2008 sind
rechtmäßig und verletzen den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
a) Der Antragsteller hat gegen den Bescheid des Geheimschutzbeauftragten
rechtzeitig Beschwerde eingelegt. Dabei kann dahinstehen, ob die am 24. April
2008 erfolgte Bekanntgabe des Bescheides - wie der Bundesminister der Ver-
teidigung in dem Beschwerdebescheid ausführt - nur „inoffiziell“ war und die
offizielle Mitteilung erst am 14. Mai 2008 erfolgte. Selbst wenn die Beschwerde
vom 29. April 2008 in Kenntnis des Bescheides, aber vor dessen offizieller Be-
kanntgabe eingelegt worden wäre, wäre sie nach der ständigen Rechtspre-
chung des Senats in zulässiger Weise erhoben worden (vgl. Beschlüsse vom
6. September 2007 - BVerwG 1 WB 62.06 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 65
und vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 <292 f.> =
Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 14).
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b) Die Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken
ist eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit aus-
schließen soll (stRspr, vgl. Beschluss vom 11. März 2008 a.a.O. S. 293 f.
m.w.N.). Die Beurteilung des Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose der
künftigen Entwicklung der Persönlichkeit des Soldaten und seiner Verhältnisse
darstellt, darf sich dabei nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte
Besorgnis stützen, sondern muss auf der Grundlage tatsächlicher Anhaltspunk-
te getroffen werden. Dabei gibt es keine „Beweislast“, weder für den Soldaten
dahingehend, dass er die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr bisher gewahrt
hat und künftig wahren wird, noch für die zuständige Stelle, dass der Soldat
diesen Erwartungen nicht gerecht geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht
werden wird (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 18. Oktober 2001 - BVerwG 1 WB
54.01 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 11 und vom 8. März 2007 - BVerwG 1 WB
63.06 -; BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334
<353>).
Dem Geheimschutzbeauftragten steht bei der ihm hiernach obliegenden Ent-
scheidung ein Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt
sich darauf, ob der Geheimschutzbeauftragte von einem unrichtigen Sachver-
halt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rah-
men, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemein gültige Wertmaß-
stäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfah-
rensvorschriften verstoßen hat (Beschluss vom 18. August 2004 - BVerwG
1 WB 37.04 -
m.w.N.).
Die Feststellung des - hier zuständigen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG i.V.m.
Nr. 2416 ZDv 2/30) - Geheimschutzbeauftragten beim …amt, dass in der Per-
son des Antragstellers ein Sicherheitsrisiko vorliegt, steht im Einklang mit die-
sen Grundsätzen.
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aa) Der Geheimschutzbeauftragte ist nicht von einem unrichtigen Sachverhalt
ausgegangen. Er hat als sicherheitserheblichen Umstand die Tatsachen gewer-
tet, dass der Antragsteller selbst und seine Ehefrau die russische Staatsange-
hörigkeit besitzen und dass die Russische Föderation zu den Staaten mit be-
sonderen Sicherheitsrisiken gem. § 13 Abs. 1 Nr. 17 SÜG gehört. Weiter hat er
berücksichtigt, dass sowohl der Antragsteller als auch seine Ehefrau in der Ver-
gangenheit zu Verwandtenbesuchen in die Russische Föderation gereist sind
und dies auch für die Zukunft nicht ausschließen wollen. Diese Tatsachen wer-
den vom Antragsteller auch nicht in Frage gestellt.
bb) Die Einschätzung des Sicherheitsbeauftragten, dass dies tatsächliche An-
haltspunkte im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SÜG sind, die eine besondere
Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichten-
dienste, insbesondere die Besorgnis der Erpressbarkeit, begründen, ist recht-
lich nicht zu beanstanden. Durch einen Aufenthalt im Staatsgebiet eines Staa-
tes nach § 13 Abs. 1 Nr. 17 SÜG und durch Kontakte zu dort lebenden Ver-
wandten des Betroffenen oder seines Ehepartners wird das Risiko einer Kon-
taktaufnahme durch fremde Nachrichtendienste und von Anbahnungs- und
Werbungsversuchen deutlich erhöht. Da weder der Antragsteller noch seine
Ehefrau bereit sind, dieses erhöhte Risiko durch einen künftigen Verzicht auf
Reisen in die Russische Förderation zu vermindern, war auch eine mildere
Maßnahme als die Feststellung eines Sicherheitsrisikos durch den Geheim-
schutzbeauftragten nicht ersichtlich.
Zwar weist der Antragsteller zutreffend darauf hin, dass bereits bei seiner Ein-
stellung alle diese Umstände bekannt gewesen seien. Selbst wenn man dem
Antragsteller darin folgt, dass er insoweit im Hinblick auf seine vorgesehene
fachliche Tätigkeit auf die Schwierigkeiten bei der zu erwartenden Sicherheits-
überprüfung hätte hingewiesen werden sollen, vermag dies das Ergebnis der
Sicherheitsüberprüfung nicht zu beeinflussen. Die Entscheidung, ob die tat-
bestandlichen Voraussetzungen für die Feststellung eines Sicherheitsrisikos
vorliegen (§ 14 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 SÜG), hat ausschließlich die
hierzu berufene Stelle in eigener Zuständigkeit und Verantwortung zu treffen.
Etwaige Fehleinschätzungen oder Unterlassungen im Einstellungsverfahren
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sind dafür unerheblich. Es kommt hinzu, dass - z.B. im Falle eines Reisever-
zichts - auch eine Auflagenentscheidung des Geheimschutzbeauftragten mög-
lich gewesen wäre. Dies war bei der Einstellung nicht absehbar.
Inwiefern durch einen Reiseverzicht in die Grundrechte des Antragstellers und
seiner Ehefrau nach Art. 3 und Art. 33 GG eingegriffen werden soll, legt der
Antragsteller nicht weiter dar; insbesondere führt er nicht aus, gegenüber wel-
cher anderen Gruppe er einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3
Abs. 1 GG annimmt. Eine solche Grundrechtsverletzung ist auch nicht ersicht-
lich.
cc) Der Geheimschutzbeauftragte hat mit der prognostischen Einschätzung des
Sicherheitsrisikos den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschrit-
ten (vgl. zum Erfordernis einer Prognose der künftigen Entwicklung der Persön-
lichkeit des Antragstellers und seiner Verhältnisse: Beschlüsse vom 8. März
2007 - BVerwG 1 WB 63.06 -, vom 27. September 2007 - BVerwG 1 WDS-VR
7.07 - Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 13 und vom 11. März 2008 a.a.O.
S. 296 ff.). Da der Antragsteller und seine Ehefrau auch in Zukunft Reisen in die
Russische Föderation nicht ausschließen wollen, besteht das Sicherheitsrisiko
auch in der Zukunft weiter.
dd) Die für den Antragsteller sprechenden Gesichtspunkte - insbesondere die
positive Stellungnahme seines Vorgesetzten - hat der Geheimschutzbeauftragte
bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Dass sie seine Entscheidung im Er-
gebnis nicht geändert haben, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
ee) Rechtmäßig ist ferner, dass der Geheimschutzbeauftragte die Feststellung
eines Sicherheitsrisikos auf die Verwendung des Antragstellers in einer sicher-
heitsempfindlichen Tätigkeit der Überprüfungsart Ü 1 erstreckt hat. Für die Be-
urteilung der Zuverlässigkeit des Antragstellers und die Risikoeinschätzung er-
geben sich im vorliegenden Fall insoweit keine von der erweiterten Sicherheits-
überprüfung (Ü 2) abweichenden Gesichtspunkte.
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ff) Keinen Bedenken begegnet schließlich, dass die Feststellung eines Sicher-
heitsrisikos trotz der während des Überprüfungsverfahrens erfolgten Beförde-
rung des Antragstellers zum Feldwebel getroffen wurde (vgl. zum Folgenden
Beschluss vom 8. August 2007 - BVerwG 1 WB 52.06 -
fentlicht in Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 12>). Zwar erscheint es fraglich, ob
die Auffassung des Geheimschutzbeauftragten, dass zwischen dem Sicher-
heitsaspekt im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SÜG i.V.m. Nr. 2414 Satz 1
Nr. 2 ZDv 2/30 und der Eignung eines Soldaten für die Wahrnehmung der
Funktion eines höheren Dienstgrades, generell zu trennen ist. So kann die Be-
förderung in einen hohen Dienstgrad, der in der Regel mit einer Verwendung in
sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten verbunden ist, im Prinzip auch eine Aus-
sage über die persönliche Zuverlässigkeit des Soldaten in sicherheitsrechtlicher
Hinsicht enthalten (vgl. - für die Beförderung zum Oberstleutnant - Beschluss
vom 18. August 2004 - BVerwG 1 WB 37.04 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 18).
An einem derartigen Zusammenhang fehlt es aber im Falle der Beförderung
zum Feldwebel, weil dieser Dienstgrad jedenfalls nicht typischerweise mit einer
Verwendung in einem sicherheitsempfindlichen Bereich verbunden ist. Aus-
schlaggebend ist jedoch, dass das einer Beförderung zugrunde liegende „Zu-
verlässigkeitsurteil“ über den Soldaten nicht zu dem (in Bestandskraft erwach-
senden) Inhalt dieser Beförderungsentscheidung gehört (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 2
VwVfG) und deshalb nicht bindend für die sicherheitsrechtliche Beurteilung ist.
Die Entscheidung, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Feststellung
eines Sicherheitsrisikos vorliegen, hat vielmehr - wie bereits ausgeführt - die
hierzu berufene Stelle in eigener Zuständigkeit und Verantwortung zu treffen.
gg) Die Verletzung von Verfahrensvorschriften wird weder geltend gemacht
noch ist sie sonst ersichtlich.
Golze Dr. Frentz
RiBVerwG Dr. Langer ist
wegen Urlaubs an der
Unterschriftsleistung
gehindert.
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