Urteil des BVerwG vom 20.01.2009

Soldat, Beschwerdefrist, Zufall, Rechtsmittelbelehrung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 80.08
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Hauptmann …,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Becker und
den ehrenamtlichen Richter Hauptmann Forster
am 20. Januar 2009 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung, ihn auf einen nach der Besoldungs-
gruppe A 13g dotierten Dienstposten zu versetzen.
Der Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ab-
lauf des 31. Juli 2010. Zum Hauptmann wurde er am 1. Dezember 1995 er-
nannt und mit Wirkung vom 1. Mai 2004 in eine Planstelle der Besoldungsgrup-
pe A 12 eingewiesen. Derzeit wird der Antragsteller als System-/Nutzerbetreuer
… beim …kommando verwendet.
Mit Schreiben vom 26. Juni 2008 beantragte der Antragsteller, auf einen der
zukünftig zu besetzenden Dienstposten der Besoldungsgruppe A 13g im Ver-
antwortungsbereich des Bundesministers der Verteidigung versetzt zu werden.
Außerdem beantragte er die Benennung der in Betracht kommenden Dienst-
posten sowie das jeweils angestrebte Besetzungsdatum.
Mit Schreiben vom 28. Juli 2008, eröffnet am 5. August 2008, teilte das Perso-
nalamt der Bundeswehr dem Antragsteller mit, dass in seiner Ausbildungs- und
Verwendungsreihe 27912 (Instandsetzungsoffizier Kraftfahrzeug/Panzer) etwa
in jedem Jahr eine Dienstpostenbesetzung in der Dotierungshöhe A 13g erfol-
ge. Im Jahre 2008 sei die Nachbesetzung eines solchen Dienstpostens beim
Heeresamt in Köln zum 1. Oktober 2008 bereits verfügt worden. Der Antragstel-
ler sei für die Besetzung des Dienstpostens mitbetrachtet worden, habe sich je-
doch in der vergleichenden Gesamtbetrachtung nach Eignung, Befähigung und
Leistung nicht durchsetzen können. Die Auswahlentscheidung für die Nachbe-
setzung im Jahr 2009 sei noch nicht getroffen worden und werde erst nach der
Perspektivkonferenz für die Offiziere des militärfachlichen Dienstes im Septem-
ber 2008 erfolgen.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten an das Personalamt der Bundeswehr
vom 22. September 2008, beim Bundesministerium der Verteidigung eingegan-
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gen am 7. Oktober 2008, erhob der Antragsteller hiergegen Beschwerde. Er
werte das Schreiben vom 28. Juli 2008 als Bescheid, obwohl es sich lediglich
um einen nicht gesondert anfechtbaren Zwischenbescheid handele. Letzteres
ergebe sich aus der Bezeichnung des Schreibens als Zwischenbescheid in dem
Empfangsbekenntnis sowie aus der Tatsache, dass das Schreiben keine
Rechtsbehelfsbelehrung enthalte. Das Schreiben bzw. der Bescheid sei auch
deshalb noch nicht bestandskräftig, weil eine Rechtsmittelfrist mangels ent-
sprechender Belehrung nicht wirksam in Gang gesetzt worden sei. Vorsorglich
werde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Mit Bescheid vom 21. Oktober 2008 wies der Bundesminister der Verteidigung
die Beschwerde als unzulässig zurück. Der Beschwerdeanlass, das Schreiben
des Personalamts vom 28. Juli 2008, sei dem Antragsteller seit dem 5. August
2008 bekannt, so dass die Beschwerdefrist mit Ablauf des 19. August 2008 ge-
endet habe und die Beschwerde vom 22. September 2008 verspätet sei. Eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei gesetzlich nicht vorgesehen.
Im dienstaufsichtlichen Teil des Bescheids stellte der Bundesminister der Ver-
teidigung fest, dass die zugunsten des ausgewählten Kandidaten, Hauptmann
H., getroffene Entscheidung nicht zu beanstanden sei. Wie sich aus einer Ge-
genüberstellung der Beurteilungen von 2000, 2002 und 2004 ergebe, weise
dieser bei vergleichbarer Eignung und Befähigung gegenüber dem Antragsteller
einen Leistungsvorsprung auf.
Hiergegen beantragte der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten
vom 7. November 2008 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der
Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - legte den Antrag zusammen mit
seiner Stellungnahme vom 13. November 2008 dem Senat vor.
Zur Begründung führt der Antragsteller insbesondere aus:
Soweit die Beschwerde verspätet erfolgt sein sollte, sei dieser Mangel durch die
Beschwerdeentscheidung geheilt, weil sich der Bundesminister der Verteidi-
gung inhaltlich mit dem Vorbringen auseinandergesetzt habe. Der Antrag sei
auch begründet. Es werde bestritten, dass zum 1. Oktober 2008 bzw. als Er-
gebnis der Perspektivkonferenz 2008 nur eine Dienstpostenbesetzung in der
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Dotierungshöhe A 13g erfolgt sei und mithin nur ein Mitbewerber, Hauptmann
H., ausgewählt worden sei. Es sei vielmehr zu befürchten, dass noch weitere
Soldaten für die Besetzung eines Dienstpostens der Dotierungshöhe A 13g
ausgewählt worden seien. Im Übrigen hätte auch im Verhältnis zu Hauptmann
H. die Wahl auf ihn, den Antragsteller, fallen müssen. Die Unterschiede in der
Bewertung seien marginal, sodass als weitere Faktoren in die Betrachtung ein-
zustellen gewesen wären, dass er bereits seit 1995 den Dienstgrad eines
Hauptmanns innehabe (Hauptmann H.: seit 1998), annähernd 20 Dienstjahre
aufweise (Hauptmann H.: 17 Dienstjahre), verheiratet sei und drei Kinder habe
(Hauptmann H.: ein Kind) und neben englischen auch über französische
Grundkenntnisse verfüge (Hauptmann H.: nur englische Sprachkenntnisse).
Der Antragsteller beantragt zuletzt,
das Personalamt der Bundeswehr zu verpflichten, den
Dienstposten mit der Dotierungshöhe A 13g statt mit
Hauptmann H. rückwirkend zum 1. Oktober 2008 mit ihm,
dem Antragsteller, zu besetzen.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antrag sei unbegründet, weil die Beschwerde zu Recht wegen Verfristung
als unzulässig zurückgewiesen worden sei. Dem Schreiben des Personalamts
vom 28. Juli 2008 sei eindeutig eine endgültige Entscheidung in Bezug auf die
Ablehnung des Versetzungsantrags zu entnehmen gewesen. Vor diesem Hin-
tergrund sei es unschädlich, dass auf dem Empfangsbekenntnis des Schrei-
bens lediglich von einem Zwischenbescheid die Rede sei. Das Empfangsbe-
kenntnis diene nur als Nachweis der Eröffnung, ohne die bekannt gegebene
Entscheidung in ihrer Rechtsnatur oder ihrem Inhalt zu beeinflussen. Die Ver-
fristung werde auch nicht durch die Ausführungen im dienstaufsichtlichen Teil
des Beschwerdebescheids geheilt. Darüber hinaus wäre das Verpflichtungsbe-
gehren aber auch wegen mangelnder Konkretisierung und fehlender „Ermes-
sensreduzierung auf Null“ erfolglos.
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Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der
Beteiligten sowie der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bun-
desministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 1076/08 -, die Personalgrundakte
des Antragstellers, Hauptteile A bis C, sowie die Akten der weiteren Verfahren
des Antragstellers BVerwG 1 WB 69.08 und BVerwG 1 WB 74.08 haben dem
Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg. Der Bundesminister
der Verteidigung - PSZ I 7 - hat die Beschwerde des Antragstellers zu Recht als
unzulässig zurückgewiesen, weil sie nicht rechtzeitig eingelegt worden ist.
Gemäß § 6 Abs. 1 WBO darf die Beschwerde frühestens nach Ablauf einer
Nacht und muss binnen zwei Wochen eingelegt werden, nachdem der Be-
schwerdeführer von dem Beschwerdeanlass Kenntnis erhalten hat.
Kenntnis von dem Beschwerdeanlass hat ein Soldat, wenn ihm die Umstände
bekannt sind, aus denen sich die von ihm empfundene Beeinträchtigung ergibt
(vgl. Beschluss vom 30. November 2006 - BVerwG 1 WB 18.06 - Buchholz
450.1 § 6 WBO Nr. 4 = NZWehrr 2007, 127). Bei Konkurrentenstreitigkeiten,
wie hier, bedeutet dies, dass der Soldat von der endgültig getroffenen Verwen-
dungsentscheidung zugunsten des Konkurrenten oder davon Kenntnis erhält,
dass er selbst nicht auf dem angestrebten Dienstposten verwendet werden soll
(vgl. Beschluss vom 13. August 2008 - BVerwG 1 WB 45.07 - m.w.N.
öffentlichung in Buchholz vorgesehen>). Das Personalamt der Bundeswehr hat
dem Antragsteller mit dem Schreiben vom 28. Juli 2008 mitgeteilt, dass er bei
der Auswahlentscheidung für den hier strittigen Dienstposten eines Instandset-
zungsoffiziers beim Heeresamt mitbetrachtet worden sei, er sich jedoch in der
vergleichenden Gesamtbetrachtung nicht habe durchsetzen können und dass
die Nachbesetzung des Dienstpostens zum 1. Oktober 2008 bereits verfügt sei.
Damit hatte der Antragsteller am 5. August 2008, an dem ihm das Schreiben
vom 28. Juli 2008 eröffnet wurde, die zuverlässige Kenntnis, dass ein anderer
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Soldat für den Dienstposten endgültig vorgesehen ist und dass er selbst nicht
berücksichtigt wurde.
Die zweiwöchige Beschwerdefrist begann somit am 6. August 2008 (§ 187
Abs. 1 BGB) und endete mit Ablauf des 19. August 2008 (§ 188 Abs. 2 BGB).
Die - an das Personalamt der Bundeswehr gerichtete und am 7. Oktober 2008
beim Bundesministerium der Verteidigung (§ 5 Abs. 1 Satz 2 WBO) eingegan-
gene - Beschwerde vom 22. September 2008 ist deshalb verspätet eingelegt.
Der Antragsteller war an der Einhaltung der Frist nicht durch militärischen
Dienst, durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle gehindert
(§ 7 Abs. 1 WBO). Die offenkundig irrtümliche Bezeichnung des Schreibens
vom 28. Juli 2008 auf dem Empfangsbekenntnis als „Zwischenbescheid“ ändert
nichts an dessen eindeutigem Erklärungsinhalt und der sich daraus ergebenden
zuverlässigen Kenntnis des Antragstellers von dem Beschwerdeanlass. Im Üb-
rigen hätte der Antragsteller, sofern bei ihm durch die Bezeichnung auf dem
Empfangsbekenntnis tatsächlich Zweifel an der Verbindlichkeit der erteilten
Auskunft entstanden sein sollten, durch unmittelbare Nachfrage beim Perso-
nalamt eine entsprechende Klarstellung erhalten können; auch insofern war der
Antragsteller daher nicht durch einen unabwendbaren Zufall an der Einhaltung
der Frist gehindert.
Der Verfristung des Rechtsbehelfs steht auch nicht entgegen, dass dem Schrei-
ben vom 28. Juli 2008 keine Rechtsbehelfsbelehrung beigegeben war. Zwar ist
es als unabwendbarer Zufall im Sinne von § 7 Abs. 1 WBO auch anzusehen,
wenn eine Rechtsmittelbelehrung unterblieben oder unrichtig erteilt worden ist
(§ 7 Abs. 2 WBO). Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung des Senats jedoch
nur dann, wenn eine gesetzliche Verpflichtung bestand, eine Rechtsmittelbeleh-
rung zu erteilen, oder wenn eine solche Belehrung im Hinblick auf eine nicht
vorauszusetzende Kenntnis der Frist verfassungsrechtlich geboten war (vgl. zu-
letzt Beschluss vom 13. Oktober 2008 - BVerwG 1 WDS-VR 14.08 - m.w.N.).
Die Wehrbeschwerdeordnung schreibt Rechtsbehelfsbelehrungen nur für ab-
lehnende Beschwerdeentscheidungen vor (§ 12 Abs. 1 Satz 4, § 16 Abs. 4
WBO). Eine darüber hinausgehende verfassungsrechtliche Verpflichtung be-
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steht nur bei truppendienstlichen Erstmaßnahmen, die unmittelbar vom Bun-
desminister der Verteidigung erlassen sind und gegen die deshalb als Rechts-
behelf nur der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu Gebote steht (§ 21
Abs. 1 WBO). Ansonsten bedürfen truppendienstliche Erstmaßnahmen - wie
hier der Bescheid des Personalamts - keiner Belehrung, weil der Rechtsbehelf
der Beschwerde und die dafür geltende Frist des § 6 Abs. 1 WBO bei allen
Soldaten als bekannt vorausgesetzt werden kann (stRspr, vgl. Beschluss vom
13. Oktober 2008 - BVerwG 1 WDS-VR 14.08 - m.w.N.).
Die vom Antragsteller vorsorglich beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand sieht die Wehrbeschwerdeordnung nicht vor (vgl. Beschluss vom 12. Mai
2005 - BVerwG 1 WB 45.04 - Buchholz 311 § 12 WBO Nr. 1 = NZWehrr 2005,
253 m.w.N.). Die Funktion dieses Rechtsinstituts erfüllt im Wehrbeschwerde-
verfahren die Vorschrift des § 7 WBO, deren Voraussetzungen hier, wie darge-
legt, nicht gegeben sind. § 32 VwVfG und § 60 VwGO sind nicht entsprechend
anwendbar, weil eine planwidrige Regelungslücke nicht vorliegt.
Die verspätete Einlegung wird schließlich auch nicht, wie der Antragsteller
meint, dadurch „geheilt“, dass sich der Bundesminister der Verteidigung inhalt-
lich mit dem Beschwerdevorbringen auseinandergesetzt hat. Die Ausführungen
zur Sache in dem Bescheid des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 -
vom 21. Oktober 2008 sind nicht im Rahmen der Beschwerdeentscheidung,
sondern - deutlich abgesetzt hinter der Rechtsbehelfsbelehrung - in den der
Beschwerdeentscheidung angefügten und ausdrücklich als solche bezeichneten
dienstaufsichtlichen Feststellungen erfolgt. Der Bundesminister der Vertei-
digung ist hiermit seiner im öffentlichen Interesse bestehenden Pflicht zur
Dienstaufsicht nachgekommen, die durch eine verspätete Beschwerde „ange-
stoßen“ wird (§ 12 Abs. 3 Satz 2 WBO; vgl. Böttcher/Dau, WBO, 4. Aufl. 1997,
Einf. Rn. 44); die Zurückweisung der Beschwerde als verfristet (§ 12 Abs. 3
Satz 1 WBO) bleibt hiervon jedoch unberührt.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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