Urteil des BVerwG vom 11.03.2008

Europäisches Recht, Behinderung, Beschwerdefrist, Diskriminierung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 8.08
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberfeldwebel
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Hetzke und
die ehrenamtliche Richterin Oberfeldwebel Gockel
am 11. März 2008 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller begehrt die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militär-
fachlichen Dienstes und wendet sich dazu gegen die Aufhebung eines Be-
scheids, mit dem ihm die Absicht, ihn zu dieser Laufbahn zuzulassen, mitgeteilt
wurde.
Der 1975 geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit wird voraus-
sichtlich mit Ablauf des 30. November 2029 enden. Zum Oberfeldwebel wurde
er mit Wirkung vom 3. März 2001 ernannt. Seit dem 1. September 2007 wird er
als Flugabwehrraketeninstandsetzungsmeister PATRIOT Elektronik bei der
Luftwaffeninstandhaltungsgruppe 23 in M. verwendet.
Der Antragsteller hatte sich in den Auswahlverfahren 2004, 2005 und 2006 er-
folglos um die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen
Dienstes beworben. 2004 und 2005 wurde er aufgrund der Ergebnisse des Eig-
nungsvergleichs nicht ausgewählt; 2006 scheiterte der Laufbahnwechsel daran,
dass der Antragsteller als „nicht gesundheitlich geeignet“ eingestuft wurde.
Unter dem 23. Juni 2006 beantragte der Antragsteller erneut seine Zulassung
zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes. Mit Bescheid vom
19. Januar 2007 teilte das Personalamt der Bundeswehr dem Antragsteller mit,
dass er für eine Zulassung im Dienstteilbereich 31AB Flugabwehrraketendienst
mit einer späteren Verwendung als Offizier im Werdegang Flugabwehrraketen-
dienst ausgewählt worden sei. Sofern keine Hinderungsgründe vorlägen, werde
seine Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zum
1. Oktober 2007 verfügt werden. Einen Hinderungsgrund könne unter anderem
die fehlende uneingeschränkte körperliche Eignung darstellen.
Die für die Laufbahnzulassung erforderliche Begutachtung des Antragstellers
gemäß Belegart (BA) 90/5 erbrachte am 20. März 2007 das Ergebnis „gesund-
heitlich nicht geeignet“. Mit Schreiben vom 2. Mai 2007 lehnte es der Beratende
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Arzt des Personalamts der Bundeswehr ab, eine militärärztliche Ausnahme von
dem Begutachtungsergebnis zu erteilen; vor dem Hintergrund einer ausreichen-
den Anzahl von Bewerbern ohne gesundheitliche Einschränkungen bestehe
kein besonderer Bedarf an einer Zulassung des Antragstellers.
Mit Bescheid vom 8. Mai 2007, dem Antragsteller ausgehändigt am 29. Mai
2007, hob das Personalamt der Bundeswehr seinen Bescheid vom 19. Januar
2007 auf. Zur Begründung verwies es auf den dort vorbehaltenen Nachweis der
uneingeschränkten gesundheitlichen Eignung, den der Antragsteller nicht er-
bracht habe; er habe auch keinen Anspruch auf eine militärärztliche Ausnahme.
Gegen diesen Bescheid legten die Bevollmächtigten des Antragstellers mit ei-
nem an das Personalamt der Bundeswehr adressierten Schreiben vom 6. Juni
2007 Beschwerde ein. Das Schreiben ging per Telefax am 11. Juni 2007 gegen
11:00 Uhr beim Personalamt ein. Das Personalamt leitete die Beschwerde mit
Begleitschreiben vom 13. Juni 2007 auf dem Postweg an das Bundesministeri-
um der Verteidigung weiter, wo es ausweislich des Eingangsstempels am
14. Juni 2007 einging.
Mit Schreiben vom 3. Juli 2007 und mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom
21. September 2007 begründete der Antragsteller die Beschwerde. Zu seiner
Diabetes-Erkrankung verwies er insbesondere auf Befunde des Bundeswehr-
krankenhauses ... vom 20. März und 19. April 2007, wonach es aus ärztlicher
Sicht keine Bedenken gebe, ihn in die Laufbahn der Offiziere des militärfachli-
chen Dienstes wechseln zu lassen. In rechtlicher Hinsicht wandte er sich vor al-
lem gegen eine Diskriminierung bzw. Benachteiligung aufgrund seines Ge-
sundheitszustands.
Mit Bescheid vom 8. Januar 2008 wies der Bundesminister der Verteidigung
- PSZ I 7 - die Beschwerde als unzulässig zurück, weil sie nicht vor Ablauf der
zweiwöchigen Beschwerdefrist am 12. Juni 2007 bei einer zuständigen Stelle
eingelegt worden sei. Die fristgerechte Einlegung per Telefax beim Personalamt
der Bundeswehr am 11. Juni 2007 genüge nicht, da das Personalamt keine für
die Einlegung zuständige Stelle sei. Die Beschwerdefrist sei auch nicht wegen
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eines „unabwendbaren Ereignisses“ zu verlängern. Das Personalamt sei seiner
Verpflichtung, die Beschwerde unverzüglich der zuständigen Stelle zu
übermitteln, im Rahmen des üblichen Geschäftsgangs innerhalb von drei Werk-
tagen nachgekommen. Das Beschwerdeschreiben enthalte auch keine deutlich
sichtbaren Zusätze wie „Fristsache - Eilt - Sofort vorlegen“; die Eilbedürftigkeit
habe sich deshalb nicht aufdrängen müssen. Unabhängig davon sei dem Be-
schwerdevorbringen im Wege der Dienstaufsicht nachgegangen worden; die
Entscheidung des Personalamts sei in der Sache nicht zu beanstanden.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 16. Januar 2008 beantragte der
Antragsteller die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Antrag
wurde vom Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit seiner Stellung-
nahme vom 22. Januar 2008 dem Senat vorgelegt.
Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Das Personalamt sei gehalten gewesen, die Beschwerde unverzüglich an die
zuständige Stelle weiterzuleiten. Aus der Beschwerdeschrift seien die fristrele-
vanten Daten erkenntlich gewesen. Es habe auffallen müssen, dass das Fax-
schreiben zum Zweck der Einhaltung einer Frist versandt worden sei und dass
die Frist am folgenden Tage ablaufen würde. Es sei dem Personalamt zuzumu-
ten gewesen, das Schreiben bis zum 12. Juni 2007 an das Bundesministerium
der Verteidigung per Fax weiterzuleiten. Zu berücksichtigen sei hierbei, dass
das Personalamt der Bundeswehr in den seltensten Fällen Beschwerdeinstanz
sei. Die in Personalangelegenheiten geschulten Mitarbeiter des Personalamts
hätten erkennen können und müssen, dass das Personalamt nicht die für die
Einlegung der Beschwerde zuständige Stelle gewesen sei.
Er, der Antragsteller, habe auch einen Anspruch darauf, in die Laufbahn der Of-
fiziere des militärfachlichen Dienstes übernommen zu werden. Zwar treffe es
zu, dass er an Diabetes leide. Er sei jedoch in Kenntnis dieses Umstands zum
Berufssoldaten ernannt worden. Das Risiko einer langfristigen Verschlechterung
des Gesundheitszustands sei in der Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen
Dienstes nicht höher als in der Laufbahn der Feldwebel. Die Nichtzulassung
stelle eine Diskriminierung wegen Behinderung im Sinne des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes dar; hierfür müsse nicht ein Grad der Behinderung
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von mindestens 50 % vorliegen. Auch nach der Richtlinie 2000/78/EG dürfe
nicht eine letztlich willkürliche Entscheidung getroffen werden.
Der Antragsteller beantragt,
den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten, ihn,
den Antragsteller, mit Wirkung zum 1. Oktober 2007 zur
Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zu-
zulassen,
hilfsweise, ihn zum nächstmöglichen Termin zur Laufbahn
der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zuzulassen,
hilfsweise, über den Antrag auf Zulassung zur Laufbahn
der Offiziere des militärfachlichen Dienstes unter Berück-
sichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu ent-
scheiden,
wobei jeweils der Ausgangsbescheid und der Beschwer-
debescheid aufzuheben sind.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Zurückweisung der Beschwerde als verfristet sei aus den im Beschwerde-
bescheid genannten Gründen nicht zu beanstanden. Aus der Übermittlung per
Telefax sei angesichts der Alltäglichkeit solcher Vorgänge im Behördenverkehr
nicht auf eine besondere Eilbedürftigkeit zu schließen gewesen. Das gelte ins-
besondere, weil die Beschwerdeschrift vom 6. Juni 2007 erst fünf Tage später
übermittelt worden sei. Dem Personalamt habe sich die Eilbedürftigkeit wegen
drohenden Fristablaufs daher nicht aufdrängen müssen; nur dann wäre es ver-
pflichtet gewesen, den Absender auf die drohende Fristversäumung aufmerk-
sam zu machen oder selbst notwendige Maßnahmen zu treffen.
Zur Sache werde vorsorglich geltend gemacht, dass der Antragsteller erst nach
Vorliegen des militärärztlichen Begutachtungsergebnisses „gesundheitlich ge-
eignet“ zum Berufssoldaten ernannt worden sei; zum Zeitpunkt der Ernennung
sei seine Diabetes-Erkrankung nicht bekannt gewesen. Im Hinblick auf das er-
hebliche Risiko einer langfristigen Verschlechterung des Gesundheitszustands
sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller als Offizier des militärfachlichen
Dienstes wegen der jeweiligen besonderen dienstgradbezogenen Altersgrenzen
ein bis drei Jahre länger dienen müsse als in der Unteroffizierslaufbahn. Die
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Nichtzulassung des Antragstellers stelle auch keine rechtswidrige Diskrimi-
nierung wegen Behinderung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsge-
setzes oder der Richtlinie 2000/78/EG dar.
Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der
Beteiligten sowie der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bun-
desministeriums der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 53/08 - und die Personal-
grundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
1. Der Hauptantrag, den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten, den
Antragsteller mit Wirkung zum 1. Oktober 2007 zur Laufbahn der Offiziere des
militärfachlichen Dienstes zuzulassen, ist zulässig.
Der Zulässigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass dieser - nach Nr. 932
ZDv 20/7 maßgebliche - Zulassungstermin bereits verstrichen ist. Eine rückwir-
kende Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes ist
rechtlich zulässig und könnte aufgrund einer Ausnahmegenehmigung erfolgen,
wenn der Antragsteller in der Sache erfolgreich wäre (vgl. Beschlüsse vom
20. September 2006 - BVerwG 1 WB 25.06 - Buchholz 449.2 § 40 SLV 2002
Nr. 2 sowie zuletzt vom 29. Januar 2008 - BVerwG 1 WB 2.07 - m.w.N.).
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Das Personalamt der Bundeswehr hat seinen Bescheid vom 19. Januar 2007,
mit dem dem Antragsteller mitgeteilt wurde, dass seine Zulassung zur Laufbahn
der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zum 1. Oktober 2007 verfügt werde,
sofern keine Hinderungsgründe vorlägen, durch den Bescheid vom 8. Mai 2007
wirksam aufgehoben. Der Bescheid vom 8. Mai 2007 ist bestandskräftig, weil
der Antragsteller gegen ihn nicht fristgerecht Beschwerde eingelegt hat.
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Gemäß § 6 Abs. 1 WBO darf die Beschwerde frühestens nach Ablauf einer
Nacht und muss binnen zwei Wochen eingelegt werden, nachdem der Be-
schwerdeführer von dem Beschwerdeanlass Kenntnis erhalten hat. Der Be-
scheid vom 8. Mai 2007 wurde dem Antragsteller am 29. Mai 2007 gegen Emp-
fangsbekenntnis ausgehändigt. Die Beschwerdefrist endete daher mit Ablauf
des 12. Juni 2007 (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB). Bis zu diesem Zeit-
punkt ist eine Beschwerde des Antragstellers weder bei dessen nächstem Dis-
ziplinarvorgesetzten (§ 5 Abs. 1 Satz 1 WBO) noch beim Bundesministerium
der Verteidigung als der für die Entscheidung über die Beschwerde zuständigen
Stelle (§ 5 Abs. 1 Satz 2, § 9 Abs. 1 WBO) eingegangen. Die Vorschrift des
§ 23 Abs. 2 Satz 1 WBO, wonach die Beschwerde auch bei der Stelle eingelegt
werden kann, deren Entscheidung angefochten wird, ist nicht anwendbar, weil
vorliegend für den gerichtlichen Rechtsschutz nicht der Verwaltungsrechtsweg,
sondern - wie vom Antragsteller auch beschritten - der Rechtsweg zu den
Wehrdienstgerichten eröffnet ist (§ 23 Abs. 1 WBO i.V.m. § 82 Abs. 1 SG und
§ 17 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO). Die vom Antragsteller (mit
Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 6. Juni 2007) an das Personalamt der
Bundeswehr gerichtete und dort am 11. Juni 2007 eingegangene Beschwerde
wahrt deshalb die Frist nicht, weil sie bei einer unzuständigen Stelle eingelegt
wurde; zum Bundesministerium der Verteidigung ist die dorthin weitergeleitete
Beschwerde erst am 14. Juni 2007 und damit nach Fristablauf gelangt.
Es ist vom Antragsteller nicht geltend gemacht und auch sonst nicht ersichtlich,
dass er an der Einhaltung der Frist im Sinne des § 7 Abs. 1 WBO durch militä-
rischen Dienst, Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle gehindert
war. Es liegt auch kein Fall des § 7 Abs. 2 WBO vor. Unabhängig davon, dass
der Bescheid des Personalamts vom 8. Mai 2007 als truppendienstliche Erst-
maßnahme keiner Rechtsbehelfsbelehrung bedurft hätte (stRspr, vgl. Be-
schlüsse vom 25. April 1974 - BVerwG 1 WB 47.73, 75.73 - BVerwGE 46, 251
sowie zuletzt vom 25. April 2007 - BVerwG 1 WB 66.06 -), ist die mit dem Be-
scheid tatsächlich erteilte Belehrung in jeder Hinsicht, insbesondere auch hin-
sichtlich der für die Einlegung der Beschwerde zuständigen Stellen, zutreffend
erfolgt.
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Ein für den Antragsteller unabwendbarer Zufall im Sinne des § 7 Abs. 1 WBO
ist ferner nicht darin zu sehen, dass seine Bevollmächtigten die Beschwerde
innerhalb der Beschwerdefrist nur an das Personalamt der Bundeswehr und
damit nicht an eine zuständige Stelle adressiert und übermittelt haben. Dieser
Fehler liegt im Verantwortungsbereich der Bevollmächtigten des Antragstellers,
zu deren Aufgaben es gehört, einen Rechtsbehelfsschriftsatz vor der Unter-
zeichnung durchzulesen und darauf zu achten, ob dieser Schriftsatz an diejeni-
ge Stelle adressiert ist, bei der der Rechtsbehelf einzulegen ist. Im Wehrbe-
schwerdeverfahren geht ein solches von den Bevollmächtigten zu vertretendes
Versäumnis zu Lasten des Antragstellers (siehe auch § 85 Abs. 2 ZPO).
Von dieser Verantwortungs- und Risikozuweisung wird der Antragsteller nicht
dadurch entlastet, dass das (unzuständige) Personalamt die Beschwerde nicht
innerhalb der Beschwerdefrist an das Bundesministerium der Verteidigung wei-
tergeleitet hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 1995 - 1 BvR
166/93 - BVerfGE 93, 99 <112 ff.>) zur Weiterleitung eines bei einem unzu-
ständigen Gericht eingelegten Rechtsmittelschriftsatzes an das für die Einle-
gung zuständige Gericht (dort: bei zivilprozessualen Urteilen, für die eine
Rechtsmittelbelehrung nicht vorgeschrieben ist) auch für die Einlegung eines
Rechtsbehelfs bei einer unzuständigen gilt. Auch in diesem Falle käme
eine entsprechende Anwendung des § 7 Abs. 1 WBO nur dann in Betracht,
wenn der Rechtsbehelf gerade infolge eines pflichtwidrigen Verhaltens dieser
Behörde erst nach Fristablauf bei der zuständigen Stelle eingegangen wäre.
Eine Behörde ist allerdings grundsätzlich nicht verpflichtet, jedes Schriftstück
nach seinem Eingang sofort darauf zu überprüfen, ob die eigene Zuständigkeit
gegeben ist oder ob das Schriftstück an eine zuständige andere Stelle weiter-
zuleiten ist. Sie hat den eingegangenen Vorgang vielmehr (nur) im regulären
Geschäftsablauf - unter Umständen mit Hinweis auf die Eilbedürftigkeit - an die
zuständige Behörde abzugeben (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 20. Juli 2004
- BVerwG 1 WDS-VR 3.04 - Buchholz 311 § 23 WBO Nr. 1 = NZWehrr 2004,
258, vom 4. November 2004 - BVerwG 1 WB 36.04 -, vom 12. Mai 2005
- BVerwG 1 WB 11.05 -, vom 28. März 2006 - BVerwG 1 WB 2.06 - und vom
25. April 2007 a.a.O.)
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Nach diesen Maßstäben hat das Personalamt eine Pflicht zur Weiterleitung
nicht verletzt. Der Antragsteller konnte unter den gegebenen Umständen nicht
berechtigtermaßen erwarten, dass seine bei der unzuständigen Stelle eingeleg-
te Beschwerde innerhalb von eineinhalb Werktagen und damit noch fristgemäß
das Bundesministerium der Verteidigung erreichte. Das Personalamt durfte da-
von ausgehen, dass eine von Rechtsanwälten an das Personalamt adressierte
und übermittelte Beschwerde auch dort eingelegt werden sollte. Ein offenkun-
diges Versehen, das zu einer alsbaldigen Klärung Anlass gegeben hätte - wie
etwa, dass ein an das Bundesministerium der Verteidigung adressiertes
Schreiben durch eine Verwechslung der Telefax-Nummer erkennbar ungewollt
beim Personalamt eingegangen wäre - lag nicht vor. Das Personalamt ist auch
keine Stelle, bei der die Einlegung einer Beschwerde ein so ungewöhnlicher
Vorgang ist, dass ein Zuständigkeitsmangel naheliegend erscheinen musste;
allein aus der bereits genannten (vorliegend nicht anwendbaren) Vorschrift des
§ 23 Abs. 2 Satz 1 WBO ergibt sich eine Zuständigkeit des Personalamts für die
Beschwerdeeinlegung in einer Vielzahl von Fällen.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers musste sich dem Personalamt
auch die Eilbedürftigkeit wegen drohenden Fristablaufs nicht aufdrängen. Die
Übermittlung per Telefax ist für sich genommen angesichts der Gebräuchlich-
keit dieser Übermittlungsform gerade im anwaltlichen Schriftverkehr, und zwar
auch bei nicht fristgebundenen oder eiligen Sachen, kein Anzeichen für beson-
dere Eilbedürftigkeit. Die Beschwerdeschrift vom 6. Juni 2007 trägt auch keine
deutlich sichtbaren Zusätze wie „Fristsache - Eilt - Sofort vorlegen“ oder Ähnli-
ches. Auch war das Fristende nicht durch einen eindeutigen Vermerk wie etwa
„Frist: 12. Juni 2007“ gekennzeichnet. Ob eine unzuständige Behörde ansons-
ten überhaupt Fristberechnungen zugunsten eines Beschwerdeführers anstel-
len muss, kann dahinstehen; das Personalamt war jedenfalls nicht gehalten, in
solche Überlegungen auf der Grundlage einer unbestimmten Formulierung wie
hier „Bescheid vom 08.05.2007, ausgehändigt nicht vor dem 29.05.2007“ einzu-
treten. Keiner Erörterung bedarf schließlich, ob eine Weiterleitung der Be-
schwerde an das Bundesministerium der Verteidigung im regulären Geschäfts-
ablauf binnen zwei - und nicht, wie geschehen, binnen drei - Werktagen möglich
und angebracht gewesen wäre. Denn auch danach wäre der Eingang beim
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Bundesministerium verspätet und die Fristversäumung mithin nicht gerade
durch das Personalamt verursacht gewesen.
In der Sache weist der Senat ergänzend darauf hin, dass sich der Antragsteller
ohne Erfolg auf die von ihm angeführten Gleichbehandlungsvorschriften beruft,
soweit er - das heißt unabhängig von dem Vorliegen einer anerkann-
ten eine Benachteiligung wegen einer Behinderung gel-
tend macht. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August
2006 (BGBl I S. 1897), das sich unter anderem gegen Benachteiligungen aus
Gründen einer Behinderung richtet (§§ 1, 7 AGG), ist auf Soldaten nicht, auch
nicht entsprechend (Umkehrschluss aus § 24 AGG), anwendbar (vgl. Thüsing,
in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, Halbbd. 2, 5. Aufl. 2007, § 24 AGG
Rn. 5). Für Soldaten gilt vielmehr das Gesetz über die Gleichbehandlung der
Soldatinnen und Soldaten (Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungs-
gesetz - SoldGG) vom 14. August 2006 (BGBl I S. 1904). Anders als das All-
gemeine Gleichbehandlungsgesetz erstreckt sich dieses Gesetz jedoch nicht
auf Benachteiligungen wegen einer Behinderung (siehe § 1 Abs. 1
SoldGG), sondern enthält lediglich eine spezielle Schutzvorschrift (§ 1 Abs. 2
Satz 2 i.V.m. § 18 SoldGG) zugunsten Soldatinnen und Sol-
daten (im Sinne von § 2 Abs. 2 des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch - Reha-
bilitation und Teilhabe behinderter Menschen - vom 19. Juni 2001
); diese Vorschrift übernimmt im Wesentlichen den Benachteili-
gungsschutz, der sich für Soldaten bis dahin aus § 128 Abs. 4 Satz 2 i.V.m.
§ 81 Abs. 2 SGB IX (in der bis zum 17. August 2006 geltenden Fassung) ergab.
Die Tatsache, dass das Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz
keinen allgemeinen - von dem Vorliegen einer Schwerbehinderung unabhängi-
gen - Schutz gegen Benachteiligungen aus Gründen einer Behinderung ge-
währt, verstößt nicht gegen europäisches Recht. Gemäß Art. 3 Abs. 4 der
Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines
allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäf-
tigung und Beruf (ABl EG Nr. L 303 S. 16), in deren Umsetzung das Soldatin-
nen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz ergangen ist, können die Mitglied-
staaten vorsehen, „dass diese Richtlinie hinsichtlich von Diskriminierungen we-
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gen einer Behinderung und des Alters nicht für die Streitkräfte gilt“. Von dieser
Möglichkeit hat der Bundesgesetzgeber bei Erlass des Soldatinnen- und Solda-
ten-Gleichbehandlungsgesetzes - unter Hinweis auf das „überragende Erfor-
dernis der Einsatzbereitschaft und Schlagkraft der Streitkräfte“ - bewusst Ge-
brauch gemacht (vgl. zur Begründung im Einzelnen BTDrucks 16/1780 S. 27).
2. Der Hilfsantrag, den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten, den
Antragsteller zum (nach dem 1. Oktober 2007) nächstmöglichen Termin zur
Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zuzulassen, ist unzuläs-
sig.
Die Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes ist für
jedes Auswahljahr gesondert zu beantragen. Der Antragsteller muss sich - wie
er dies bereits für die Auswahljahre 2004, 2005, 2006 und 2007 getan hat - ge-
gebenenfalls erneut um eine Zulassung im Auswahljahr 2008 bewerben. Unab-
hängig davon, ob ein solcher Antrag bereits gestellt ist, ist er jedenfalls nicht
Gegenstand des vorliegenden, das Auswahljahr 2007 betreffenden Beschwer-
deverfahrens und kann damit auch nicht zum Gegenstand der gerichtlichen
Entscheidung gemacht werden.
3. Der weitere Hilfsantrag, den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten,
über den Antrag auf Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen
Dienstes unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entschei-
den, ist - soweit er sich auf die Zulassung zum Termin 1. Oktober 2007 be-
zieht - aus den unter 1. genannten Gründen unbegründet. Soweit sich der
Hilfsantrag auch auf den (nach dem 1. Oktober 2007) nächstmöglichen Zulas-
sungstermin beziehen sollte, ist er aus dem unter 2. genannten Grund unzuläs-
sig.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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