Urteil des BVerwG vom 17.03.2009

Ablauf der Frist, Referat, Leiter, Unterordnung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 77.08
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberstleutnant Dipl.-Kfm. ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 17. März 2009 beschlossen:
Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist unzuläs-
sig.
Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Köln ver-
wiesen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich gegen die Stellungnahme des nächsthöheren
Vorgesetzten zu einer planmäßigen Beurteilung.
Der 1955 geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet vor-
aussichtlich mit Ablauf des 31. Oktober 2014. Zum Oberstleutnant wurde er am
6. Oktober 2000 ernannt und mit Wirkung vom 1. August 2006 in eine Planstelle
der Besoldungsgruppe A 15 eingewiesen. Seit dem 1. April 2005 wird der
Antragsteller als Referent im Bundesministerium der Verteidigung - Referat ... -
in B. verwendet.
Unter dem 7. September 2007 erstellte die Leiterin des Referats Innerer Dienst,
Ministerialrätin K., die planmäßige Beurteilung für den Antragsteller zum
30. September 2007. In der Bewertung der Aufgabenerfüllung auf dem Dienst-
posten ergab sich dabei als Durchschnittswert für die zehn Einzelmerkmale ein
Wert von 5,50.
Unter dem 8. November 2007 nahm der nächsthöhere Vorgesetzte, der Leiter
des Organisationsstabs Ministerialdirigent Sch., zu der Beurteilung Stellung.
Dabei setzte er bei der Bewertung der Aufgabenerfüllung bei zwei Einzelmerk-
malen die Wertungsstufe von „7“ auf „5“, bei zwei weiteren Einzelmerkmalen die
Wertungsstufe von „6“ auf „4“ und bei fünf Einzelmerkmalen die Wertungsstufe
von „5“ auf „4“ herab. Dadurch änderte sich der Durchschnittswert der
Aufgabenerfüllung von 5,50 in 4,20. Die Stellungnahme des nächsthöheren
Vorgesetzten wurde dem Antragsteller am 12. November 2007 eröffnet.
Mit Schreiben vom 26. November 2007, adressiert an PSZ I, legte der Antrag-
steller Beschwerde gegen die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten
ein. Das Schreiben trägt einen Eingangsstempel des Referats ... sowie das
Handzeichen der Referatsleiterin, jeweils vom 26. November 2007, zwei weitere
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Handzeichen vom 29. November und 30. November 2007 sowie einen Ein-
gangsstempel mit Handzeichen des Referats PSZ I 7 vom 3. Dezember 2007.
Mit Schreiben vom 4. Dezember 2007 begründete der Antragsteller seine Be-
schwerde damit, dass durch die massive Herabstufung der Bewertung der Ein-
zelmerkmale mehrere der in Kapitel 4 der ZDv 20/6 genannten Beurteilungs-
grundsätze verletzt würden. Es könne und dürfe nicht sein, dass das Bemühen,
um jeden Preis Richtwertkorridore zu beachten, auf Kosten eines Verstoßes
gegen die Beurteilungsgrundsätze gehe. Hierzu legte der Antragsteller im Ein-
zelnen dar, welche Beurteilungsgrundsätze er durch die Stellungnahme des
Leiters des ...stabes verletzt sehe.
Mit Bescheid vom 15. Juli 2008, dem Antragsteller ausgehändigt am 18. Juli
2008, wies der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - die Beschwerde zu-
rück. Die Beschwerde sei unzulässig, weil sie nicht innerhalb der zweiwöchigen
Beschwerdefrist eingelegt worden sei. Sie sei zwar vor Ablauf der Frist am
26. November 2007 bei der Dezernatsleiterin eingegangen, die jedoch nicht die
Dienststellung einer Disziplinarvorgesetzten innehabe. Soldaten, die im Bun-
desministerium der Verteidigung verwendet würden, seien unmittelbar dem
Bundesminister der Verteidigung als nächstem Disziplinarvorgesetzten unter-
stellt; bei diesem sei die Beschwerde nicht eingegangen. Nach § 5 Abs. 1
Satz 2 WBO bestehe ferner die Möglichkeit, die Beschwerde bei der Stelle ein-
zulegen, die für die Entscheidung über den Rechtsbehelf zuständig ist. Das sei
das Referat PSZ I 7, wo die Beschwerde jedoch erst am 3. Dezember 2007 und
damit verspätet eingegangen sei. Eine Verlängerung der Beschwerdefrist nach
§ 7 Abs. 2 WBO komme nicht in Betracht, weil die angefochtene Stellungnahme
keiner Rechtsbehelfsbelehrung bedurft habe. Im dienstaufsichtlichen Teil des
Beschwerdebescheids führte der Bundesminister aus, dass ein Verstoß gegen
die Beurteilungsgrundsätze der ZDv 20/6 nicht festzustellen sei.
Hiergegen beantragte der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten
vom 31. Juli 2008, eingegangen am selben Tage, die Entscheidung des Bun-
desverwaltungsgerichts. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - legte
den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 27. Oktober 2008 dem Senat vor.
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Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Das Referat ... im Bundesministerium der Verteidigung sei eine durchweg zivil
geprägte Dienststelle; von den ca. 500 Mitarbeitern seien nur fünf Soldaten.
Das Referat werde daher auch von einer zivilen Mitarbeiterin geleitet. Die Refe-
ratsleiterin sei zwar nicht militärische Dienstvorgesetzte der Soldaten, fungiere
aber als solche, indem sie zum Beispiel Personalentscheidungen eröffne, die
Soldaten beurteile, mit ihnen den Entwurf der Beurteilung erörtere und ihnen die
Beurteilungen aushändige. Er, der Antragsteller, sei deshalb davon ausge-
gangen, die Beschwerde fristwahrend bei der Referatsleiterin einlegen zu kön-
nen. Dieser Meinung sei auch die Referatsleiterin selbst gewesen, weil sie
sonst die Beschwerde nicht am Tage des Fristablaufs entgegengenommen hät-
te, ohne auf ihre Unzuständigkeit hinzuweisen; außerdem hätte sie dafür ge-
sorgt, dass die Beschwerde noch am selben Tag an PSZ I weitergeleitet wor-
den wäre. Die Besonderheiten der Dienststelle, die Unkenntnis der Vorgesetz-
ten von ihrer Unzuständigkeit sowie die Tatsache, dass sie die Beschwerde
noch fristgerecht an die zuständige Stelle hätte abgeben können, stellten sich
für ihn, den Antragsteller, als unabwendbarer Zufall im Sinne von § 7 WBO dar.
In der Sache verstoße die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten ge-
gen Beurteilungsgrundsätze, weil sie Wertungen enthalte, die in einem nicht
auflösbaren Widerspruch zu den sonstigen Aussagen in der Stellungnahme
stünden. Dieser Widerspruch lasse sich auch nicht mit dem Hinweis darauf be-
heben, dass sich die Aussagen und Bewertungen des nächsthöheren Vorge-
setzten an der jeweiligen Vergleichsgruppe zu orientieren hätten und die vor
diesem Hintergrund geführten Abstimmungsgespräche die Herabsetzung zur
Gewährleistung eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabes notwendig gemacht
hätten.
Der Antragsteller beantragt,
die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten vom
8. November 2007 zu der Beurteilung vom 7. September
2007 sowie den Beschwerdebescheid des Bundesministe-
riums der Verteidigung vom 15. Juli 2008 aufzuheben.
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Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Beschwerde sei aus den im Beschwerdebescheid dargelegten Gründen zu
Recht als unzulässig zurückgewiesen worden. Der Antragsteller sei auch nicht
gemäß § 7 WBO an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert gewesen. Es
könne nicht angenommen werden und sei auch vom Antragsteller nicht vorge-
tragen, dass er nach einer mehr als zweijährigen Verwendungszeit im Bundes-
ministerium nicht gewusst habe, dass der Bundesminister der Verteidigung sein
Disziplinarvorgesetzter sei bzw. welche Stelle im Bundesministerium zur Entge-
gennahme der Beschwerde in seiner Beurteilungsangelegenheit zuständig sein
könnte.
Das Gericht hat die Beteiligten im Hinblick auf eine mögliche Verweisung des
Rechtsstreits an das zuständige (allgemeine) Verwaltungsgericht insbesondere
zu der Frage angehört, ob gegen eine Stellungnahme des nächsthöheren Vor-
gesetzten zu der dienstlichen Beurteilung eines Soldaten der Rechtsweg zu den
Wehrdienstgerichten eröffnet ist, wenn der nächsthöhere Vorgesetzte - wie hier
- selbst nicht Soldat bzw. militärischer Vorgesetzter, sondern Beamter ist. Der
Antragsteller hat mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 5. März 2009
erklärt, dass keine Bedenken gegen eine Verweisung an das Verwaltungsge-
richt bestünden. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - (Schreiben
vom 6. März 2009) hält hingegen den Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten
für gegeben; die dienstliche Beurteilung der Referatsleiterin ... und die Stel-
lungnahme des Leiters des ...stabs seien dem Bundesminister der Verteidigung
als nächstem Disziplinarvorgesetzten und truppendienstlichen Vorgesetzten des
Antragstellers zuzurechnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der
Schriftsätze der Beteiligten sowie der Akten Bezug genommen. Die Beschwer-
deakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 770/08 - und die
Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei
der Beratung vorgelegen.
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II
Für das Rechtschutzbegehren des Antragstellers, mit dem er sich gegen die
Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten zu seiner planmäßigen Beur-
teilung wendet, ist der Rechtsweg nicht zu den Wehrdienstgerichten, sondern
zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten eröffnet.
Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffent-
lich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit
die Streitigkeit nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich
zugewiesen ist. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 82 Abs. 1 SG auch für
Klagen der Soldaten aus dem Wehrdienstverhältnis eröffnet, soweit nicht ein
anderer Rechtsweg gesetzlich vorgeschrieben ist. Dies ist gemäß § 17 Abs. 1
Satz 1 WBO für die Fälle vorgesehen, in denen Gegenstand der Beschwerde
des Soldaten eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Pflichten
eines Vorgesetzten ihm gegenüber ist, die im Zweiten Unterabschnitt des Ers-
ten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31
geregelt sind. Die Wehrdienstgerichte haben hiernach über die Verletzung sol-
cher Rechte und Pflichten zu entscheiden, die auf dem Verhältnis der militäri-
schen Über- und Unterordnung beruhen, also in truppendienstlichen Angele-
genheiten (stRspr, vgl. Beschluss vom 6. April 2005 - BVerwG 1 WB 61.04 - in-
soweit nicht veröffentlicht in NZWehrr 2005, 212, m.w.N.). Für die Bestimmung,
ob es sich um eine truppendienstliche Angelegenheit oder um eine Verwal-
tungsangelegenheit handelt, für die der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerich-
ten eröffnet ist, muss auf die wahre Natur des geltend gemachten Anspruchs
und auf die daraus abzuleitende Rechtsfolge abgestellt werden (Beschlüsse
vom 15. Mai 2003 - BVerwG 1 WB 7.03 - m.w.N. und vom 6. April 2005 a.a.O.).
Danach liegt hier keine den Wehrdienstgerichten zugewiesene truppendienstli-
che Angelegenheit vor, so dass es bei dem allgemein in öffentlich-rechtlichen
Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art eröffneten Rechtsweg zu den
Verwaltungsgerichten verbleibt.
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Zwar kommt nach ständiger Rechtsprechung des Senats als (jeweils selbstän-
dig anfechtbare) Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 WBO und damit als Ge-
genstand eines Antrags auf Entscheidung durch das Wehrdienstgericht nicht
nur die dienstliche Beurteilung eines Soldaten, sondern auch die hierzu abge-
gebene Stellungnahme eines höheren Vorgesetzten in Betracht (vgl. Beschluss
vom 18. August 2004 -BVerwG 1 WB 15.04 - Buchholz 236.110 § 2 SLV 2002
Nr. 4 = NZWehrr 2005, 117 m.w.N.). Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerich-
ten ist jedoch dann nicht eröffnet, wenn im konkreten Fall die dienstliche Beur-
teilung oder die Stellungnahme hierzu nicht von einem militärischen, sondern
von einem zivilen Vorgesetzten des Soldaten erstellt bzw. abgegeben worden
ist. In diesem Fall fehlt es an dem Verhältnis der militärischen Über- und Unter-
ordnung bzw. der truppendienstlichen Unterstellung, das Grundlage der von
den Wehrdienstgerichten zu überprüfenden Rechte und Pflichten ist (vgl. für
ähnlich gelagerte Konstellationen bei im Bereich des Bundesnachrichtendiens-
tes tätigen Soldaten Urteile vom 17. Oktober 1986 - BVerwG 6 A 1.85 - und
vom 15. Februar 1989 - BVerwG 6 A 2.87 - BVerwGE 81, 258 <259> = Buch-
holz 236.1 § 59 SG Nr. 2; spätere Entscheidungen, insbesondere auch zu
dienstlichen Beurteilungen, stützen die Rechtswegabgrenzung nur noch auf die
Spezialvorschrift des § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO, vgl. Urteil vom 31. August 1990 -
BVerwG 6 A 2.88 - Buchholz 236.1 § 29 SG Nr. 1 und dazu Beschluss vom
18. November 1997 - BVerwG 1 WB 49.97, 50.97 - Buchholz 311 § 18 WBO
Nr. 1 = NZWehrr 1998, 29).
Die von dem Antragsteller angefochtene Maßnahme ist nicht in einem Verhält-
nis der militärischen Über- und Unterordnung bzw. der truppendienstlichen Un-
terstellung (in dem dargestellten Sinne) ergangen. Der Antragsteller wird im
Bundesministerium der Verteidigung im Referat ... des der Leitung des Ministe-
riums unterstellten ...stabs verwendet. Die hier strittige Stellungnahme des
nächsthöheren Vorgesetzten vom 8. November 2007 wurde von dem Leiter des
...stabs, einem Beamten im Amt eines Ministerialdirigenten, und damit nicht von
einem militärischen bzw. truppendienstlichen Vorgesetzten abgegeben. Eben-
falls von einem zivilen und nicht militärischen bzw. truppendienstlichen Vorge-
setzten stammt im Übrigen auch die zugrundeliegende - von dem Leiter des
...stabs geänderte - planmäßige Beurteilung des Antragstellers vom
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7. September 2007, die von der Referatsleiterin, einer Beamtin im Amt einer
Ministerialrätin, erstellt worden ist.
Die strittige Stellungnahme ist, auch wenn sie in Ausübung einer von dem Bun-
desminister der Verteidigung delegierten Zuständigkeit erfolgte, dem Bun-
desminister der Verteidigung zuzurechnen.
Beurteilungen bzw. Stellungnahmen zu Beurteilungen werden grundsätzlich von
dem zum jeweiligen Vorlagetermin zuständigen Vorgesetzten bzw. nächst-
höheren Vorgesetzten erstellt (Nr. 301 Buchst. a Abs. 1 Satz 1, Buchst. b
Abs. 1 Satz 1 der „Bestimmungen über die Beurteilungen der Soldatinnen und
Soldaten der Bundeswehr“ vom 17. Januar 2007 - ZDv 20/6 -). Vorgesetzter
bzw. nächsthöherer Vorgesetzter ist dabei im Regelfall der nächste bzw.
nächsthöhere vorgesetzte (Nr. 301 Buchst. a Abs. 1 Satz 2, Buchst. b
Abs. 1 Satz 2 ZDv 20/6). Wie sich aus der „Weisung zur Inkraftsetzung der
Grundsätze für Aufgabenzuordnung, Organisation und Verfahren im Bereich
der militärischen Spitzengliederung“ vom 21. Januar 2005 (sog. Berliner Erlass)
mittelbar ergibt, ist einziger Vorgesetzter mit Disziplinargewalt im Bereich des
Bundesministeriums der Verteidigung der Bundesminister der Verteidigung
selbst. Insofern wäre nach der grundsätzlichen Zuständigkeitsverteilung der
ZDv 20/6 alleine der Bundesminister der Verteidigung berufen, sämtliche
Beurteilungen (Stellungnahmen hierzu dürften in diesem Falle als funktionslos
entfallen) für alle im Ministerium tätigen - über tausend - Soldaten zu erstellen.
Aus evidenten praktischen Gründen hat der Bundesminister der Verteidigung
von der in Nr. 303 Buchst. a und d (mit Fußn. 1) ZDv 20/6 vorgesehenen
Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Zuständigkeiten für das Erstellen von
Beurteilungen und Stellungnahmen höherer Vorgesetzter auf Vorgesetzte
innerhalb der Hierarchien der (militärischen und zivilen) Abteilungen und Stäbe
zu delegieren. Auf diesen delegierten Zuständigkeiten, die in dem Erlass über
„Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten im Bundesministerium der Vertei-
digung, hier: Zuständigkeiten“ vom 1. Februar 2007 im Einzelnen festgelegt
sind, beruhen auch die hier strittige Stellungnahme des Leiters des ...stabs und
die ihr zugrundeliegende Beurteilung des Antragstellers durch die Referatsleite-
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Ungeachtet der Begründung der Befugnis im Wege der Delegation handelte der
Leiter des ...stabs bei der Abgabe der Stellungnahme jedoch in eigener, ihm
persönlich zugewiesener Zuständigkeit und Verantwortung (wie es im Übrigen
der allgemeinen verwaltungsrechtlichen Kategorie der Delegation entspricht,
vgl. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Aufl. 1976, § 72 IV b 2). Dienstliche
Beurteilungen und ebenso Stellungnahmen zu Beurteilungen stellen ein
höchstpersönliches, nicht austauschbares Urteil des jeweils zuständigen
Vorgesetzten dar; dies spiegelt sich darin wider, dass das eigentliche in der
Beurteilung enthaltene Werturteil einer (insbesondere gerichtlichen) Rechtmä-
ßigkeitskontrolle entzogen ist (stRspr, vgl. Beschluss vom 11. März 2008 -
BVerwG 1 WB 41.07 - Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 10). Demgemäß ist
auch nach Nr. 304 Buchst. a ZDv 20/6 die Beurteilungsbefugnis grundsätzlich
an die Person des zuständigen Vorgesetzten gebunden; Ausnahmen von der
Bindung an die Person betreffen (nur) die Vertretung im Verhinderungsfall. Der
zuständige Vorgesetzte - wie hier der Leiter des ...stabs bei seiner Stellung-
nahme ebenso wie die Referatsleiterin bei ihrer Beurteilung - unterzeichnet im
eigenen Namen, nicht „im Auftrag“. Eine - den Rechtsweg zu den Wehrdienst-
gerichten begründende - Zurechnung an den Bundesminister der Verteidigung
im Wege eines „Handelns im Auftrag“ kommt deshalb nicht in Betracht.
Auch der weitere Einwand des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 -, es
wäre nicht sachgerecht, nur einen Teil der im Ministerium eingesetzten Solda-
ten mit der Eröffnung des Rechtswegs zum Wehrdienstsenat des Bundesver-
waltungsgerichts zu „privilegieren“, weil diese ihre Beurteilung bzw. Stellung-
nahme zufällig von einem militärischen Vorgesetzten erhalten hätten, führt zu
keinem anderen Ergebnis. Der Gesetzgeber hat den gerichtlichen Rechtsschutz
der Soldaten gemäß § 82 Abs. 1 SG, § 17 Abs. 1 WBO von vornherein
„zweigleisig“ - geteilt zwischen allgemeinen Verwaltungs- und Wehrdienstge-
richten - organisiert. Gegen diese „Zweigleisigkeit“ bestehen keine rechtlichen
Bedenken; die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG verlangt nur, dass
der Zugang zu einem Gericht, nicht jedoch, dass ein bestimmter Rechtsweg er-
öffnet ist. Keine rechtlichen Bedenken bestehen deshalb auch dagegen, dass
Beurteilungen von Soldaten durch militärische Vorgesetzte vor den Wehr-
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dienstgerichten, Beurteilungen durch zivile Vorgesetzte dagegen vor den all-
gemeinen Verwaltungsgerichten anzufechten sind und dass ein Wechsel der
Beurteilungszuständigkeit zwischen militärischen und zivilen Vorgesetzten ent-
sprechende Rückwirkungen auf den im Streitfall eröffneten Rechtsweg hat.
Nachdem der Antragsteller, der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 -
und der Bundeswehrdisziplinaranwalt gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG hierzu
angehört worden sind, ist der Rechtsstreit gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 18
Abs. 3 WBO an das nach § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO örtlich und sachlich zu-
ständige Verwaltungsgericht Köln (§ 1 Abs. 2 Buchst. e des Gesetzes zur Aus-
führung der Verwaltungsgerichtsordnung im Lande Nordrhein-Westfalen) zu
verweisen. Dienstlicher Wohnsitz eines Soldaten ist gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2
BBesG sein Standort, hier die (kreisfreie) Stadt Bonn; die Legaldefinition des
dienstlichen Wohnsitzes in § 15 BBesG ist auch im Rahmen des § 52 Nr. 4
VwGO maßgeblich (vgl. Beschlüsse vom 15. Mai 2003 a.a.O. und vom 6. April
2005 a.a.O.).
Über die Verweisung kann der Senat in der Besetzung ohne ehrenamtliche
Richter entscheiden (Beschluss vom 17. Januar 2006 - BVerwG 1 WB 3.05 -
insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 450.1 § 21 WBO Nr. 3).
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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