Urteil des BVerwG vom 27.05.2009

Slv, Stellvertreter, Operation, Beratung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 75.08 und 1 WB 10.09
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Korvettenkapitän
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Kapitän zur See Stappen und
den ehrenamtlichen Richter Oberstabsarzt Dr. Sammito
am 27. Mai 2009 beschlossen:
Die Verfahren BVerwG 1 WB 75.08 und BVerwG 1 WB
10.09 werden zur gemeinsamen Beratung und
Entscheidung verbunden.
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Die Stellungnahme des Amtschefs des ...
Forschungsamtes vom 26. März 2008 zu der planmäßigen
Beurteilung des Antragstellers vom 8. August 2007 wird in
vollem Umfang, die Beschwerdebescheide des Amtschefs
des Streitkräfteamtes vom 20. Mai 2008 und des
Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr
und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 21. Juli 2008
werden insoweit aufgehoben, als sie die vorgenannte
Stellungnahme des Amtschefs des ... Forschungsamtes
betreffen.
Im Übrigen wird der Antrag als unzulässig verworfen.
Die dem Antragsteller im früheren Einzelverfahren
BVerwG 1 WB 75.08 vor dem Bundesverwaltungsgericht
einschließlich der im
vorgerichtlichen Verfahren
erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem
Bund auferlegt.
Im Übrigen trägt der Antragsteller seine Aufwendungen
selbst.
G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich gegen die Stellungnahme des Amtschefs des ...
Forschungsamtes zu seiner planmäßigen Beurteilung vom 8. August 2007. Er
macht geltend, dass eine ihm erteilte Internationale Beurteilung in dieser
Stellungnahme nicht hinreichend gewürdigt worden sei (BVerwG 1 WB 75.08).
Ferner strebt der Antragsteller in der vorbezeichneten Beurteilung Ergänzungen
im Abschnitt 5.1 (Verwendungsmöglichkeiten) im Feld „Bereich/Ebene“ an
(BVerwG 1 WB 10.09).
Der 1967 geborene Antragsteller ist Berufssoldat, dessen Dienstzeit nach
Mitteilung des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - voraussichtlich mit
Ablauf des 31. Dezember 2024 enden wird. Zum Korvettenkapitän wurde er am
29. November 2004 ernannt. Zum 1. Oktober 2004 wurde der Antragsteller zum
... Forschungsamt ... versetzt. Im Rahmen dieser Verwendung wurde er am 3.
April 2006 zum Einsatzführungskommando der Bundeswehr und von dort vom
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4. April 2006 bis zum 15. Dezember 2006 zum EU-... nach B. kommandiert.
Dort nahm er die Funktion eines „Liaison Officer EU OHQ to EUMS“ im
Rahmen der Mission EUFOR RD C. wahr. Vom 16. April 2007 bis zum 31. März
2009 wurde der Antragsteller als Inspektionschef der .../Marineunter-
offizierschule ... verwendet. Seit dem 1. April 2009 ist er zum Amt für
Militärkunde, ..., versetzt.
Zum Abschluss seiner Verwendung beim EU-... in B. erhielt der Antragsteller
am 20. Dezember 2006 eine Internationale Beurteilung (International Evaluation
Report). In Part III (Assessment) wurden seine Fähigkeiten und Leistungen in
zehn Einzelmerkmalen mit der Spitzenwertung und in zwei Einzelmerkmalen mit
der zweitbesten Wertung (von jeweils fünf Wertungsstufen) beurteilt. Das
Gesamturteil in Part IV (Overall Performance) lautete „Outstanding“.
Am 8. August 2007 erstellte der Leiter der Abteilung Ausbildung, Information,
Fachstudien im ... Forschungsamt auf der Grundlage der ZDv 20/6 in der
Neufassung vom 17. Januar 2007 für den Antragsteller eine (vorgezogene)
planmäßige Beurteilung zum Vorlagetermin 30. September 2007. Im Abschnitt
5.1 (Verwendungsmöglichkeiten) bewertete er im Feld „Stufen der Eignung“ alle
dort angegebenen Verwendungsmöglichkeiten nach den Vorgaben der Nr. 615
Buchst. a bis c ZDv 20/6. Im Feld „Bereich/Ebene“ nahm er keine Eintragungen
vor. Die Beurteilung wurde dem Antragsteller am 17. August 2007 eröffnet.
Nachdem der Amtschef des ... Forschungsamtes am 2. Oktober 2007 als
nächsthöherer Vorgesetzter seine Stellungnahme abgegeben hatte, legte der
Antragsteller mit Schreiben vom 11. Oktober 2007 sowohl gegen die
Beurteilung als auch gegen die Stellungnahme Beschwerde ein. Hinsichtlich der
Beurteilung rügte er formale Unrichtigkeiten, Schreibfehler und Lücken und
beanstandete unter anderem, dass Angaben im Feld „Bereich/Ebene“ gänzlich
fehlten. Mit Schreiben vom 4. Januar 2008 legte der Antragsteller weitere
Beschwerde ein.
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Mit Verfügung vom 11. Februar 2008 hob der Amtschef des Streitkräfteamtes
die Stellungnahme des Amtschefs des ... Forschungsamtes wegen Verstoßes
gegen die Anhörungs- und Erörterungspflicht (Nr. 618 ZDv 20/6) auf und
ordnete die Neufassung der Stellungnahme an.
Verfahren BVerwG 1 WB 10.09
Die Untätigkeitsbeschwerde vom 4. Januar 2008 wies der Stellvertreter des
Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis mit
Beschwerdebescheid vom 3. März 2008 hinsichtlich der angefochtenen
Stellungnahme als unzulässig zurück und bezog sich zur Begründung auf die
vorgenannte Aufhebungsverfügung. In den dienstaufsichtlichen Feststellungen
des Bescheides führte er aus, dass seine Überprüfung die vom Antragsteller
aufgezeigten Schreibfehler und formalen Unrichtigkeiten in der Beurteilung
bestätigt hätten. Dieser Bescheid wurde dem Antragsteller am 5. März 2008
ausgehändigt. Einen Rechtsbehelf legte er nicht ein.
Die vom Antragsteller gerügten formalen Fehler und Unrichtigkeiten wurden am
7. April 2008 durch den stellvertretenden Amtschef des ... Forschungsamtes in
der Beurteilung korrigiert. Eine Ausfüllung des Feldes „Bereich/Ebene“ erfolgte
hingegen nicht.
Mit seiner weiteren Beschwerde vom 11. Juni 2008 gegen die neugefasste
Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten machte der Antragsteller
zusätzlich geltend, die von ihm bemängelten Schreibfehler und formalen
Unrichtigkeiten seien im Beschwerdebescheid vom 3. März 2008
dienstaufsichtlich festgestellt und in der Folge zum Teil auch tatsächlich
berichtigt worden; die Angaben zum Feld „Bereich/Ebene“ fehlten jedoch immer
noch. Im Beschwerdebescheid vom 21. Juli 2008, der die neugefasste
Stellungnahme des Amtschefs des ... Forschungsamtes betraf, veranlasste der
Inspekteur der Streitkräftebasis
daraufhin
im Rahmen seiner
dienstaufsichtlichen Feststellungen eine Überprüfung der Angaben im Feld
„Bereich/Ebene“.
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Mit dem angefochtenen Schreiben vom 6. August 2008 teilte der Amtschef des
Streitkräfteamtes dem Antragsteller mit, die unter Beteiligung des Erlasshalters
der ZDv
20/6 erfolgte Prüfung habe ergeben, dass die
Beurteilungsbestimmungen nicht zwingend Eintragungen im Beurteilungsfeld
„Bereich/Ebene“ im Abschnitt 5.1 (Verwendungsmöglichkeiten) verlangten. Es
bleibe deshalb dem beurteilenden Vorgesetzten überlassen, ob er ergänzende
Angaben in diesem Feld vornehmen wolle. Angesichts der konkreten und
differenzierten Verwendungsvorschläge in den Feldern 5.2.1 und 5.2.2 sei eine
zusätzliche Eintragung in dem Feld „Bereich/Ebene“ in der Beurteilung vom 8.
August 2007 entbehrlich gewesen.
Gegen diese Mitteilung legte der Antragsteller mit Schreiben vom 4. September
2008 Beschwerde ein, die der Stellvertreter des Generalinspekteurs der
Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis mit Beschwerdebescheid vom
15. September 2008 als unzulässig zurückwies.
Dagegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 6. Oktober 2008 und vom 5.
Dezember 2008 jeweils weitere Beschwerde ein. Diese Rechtsbehelfe hat der
Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - als Antrag auf Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts gewertet und mit seiner Stellungnahme vom 11.
Februar 2009 dem Senat vorgelegt.
Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens trägt der Antragsteller
insbesondere vor:
Die Verwendungsvorschläge seien nach Nr. 616 ZDv 20/6 auf der Grundlage
der Abschnitte 3. und 4. abzugeben. Sie sollten nicht auf den Angaben zu den
Verwendungsmöglichkeiten und den Feststellungen zur Eignung aufbauen.
Konkrete und differenzierte Verwendungsvorschläge in den Feldern 5.2.1 und
5.2.2 in der Beurteilung ersetzten die erforderlichen Angaben im Feld
„Bereich/Ebene“ nicht. Die hier festgestellten Lücken bestünden fort. Diese
Lücken hätten aus seiner Sicht nach Nr. 801 und 802 ZDv 20/6 zu der
Entscheidung führen müssen, ob eine Aufhebung der Beurteilung erforderlich
ist oder ob sich der Mangel durch Berichtigung oder Ergänzung und erneute
Eröffnung der Beurteilung beheben lasse.
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Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hält den Antrag für unzulässig, weil ein Soldat keinen Anspruch darauf habe,
dass seine Beurteilung in Ausübung der Dienstaufsicht durch einen höheren
Vorgesetzten nach Nr. 901 ZDv 20/6 aufgehoben oder berichtigt werde. Die
Unterlassung einer dienstaufsichtlichen Prüfung oder das Ergebnis einer
dienstaufsichtlichen Prüfung in Gestalt eines Bescheides stelle keine
anfechtbare Maßnahme dar. Der Antragsteller müsse sich entgegenhalten
lassen, die rechtzeitige Einlegung einer Beschwerde gegen seine planmäßige
Beurteilung versäumt zu haben. Mit den dienstaufsichtlichen Feststellungen des
Inspekteurs der Streitkräftebasis im Beschwerdebescheid vom 15. September
2008 sei das Verfahren bezüglich der Beurteilung vom 8. August 2007
bestandskräftig abgeschlossen worden.
Verfahren BVerwG 1 WB 75.08
Am 26. März 2008 fertigte der Amtschef des ... Forschungsamtes die
Neufassung der aufgehobenen Stellungnahme an. Im Abschnitt 8.1
(Hauptsächliche Beurteilungsgrundlagen) gab er in der Zeile c keine Beiträge
Dritter an. Im Abschnitt 8.2 (zu den Abschnitten 3. bis 5. sowie gegebenenfalls
7. und beigefügten Beurteilungsbeiträgen) führte er Folgendes aus:
„Mit der Beurteilung einverstanden. Korvettenkapitän R.
hat sich in seinem Aufgabengebiet als Leiter des Bereichs
AIF III im ... voll bewährt und seine besonderen Qualitäten
als Verbindungsoffizier im Rahmen der K...-Mission unter
Beweis gestellt. Korvettenkapitän R... sollte zunächst
weiter als Inspektionschef an der MUS verwendet werden.
Aufgrund seines Interessenschwerpunktes sollte
anschließend eine Verwendung im FGG 2 (auch AMK,
Attachédienst) in Betracht gezogen werden. Der
Empfehlung des Abteilungsleiters für eine weitere
Ausbildung im LGAN kann ich gegenwärtig nicht folgen.“
Im Abschnitt 8.3 gab der Amtschef einen aus dem Beurteilungsabschnitt 3.1
ermittelten Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von 4,78 an.
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Im Abschnitt 8.4 (Aussagen zum Potenzial, Begründung der
Entwicklungsprognose) legte er dar:
„Auch wenn gegenwärtig eine Entwicklungsprognose nur
bis ‚zur allgemeinen Laufbahnperspektive’ abgegeben
werden kann, sehe ich bei Bewährung im derzeitigen
Aufgabengebiet an der MUS durchaus Potenzial für eine
Ent-wicklung ‚oberhalb der allgemeinen
Laufbahnperspektive’“.
Im Abschnitt 8.5 (Entwicklungsprognose) kreuzte der Amtschef das Feld „bis
zur allgemeinen Laufbahnperspektive“ an.
Gegen diese ihm am 31. März 2008 eröffnete Stellungnahme legte der
Antragsteller mit Schreiben vom 6. April 2008 Beschwerde ein. In einem
Schriftsatz vom selben Tag an den Amtschef des Streitkräfteamtes
beanstandete er, dass die ihm erteilte Internationale Beurteilung (International
Evaluation Report) vom 20. Dezember 2006 über seine Leistungen in der
Operation EUFOR RD C..., die er fast neun Monate lang auf einem
höherwertigen Dienstposten in Brüssel erbracht habe, in der Stellungnahme
nicht hinreichend berücksichtigt worden sei. Der Kommandeur der Operation,
Generalleutnant V..., habe ihm gegenüber mehrfach persönlich seine
Wertschätzung bezüglich der geleisteten Arbeit zum Ausdruck gebracht.
Insofern glaube er nicht, dass seine Internationale Beurteilung „übertrieben
wohlwollend“ verfasst worden sei, sondern seinen Einsatz tatsächlich zutreffend
zusammenfasse.
Dieser Einsatz, der sich auf etwa 60 % des
Beurteilungszeitraums erstrecke, komme in der Beurteilung weder quantitativ
noch qualitativ zum Ausdruck.
Die Beschwerde wies der Amtschef des Streitkräfteamtes mit
Beschwerdebescheid vom 20. Mai 2008 zurück. Die dagegen eingelegte
weitere Beschwerde vom 11. Juni 2008 wies der Stellvertreter des
Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis mit
Beschwerdebescheid vom 21. Juli 2008 zurück.
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Gegen diese am 28. Juli 2008 zugestellte Entscheidung richtet sich der Antrag
des Antragstellers auf Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.
August 2008. Diesen Antrag hat der Stellvertreter des Generalinspekteurs der
Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis mit seiner Stellungnahme vom
2. Oktober 2008 dem Senat vorgelegt.
Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens trägt der Antragsteller
insbesondere vor:
Der Beurteilungszeitraum für die Stellungnahme des nächsthöheren
Vorgesetzten sei deutlich von dem Einsatz bei der Operation EUFOR RD C...
geprägt gewesen. Das sei sehr positiv in der Internationalen Beurteilung vom
20. Dezember 2006 bestätigt und gewürdigt worden; seine Leistungen in
diesem Einsatz, die 58 % der effektiven Arbeitszeit im Beurteilungszeitraum
ausgemacht hätten, habe man als hervorragend bewertet. Entgegen den
Grundsätzen für das Erstellen von Beurteilungen nach Nr. 401 bis 409 ZDv 20/6
hätten diese Leistungen in der Stellungnahme nur abwertend am Rande
Erwähnung gefunden, um den Richtwertvorgaben zu entsprechen. Die
Leistungsbewertung hätte vielmehr zu einer seinen Leistungen im Einsatz
gerecht werdenden Stellungnahme führen müssen, die dann eine Abstimmung
hinsichtlich der Überschreitung der Richtwertvorgaben bedingt hätte. Dabei
hätte auch berücksichtigt werden müssen, dass er auf seinem Dienstposten
den Kommandeur der Operation EUFOR RD C... mehrfach eigenverantwortlich
vertreten habe. Der - nach unzureichender Berücksichtigung der Internationalen
Beurteilung ermittelte - Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von 4,78 habe
nicht den Beurteilungsgrundsätzen entsprochen; dies gelte auch für die
Entwicklungsprognose nur „bis zur allgemeinen Laufbahnperspektive“. Mit der
auffällig schlechten und in keinem Verhältnis zu seinen hervorragenden
Leistungen stehenden Bewertung habe man offensichtlich nur versucht, den
neuen Beurteilungsrichtlinien zu entsprechen; diese stünden nicht mit den
Bewertungsgrundsätzen im Einklang und seien rechtswidrig.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerdebescheide des Amtschefs des
Streitkräfteamtes vom 20.
Mai 2008 und des
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Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr
und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 21. Juli 2008
sowie die Stellungnahme des nächsthöheren
Vorgesetzten vom 26. März 2008 zu seiner planmäßigen
Beurteilung vom 8. August 2007 aufzuheben,
hilfsweise
die Stellungnahme unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Senats neu zu erstellen.
Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der
Streitkräftebasis beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die angefochtene Stellungnahme halte die Grenzen des
Beurteilungsspielraums ein, der dem nächsthöheren Vorgesetzten zustehe. Der
Amtschef des ... Forschungsamtes habe die Internationale Beurteilung des
Antragstellers zur Kenntnis genommen und im Abschnitt 8.2 der Stellungnahme
ausdrücklich erwähnt. Der Antragsteller verkenne, dass Internationale
Beurteilungen als Beurteilungsbeiträge nach Nr. 503 ZDv 20/6 lediglich dafür
vorgesehen seien, dem für die Beurteilung zuständigen nationalen
Vorgesetzten zusätzliche Erkenntnisquellen zu erschließen. Die Feststellungen
und Bewertungen in einem derartigen Beurteilungsbeitrag könnten jedoch nicht
„fortschreibend“ in eine Stellungnahme übernommen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der
Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des Bundesministers der
Verteidigung - PSZ I 7 - 25-05-12 1171/08 - und des Inspekteurs der
Streitkräftebasis (FüS RB) - 25-05-11/38.08 und 46.08 - sowie die
Beschwerdeakten des Streitkräfteamtes 02-08 und B 26/08 und die
Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei
der Beratung vorgelegen.
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Die Anträge werden wegen des sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen
Beratung und Entscheidung verbunden (§ 23a Abs. 2 WBO in der Fassung der
Bekanntmachung vom 22. Januar 2009, BGBl I S. 81 i.V.m. § 93 Satz 1
VwGO).
Im früheren Einzelverfahren BVerwG 1 WB 10.09 hat der Antragsteller keinen
konkreten Sachantrag gestellt. Sein Vorbringen ist dahin auszulegen, dass er
beantragt, die Entscheidung des Amtschefs des Streitkräfteamtes vom 6.
August 2008 aufzuheben und den Stellvertreter des Generalinspekteurs der
Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis zu verpflichten, die Ergänzung
der Angaben im Feld „Bereich/Ebene“ im Abschnitt 5.1 der planmäßigen
Beurteilung vom 8. August 2007 anzuordnen, ferner den Beschwerdebescheid
vom 15. September 2008 insoweit aufzuheben, als er dem entgegensteht.
Der
im früheren Einzelverfahren BVerwG 1 WB 75.08 gestellte
Anfechtungsantrag gegen die Stellungnahme des Amtschefs des ...
Forschungsamtes hat Erfolg. Im Übrigen ist der Antrag auf gerichtliche
Entscheidung unzulässig und zu verwerfen.
Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Anträge sachlich zuständig.
Im früheren Einzelverfahren BVerwG 1 WB 10.09 hat der Bundesminister der
Verteidigung - PSZ I 7 - als zuständige Stelle (§ 16 Abs. 3 WBO) auf die weitere
Beschwerde des Antragstellers vom 6. Oktober 2008 gegen den
Beschwerdebescheid des Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 15. September
2008 keinen Beschwerdebescheid erlassen, obwohl die weitere Beschwerde
am 6. Oktober 2008 bei ihm eingelegt worden war. Deshalb ist das
Bundesverwaltungsgericht für den als (Untätigkeits-)Antrag auf gerichtliche
Entscheidung zu wertenden Rechtsbehelf vom 5. Dezember 2008 gemäß § 21
Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO sachlich zuständig.
Im früheren Einzelverfahren BVerwG 1 WB 75.08 ergibt sich die sachliche
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts aus § 22 i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz
1 WBO.
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1. Der Antrag im früheren Einzelverfahren BVerwG 1 WB 10.09 ist unzulässig.
Mit seiner Rüge, der beurteilende Vorgesetzte habe in der Beurteilung vom 8.
August 2007 im Abschnitt 5.1 (Verwendungsmöglichkeiten) das Feld
„Bereich/Ebene“ zu Unrecht unausgefüllt gelassen, sodass eine Berichtigung
und Ergänzung stattzufinden habe, begehrt der Antragsteller eine Maßnahme
im Wege der Dienstaufsicht. Dieses Rechtsschutzbegehren betont er auch
ausdrücklich in seinen Beschwerden vom 11. Juni 2008 und vom 4. September
2008 und beruft sich insoweit auf die Korrekturmöglichkeiten nach Nr. 802 und
(sinngemäß) nach Nr. 901 ZDv 20/6.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erfolgt die Dienstaufsicht jedoch
allein im öffentlichen Interesse. Das Ergebnis oder die Durchführung einer
dienstaufsichtlichen Prüfung - wie sie hier im angefochtenen Schreiben des
Amtschefs des Streitkräfteamtes vom 6. August 2008 mitgeteilt wurde - ist
grundsätzlich der wehrdienstgerichtlichen Nachprüfung entzogen. Die
Dienstaufsicht obliegt dem zuständigen Vorgesetzten nicht gegenüber den
Untergebenen und dient damit nicht der Wahrung der individuellen Rechte
eines Soldaten im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (Beschlüsse vom 9.
August 2007 - BVerwG 1 WB 51.06 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 62 =
NZWehrr 2007, 252, vom 29. Januar 2008 - BVerwG 1 WB 4.07 -
nicht veröffentlicht in Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 69>, vom 28. Mai 2008 -
BVerwG 1 WB 50.07 - PersV 2008, 428 und vom 28. April 2009 - BVerwG 1
WB 78.08 -). Der einzelne Soldat hat deshalb keinen Anspruch darauf, dass
bestimmte Maßnahmen der Dienstaufsicht getroffen werden oder
dienstaufsichtliche Prüfungen intensiviert oder korrigiert werden (Beschluss
vom 28. April 2009 - BVerwG 1 WB 78.08 -).
2. Der Antrag im früheren Einzelverfahren BVerwG 1 WB 75.08 ist zulässig.
Die Stellungnahme eines höheren Vorgesetzten zu einer Beurteilung stellt nach
ständiger Rechtsprechung des Senats eine selbstständig anfechtbare
Maßnahme im Sinne des § 17 WBO dar (Beschlüsse vom 3. Juli 2001 -
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BVerwG 1 WB 17.01 - Buchholz 236.11 § 1a SLV Nr. 16 und vom 20.
September 2006 - BVerwG 1 WB 12.06 - m.w.N.).
Der Antrag ist auch begründet.
Die Stellungnahme des Amtschefs des ... Forschungsamtes vom 26. März 2008
ist rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten. Sie ist deshalb
aufzuheben (§ 19 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO). Das gilt auch
für die Beschwerdebescheide des Amtschefs des Streitkräfteamtes vom 20. Mai
2008 und des Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 21. Juli 2008, soweit sie die
Rechtmäßigkeit der Stellungnahme bestätigen.
Dienstliche Beurteilungen und Stellungnahmen sind in der Sache gerichtlich nur
beschränkt nachprüfbar. Die Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich - mit Rücksicht
auf den Beurteilungsspielraum des beurteilenden Vorgesetzten - darauf zu
beschränken, ob dieser Vorgesetzte den anzuwendenden Begriff der
Beurteilung nach § 2 Abs. 1 SLV (i.V.m. § 3 Abs. 1 SG) oder den gesetzlichen
Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, von einem unrichtigen
Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet,
sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften
verstoßen hat. Wenn das Bundesministerium der Verteidigung auf der
Grundlage des § 2 Abs. 2 Satz 1 SLV Richtlinien für die Erstellung dienstlicher
Beurteilungen erlassen hat, an der sich die Beurteilungspraxis im Hinblick auf
das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) ständig orientiert (zur
Maßgeblichkeit der tatsächlichen Verwaltungspraxis vgl. Beschluss vom 28. Mai
2008 - BVerwG 1 WB 19.07 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 44), kann das Gericht
ferner prüfen, ob diese Richtlinien eingehalten worden sind und mit den
normativen Regelungen, speziell mit denen der Soldatenlaufbahnverordnung
über die dienstliche Beurteilung, und mit sonstigem höherrangigem Recht im
Einklang stehen (stRspr, Beschlüsse vom 16. September 2004 - BVerwG 1 WB
21.04 - Buchholz 236.110 § 2 SLV 2002 Nr. 5 und vom 11. März 2008 -
BVerwG 1 WB 41.07 -
2002 Nr. 10>).
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Für das Rechtsschutzbegehren ist - auf der Basis der Ermächtigungsgrundlage
in § 2 Abs. 2 SLV - die ZDv 20/6 in der Fassung vom 17. Januar 2007 zugrunde
zu legen.
Die angefochtene Stellungnahme ist zwar formell rechtmäßig, soweit sie (noch)
durch den Amtschef des ... Forschungsamtes und nicht durch den zuständigen
Vorgesetzten in der Marineunteroffizierschule in Plön gefertigt worden ist.
Die Beurteilung vom 8. August 2007 ist ausdrücklich als vorgezogene
planmäßige Beurteilung nach Nr. 203 Buchst. d ZDv 20/6 zum 30. September
2007 bezeichnet worden. Die materiellrechtlichen Voraussetzungen des 1.
Spiegelstrichs dieser Vorschrift für ein Vorziehen der planmäßigen Beurteilung
ohne Beteiligung der personalbearbeitenden Stelle lagen vor. Der Antragsteller
war zum 1. April 2007 mit Dienstantritt am 16. April 2007, also weniger als
sechs Monate vor dem verpflichtenden Vorlagetermin, zur
Marineunteroffizierschule versetzt worden. Für den Begriff der Versetzung in Nr.
203 Buchst. d 1. Spiegelstrich ZDv 20/6 ist der Termin des Dienstantritts
maßgeblich (dazu im Einzelnen: Beschluss vom 27. Mai 2009 - BVerwG 1 WB
47.08 -). Damit blieb die Zuständigkeit seiner bisherigen Vorgesetzten im ...
Forschungsamt für die Erstellung der Beurteilung und der Stellungnahme
erhalten (vgl. Nr. 301 Buchst. a und c ZDv 20/6, Nr. 203 Buchst. d letzter Satz
ZDv 20/6).
Diese Beurteilungszuständigkeit hat sich nicht durch den Umstand verändert,
dass die der Beurteilung hier unterblieben ist und die
Beurteilung erst am 8. August 2007 gefertigt wurde. Für den Fall, dass die
vorgezogene Beurteilungserstellung versäumt wurde, ordnet Nr. 203 Buchst. f
ZDv 20/6 die Fortgeltung der bisherigen Beurteilungszuständigkeit an. Diese
Vorschrift wird (nach Auskunft des Stellvertreters des Generalinspekteurs der
Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 12. Mai 2009 im
Verfahren BVerwG 1 WB 47.08) in ständiger Verwaltungspraxis nicht nur auf
den (im Wortlaut geregelten) Fall der Versetzung des beurteilungspflichtigen
Vorgesetzten, sondern in gleicher Weise auf den Fall der Versetzung des zu
beurteilenden Soldaten angewandt. Im Beurteilungsverfahren des
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Antragstellers hat man diese ständige Verwaltungspraxis ebenfalls eingehalten.
Sie korrespondiert im Übrigen inhaltlich mit der Vorschrift in Nr. 301 Buchst. c
ZDv 20/6, die ausdrücklich die Beurteilungszuständigkeit des bisherigen
Vorgesetzten auch dann aufrecht erhält, wenn die Beurteilung nach Nr. 203
Buchst. d bis Buchst. g ZDv 20/6 „vorzuziehen gewesen wäre“. Mit dieser
erweiterten Formulierung erfasst der Geltungsbereich der Nr. 301 Buchst. c
ZDv 20/6 den Fall der Versäumung der vorgezogenen Beurteilungserstellung
und bestimmt zugleich mit der inkorporierten Regelung in Nr. 203 Buchst. d
letzter Satz ZDv 20/6, dass bei dieser Sachlage auch die Zuständigkeit der
bisherigen Vorgesetzten für die Stellungnahme weiterbesteht.
Ohne Erfolg beanstandet der Antragsteller, dass sich der Inhalt der
Internationalen Beurteilung vom 20. Dezember 2006 nicht unmittelbar in den
Wertungen der Stellungnahme vom 26. März 2008 wiederfinde, sodass
entgegen Nr. 401 ZDv 20/6 kein abgerundetes und umfassendes Bild seiner
Eignung und Leistung gezeichnet werde. Im Beschluss vom 11. März 2008
(BVerwG 1 WB 41.07 - Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr.10), den der
Inspekteur der Streitkräftebasis in der Vorlage an den Senat vom 2. Oktober
2008 in das Verfahren eingeführt hat, hat der Senat entschieden, dass
Internationale Beurteilungen (International
Evaluation Reports) keine
Beurteilungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SLV darstellen. Sie stehen
vielmehr nach Nr. 504 ZDv 20/6 den Beurteilungs gleich. Damit sind
sie ebenso wie nationale Beurteilungsbeiträge nach Nr. 503 ZDv 20/6 (lediglich)
dafür vorgesehen, dem für die Beurteilung zuständigen nationalen Vorgesetzten
zusätzliche Erkenntnisquellen zu erschließen und ihm dadurch eine
umfassende und treffende eigene Beurteilung zu erleichtern. Entgegen der
Auffassung des Antragstellers gibt es für den nationalen Vorgesetzten keine
Pflicht, die in einer Internationalen Beurteilung enthaltenen Werturteile
„fortschreibend“ in seine Beurteilung zu übernehmen (Beschluss vom 11. März
2008 a.a.O.).
Der Amtschef des ... Forschungsamtes hat zwar im Abschnitt 8.1 darauf
verzichtet, die Internationale Beurteilung als Beitrag Dritter zu erwähnen; er ist
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jedoch ausdrücklich im freien Text in Abschnitt 8.2 auf sie eingegangen. Damit
hat er diesen Sachverhalt im Ergebnis vollständig erfasst.
Die Stellungnahme vom 26. März 2008 ist aber rechtswidrig und verletzt den
Antragsteller in seinen Rechten, weil sie tragend auf der Anwendung eines
Richtwertesystems beruht, für das eine - durch den Grundsatz des Vorbehalts
des Gesetzes gebotene - normative Grundlage fehlt. Die durch die
Beurteilungsbestimmungen der ZDv 20/6 in der Fassung vom 17. Januar 2007
eingeführten Richtwertvorgaben und die ihrer Umsetzung dienenden
Verfahrensregelungen (insbesondere über Abstimmungsgespräche) haben eine
so weitreichende Umgestaltung des bisher bestehenden Beurteilungssystems
zur Folge, dass sie wegen des Vorbehalts des Gesetzes und der
Wesentlichkeitstheorie einer normativen Grundlage bedurften und nicht allein
auf der Grundlage von Verwaltungsvorschriften eingeführt werden konnten (vgl.
im Einzelnen Beschluss vom 26. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 48.07 -
Veröffentlichung in BVerwGE und Buchholz vorgesehen>).
Im hier vorliegenden Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der
nächsthöhere Vorgesetzte nach Nr. 906 Buchst. a ZDv 20/6 die Pflicht hat, im
Rahmen seiner Stellungnahme in freier Beschreibung auf die Wertungen und
Aussagen zur Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten des zu beurteilenden
Soldaten im Leistungsvergleich
(Nr. 610) einzugehen. Dies soll nach der für die Verwaltungspraxis
maßgeblichen Anlage 1/6 (Vordruck A) zur ZDv 20/6 im Abschnitt 8.2 der
Beurteilung geschehen. In diesem Abschnitt ist der Stellung nehmende
Vorgesetzte verpflichtet, in eigener Einschätzung eine (Neu-)Bewertung
insbesondere der Einzelmerkmale nach Abschnitt 3.1 vorzunehmen und
insoweit eigenständig, aber mit Beachtung der Richtwertvorgaben eine Aussage
(unter anderem) über die Aufgabenerfüllung des Beurteilten auf seinem
Dienstposten zu treffen. Nimmt er Änderungen in den Aussagen und
Wertungen des Erstbeurteilers zur Aufgabenerfüllung vor, kann er dies mit
eigenen abweichenden Einschätzungen des Beurteilten, aber - nach dem Willen
des Erlassgebers - im Wesentlichen mit dem Hinweis auf die Einhaltung
der Richtwertvorgaben begründen (Nr. 906 Buchst. c ZDv 20/6).
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Er ist dabei an die Feststellung des Durchschnittswerts des Erstbeurteilers
in Abschnitt 3.2 gebunden. Denn die insoweit die Verwaltungspraxis lenkende
Anlage 1/6 (Vordruck A) zur ZDv 20/6 bezieht sich im Abschnitt 8.3
ausdrücklich nicht auf den Durchschnittswert nach Abschnitt 3.2, den der - nach
Nr. 610 Buchst. c Satz 1 ZDv 20/6 ebenfalls an die Richtwertvorgaben
gebundene - Erstbeurteiler ermittelt, sondern eröffnet dem Stellung nehmenden
Vorgesetzten eine Festlegung des Durchschnittswerts nach Maßgabe
der Einzelmerkmale in Abschnitt 3.1. Das ist auch Nr. 907 ZDv 20/6 zu
entnehmen. Der Erlassgeber betont damit besonders das eigene Werturteil des
Stellung nehmenden Vorgesetzten; er reduziert dessen Äußerung an dieser
Stelle bewusst nicht auf eine schlichte Übernahme des vom Erstbeurteiler
ermittelten Durchschnittswerts. Auf seiner Ebene hat der Stellung nehmende
Vorgesetzte jedoch - wie dargelegt - gleichermaßen die Richtwertvorgaben zu
berücksichtigen. Ergänzt wird diese Anordnung durch Nr. 610 Buchst. c und Nr.
902 ZDv 20/6, wonach die Stellung nehmenden Vorgesetzten grundsätzlich für
die Einhaltung der Richtwertvorgaben in den Vergleichsgruppen im Sinne einer
Gewährleistung verantwortlich sind. Die getroffenen Aussagen und Wertungen
wirken dann nach Nr. 910 Buchst. a und Nr. 102 Buchst. c ZDv 20/6 als
„Grundlage“ in die abschließende Beschreibung des Potenzials des Beurteilten
und in die Entwicklungsprognose hinein, entfalten insoweit allerdings keine
Bindungswirkung für den Stellung nehmenden Vorgesetzten.
Der Senat geht davon aus, dass diese Bestimmungen über die Stellungnahme
des nächsthöheren Vorgesetzten in der Praxis auch so angewandt werden.
Eine abweichende oder sogar entgegenstehende ständige Verwaltungspraxis
haben weder der Antragsteller noch der Inspekteur der Streitkräftebasis geltend
gemacht.
Die Bestandskraft der Beurteilung vom 8. August 2007 hinsichtlich der
Feststellung des Durchschnittswerts durch den Erstbeurteiler in Abschnitt 3.2
steht deshalb einer inhaltlichen Überprüfung der Aussagen des Stellung
nehmenden Vorgesetzten insbesondere in den Abschnitten 8.2 und 8.3 nicht
entgegen.
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Der Stellung nehmende Vorgesetzte hat sich mit seiner einleitenden
Formulierung „Mit der Beurteilung einverstanden“ und mit dem Verzicht auf
Änderungen von Einzelwertungen im Abschnitt 3.1 der Beurteilung in der Sache
die Aussagen des Erstbeurteilers insbesondere zur Aufgabenerfüllung auf dem
Dienstposten zu eigen gemacht. Zu dieser Bewertung und zu den weiteren
(prognostischen) Einschätzungen des nächsthöheren Vorgesetzten hat der
Antragsteller aber dezidiert vorgetragen, sie beruhten - zu seinen Lasten
abwertend - auf der Orientierung an den Richtwertvorgaben der neuen, aus
seiner Sicht rechtswidrigen Beurteilungsvorschriften. Diesem Vorbringen ist der
Inspekteur der Streitkräftebasis mit keinem Wort entgegengetreten. Er hat
stattdessen in seinem Beschwerdebescheid vom 21. Juli 2008 und in seiner
Vorlage an den Senat - ohne Kommentar oder Einschränkung - die Aussage in
dem vorangegangenen Beschwerdebescheid des Amtschefs des
Streitkräfteamtes zitiert, die Selbsteinschätzung des Antragstellers habe „nichts
mit der Position unter den Offizieren der Vergleichsgruppe im
Leistungsvergleich in einer Dienststelle oder in einem Kommandobereich zu
tun, die dann in einem bestimmten Durchschnittswert ihren Niederschlag finden
muss“.
Damit hat er erkennbar die Bildung eines bestimmten
Durchschnittswerts in der Vergleichsgruppe unter Einhaltung der
Richtwertvorgaben auch für den Fall des Antragstellers gebilligt.
Es bedurfte daher keiner weiteren Aufklärung, in welchem Umfang hier der
Stellung nehmende Vorgesetzte den Inhalt seiner Aussagen und Wertungen in
den Abschnitten 8.2 und 8.3 in den Abstimmungsgesprächen tatsächlich an die
Richtwertvorgaben angepasst hat. Seine Stellungnahme beruht schon deshalb
auf dem - mit zwingenden Abstimmungsgesprächen verknüpften -
Richtwertesystem, weil sich nicht ausschließen lässt, dass er ohne die
Verpflichtung zur Einhaltung der Richtwertkorridore und Richtwertintervalle und
ohne die verpflichtende Bindung an den Abstimmungsprozess die Leistungen
des Antragstellers insgesamt anders als geschehen bewertet hätte. Diese
Annahme ist umso gerechtfertigter, als der Bewährung eines zu beurteilenden
Soldaten in besonderen Auslandsverwendungen oder vergleichbaren Einsätzen
eine besondere Bedeutung zukommt (Nr. 405 Satz 1 ZDv 20/6).
Überdies ist die Verwendung des Antragstellers beim EU-... im Verhältnis zum
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gesamten Beurteilungszeitraum durch ihre besondere Länge (256 Tage) sowie
dadurch gekennzeichnet, dass sie nach dem unbestrittenen Vortrag des
Antragstellers für einen Historiker-Stabsoffizier des ... Forschungsamtes
außergewöhnlich ist. Diese Umstände haben gravierende Bedeutung für die
Umsetzung der Beurteilungsgrundsätze in Nr. 401 Satz 1 und 2 und Nr. 402
ZDv 20/6.
Die Stellungnahme ist danach insgesamt (Nr. 903 Buchst. b Satz 2 ZDv 20/6)
aufzuheben, weil sie aufgrund von Bestimmungen der ZDv 20/6 zustande
gekommen ist, die mit höherrangigem Recht nicht im Einklang stehen. Der
personalbearbeitenden Stelle bleibt die Prüfung unbenommen, ob sie zusätzlich
auch die der Stellungnahme zugrundeliegende bestandskräftige Beurteilung
vom 8. August 2007 im Wege der Dienstaufsicht aufhebt.
Die Pflicht zur Neufassung der Stellungnahme folgt aus Nr. 1202 Buchst. a Satz
2 ZDv 20/6.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20
Abs. 1 Satz 1 WBO.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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