Urteil des BVerwG vom 23.02.2010

Befehl, Rüge, Amtsführung, Soldat

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 70.09
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberstarzt ...,
..., ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Generalmajor May und
die ehrenamtliche Richterin Major Meiners
am 23. Februar 2010 beschlossen:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung des Inspekteurs ... ... der
Bundeswehr, im Rahmen der Umsetzung einer Entscheidung des
Truppendienstgerichts ... das Verhalten und die Amtsführung des Oberstarztes
Prof. Dr. Dr. G..., des Admiralarztes Dr. K... und des Generaloberstabsarztes
Dr. B... im Wege der Dienstaufsicht zu würdigen.
Der 1948 geborene Antragsteller ist Berufssoldat, dessen Dienstzeit mit Ablauf
des 28. Februar 2010 enden wird. Er wurde mit Wirkung vom 1. April 1994 zum
Oberstarzt ernannt. Seit dem 1. Januar 2002 wird er auf dem Dienstposten des
Leiters des ...zentrums K...-W... in K... verwendet.
Die ... Kammer des Truppendienstgerichts ... gab mit Beschluss vom 1. Juli
2009 - Az.: ... - einem Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung
statt und hob den Beschwerdebescheid des Befehlshabers ...kommando vom
31. März 2009 auf. Der Entscheidung lag im Wesentlichen folgender
Sachverhalt zugrunde:
„Am 13. Oktober 2008 führte der Disziplinarvorgesetzte
des Antragstellers, der Kommandeur ... ... beim
...kommando
...
(Prof.
Dr.
Dr. G...) eine
Dienstaufsichtsreise zum ...zentrum K...-W... durch. Zum
Abschluss des Dienstaufsichtsbesuches fand am Abend
des 13. Oktober 2008 in der Offizierheimgesellschaft W...
ein Abendessen statt, an dem der Antragsteller nicht
teilnahm. Am 16. Oktober 2008 befand sich der
Antragsteller dienstlich bei seinem
Disziplinarvorgesetzten. Bei dieser Gelegenheit
beanstandete der Kommandeur ... ... gegenüber dem
Antragsteller, dass an dem Abendessen am 13. Oktober
2008 nur wenige Soldaten seiner Dienststelle
teilgenommen hätten. Der Antragsteller erwiderte hierauf,
dass die Teilnahme freiwillig gewesen sei und er sicher
sei, dass dies durch den Kommandeur ... ... so selbst
angeordnet worden sei. Nach Rückkehr zum ...zentrum
K...-W... und Prüfung der Sachlage teilte der Antragsteller
seinem Disziplinarvorgesetzten mit Lotus Notes vom 16.
Oktober 2008 Folgendes mit:
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‚Bezug: Unser heutiges Gespräch
Sehr geehrter Herr Oberstarzt,
nach Prüfung Ihrer eigenen Dateien (siehe unten) halte
ich es für sehr befremdlich, mir vorzuwerfen, was Sie
selbst festgelegt haben (freiwillige Teilnahme am
Abendessen).
Mit Verlaub: Ich halte Ihr Verhalten für unangemessen.
Es ist für mich unverständlich, dass Sie nicht einmal vor
diesem unerfreulichen Gespräch Ihre Vorwürfe
überprüfen.’
Auf diese Mitteilung erwiderte der Disziplinarvorgesetzte
des Antragstellers mit Schreiben vom 21. Oktober 2008,
dass sich das Wort ‚freiwillig’ im Befehl und Ablaufplan
zum Dienstaufsichtsbesuch selbstverständlich nur auf
Zivilangestellte bezogen habe. Im Übrigen beanstandete
er die nach seiner Meinung unangemessene Wortwahl im
LoNo-Verkehr.
Mit Schreiben vom 29. Oktober 2008 an seinen
Disziplinarvorgesetzten hat der Antragsteller nochmals auf
die seines Erachtens eindeutige Befehlslage hingewiesen.
Darüber hinaus hat er geltend gemacht, dass nach der
Vorschriftenlage eine Verpflichtung zur kostenpflichtigen
Teilnahme an derartigen Abendveranstaltungen nicht
zulässig sei. Nachdem dieses Schreiben unbeantwortet
blieb, wandte sich der Antragsteller mit Schreiben vom 22.
Januar 2009 erneut an seinen Disziplinarvorgesetzten und
wies ihn darauf hin, dass er auf sein Schreiben vom 29.
Oktober 2008 noch eine Antwort erwarte. In der Folge
erhielt der Antragsteller am 26. Januar 2009 auf
Veranlassung seines Disziplinarvorgesetzten eine LoNo
des Oberstabsfeldwebel H..., Stabsbüro ...kommando ...,
folgenden Inhalts:
‚Sehr geehrter Herr Oberstarzt,
in der Beantwortung Ihrer LoNo vom 22.01.09 darf ich
Ihnen Folgendes mitteilen:
Für den Kdr ... ist der Vorgang abgeschlossen und er
bittet Sie, diesbezüglich jeden weiteren Schriftverkehr
einzustellen.
Im Auftrag
H..., OStFw’
Mit Schreiben vom 4. Februar 2009 hat der Antragsteller
eine Beschwerde gegen seinen Disziplinarvorgesetzten
eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen
ausgeführt, dass es ihn beschwere, dass der
Kommandeur ... ..., ohne in der Sache zu einer Bewertung
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zu kommen und ohne ihn zu rehabilitieren, in einer seiner
Bewertung nach fragwürdigen Art einen subalternen
Soldaten auf eine Erinnerung nach ca. drei Monaten
‚Untätigkeit’ per LoNo antworten lasse.“
Die anschließend vom Antragsteller mit Schreiben vom 6. März 2009 erhobene
Untätigkeitsbeschwerde hat der Befehlshaber des ...kommandos mit
Beschwerdebescheid vom 31. März 2009 als unzulässig zurückgewiesen.
Zur Begründung ihrer Entscheidung, diesen Beschwerdebescheid aufzuheben,
hat die ... Kammer des Truppendienstgerichts ... u.a. ausgeführt, der
Kommandeur ... ... habe dem Antragsteller am 16. Oktober 2008 eine
mündliche Rüge erteilt, die nach dem Erlass ZDV 14/3 Teil B 151 eine
Erzieherische Maßnahme darstelle; gegen diese Erzieherische Maßnahme
habe der Antragsteller zu Recht Gegenvorstellung erhoben. Der Befehlshaber
...kommando habe diesbezüglich im dienstaufsichtlichen Teil seines
Beschwerdebescheids vom 31. März 2009 zu Recht und mit zutreffender
Begründung ausgeführt, dass der Antragsteller nach der geltenden Befehlslage
nicht zur Teilnahme an dem Abendessen verpflichtet gewesen sei. Aus Sicht
der Kammer sei anzumerken, dass nach geltendem Befehlsrecht ein Befehl zur
Teilnahme an einem kostenpflichtigen Abendessen rechtswidrig und
unverbindlich sei. Durch die Beauftragung des Oberstabsfeldwebel H..., die
LoNo vom 26. Januar 2009 an den Antragsteller zu senden, habe der
Kommandeur ... ... gegen elementare Grundsätze der Handhabung der
Disziplinargewalt verstoßen und damit Rechte des Antragstellers verletzt.
Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung des Truppendienstgerichts ...
beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 13. Juli 2009 an den Inspekteur
... ... der Bundeswehr dessen Einschreiten im Wege der Dienstaufsicht. Zur
Begründung führte er aus, für ihn sei weiterhin offen, ob die vom Kommandeur
... ... am 16. Oktober 2008 erteilte Rüge infolge seiner Gegendarstellung
gegenstandslos geworden sei oder ob sie, wofür nach der Stellungnahme von
Prof. Dr. Dr. G... vom 27. März 2009 einiges spreche, noch aufrechterhalten
werde. Nach geltendem Befehlsrecht sei ein Befehl zur Teilnahme an einem
kostenpflichtigen Abendessen rechtswidrig und unverbindlich. Oberstarzt Prof.
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Dr. Dr. G... habe diesen Befehl erteilt und auf ihm bestanden. Dieser Vorgang
sei im Wege der Dienstaufsicht zu würdigen. Prof. Dr. Dr. G... habe durch die
Beauftragung des Oberstabsfeldwebel H..., die LoNo vom 26. Januar 2009 an
ihn, den Antragsteller, zu senden, gegen elementare Grundsätze der
Handhabung der Disziplinargewalt und gegen seine Pflichten als
Disziplinarvorgesetzter verstoßen. Im Übrigen seien die Ausführungen im
Beschwerdebescheid des Befehlshabers des ...kommandos in mehreren
Punkten rechtsirrig und falsch.
Mit weiterem Schreiben vom 15. Juli 2009 an den Inspekteur ... ... ergänzte der
Antragsteller seinen Antrag auf Einschreiten im Wege der Dienstaufsicht im
Hinblick auf den von Generaloberstabsarzt Dr. B...
erlassenen
Beschwerdebescheid vom 31. März 2009. Dieser habe die weitere Beschwerde
zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen. Er habe den Gegenstand der
Beschwerde verkannt. Generaloberstabsarzt Dr. B... habe mit seinem Bescheid
derart daneben gelegen, dass er, der Antragsteller, sich des Verdachts nicht
erwehren könne, dass Dr. B... hier seine Pflichten als Offizier nicht erfüllt habe.
Er müsse in dieser Angelegenheit Vorsatz annehmen. Dabei gehe es nicht um
Meinungsverschiedenheiten, sondern um ein irriges Verständnis elementarer
Grundsätze der Handhabung der Disziplinargewalt. Prof. Dr. Dr. G... lasse
hinsichtlich seiner Erwartung bezüglich einer Teilnahme an einem Abendessen
ein eklatantes Fehlverständnis als Disziplinarvorgesetzter sichtbar werden; er
habe gegen die Wehrdisziplinarordnung verstoßen. Auch dieser Vorgang sei im
Wege der Dienstaufsicht zu würdigen.
Der Kommandeur des ...kommandos ... (Admiralarzt Dr. K...) teilte dem
Antragsteller mit Bescheid vom 3. August 2009 mit, seine Ermittlungen hätten
ergeben, dass es nach dem Ablaufplan für den Dienstaufsichtsbesuch des
Kommandeurs ... ... und dem dazu vom Antragsteller erlassenen Befehl allen
darin genannten Personengruppen freigestellt gewesen sei, am gemeinsamen
Essen am Abend des 13. Oktober 2008 teilzunehmen oder fernzubleiben. Ein
rechtswidriger Befehl habe deshalb nicht vorgelegen. Die Einnahme der
kostenpflichtigen Abendverpflegung sei den Teilnehmern selbstverständlich
freizustellen gewesen. Oberstarzt Prof. Dr. Dr. G... habe dem Antragsteller
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gegenüber in einem Vier-Augen-Gespräch am 16. Oktober 2008 seine
persönliche Enttäuschung über dessen Nichtteilnahme an der
Abendveranstaltung zum Ausdruck gebracht. Dabei habe er das Fernbleiben
als Stillosigkeit unter Kameraden empfunden. Eine Rüge im Sinne einer
Erzieherischen Maßnahme habe er jedoch nicht erteilt, auch wenn der
Antragsteller dies möglicherweise so empfunden habe.
Der Kommandeur des ...kommandos ... stellte gemäß § 36 Abs. 1 WDO fest,
dass der Antragsteller durch seine Nichtteilnahme an der in Rede stehenden
Abendveranstaltung kein Dienstvergehen begangen habe. Er erklärte weiter, es
sei deshalb unbillig gewesen, dem Antragsteller hierfür eine Rüge im Sinne
einer Erzieherischen Maßnahme zu erteilen. Er stellte fest, dass diese
Erzieherische Maßnahme nicht hätte ergehen dürfen, sofern der Antragsteller
die Ansprache seines Disziplinarvorgesetzten am 16. Oktober 2008 als Rüge im
Sinne einer Erzieherischen Maßnahme empfunden habe. Abschließend führte
er aus, dass Oberstarzt Prof. Dr. Dr. G... nicht gegen seine Pflichten als
Vorgesetzter verstoßen habe, als er Oberstabsfeldwebel H... mit der
Übersendung der strittigen Lotus Notes vom 26. Januar 2009 beauftragte.
Außerdem teilte der Kommandeur dem Antragsteller mit, er habe gleichwohl
Oberstarzt Prof. Dr. Dr. G... angewiesen, in ähnlich gelagerten Fällen zukünftig
deutlicher den Charakter seiner Aussagen herauszustellen.
Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller mit Telefax vom 14. August
2009 und ergänzendem Schreiben vom 17. August 2009 Beschwerde ein und
bat erneut, im Wege der Dienstaufsicht das Verhalten des Oberstarztes Prof.
Dr. Dr. G... zu würdigen. Auch Admiralarzt Dr. K... habe in dem angefochtenen
Bescheid seine Pflichten verletzt, sodass eine Überprüfung seiner Amtsführung
erforderlich sei.
Die Beschwerde wies der Befehlshaber des ...kommandos mit
Beschwerdebescheid vom 5. Oktober 2009 zurück.
Dagegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 13. Oktober 2009 weitere
Beschwerde ein und beantragte mit Schreiben vom 17. November 2009 die
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Diesen Antrag hat der
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Inspekteur ... ... mit seiner Stellungnahme vom 2. Dezember 2009 dem Senat
vorgelegt.
Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens trägt der Antragsteller
ergänzend insbesondere vor:
Offensichtlich seien der Kommandeur des ...kommandos ..., Admiralarzt Dr.
K..., und der Befehlshaber des ...kommandos, Generaloberstabsarzt Dr. B...,
nicht gewillt, den Beschluss des Truppendienstgerichts ... vom 1. Juli 2009
umzusetzen. In dem Bescheid vom 3. August 2009 sei Admiralarzt Dr. K... zu
stark abweichenden Bewertungen gekommen. Der Inspekteur ... ... habe sich
nicht veranlasst gesehen, dienstaufsichtlich einzuschreiten. Es scheine ein
unguter Geist über den Entscheidungen der betreffenden Dienststellen zu
schweben. Das Truppendienstgericht ... habe festgestellt, dass er, der
Antragsteller, durch ein Dienstvergehen verletzt sei. An diese Feststellung eines
Dienstvergehens sei der Disziplinarvorgesetzte gebunden. Das habe Dr. B... in
seinem Bescheid verkannt. Nach der Beschlussfassung des
Truppendienstgerichts habe nach Maßgabe der Wehrdisziplinarordnung
verfahren werden müssen, denn es sei nicht nur um die Aufhebung des
Bescheids des Generaloberstabsarztes Dr. B... gegangen, sondern auch um
die Verfolgung dienstlicher Verfehlungen. Die Tatsache, dass Oberstarzt Prof.
Dr. Dr. G... einen subalternen Soldaten mit einer Antwort an ihn beauftragt
habe, stelle ein Dienstvergehen dar. Der Umstand, dass Prof. Dr. Dr. G... einen
rechtswidrigen und unverbindlichen Befehl erteilt habe, sei bisher durch die
zuständigen Vorgesetzten nicht gewürdigt worden.
Der Inspekteur ... ... der Bundeswehr beantragt sinngemäß,
den Antrag zurückzuweisen.
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Er ist der Auffassung, dass der Befehlshaber des ...kommandos die
Erstbeschwerde zu Recht als unzulässig zurückgewiesen habe. Die
Ausführungen des Antragstellers ließen keinen unmittelbaren Eingriff in seine
geschützte Individualsphäre erkennen, der einer materiellen Prüfung im
förmlichen Wehrbeschwerdeverfahren zugänglich wäre. Der Antragsteller
verkenne, dass die Wehrbeschwerdeordnung nicht das Instrumentarium biete,
eine funktional als misslich empfundene Amtsführung von Vorgesetzten
allgemein und losgelöst von einer Beschwer zu korrigieren und damit die eigene
Vorstellung von notwendigen Maßnahmen gegen die zuständigen
Entscheidungsträger durchzusetzen. Im Übrigen habe er, der Inspekteur, den
Vorgang im Wege der Dienstaufsicht mit Schreiben an den Antragsteller vom 4.
September 2009 abgeschlossen.
Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der
Beteiligten sowie der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des
Inspekteurs ... ... der Bundeswehr - ... -, die Gerichtsakte des
Truppendienstgerichts ... - ... - und die Personalgrundakte des Antragstellers
haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Der Antragsteller hat keinen förmlichen Sachantrag gestellt. Sein
Rechtsschutzbegehren ist dahin auszulegen, dass er beantragt, den Bescheid
des Kommandeurs des ...kommandos ... vom 3. August 2009 und den
Beschwerdebescheid des Befehlshabers des ...kommandos vom 5. Oktober
2009 aufzuheben und den Inspekteur ... ... der Bundeswehr zu verpflichten, den
Beschluss der ... Kammer des Truppendienstgerichts ... vom 1. Juli 2009 - ... -
umzusetzen und das Verhalten bzw. die Amtsführung des Oberstarztes Prof.
Dr. Dr. G..., des Admiralarztes Dr. K... und des Generaloberstabsarztes Dr. B...
im Zusammenhang mit ihrer rechtlichen Würdigung der mündlichen Rüge vom
16. Oktober 2008, des Befehls zur Teilnahme an einem kostenpflichtigen
Abendessen, der Beauftragung des Oberstabsfeldwebels H... mit der LoNo vom
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26. Januar 2009 und mit den Rechtsausführungen in den ergangenen
Beschwerdebescheiden im Wege der Dienstaufsicht zu würdigen.
Das Bundesverwaltungsgericht ist für den Antrag sachlich zuständig.
Der Inspekteur ... ... der Bundeswehr hat als zuständige Stelle (§ 16 Abs. 3
WBO) auf die weitere Beschwerde des Antragstellers vom 13. Oktober 2009
gegen den Beschwerdebescheid des Befehlshabers des ...kommandos vom 5.
Oktober 2009 keinen Beschwerdebescheid erlassen, obwohl die weitere
Beschwerde bei ihm eingelegt worden war. Deshalb ist das
Bundesverwaltungsgericht für den als (Untätigkeits-)Antrag auf gerichtliche
Entscheidung zu wertenden Rechtsbehelf vom 17. November 2009 gemäß §§
22, 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO sachlich zuständig.
Der Antrag ist unzulässig.
Mit seinen Rügen gegen das Verhalten und die Amtsführung des Oberstarztes
Prof. Dr. Dr. G..., des Admiralarztes Dr. K... und des Generaloberstabsarztes
Dr. B... begehrt der Antragsteller - wie er ausführlich betont - den Erlass von
Maßnahmen im Wege der Dienstaufsicht. Dieses Rechtsschutzbegehren ist
unzulässig, weil sich der Antragsteller insoweit nicht auf eine Verletzung seiner
Rechte im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 WBO berufen kann.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erfolgt die Dienstaufsicht allein im
öffentlichen Interesse. Das Ergebnis oder die Durchführung einer
dienstaufsichtlichen Prüfung - wie sie hier in den angefochtenen Bescheiden
mitgeteilt wurde - ist grundsätzlich der wehrdienstgerichtlichen Nachprüfung
entzogen. Die Dienstaufsicht obliegt dem zuständigen Vorgesetzten nicht
gegenüber den Untergebenen und dient damit nicht der Wahrung der
individuellen Rechte eines Soldaten im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO
(Beschlüsse vom 9. August 2007 - BVerwG 1 WB 51.06 - Buchholz 450.1 § 17
WBO Nr. 62 = NZWehrr 2007, 252, vom 29. Januar 2008 - BVerwG 1 WB 4.07
- , vom 28.
April 2009 - BVerwG 1 WB 78.08 - NZWehrr 2009, 211 und vom 27. Mai 2009 -
BVerwG 1 WB 75.08 und 1 WB 10.09 -). Der einzelne Soldat hat deshalb
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keinen Anspruch darauf, dass bestimmte Maßnahmen im Wege der
Dienstaufsicht getroffen werden oder dass eine dienstaufsichtliche Prüfung
eingeleitet, intensiviert oder korrigiert wird (Beschlüsse vom 28. April 2009
a.a.O. und vom 27. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 75.08 und 1 WB 10.09 -).
Dies gilt auch, soweit es dem Antragsteller um die Ahndung von
Dienstvergehen durch Disziplinarmaßnahmen geht. Auch das erfolgt allein im
öffentlichen Interesse. Die Ausübung der Disziplinarbefugnisse obliegt dem
zuständigen Vorgesetzten nur gegenüber dem Dienstherrn. Der einzelne Soldat
hat, selbst wenn er durch ein Dienstvergehen verletzt ist und unabhängig von
dessen Gewicht, keinen Anspruch darauf, dass ein Dritter wegen des
Dienstvergehens disziplinar gemaßregelt wird. Die Wehrdisziplinarordnung
kennt daher auch kein dem strafprozessualen Klageerzwingungsverfahren (§
172 StPO) vergleichbares Rechtsinstitut, das zudem mit dem hier herrschenden
Opportunitätsprinzip unvereinbar wäre. Daraus folgt nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats, dass ein durch ein Dienstvergehen verletzter
Soldat nicht im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO in seinen Rechten verletzt
sein kann, wenn die zuständigen Vorgesetzten nicht oder nicht in der von ihm
gewünschten Weise oder Richtung disziplinar tätig werden (Beschluss vom 29.
Januar 2008 - BVerwG 1 WB 4.07 - a.a.O. m.w.N.).
Ein Soldat hat auch dann keinen Anspruch auf ein disziplinares Tätigwerden,
wenn sich die Tatsache, dass ein Dienstvergehen vorliegt, im Zusammenhang
mit einer begründeten Wehrbeschwerde ergäbe. Die Verpflichtung, in einem
derartigen Fall parallel auch nach der Wehrdisziplinarordnung zu verfahren (§
13 Abs. 2 Satz 1 WBO), ändert nichts daran, dass die disziplinaren
Ermittlungen allein im öffentlichen Interesse stattfinden und es im
pflichtgemäßen Ermessen des zuständigen Disziplinarvorgesetzten liegt, zu
bestimmen, ob und wie wegen eines Dienstvergehens einzuschreiten ist (§ 15
Abs. 2 Halbs. 1 WDO). Gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 WBO ist dem
beschwerdeführenden Soldaten in einem solchen Fall lediglich mitzuteilen, ob
gegen den Betroffenen eine Disziplinarmaßnahme verhängt oder von einer
Disziplinarmaßnahme abgesehen worden ist (Beschluss vom 29. Januar 2008 -
BVerwG 1 WB 4.07 - a.a.O.). Eine derartige Mitteilung - hier bezüglich des
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Verhaltens des Oberstarztes Prof. Dr. Dr. G... - hat der Antragsteller im Übrigen
im Bescheid des Kommandeurs des ...kommandos ... vom 3. August 2009
erhalten.
Sollte das Vorbringen des Antragstellers auch so verstanden werden, dass er
sich durch die Art und Weise der Verfahrensbehandlung durch den
Kommandeur des ...kommandos ... und den Befehlshaber des ...kommandos
beeinträchtigt fühlt, ist der Antrag ebenfalls unzulässig.
Die Art und Weise der Verfahrensbehandlung durch eine Dienststelle der
Bundeswehr oder durch einen Vorgesetzten stellt für sich genommen nach
ständiger Rechtsprechung des Senats keinen statthaften
Beschwerdegegenstand dar (vgl. z.B. Beschlüsse vom 30. September 2009 -
BVerwG 1 WB 68.08 - und vom 24. November 2009 - BVerwG 1 WB 1.09 -),
weil die Art und Weise der Verfahrensbehandlung nicht als Maßnahme im Sinne
des § 17 Abs. 3 WBO zu qualifizieren ist.
Der Antragsteller ist nicht mit Verfahrenskosten zu belasten, weil der Senat die
Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 2 WBO nicht als
gegeben erachtet.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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