Urteil des BVerwG vom 28.10.2009

Beschränkte Überprüfung, Vertretung, Kontrolle, Organisation

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 67.08
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Stabsfeldwebel
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dette,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Wolf und
den ehrenamtlichen Richter Hauptfeldwebel Holöchter
am 28. Oktober 2009 beschlossen:
Der Bescheid der Stammdienststelle der Bundeswehr vom
20. Februar 2008 und der Beschwerdebescheid des Bun-
desministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 8. Juli 2008
werden aufgehoben. Der Bundesminister der Verteidigung
wird verpflichtet, über den Antrag des Antragstellers auf
Einrichtung eines Telearbeitsplatzes unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
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Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesver-
waltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Ver-
fahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden
dem Bund auferlegt.
G r ü n d e :
I
Der Antragsteller begehrt die Einrichtung eines Telearbeitsplatzes.
Der 1963 geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet vor-
aussichtlich am … 2017. Zum Stabsfeldwebel wurde er am 4. Februar 2005 er-
nannt. Seit dem 1. Oktober 2006 wird er im Bereich … des Bundesministeriums
der Verteidigung verwendet.
Unter dem 3. Januar 2008 beantragte der Antragsteller für die Zeit ab dem
1. Mai 2008 die Einrichtung eines Telearbeitsplatzes in seiner Privatwohnung in
X für die Wochentage Montag und Donnerstag. Zur Begründung führte er an,
dass im Mai 2008 die Beurlaubung seiner Ehefrau ende und diese dann wieder
berufstätig sein werde. Seine beiden Kinder im Alter von sieben und zwölf Jah-
ren könnten noch nicht unbeaufsichtigt gelassen werden. Außerdem reduziere
sich seine Belastung durch Fahrten vom Wohnort zur Dienststelle.
Der Leiter …, der S 6-Offizier, der Standortservice und der Bereich … des Bun-
desministeriums der Verteidigung stimmten in Stellungnahmen dem Antrag auf
Einrichtung eines Telearbeitsplatzes, zum Teil unter Auflagen, zu.
Der nächste Disziplinarvorgesetzte des Antragstellers, der … des Bundesminis-
teriums der Verteidigung, erklärte mit Stellungnahme vom 6. Februar 2008,
dass der Antrag auf Einrichtung eines Telearbeitsplatzes nicht genehmigt wer-
den könne. Im Bereich … sei eine tägliche qualifizierte Ansprechbarkeit erfor-
derlich, die im Falle der Abwesenheit der Dienstposteninhaber … A und B an
den Tagen der Inanspruchnahme der Telearbeit nicht gewährleistet sei. Zudem
sei eine Nachbesetzung auf dem Dienstposten des … B, der zum 31. Oktober
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2008 aus der Bundeswehr ausscheide, auf unbestimmte Zeit nicht vorgesehen.
Der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte des Antragstellers, der …, erklärte un-
ter dem 6. Februar 2008, dass die Darlegungen des nächsten Disziplinarvorge-
setzten seine uneingeschränkte Zustimmung fänden.
Mit Bescheid vom 20. Februar 2008, dem Antragsteller ausgehändigt am
3. März 2008, lehnte die Stammdienststelle der Bundeswehr den Antrag auf
Einrichtung eines Telearbeitsplatzes ab. Nach der Richtlinie für die Bearbeitung
von Anträgen zur Bewilligung von Telearbeit für Soldaten und Soldatinnen im
Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung werde auf der
Grundlage der abgegebenen Stellungnahmen entschieden, wobei dem Votum
des letzten stellungnehmenden Disziplinarvorgesetzten bei der Entscheidungs-
findung wesentliche Bedeutung zuzumessen sei. Der Antrag sei abzulehnen
gewesen, weil nach Ansicht beider Disziplinarvorgesetzter die Tätigkeit des An-
tragstellers nicht in Form von Telearbeit wahrgenommen werden könne.
Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 7. März 2008 Beschwerde
ein. Die Kommunikation mit den einzelnen Bereichen (einschließlich Berlin) ver-
laufe fast ausschließlich über Telefon oder E-Mail. Eine jederzeitige Ansprech-
barkeit der Teileinheit … sei daher auch bei Inanspruchnahme der Telearbeit
gewährleistet. Die Tatsache, dass für den ausscheidenden … B noch keine
Nachbesetzung vorgesehen sei, werfe die Frage auf, warum seitens der Füh-
rung eine frühzeitige Regeneration nicht durchgeführt worden sei.
Mit Bescheid vom 8. Juli 2008, dem Antragsteller ausgehändigt am 15. Juli
2008, wies der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - die Beschwerde zu-
rück. Zur Begründung verwies er auf die Rahmenweisung zur Einführung der
Telearbeit im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Da-
nach stehe der Genehmigung des Antrags bereits entgegen, dass die Diszipli-
narvorgesetzten dem Antrag nicht zugestimmt hätten. Deren Stellungnahmen
seien als höchstpersönliche Einschätzung - ähnlich wie Wertungen bei der
dienstlichen Beurteilung - im Beschwerdewege nicht überprüfbar.
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Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 29. Juli 2008 beantragte der An-
tragsteller hiergegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der
Antrag wurde vom Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit seiner Stel-
lungnahme vom 2. September 2008 dem Senat vorgelegt.
Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Er erfülle die persönlichen Voraussetzungen für die Einrichtung eines Telear-
beitsplatzes. Ebenso lägen die aufgabenorientierten Teilnahmevoraussetzun-
gen vor. Die Auffassung des Bundesministers der Verteidigung, die Stellung-
nahmen der Disziplinarvorgesetzten seien als höchstpersönliche Einschätzung
nicht überprüfbar, treffe nicht zu. Die Stellungnahmen bezögen sich nicht auf
ein Werturteil über seine, des Antragstellers, Gesamtpersönlichkeit, sondern
ausschließlich auf die Frage, ob die persönlichen und aufgabenorientierten
Voraussetzungen für die Einrichtung eines Telearbeitsplatzes erfüllt seien. Die
Entscheidung hierüber unterliege der uneingeschränkten Kontrolle. Die Ein-
schätzung, dass eine gegenseitige Vertretung an den Tagen der Inanspruch-
nahme der Telearbeit wegen des Ausscheidens des … B zum 31. Oktober 2008
nicht realisierbar sei, beruhe auf einem zeitlich überholten Sachverhalt, weil
bereits ein Nachfolger (Leutnant Y) zur … versetzt worden sei. Unabhängig
davon treffe es nicht zu, dass es seine, des Antragstellers, Aufgabe sei, im Fal-
le der Abwesenheit der … A und B deren Aufgaben qualifiziert wahrzunehmen.
Nach der Beschreibung seines Dienstpostens in der Besonderen Anweisung für
die Durchführung und Anwendung von … in der Luftwaffe, Kapitel 5, Stichwort:
„Bürosachbearbeiter …“, nehme er administrative Aufgaben im Bereich …
wahr; er sei …-spezifischer IT-Unterstützer und verantwortlich für den reibungs-
losen Einsatz der …-unterstützenden Hard- und Software sowie für die Erfas-
sung und Darstellung der Daten; er leiste Zuarbeit zu den …-Berichten. Alle
diese Aufgaben könne er ohne Beeinträchtigung in sachlicher oder zeitlicher
Hinsicht auch von zu Hause aus erledigen. Da er bereits aufgrund seiner Aus-
und Vorbildung nicht für den Dienstposten des … vorgesehen sei, könne er
auch nicht zu dessen Vertretung im Falle der Verhinderung herangezogen wer-
den. In Zweifel gezogen werde ferner, ob tatsächlich im Einvernehmen mit den
Vorgesetzten im Sinne der Rahmenweisung entschieden worden sei. Anders
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als die Disziplinarvorgesetzten habe nämlich der Fachvorgesetzte keine Be-
denken gegen den Antrag geäußert.
Der Antragsteller beantragt,
den Bescheid der Stammdienststelle der Bundeswehr vom
20. Februar 2008 in Gestalt des Beschwerdebescheids
des Bundesministeriums der Verteidigung vom 8. Juli
2008 aufzuheben und die Stammdienststelle der
Bundeswehr zu verpflichten, ihm, dem Antragsteller, den
mit Antrag vom 3. Januar 2008 beantragten Telearbeits-
platz in X, für die Wochentage Montag und Donnerstag
einzurichten,
hilfsweise, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu be-
scheiden.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Über einen Antrag auf Teilnahme an der Telearbeit entscheide die zuständige
personalbearbeitende Stelle im Rahmen eines mehrstufigen Verfahrens nach
pflichtgemäßem Ermessen und im Einvernehmen mit den Vorgesetzten. Dieses
Einvernehmen liege im Falle des Antragstellers nicht vor und könne auch nicht
ersetzt werden. Die Vorgesetzten hätten bei ihrer Stellungnahme einen Beurtei-
lungsspielraum, der nur sehr eingeschränkt überprüfbar sei. Überprüfbar sei
nur, ob die Vorgesetzten das in der Rahmenweisung vorgesehene Verfahren
eingehalten hätten und ob die Stellungnahmen und die darin enthaltenen Wer-
tungen in sich schlüssig und nachvollziehbar seien, den Erfordernissen rationa-
ler Abwägung nicht widersprächen und damit vertretbar seien. Das sei hier der
Fall. Aus der ergänzenden Stellungnahme der … des Bundesministeriums der
Verteidigung vom 28. August 2008 ergebe sich, dass zwar zum 1. November
2008 der Dienstposten des … B durch den zuversetzten Leutnant Y wahrge-
nommen werden solle; durch diesen sei jedoch eine qualifizierte Aufgaben-
wahrnehmung nicht sichergestellt. Zum Erwerb der ATN … B hätte Leutnant Y
noch verschiedene Lehrgangsmodule zu absolvieren, was jedoch wegen seiner
kurzen Restdienstzeit nicht mehr in Betracht komme. Auch wenn das Aufgaben-
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und Tätigkeitsbild nicht dem eines … A oder B entspreche, sei andererseits im
Hinblick auf eine qualifizierte Ansprechbarkeit davon auszugehen, dass auch
ein Bürosachbearbeiter … wie der Antragsteller auf der Basis seiner Ausbildung
und aus seiner entsprechenden Erfahrung heraus sowohl dem Dienst-
stellenleiter als auch den Nutzern des direkten Zuständigkeitsbereichs in der
Handhabung der eingesetzten Hard- und Software adäquate Betreuung und
Beratung zur Verfügung stellen könne. Die Einschätzung der Vorgesetzten des
Antragstellers, dass eine qualifizierte Ansprechbarkeit während dessen Abwe-
senheit nicht gewährleistet sei, sei daher nicht zu beanstanden. Nicht überprüf-
bar sei „die eigentliche Wertung an sich“ zur Herstellung des Einvernehmens,
hier also die fehlende Zustimmung wegen nicht vorliegender qualifizierter Ver-
tretung.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Akten Bezug ge-
nommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7
- Az.: 761/08 - und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat
bei der Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat im Hilfsantrag Erfolg.
Die vom Antragsteller begehrte Teilnahme an der Telearbeit betrifft eine trup-
pendienstliche Verwendungsentscheidung, für deren Überprüfung der Rechts-
weg zu den Wehrdienstgerichten - hier zum Bundesverwaltungsgericht (§ 21
Abs. 1 Satz 1 WBO) - eröffnet ist. Der Antragsteller hat die Einrichtung eines
Telearbeitsplatzes ursprünglich für die Zeit ab dem 1. Mai 2008 beantragt. Die-
ses Begehren hat sich nicht durch Zeitablauf erledigt, weil der Antragsteller
nach wie vor auf demselben Dienstposten bei der … des Bundesministeriums
der Verteidigung eingesetzt ist und auch die Gründe für seinen Antrag (Berufs-
tätigkeit der Ehefrau, Betreuung minderjähriger Kinder, Reduzierung der Fahr-
ten zwischen Wohnort und Dienststelle) fortbestehen. Die von ihm im gerichtli-
chen Verfahren gestellten Sachanträge sind deshalb so auszulegen, dass sie
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auf die Einrichtung eines Telearbeitsplatzes zum nächstmöglichen Zeitpunkt
gerichtet sind.
Das danach zulässige Verpflichtungsbegehren hat Erfolg, soweit es auf eine
erneute Entscheidung gerichtet ist. Der Bescheid der Stammdienststelle der
Bundeswehr vom 20. Februar 2008 und der Beschwerdebescheid des Bun-
desministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 8. Juli 2008 sind rechtswidrig und
deshalb aufzuheben (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 WBO). Da
die Sache nicht spruchreif ist, kann eine Verpflichtung des Bundesministers der
Verteidigung, dem Antrag auf Einrichtung eines Telearbeitsplatzes zu entspre-
chen, nicht ausgesprochen werden; der Bundesminister der Verteidigung ist je-
doch verpflichtet, über den Antrag auf Einrichtung eines Telearbeitsplatzes un-
ter Beachtung der nachfolgenden Rechtsauffassung des Gerichts neu zu ent-
scheiden (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 4 WBO).
1. Die geltenden gesetzlichen Vorschriften zur Vereinbarkeit von Familie und
Dienst begründen kein Recht von Soldaten auf Teilnahme an der Telearbeit. Ein
solches Recht kann sich nur aus den vom Bundesministerium der Verteidigung
erlassenen Verwaltungsvorschriften in Verbindung mit dem allgemeinen
Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ergeben.
a) Gemäß § 12 des Gesetzes zur Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten
der Bundeswehr (Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz - SGleiG)
vom 27. Dezember 2004 (BGBl I S. 3822) hat die Dienststelle Arbeitszeiten und
sonstige Rahmenbedingungen anzubieten, die Soldatinnen und Soldaten die
Vereinbarkeit von Familie und Dienst erleichtern, soweit wichtige dienstliche
Gründe nicht entgegenstehen. Diese Vorschrift richtet sich - ebenso wie die Pa-
rallelvorschrift des § 12 des Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Män-
nern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes (Bundes-
gleichstellungsgesetz - BGleiG) vom 30. November 2001 (BGBl I S. 3234), der
sie nachgebildet ist - nicht an den einzelnen Soldaten, sondern ausschließlich
an die Dienststelle und steuert deren Organisationsermessen; sie betrifft damit
nur die Angebotsseite und regelt noch keine Anspruchsvoraussetzungen (vgl.
zu § 12 BGleiG Urteil vom 31. Januar 2008 - BVerwG 2 C 31.06 - BVerwGE
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130, 201 <203> = Buchholz 272 GleichstellungsR Nr. 4; vgl. auch die Begrün-
dung zum Entwurf des SGleiG, BTDrucks 15/3918 S. 21 zu § 12: „Damit ist
nicht gemeint, dass die Dienststelle ein individuelles Angebot machen müsste“).
Individuelle Rechtspositionen werden erst in § 13 Abs. 1 SGleiG angesprochen,
der für die Teilzeitbeschäftigung auf die Maßgaben des § 30a SG und für die
familienbedingte Beurlaubung auf diejenigen des § 28 Abs. 5 SG verweist. § 13
Abs. 1 SGleiG unterscheidet sich insoweit von der Parallelvorschrift des § 13
Abs. 1 BGleiG, die - in einem abgestuften Verhältnis zu den Instrumenten der
Teilzeitbeschäftigung und der familienbedingten Beurlaubung - zusätzlich vor-
sieht, dass im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten Beschäftigten mit Famili-
enpflichten auch Telearbeitsplätze oder besondere Arbeitszeitmodelle wie zum
Beispiel Sabbatjahr oder Arbeitszeitkonto anzubieten sind; eine entsprechende
Verpflichtung, solche zusätzlichen Optionen anzubieten, fehlt in § 13 Abs. 1
SGleiG. Aus dieser bewussten Abweichung zwischen den ansonsten gleich
aufgebauten Regelungen folgt, dass sich individuelle Rechte von Soldaten, die
sich auf ein Angebot von Telearbeitsplätzen beziehen, nicht unmittelbar aus
dem Soldatengleichstellungsgesetz herleiten lassen.
b) Rechtspositionen einzelner Soldaten können sich deshalb nur aus der Um-
setzung des (objektivrechtlichen) Auftrags aus § 12 SGleiG ergeben. Ob dieser
allgemeine Auftrag zu einem Angebot familiengerechter Arbeitszeiten und Rah-
menbedingungen überhaupt verlangt, dass in diesem Angebot gerade auch die
Einrichtung von Telearbeitsplätzen enthalten ist, bedarf vorliegend keiner Ent-
scheidung. Denn das Bundesministerium der Verteidigung hat mit der Rahmen-
weisung zur Einführung der Telearbeit im Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums der Verteidigung (im Folgenden: Rahmenweisung) vom 31. März 2005
(VMBl 2005 S. 52) und der Richtlinie für die Bearbeitung von Anträgen zur Be-
willigung von Telearbeit für Soldaten und Soldatinnen im Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Verteidigung (im Folgenden: Richtlinie) vom 31. Mai
2006 Verwaltungsvorschriften geschaffen, die für alle Beschäftigten, auch die
Soldaten, die Voraussetzungen für die Teilnahme an der Telearbeit und das
Verfahren für die Entscheidung im Einzelfall regeln.
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Mit der Rahmenweisung und der Richtlinie hat das Bundesministerium der Ver-
teidigung das ihm bei der Gestaltung des Dienstes zustehende Organisations-
ermessen für sich und die nachgeordneten Stellen gebunden. Außenwirkung
gegenüber dem Soldaten erlangen Verwaltungsvorschriften mittelbar über den
allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (stRspr, vgl. Beschluss vom
28. Mai 2008 - BVerwG 1 WB 19.07 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 44 m.w.N.). Ei-
ne an Verwaltungsvorschriften orientierte ständige Verwaltungspraxis verpflich-
tet zur Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle; andererseits kann der Soldat
nur (und nicht mehr als) eine Behandlung entsprechend der gleichmäßig voll-
zogenen Verwaltungsvorschriften beanspruchen.
2. Die Ablehnung seines Antrags auf Einrichtung eines Telearbeitsplatzes ver-
letzt den Anspruch des Antragstellers auf Gleichbehandlung entsprechend den
geltenden Verwaltungsvorschriften.
Gemäß Nr. 1 Abs. 3 Satz 3 der Rahmenweisung und Nr. 2 Buchst. g der Richt-
linie besteht kein Anspruch auf einen Telearbeitsplatz. Über den Antrag eines
Soldaten auf Teilnahme an der Telearbeit entscheidet vielmehr die zuständige
personalbearbeitende Stelle (Entlassungsdienststelle) nach pflichtgemäßem
Ermessen und im Einvernehmen mit der bzw. dem Vorgesetzten und mit der für
die Organisation zuständigen Stelle aufgrund der in Nr. 3 der Rahmenweisung
genannten Teilnahmevoraussetzungen (Nr. 4 Abs. 3 der Rahmenweisung, Nr. 2
Buchst. c Satz 1 i.V.m. Fußnote 2 der Richtlinie). Nr. 3 der Rahmenweisung legt
zwingende Voraussetzungen fest, die die betroffene dienstliche Aufgabe und
die der häusliche Arbeitsplatz erfüllen muss (Abs. 1 und 3); außerdem werden
in einer Soll-Vorschrift persönliche Anforderungen an den Antragsteller gestellt
(Abs. 2). Zu den zwingenden aufgabenbezogenen Voraussetzungen zählt unter
anderem, dass die Aufgabe zur IT-gestützten Erledigung geeignet ist, d.h.
geringe persönliche, insbesondere spontane Kommunikationserfordernisse
innerhalb der Dienststelle bestehen (Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 Punkt 1 der
Rahmenweisung), und dass dienstliche Interessen der Wahrnehmung der Auf-
gabe in Form der Telearbeit nicht entgegenstehen (Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 Punkt 5
der Rahmenweisung).
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Nach diesen Maßstäben sind der ablehnende Bescheid der Stammdienststelle
und der Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 -
rechtswidrig. Die Gründe dieser Entscheidungen rechtfertigen nicht die Ableh-
nung des Antrags auf Einrichtung eines Telearbeitsplatzes.
a) Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Teilnahme an der Telearbeit un-
terliegt der Überprüfung im Beschwerdewege und durch das Wehrdienstgericht.
Die Beschwerde des Antragstellers durfte deshalb nicht, wie geschehen, bereits
deshalb zurückgewiesen werden, weil der nächste und nächsthöhere Dis-
ziplinarvorgesetzte des Antragstellers - der Stabszugsführer und der Komman-
deur der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung - der Ge-
nehmigung des Antrags nicht zugestimmt haben.
aa) Die Überprüfung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass nach den Ver-
waltungsvorschriften die zuständige personalbearbeitende Stelle im Einver-
nehmen mit dem Vorgesetzten entscheidet und dieser der Bewilligung von Te-
learbeit nicht zugestimmt hat.
Vorgesetzte im Sinne dieser Regelung sind der nächste und der nächsthöhere
Disziplinarvorgesetzte (Nr. 3.1 und 3.2 der Richtlinie), wobei dem Votum des
letzten stellungnehmenden Disziplinarvorgesetzten die wesentliche Bedeutung
zukommt (Nr. 3.3 3. Spiegelstrich der Richtlinie). Die Stammdienststelle und der
Bundesminister der Verteidigung sind deshalb zutreffend von den - ableh-
nenden - Stellungnahmen des Stabszugsführers und des Kommandeurs der
Flugbereitschaft ausgegangen.
Die Verweigerung des Einvernehmens durch die Vorgesetzten kann jedoch al-
lenfalls für die Entscheidung der personalbearbeitenden Stelle, nicht aber im
Beschwerdeverfahren bindend sein. Die Überprüfung im Beschwerdeverfahren
erstreckt sich in Fällen, in denen - wie hier - das Ausgangsverfahren in mehrere
Schritte gegliedert ist, auf das Handeln aller beteiligten Stellen und auf alle Bei-
träge, die bestimmend auf das Entscheidungsergebnis eingewirkt haben, hier
also auch auf die Stellungnahmen der Vorgesetzten. Die Rahmenweisung und
die Richtlinie liefern keinen Anhaltspunkt dafür, dass beabsichtigt war, von die-
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sem Grundsatz abzuweichen und den stellungnehmenden Disziplinarvorgesetz-
ten im Falle eines ablehnenden Votums das - von den für die Beschwerdeent-
scheidung zuständigen Stellen und dem Wehrdienstgericht nicht mehr über-
prüfbare - „letzte Wort“ hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für die
Teilnahme an der Telearbeit einzuräumen.
Allerdings hat der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - in dem Be-
schwerdebescheid die Auffassung vertreten, der Genehmigung des Antrags auf
Einrichtung eines Telearbeitsplatzes stehe bereits entgegen, dass die Diszipli-
narvorgesetzten nicht zugestimmt hätten. Im Vorlageschreiben vom 2. Septem-
ber 2008 hat der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - ferner ausgeführt,
dass „die ‚Widerspruchsbehörde’ ein fehlendes Einvernehmen nicht ersetzen“
könne. Soweit aus diesen Äußerungen zu schließen sein sollte, dass die Rah-
menweisung und die Richtlinie in der Praxis in der Weise ausgelegt und ange-
wendet werden, dass Stellungnahmen von Vorgesetzten (im Sinne von Nr. 3.1
und 3.2 der Richtlinie) im Beschwerdeverfahren von einer rechtlichen Überprü-
fung ausgenommen sind (zur Maßgeblichkeit der Verwaltungspraxis vgl. Be-
schluss vom 28. Mai 2008 a.a.O. Rn. 23 und 26), würde sich die Frage stellen,
inwieweit diese Praxis mit der Verantwortlichkeit von Vorgesetzten innerhalb der
hierarchischen Strukturen der Bundeswehr (vgl. für Befehle § 10 Abs. 5 Satz 1
SG) vereinbar ist. Die Frage kann im vorliegenden Fall offen bleiben, weil der
Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - in dem Vorlageschreiben vom
2. September 2008 zugleich eine - wenn auch inhaltlich beschränkte -
Überprüfung der Stellungnahmen der Vorgesetzten für möglich und geboten
hält und diese auch vorgenommen hat. Der Senat geht deshalb davon aus,
dass sich auch die Verwaltungspraxis nicht schlechthin an einer Überprüfung
gehindert sieht, ob ungeachtet negativer Stellungnahmen der Vorgesetzten die
Voraussetzungen für eine Teilnahme an der Telearbeit vorliegen.
bb) Die gleichmäßige Anwendung der Teilnahmevoraussetzungen an der Tele-
arbeit (Nr. 3 der Rahmenweisung) unterliegt grundsätzlich einer
rechtlichen Überprüfung. Dies gilt insbesondere auch für die in den
Verwaltungsvorschriften verwendeten unbestimmten Begriffe (wie „Eignung zur
IT-gestützten Aufgabenerledigung“, „dienstliches Interesse“). Inhaltliche Ein-
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schränkungen der Überprüfbarkeit bedürfen - ähnlich wie bei der Kontrolle der
Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe in Gesetzen und Verordnungen - ei-
ner besonderen Rechtfertigung.
Die von dem Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - vertretene Auffas-
sung, dass die Vorgesetzten bei der Abgabe ihrer Stellungnahme einen Beur-
teilungsspielraum hätten, der nach den allgemeinen Grundsätzen nur einge-
schränkt überprüfbar sei, vermag insofern - jedenfalls in dieser Allgemeinheit -
nicht zu überzeugen. Bereits die Ausführungsbestimmungen nach Nr. 13 Abs. 2
der Rahmenweisung zur Einführung der Telearbeit im Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der Verteidigung vom 31. März 2005 (VMBl 2005 S. 55)
sprechen differenziert davon, dass die aufgezählten Kriterien teilweise keinen
Interpretationsspielraum ließen (vgl. - auch zum Folgenden - die dortigen Erläu-
terungen zu Nr. 3 Abs. 1). Allerdings gehen auch die Ausführungsbestimmun-
gen zu den hier interessierenden Teilnahmevoraussetzungen der Nr. 3 Abs. 1
Satz 2 Punkt 1 und 5 der Rahmenweisung (Eignung zur IT-gestützten Aufga-
benerledigung, kein Entgegenstehen dienstlicher Interessen) davon aus, dass
die aufgabenbezogene Eignungsfeststellung einen Beurteilungsspielraum im
Hinblick auf die Einzelfallentscheidung eröffne. Diese Auffassung übersieht frei-
lich, dass die Anerkennung eines Beurteilungsspielraums und die entsprechen-
de Einschränkung der rechtlichen Überprüfung bei
Eignungsurteilen nach der Rechtsprechung darauf beruht, dass es sich hierbei
um ein höchstpersönliches, subjektives und insofern unvertretbares Werturteil
des Beurteilenden handelt, das nicht durch die Einschätzung eines Außenste-
henden ersetzt werden kann (stRspr, vgl. zuletzt Beschluss vom 26. Mai 2009 -
BVerwG 1 WB 48.07 - Rn. 49
vorgesehen>). Um ein solches unvertretbares Werturteil aber geht es, worauf
der Antragsteller zu Recht hinweist, bei der hier strittigen
Eignungsfeststellung nicht.
Einschränkungen für die Überprüfung der aufgabenbezogenen Teilnahmevor-
aussetzungen an der Telearbeit (Nr. 3 Abs. 1 der Rahmenweisung) können sich
jedoch aus einem anderen dogmatischen Gesichtspunkt, nämlich demjenigen
des Organisationsermessens, ergeben. In der Rechtsprechung des Senats ist
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anerkannt, dass es sich bei organisatorischen Maßnahmen - wie zum Beispiel
der Festlegung des Personalbedarfs in einem bestimmten Bereich
(einschließlich der Methodik der Bedarfsermittlung), der Festlegung von Anfor-
derungen an den Verwendungsaufbau oder der Festlegung und Änderung von
Dienstposten in der Stärke- und Ausrüstungsnachweisung - um Fragen der mili-
tärischen Zweckmäßigkeit handelt, die bei der richterlichen Kontrolle einzelner
Personalmaßnahmen, außer bei Rechtsverstößen, als gegeben hinzunehmen
sind; es ist nicht Aufgabe der Wehrdienstgerichte, ihre Vorstellungen über die
Organisation der Bundeswehr an die Stelle derjenigen der dazu berufenen Vor-
gesetzten zu setzen (vgl. Beschlüsse vom 1. Juli 1999 - BVerwG 1 WB 37.99 -
Buchholz 236.12 § 9 SUV Nr. 6, vom 28. Juni 2007 - BVerwG 1 WDS-VR 5.07 -
Buchholz 449.3 § 9 SUV Nr. 8, vom 25. Juni 2008 - BVerwG 1 WB 5.07 -
Buchholz 449.7 § 20 SBG Nr. 2 sowie zuletzt vom 30. September 2009 -
BVerwG 1 WB 68.08 - jeweils m.w.N.). Diese Maßgaben gelten auch für die
Einrichtung eines Telearbeitsplatzes, die sich in die gegebenen - einschließlich
der durch den nächsten und den nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten ge-
setzten - organisatorischen Strukturen einzufügen hat.
b) Auch unter Berücksichtigung des Organisationsermessens der zuständigen
Vorgesetzten rechtfertigen die in den Bescheiden der Stammdienststelle und
des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - angeführten Gründe es nicht,
den Antrag auf Einrichtung eines Telearbeitsplatzes abzulehnen.
Den Verwaltungsvorschriften des Bundesministeriums der Verteidigung ist die
Grundsatzentscheidung zu entnehmen, Telearbeit auch für Soldaten zu ermög-
lichen (vgl. jeweils Nr. 1 Abs. 1 der Rahmenweisung und der Richtlinie). Der Er-
lassgeber hat die Entscheidung über die Bewilligung von Telearbeit an einen
detaillierten Katalog von Teilnahmevoraussetzungen gebunden und damit so-
wohl vorhersehbar als auch - ex post - anhand genereller Maßstäbe überprüf-
bar gemacht. Hieraus ergibt sich die Pflicht, die Entscheidung über einen An-
trag auf Einrichtung eines Telearbeitsplatzes zumindest in den ausschlagge-
benden Gesichtspunkten nachvollziehbar zu begründen. Dieser Pflicht kommt
besondere Bedeutung zu, wenn die Einführung eines neuartigen Arbeitsmodells
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durch streitkräfteeinheitliche Verfahrens- und Entscheidungsregelungen (vgl.
Nr. 1 Abs. 2 der Richtlinie) rationalisiert werden soll.
Die hier strittigen Bescheide stützen sich tragend auf die Stellungnahmen des
Stabszugsführers und des Kommandeurs der Flugbereitschaft. Diese machen
der Sache nach geltend, die Aufgaben des Antragstellers eigneten sich nicht
zur IT-gestützten Erledigung bzw. ihrer Wahrnehmung in Form von Telearbeit
stehe ein dienstliches Interesse entgegen (Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 Punkt 1 und 5
der Rahmenweisung). Der Stabszugführer der Flugbereitschaft hat mit Stel-
lungnahme vom 6. Februar 2008 erklärt, dass eine tägliche qualifizierte An-
sprechbarkeit im Bereich … erforderlich sei, die bei Abwesenheit der Dienst-
posteninhaber … A und B an den Tagen der Inanspruchnahme der Telearbeit
nicht gewährleistet werden könne; außerdem verwies er auf Probleme bei der
Nachbesetzung des Dienstpostens des … B. Der Kommandeur der Flugbereit-
schaft stimmte diesen Ausführungen unter dem 6. Februar 2008 uneinge-
schränkt zu. Beide Vorgesetzten haben im gerichtlichen Verfahren ihre Ein-
schätzung mit Stellungnahmen jeweils vom 29. Oktober 2009 aufrechterhalten
und bekräftigt.
Beide Disziplinarvorgesetzten äußern sich allerdings nicht substanziiert und
nachvollziehbar zu der - für die Beurteilung der hier strittigen Teilnahmevoraus-
setzungen maßgeblichen - Frage, inwiefern sich aus dem Kriterium der „tägli-
chen qualifizierten Ansprechbarkeit“ das Erfordernis einer täglichen physischen
Präsenz vor Ort ergibt und eine Erreichbarkeit an zwei Wochentagen (Montag
und Donnerstag) nur per Telefon oder E-Mail nicht genügt. Der Antragsteller hat
hierzu in seiner Beschwerde vom 7. März 2008 unwidersprochen vorgetragen,
dass „zurzeit die Kommunikation mit den einzelnen Bereichen (einschließlich
Berlin) fast ausschließlich über Telefon oder Mail“ verlaufe, so dass eine
qualifizierte Ansprechbarkeit auch an den Tagen der Inanspruchnahme von Te-
learbeit gewährleistet sei. Der Fachvorgesetzte des Antragstellers - der Leiter
… und … A der Flugbereitschaft - hat (in seiner in dem Beschwerdebescheid
wiedergegebenen) ausführlichen Stellungnahme vom 8. Januar 2008 abschlie-
ßend festgestellt, dass die tageweise Abwesenheit aus Sicht des Controllings
weder den Haupteinsatzauftrag gefährde noch extrem zeitkritische Aufträge
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bearbeitet würden, weshalb der Antrag auf Einrichtung eines Telearbeitsplatzes
befürwortet werde. Auf Nachfrage durch den Stabszugführer hat der Fachvor-
gesetzte ferner (in einer vom Antragsteller vorgelegten E-Mail vom 11. Januar
2008) erklärt, dass spontane Kommunikation innerhalb der Dienststelle eher
von geringer Bedeutung sei und auch an den restlichen drei Arbeitstagen erfol-
gen könne.
Unter diesen Umständen wäre es Sache der Disziplinarvorgesetzten gewesen,
im Einzelnen darzulegen, warum sie entgegen der Einschätzung des Antrag-
stellers und des Fachvorgesetzten eine tägliche Präsenz des Antragstellers vor
Ort für geboten halten. Die Verwaltungsvorschriften weisen zwar die Zuständig-
keit für die Stellungnahme zu dem Antrag auf Einrichtung eines Telearbeitsplat-
zes den Disziplinarvorgesetzten zu, was auch unter dem Blickwinkel zweckmä-
ßig erscheint, als sie als übergreifend verantwortliche Vorgesetzte neben den
unmittelbar fachlichen auch die allgemein truppendienstlichen Belange in ihr
Votum einstellen können. Diese Zuständigkeit entbindet die Disziplinarvorge-
setzten jedoch nicht davon, nachvollziehbare Gründe anzugeben, wenn sie bei
der Beurteilung, ob die aufgabenbezogenen Voraussetzungen für die Teilnah-
me an der Telearbeit gegeben sind, von einer ihnen vorliegenden fundierten
fachlichen Einschätzung abweichen wollen. Solche Gründe sind weder aus den
angefochtenen Bescheiden und den dort in Bezug genommenen Stellungnah-
men noch aus dem weiteren Vortrag im gerichtlichen Verfahren ersichtlich.
Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Gesichtspunkt des
Organisationsermessens. Dieses weist den zuständigen Vorgesetzten, wie dar-
gelegt (oben a bb), einen Vorrang bei der Organisation des Dienstbetriebs zu.
Es entbindet jedoch gleichfalls nicht davon, darzulegen, warum sich die bean-
tragte Einrichtung eines Telearbeitsplatzes nicht in die bestehenden organisato-
rischen Strukturen einfügt.
c) Vermögen die angegebenen Gründe die Ablehnung des Antrags auf Einrich-
tung eines Telearbeitsplatzes nicht zu tragen, so sind der Bescheid der Stamm-
dienststelle der Bundeswehr vom 20. Februar 2008 und der Beschwerdebe-
scheid des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 8. Juli 2008 auf-
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zuheben, weil sie rechtswidrig sind und den Antragsteller in seinen Rechten
verletzen (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 WBO).
Die im Hauptantrag begehrte Verpflichtung des Bundesministers der Verteidi-
gung, die Einrichtung eines Telearbeitsplatzes zu bewilligen, kann schon des-
halb nicht ausgesprochen werden, weil den zuständigen Stellen auch bei Vor-
liegen der Teilnahmevoraussetzungen ein Ermessen zusteht (Nr. 3 der Rah-
menweisung), das sie im vorliegenden Fall - als Folge der fehlerhaften Beurtei-
lung der Teilnahmevoraussetzungen - nicht ausgeübt haben, so dass die Sache
nicht spruchreif ist; insoweit war der Antrag auf gerichtliche Entscheidung
zurückzuweisen (vgl. für die parallele Problematik im allgemeinen Verwaltungs-
prozessrecht Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 113 Rn. 193 ff.). Der
Bundesminister der Verteidigung ist jedoch gemäß dem Hilfsantrag verpflichtet,
über den Antrag auf Einrichtung eines Telearbeitsplatzes unter Beachtung der
vorstehenden Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (§ 21 Abs. 2
Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 4 WBO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1
Satz 1 WBO. Da der Antragsteller mit seinem Rechtsschutzbegehren im We-
sentlichen Erfolg hatte und er auch die mangelnde Spruchreife nicht zu vertre-
ten hat, wurden dem Bund die Kosten des Verfahrens ganz auferlegt (§ 23a
Abs. 2 WBO i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO).
Golze Dr. Dette Dr. Langer
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Sachgebiet:
BVerwGE:
Nein
Wehrbeschwerderecht
Fachpresse:
Ja
Rechtsquellen:
SGleiG § 12, § 13
Rahmenweisung zur Einführung der Telearbeit im Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums der Verteidigung vom 31. März 2005 (VMBl 2005 S. 52)
Stichworte:
Telearbeit; Vereinbarkeit von Familie und Dienst; Verwaltungsvorschriften; Or-
ganisationsermessen;
Leitsatz:
Zu den Voraussetzungen für die Bewilligung von Telearbeit für einen Soldaten
der Bundeswehr.
Beschluss des 1. Wehrdienstsenats vom 28. Oktober 2009 - BVerwG 1 WB
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