Urteil des BVerwG vom 14.07.2010

Versetzung, Hauptsache, Ermessen, Krankheit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 66.09
Az: 1 WB 66.09
Datum: 14.07.2010
DGradGrp: StOffz
DGrad: OTL, Oberstleutnant
Status: B
Fundstelle:
TXT
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberstleutnant
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 14. Juli 2010 beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt.
Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem
Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im
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vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen
Aufwendungen werden zur Hälfte dem Bund auferlegt.
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G r ü n d e :
I
Der 1957 geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet
voraussichtlich mit Ablauf des 31. März 2016. Er wurde am 11. Dezember 1998
zum Oberstleutnant befördert und mit Wirkung vom 1. Dezember 2006 in eine
Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 eingewiesen. Vom 1. Februar 2005 bis
30. September 2009 wurde der Antragsteller als Panzerstabsoffizier und
Lehrstabsoffizier Taktik und Logistik/Leiter des
Gefechtsübungssimulationssystems ... im Bataillon ... verwendet.
Mit Fernschreiben des Personalamts der Bundeswehr vom 30. Juni 2009 wurde
der Antragsteller mit Wirkung vom und Dienstantritt am 1. Oktober 2009 auf den
Dienstposten eines S 3-Stabsoffiziers und MS-Stabsoffiziers (Modellbildung und
Simulation) beim Heeresamt in ... versetzt. Unter dem 10. Juli 2009 erhielt er
eine entsprechende förmliche Versetzungsverfügung.
Gegen die Versetzung legte der Antragsteller mit Schreiben seiner
Bevollmächtigten vom 9. Juli und 21. Juli 2009 Beschwerde ein. Zur
Begründung führte er unter anderem an, dass er die Eignungsanforderungen
für den Dienstposten beim Heeresamt nicht erfülle und der Versetzung
schwerwiegende persönliche Gründe im Sinne von Nr. 6 der
Versetzungsrichtlinien entgegenstünden (Pflege- und Betreuungsbedürftigkeit
der Schwiegereltern, eigene Krankheit des Antragstellers und Krankheit seiner
Ehefrau).
Mit Bescheid vom 14. Oktober 2009 wies der Bundesminister der Verteidigung -
PSZ I 7 - die Beschwerde als unbegründet zurück. Mit Schriftsatz seiner
Bevollmächtigten vom 13. November 2009 beantragte der Antragsteller
hiergegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der
Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - legte den Antrag zusammen mit
seiner Stellungnahme vom 23. November 2009 dem Senat vor.
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Nach mehreren ärztlichen Untersuchungen des Antragstellers sowie aufgrund
einer Stellungnahme des Beratenden Arztes des Personalamts der
Bundeswehr vom 27. April 2010, die eine heimatnahe Verwendung des
Antragstellers empfahl, wurde der Antragsteller mit Wirkung vom 1. Juni 2010
auf eine Planstelle „Stabsoffizier z.b.V.“ (A 15) beim Heeresführungskommando
in ... versetzt.
Im Hinblick auf diese - mit seinem Einverständnis erfolgte - Versetzung erklärte
der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 21. Juni 2010 den
Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragt,
1. die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten
aufzuerlegen und
2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das
Beschwerdeverfahren für notwendig zu erklären.
Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat mit Schreiben vom 26. Mai
2010 der Erledigungserklärung des Antragstellers (vorab) zugestimmt. Er ist der
Auffassung, dass die Verfahrenskosten dem Bund nicht aufzuerlegen sind.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I
7 - Az.: 1261/09 -, die Personalgrundakte des Antragstellers sowie die Akten
des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes (BVerwG 1 WDS-VR 7.09)
haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend
für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von
§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §
20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für
die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden
Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender
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Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter
Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20
Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 22.
April 2008 - BVerwG 1 WB 4.08 - m.w.N.).
Billigem Ermessen entspricht es, die dem Antragsteller erwachsenen
notwendigen Auslagen zur Hälfte dem Bund aufzuerlegen, weil die
Erfolgsaussichten des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach dem
bisherigen Sach- und Streitstand als offen einzuschätzen sind (vgl. zum
Grundsatz der hälftigen Kostenteilung bei offenen Erfolgsaussichten Clausing,
in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand November 2009, § 161
Rn. 22 m.w.N.).
Die - den Rechtsstreit in der Hauptsache erledigende - (Folge-)Versetzung zum
Heeresführungsführungskommando in ... stellt keine (rückwirkende) Aufhebung
der hier strittigen Versetzung des Antragstellers zum Heeresamt in ... dar; der
Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat sich damit nicht in die Rolle des
Unterlegenen begeben.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung ist im Falle der
Anfechtung einer Maßnahme, hier: der Versetzung des Antragstellers zum
Heeresamt, der Zeitpunkt der Vorlage des Antrags auf gerichtliche
Entscheidung an den Senat (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 28. Oktober 2008
- BVerwG 1 WB 49.07 - BVerwGE 132, 234 <243> m.w.N.). Maßgeblich ist
deshalb vorliegend die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des - am 26.
November 2009 eingegangenen - Vorlageschreibens vom 23. November 2009.
Ob zu Zeitpunkt die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des
Antragstellers, die letztlich zu der von ihm gewünschten (Folge-) Versetzung
nach ... führten, bereits vorlagen, ist offen. Zwar datiert die Stellungnahme des
Beratenden Arztes des Personalamts der Bundeswehr, die eine heimatnahe
Verwendung empfiehlt, um eine Verschärfung der akuten Belastungssituation
und damit eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustands des
Antragstellers zu verhindern, erst vom 27. April 2010, also einem deutlich
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späteren als dem maßgeblichen Zeitpunkt. Sie stützt sich ihrerseits jedoch auf
frühere Befunde des Fachsanitätszentrums ... sowie insbesondere des
Sanitätszentrums ... vom 9. bzw. 26. Februar 2010, die ebenfalls bereits eine
mangelnde Verwendungsfähigkeit des Antragstellers auf dem Dienstposten
beim Heeresamt feststellten und sich für eine heimatnahe Verwendung
aussprachen. Ob aus diesen Attesten und einer Bewertung der
gesundheitlichen Entwicklung des Antragstellers im Rückblick weiter zu folgern
ist, dass dessen gesundheitlichen Beeinträchtigungen auch bereits Ende
November 2009 vorlagen oder aber als sichere Folge seiner Versetzung zum
Heeresamt eintreten würden (so dass diese von vornherein nicht hätte verfügt
werden dürfen), lässt sich einerseits nicht ausschließen, andererseits aber auch
ohne weitere Beweiserhebung (ggf. durch sachverständige ärztliche
Beurteilung) nicht positiv klären. Für eine solche Beweisaufnahme ist im
Rahmen der hier allein noch zu treffenden Kostenentscheidung kein Raum (vgl.
Clausing a.a.O. m.w.N.).
Ebenfalls offen bleiben muss der zweite hauptsächliche Streitpunkt des
vorliegenden Falls, nämlich die Frage der fachlichen Eignung des Antragstellers
für den Dienstposten eines S 3-Stabsoffiziers und MS-Stabsoffiziers beim
Heeresamt. Unstrittig ist insoweit, dass der Antragsteller nicht über die nach der
Aufgabenbeschreibung des Dienstpostens geforderte Vorverwendung im
Gefechtssimulationszentrum des Heeres oder im Gefechtsübungszentrum des
Heeres verfügt. Zwischen dem Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - und
dem Antragsteller umstritten ist hingegen, ob die rund viereinhalbjährige
Verwendung des Antragstellers als Leiter des
Gefechtsübungssimulationszentrums ... dem Zweck der geforderten
Vorverwendungen wenn nicht formal, so doch zumindest materiell entspricht.
Die Rechtsfrage, ob und unter welchen Voraussetzungen auf einzelne
Eignungsanforderungen in einer Dienstpostenbeschreibung bei einer
Versetzungsentscheidung ad hoc verzichtet werden kann, ist, soweit ersichtlich,
jedenfalls in dieser Allgemeinheit vom Senat bisher nicht geklärt; für eine solche
Klärung ist im Rahmen einer Kostenentscheidung nach übereinstimmender
Erledigungserklärung kein Raum (vgl. Beschluss vom 27. September 2006 -
BVerwG 1 WB 7.06 -). Darüber hinaus bedürfte es wohl weiterer Ermittlungen,
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ob ggf. diese Voraussetzungen im Falle des Antragstellers vorliegen; auch
insoweit würde die Eingrenzung der Kostenentscheidung auf den bisherigen
Sach- und Streitstand überschritten.
Insgesamt erscheint deshalb unter Billigkeitsgesichtspunkten eine hälftige
Kostenteilung angemessen, was bedeutet, dass die dem Antragsteller im
Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im
vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen zur Hälfte
dem Bund aufzuerlegen sind.
Über den weiteren Antrag, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das
Beschwerdeverfahren für notwendig zu erklären, ist nicht im Rahmen dieses
Beschlusses des Senats zu entscheiden (vgl. hierzu Beschluss vom 27. April
2010 - BVerwG 1 WB 13.09 - Rn. 44). Die Entscheidung über die
Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Rechtsanwalts ist nicht Teil der vom
Gericht zu treffenden Kostengrundentscheidung, sondern gehört in das
Verfahren der Kostenfestsetzung, für das der Urkundsbeamte der
Geschäftsstelle zuständig ist (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 4 WBO und §
142 Satz 1 WDO). Eine von dieser Zuständigkeitsverteilung abweichende
Regelung wie in § 162 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 VwGO kennt die
Wehrbeschwerdeordnung nicht.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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