Urteil des BVerwG vom 12.04.2010

Versetzung, Bataillon, Soldat, Verdacht

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 65.09
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Hauptfeldwebel ...
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 12. April 2010 beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit
Ablauf des 31. März 2023. Der Antragsteller war als Nachschubfeldwebel und
Kompaniefeldwebel bei der 6./...bataillon ... in V. verwendet. Unter dem 12.
Dezember 2007 schlug der Kommandeur des ...bataillons ... gemäß Nr. 5
Buchst. h der Versetzungsrichtlinien die Wegversetzung des Antragstellers von
diesem Dienstposten vor. Zur Begründung führte er - unter Bezugnahme auf
Eingaben von Soldaten an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages
- an, dass der Antragsteller mehrere Soldaten gezwungen habe, ihre Anträge
auf Weiterverpflichtung wegzuwerfen bzw. eine vorgefertigte Verzichtserklärung
auf eine Weiterverpflichtung zu unterschreiben. Der Antragsteller habe mit
seinem Verhalten das besondere Vertrauensverhältnis zu einem Vorgesetzten
und, was erschwerend hinzukomme, zu einem Kompaniefeldwebel nachhaltig
beschädigt. Die entstandenen Störungen und Spannungen im Dienstbetrieb
könnten nur durch eine Versetzung behoben werden.
Mit Schreiben vom 21. Februar 2008 teilte die Stammdienststelle der
Bundeswehr den Bevollmächtigten des Antragstellers mit, dass dem Antrag des
Kommandeurs des ...bataillons ... auf Versetzung des Antragstellers
stattgegeben worden sei. Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben
seiner Bevollmächtigten vom 12. März 2008 Beschwerde ein.
Mit Versetzungsverfügung der Stammdienststelle der Bundeswehr Nr. ... vom
31. März 2008 wurde der Antragsteller mit Wirkung zum 1. April 2008 auf den
Dienstposten eines Nachschubfeldwebels beim ...zentrum ... in B. versetzt.
Hiergegen legte der Antragsteller unter dem 23. April 2008 ebenfalls
Beschwerde ein.
Mit Bescheid vom 13. Oktober 2009 wies der Bundesminister der Verteidigung -
PSZ I 7 - die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden
zurück. Die Beschwerde gegen die Wegversetzung sei mangels
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Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil der Antragsteller in einem
Personalgespräch am 31. März 2009 erklärt habe, keine Verwendung im
...bataillon
...
mehr
zu
wünschen. Die Beschwerde gegen die
Versetzungsverfügung Nr. ... sei wegen verspäteter Einlegung unzulässig. Im
dienstaufsichtlichen Teil des Bescheids stellte der Bundesminister der
Verteidigung fest, dass die angefochtenen Entscheidungen auch im Ergebnis
nicht zu beanstanden seien. Gegen den Antragsteller habe der Verdacht
erheblicher Dienstpflichtverletzungen als Soldat und Kompaniefeldwebel
gegenüber unterstellten Soldaten bestanden. Es sei daher nachvollziehbar,
dass die Stammdienststelle dem Wegversetzungsantrag stattgegeben habe. Im
Rahmen einer Prognoseentscheidung sei auf der Grundlage des Verhaltens
des Antragstellers auch für die Zukunft keine weitere vertrauensvolle
Zusammenarbeit mehr möglich.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 11. November 2009 beantragte der
Antragsteller hiergegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der
Bundesminister der Verteidigung legte den Antrag zusammen mit seiner
Stellungnahme vom 18. November 2009 dem Senat vor.
Mit Verfügung der Stammdienststelle der Bundeswehr Nr. ... vom 5. März 2010
(erste Korrektur vom 10. März 2010) wurde der Antragsteller mit Wirkung zum
1. Mai 2010 auf den Dienstposten eines Nachschubfeldwebels bei der
2./...bataillon ... in Be. versetzt.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 26. März 2010 erklärte der
Antragsteller, dass damit seinem Anliegen Rechnung getragen und der
Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei. Der Bundesminister der
Verteidigung - PSZ I 7 - schloss sich mit Schreiben vom 7. April 2010 der
Erledigungserklärung des Antragstellers an, die seiner Auffassung nach
allerdings eine verschleierte Rücknahme des Antrags auf gerichtliche
Entscheidung darstelle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der
Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der
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Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 1251/09 - und die Personalgrundakte des
Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
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II
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend
für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von
§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §
20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Ein
förmlicher Kostenantrag, den der Antragsteller hier nicht gestellt hat, ist dafür
nicht erforderlich. Für die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht
allgemein geltenden Grundsätze maßgebend. Danach ist bei
übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem
Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu
entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. etwa
Beschluss vom 22. April 2008 - BVerwG 1 WB 4.08 - m.w.N.).
Billigem Ermessen entspricht es, die dem Antragsteller erwachsenen
notwendigen Auslagen dem Bund aufzuerlegen, weil der Antrag auf
gerichtliche Entscheidung nach dem bisherigen Sach- und Streitstand
unabhängig von Zulässigkeitsfragen jedenfalls in der Sache erfolglos geblieben
wäre.
Der Soldat hat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte fachliche
oder örtliche Verwendung oder auf Verwendung auf einem bestimmten
Dienstposten. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der
Fürsorgepflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte über
die Verwendung des Soldaten, sofern hierfür ein dienstliches Bedürfnis besteht,
nach pflichtgemäßem Ermessen (stRspr, vgl. Beschluss vom 10. Oktober 2002
- BVerwG 1 WB 40.02 - m.w.N.). Diese Ermessensentscheidung kann nur
darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte den Soldaten durch Überschreiten
oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3
Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Grenzen des ihm insoweit zustehenden
Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der
Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23a Abs.
2 WBO i.V.m. § 114 VwGO). Die gerichtliche Überprüfung richtet sich auch
darauf, ob die vom Bundesministerium der Verteidigung im Wege der
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Selbstbindung in Erlassen und Richtlinien festgelegten Maßgaben und
Verfahrensvorschriften eingehalten sind, wie sie sich hier insbesondere aus den
Richtlinien zur Versetzung, zum Dienstpostenwechsel und zur Kommandierung
von Soldaten vom 3. März 1988 (VMBl S. 76) in der zuletzt am 9. Juni 2009
(VMBl S. 86) geänderten Fassung (Versetzungsrichtlinien) ergeben.
Danach bestehen gegen die angefochtene Versetzung, für deren Beurteilung
die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung
maßgeblich ist, nach dem bisherigen Streitstand keine rechtlichen Bedenken,
sodass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung voraussichtlich erfolglos
geblieben wäre.
Gemäß Nr. 5 Buchst. h der Versetzungsrichtlinien liegt ein dienstliches
Bedürfnis für eine Versetzung dann vor, wenn Störungen, Spannungen
und/oder Vertrauensverluste, die den Dienstbetrieb unannehmbar belasten, nur
durch Versetzung des Soldaten behoben werden können. Nach der
Rechtsprechung des Senats kann eine Wegversetzung nach Nr. 5 Buchst. h
der Versetzungsrichtlinien unter anderem darauf gestützt werden, dass gegen
den betroffenen Soldaten der Verdacht einer schuldhaften
Dienstpflichtverletzung besteht. Unabhängig davon kommt es jedoch nicht
darauf an, wer an der Entstehung der Störungen, Spannungen oder des
Vertrauensverlusts „schuld“ ist bzw. ob einem der Beteiligten überhaupt eine
„Schuld“ im Rechtssinne zugewiesen werden kann oder ob die objektiv
gegebenen Störungen, Spannungen und Vertrauensverluste auf Gründe
zurückzuführen sind, die sich der Zuweisung von „Schuld“ entziehen; für eine
Wegversetzung genügt es vielmehr, dass der von dieser Maßnahme betroffene
Soldat an den entstandenen Störungen und Vertrauensverlusten beteiligt war
(vgl. zum Ganzen Beschluss vom 13. Juni 2007 - BVerwG 1 WDS-VR 2.07 -
Buchholz 449.7 § 48 SBG Nr. 2 m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben durften die Vorgesetzten des Antragstellers von einem
dienstlichen Bedürfnis für eine Versetzung gemäß Nr. 5 Buchst. h der
Versetzungsrichtlinien ausgehen. Ohne dass es auf Einzelheiten ankäme, war
der Antragsteller maßgeblich dafür verantwortlich, dass mehrere ihm
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unterstellte Soldaten ihre Anträge auf Weiterverpflichtung „in die Mülltonne“
geworfen oder eine von ihm vorgefertigte Verzichtserklärung auf eine
Weiterverpflichtung unterschrieben haben. Damit war der Verdacht einer
schuldhaften Dienstpflichtverletzung gegeben, jedenfalls aber war der
Antragsteller in dem genannten Sinne an den entstandenen Störungen und
Vertrauensverlusten beteiligt. Dass eine gegen den Antragsteller deswegen
verhängte Disziplinarbuße in Höhe von 800 Euro später wieder aufgehoben
wurde, beruhte nicht auf einer veränderten Feststellung oder Bewertung des
Sachverhalts, sondern auf einem Zuständigkeitsfehler, weil die
Disziplinarmaßnahme nicht von dem Bataillonskommandeur hätte getroffen
werden dürfen. Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Vorgesetzten es unter
dem Gesichtspunkt des Vertrauensverlustes als erschwerend bewertet haben,
dass der Antragsteller in seiner herausgehobenen Funktion als
Kompaniefeldwebel gehandelt hat. Was die hieraus resultierende Belastung des
Dienstbetriebs betrifft, ist nicht nur auf die Einschätzung durch den
(stellvertretenden) Kommandeur des ...bataillons ... und den Kommandeur der
...brigade ... zu verweisen, die den Antragsteller auf seinem bisherigen
Dienstposten für nicht mehr tragbar hielten, sondern auch darauf, dass der
Antragsteller selbst in dem Personalgespräch vom 31. März 2009 erklärt hat,
keine Verwendung im ...bataillon ... mehr zu wünschen.
Bestand danach ein dienstliches Bedürfnis für die Wegversetzung des
Antragstellers von dem Dienstposten bei der 6./...bataillon ..., begründete dieser
Umstand zugleich das dienstliche Bedürfnis für seine - mit der Versetzung zur
2./...bataillon ... zum 1. Mai 2010 endende - Zuversetzung auf den Dienstposten
eines Nachschubfeldwebels beim ...zentrum ...; der Antragsteller hat keine
substantiierten Einwände gegen seine Eignung für diesen Dienstposten
vorgebracht. Schließlich bestehen auch für etwaige Fehler bei der
Ermessensausübung keine Anhaltspunkte.
Ein Ausspruch, dass Kosten des Verfahrens dem Bund aufzuerlegen sind,
kommt damit nicht in Betracht.
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Golze Dr. Frentz Dr. Langer