Urteil des BVerwG vom 20.01.2009

Medizinische Indikation, Verfügung, Familie, Schwiegermutter

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 65.08
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Hauptmann ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Becker und
den ehrenamtlichen Richter Hauptmann Forster
am 20. Januar 2009 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung des Bundesministers der Verteidi-
gung, ihn auf einen Dienstposten oder - hilfsweise - auf eine Planstelle des
z.b.V.-Etats jeweils im Raum H. zu versetzen.
Der 1969 geborene Antragsteller ist Berufssoldat, dessen Dienstzeit voraus-
sichtlich mit Ablauf des 31. Januar 2024 enden wird. Er wurde am 28. Januar
1997 zum Hauptmann ernannt und mit Wirkung vom 1. Januar 2002 in eine
Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 eingewiesen. Nach einer Verwendung
beim ...unterstützungskommando in K. war er vom 3. Januar 2005 bis zum
13. Januar 2008 beim ...zentrum der Bundeswehr, Logistische Steuerstelle ...,
in Bo. eingesetzt.
Das Personalamt der Bundeswehr versetzte den Antragsteller mit Verfügung
vom 18. September 2007 (in der Fassung vom 12. Dezember 2007) zum
1. Oktober 2007 mit Dienstantritt am 14. Januar 2008 zum ...zentrum des Hee-
res in Ba. Dort hat der Antragsteller den Dienst tatsächlich erst am 25. Februar
2008 angetreten. Der Antragsteller ist verheiratet und hat zwei Kinder im Alter
von sieben und drei Jahren. Er verfügt seit dem 1. April 2002 über einen
- dienstlich gemeldeten - ersten Wohnsitz in einem gemieteten Haus in Bad H.,
den er bisher nicht aufgegeben hat. Zusätzlich bewohnt er mit seiner Familie
eine Wohnung in A. bei H.
Den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die vorgenannte
Versetzungsverfügung, den der Antragsteller unter anderem mit der Pflegebe-
dürftigkeit seiner in H. lebenden Schwiegermutter begründet hatte, lehnte der
Senat mit Beschluss vom 9. Januar 2008 - BVerwG 1 WDS-VR 10.07 - ab. Den
zugleich gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung wies der Senat mit Be-
schluss vom 26. Februar 2008 - BVerwG 1 WB 47.07 - zurück. Den weiteren
Antrag des Antragstellers, den Senatsbeschluss vom 9. Januar 2008 zu ändern
und gegen die Versetzung nach Ba. einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren,
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hat der Senat mit Beschluss vom 28. Februar 2008 - BVerwG 1 WDS-VR 3.08 -
abgelehnt.
Die gegen diese drei Senatsentscheidungen sowie gegen die angefochtene
Versetzungsverfügung gerichtete Verfassungsbeschwerde des Antragstellers
hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (Be-
schluss vom 4. Juni 2008 - 2 BvR 850/08 -).
Mit Schreiben vom 23. Januar 2008 beantragte der Antragsteller seine Verset-
zung in den Raum H. Den Antrag befürwortete der Leiter des Logistikzentrums
des Heeres in seiner Stellungnahme vom 28. März 2008 und wies darauf hin,
dass der Antragsteller vom 25. Februar bis zum 26. März 2008 nur an drei Ta-
gen am Standort Ba. zur Aufgabenwahrnehmung verfügbar gewesen sei. Im
Übrigen habe er sich „krank zu Hause“ bzw. in ärztlicher Behandlung befunden.
Daher habe der Antragsteller nicht gezielt in seine Aufgaben eingewiesen wer-
den können. Er habe nach eigener Aussage erhebliche finanzielle und familiäre
Probleme, sodass sich sein gesamtes Handeln auf diesen Problemkreis kon-
zentriere und er alle Hebel in Bewegung setze, um zu seiner Familie nach Ah-
rensburg zurückzukommen. Obwohl keine medizinische Indikation für eine feh-
lende Dienstfähigkeit des Antragstellers am Standort Ba. vorliege, werde den-
noch seine möglichst baldige Rückversetzung in den Raum H. empfohlen.
Den Versetzungsantrag lehnte das Personalamt der Bundeswehr mit Bescheid
vom 15. April 2008 mit der wesentlichen Begründung ab, es gebe zurzeit keinen
freien Dienstposten in dem vom Antragsteller bevorzugten örtlichen Ver-
wendungsbereich. Daneben bestehe ein dienstliches Interesse an seinem
Verbleib auf seinem gegenwärtigen Dienstposten beim ...zentrum des Heeres.
Mit Schreiben vom 21. Juni 2008 an das Personalamt wiederholte der An-
tragsteller seinen Antrag auf Versetzung in den Raum H. und bat hilfsweise um
Versetzung auf eine Planstelle des z.b.V.-Etats. Zur Begründung bezog er sich
auf erhebliche Einschränkungen seiner Gesundheit, die durch eine truppenärzt-
liche Stellungnahme vom 7. März 2008 belegt werde.
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In einer ärztlichen Mitteilung für die Personalakte der Belegart 90/5 stellte die
Vertragsärztin im Fachsanitätszentrum B./Arztgruppe Ba. unter dem 7. März
2008 eine vorübergehend fehlende Dienst- bzw. Verwendungsfähigkeit des
Antragstellers auf seinem derzeitigen Dienstposten fest und empfahl eine hei-
matnahe Versetzung zum raschestmöglichen Zeitpunkt. Am 25. März 2008
stellte der Truppenarzt im Fachsanitätszentrum B./Arztgruppe Ba. fest, dass der
Antragsteller dienst- und verwendungsfähig sei. Der Beratende Arzt des
Personalamts erklärte in seiner Stellungnahme vom 15. April 2008, der An-
tragsteller sei aufgrund der bekannten familiären Belastungssituation an einer
akuten Leistungsfunktionsstörung erkrankt, die seine Verwendungsfähigkeit
zumindest vorübergehend einschränke. Zur Lösung der familiären Konfliktsitua-
tion erscheine ein heimatortnaher Einsatz/Dienstposten empfehlenswert. Da
nach Auskunft der personalbearbeitenden Stelle weder mittel- noch langfristig
eine Verwendungsperspektive im Großraum H. realisierbar sei, solle im Rah-
men der ganzheitlichen Betrachtung zur Beibehaltung der bereits begonnenen
Therapie und der behandelnden Ärzte von einer Abversetzung aus der Dienst-
stelle abgesehen werden.
Mit Verfügung von 2. Juli 2008 (dem Antragsteller am 14. Juli 2008 eröffnet)
teilte das Personalamt dem Antragsteller mit, dass sich aus seinem Schreiben
vom 21. Juni 2008 keine neuen Anhaltspunkte zu dem ablehnenden Bescheid
vom 15. April 2008 ergäben. Deshalb bedürfe es keiner neuen Entscheidung;
es werde auf die dortigen Ausführungen (im Bescheid vom 15. April 2008) ver-
wiesen.
Mit Schreiben vom 28. Juli 2008 legte der Antragsteller Beschwerde gegen den
Bescheid des Personalamts vom 15. April 2008 sowie gegen dessen Schreiben
vom 2. Juli 2008 ein.
Mit zwei undatierten Schreiben an das Bundesverwaltungsgericht und den Bun-
desminister der Verteidigung - PSZ I 7 - (eingegangen am 2. September 2008)
legte der Antragsteller unter Hinweis auf § 16 Abs. 2 WBO weitere Beschwerde
ein. Diesen Rechtsbehelf hat der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 -
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als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet und dazu mit Schreiben vom
23. September 2008 Stellung genommen.
Zur Begründung seines Antrags trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Die medizinischen Befunde dokumentierten in großer Einhelligkeit, dass er aus
medizinischen Gründen in den Raum H. versetzt werden solle. Er bestreite,
dass es mittel- und langfristig keinen Dienstposten für ihn im Raum H. gebe. Es
existierten Dienstposten in Bo., E., M., H., R. etc., für die er ausgebildet und
geeignet sei. Er habe am 11. Juli 2008 einen weiteren Versetzungsantrag ge-
stellt, der bis heute nicht beschieden sei. Die gesundheitliche Situation seiner
Schwiegermutter habe sich weiter verschlechtert; Hilfe sei noch wichtiger als
bisher.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Bundesminister der Verteidigung (unter Aufhebung
der Bescheide des Personalamts der Bundeswehr vom
15. April 2008 und vom 2. Juli 2008) zu verpflichten, ihn,
den Antragsteller, auf einen Dienstposten im Raum H.
oder - hilfsweise - auf eine Planstelle des z.b.V.-Etats im
Raum H. zu versetzen.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Ablehnungsbescheid des Personalamts vom 15. April 2008 sei bestands-
kräftig geworden, weil der Antragsteller hiergegen nicht rechtzeitig Beschwerde
eingelegt habe. Bei dem Schreiben vom 2. Juli 2008 handele es sich lediglich
um eine wiederholende Verfügung, die keine neue Beschwerdemöglichkeit er-
öffne. Darüber hinaus bestünden erhebliche Bedenken gegen die Zulässigkeit
des Rechtsschutzbegehrens des Antragstellers, weil er in seinen Anträgen vom
23. Januar 2008 und vom 21. Juni 2008 keine konkreten Dienstposten benannt
habe, auf die er die Versetzung wünsche. Damit fehle die notwendige Konkreti-
sierung des Rechtsschutzbegehrens. Schwerwiegende persönliche Gründe, die
die Versetzung gebieten könnten, lägen in der Person des Antragstellers nicht
vor.
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Der Antragsteller habe auch keinen Anspruch auf Versetzung auf irgendeinen
Dienstposten des z.b.V.-Etats im Raum H. Die Inanspruchnahme von Haus-
haltsmitteln für organisationsrechtlich nicht vorgesehene Dienstposten sei
grundsätzlich aus haushalterischen Gründen als Ausnahme zu betrachten. Die
Ausnahmen seien im Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung
- PSZ I 1 - vom 20. Mai 2005 (R 04/05) zusammengefasst. Eine Fallgruppe, die
das Bedürfnis des Antragstellers nach einer heimatnahen Versetzung abbilde,
finde sich darin nicht.
Den parallel zum vorliegenden Hauptsacheverfahren gestellten Antrag des An-
tragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat der Senat mit Be-
schluss vom 13. Oktober 2008 - BVerwG 1 WDS-VR 14.08 - abgelehnt.
Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen den Be-
teiligten gewechselten Schriftsätze und der Akten Bezug genommen. Die Be-
schwerdeakten des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - 868/08 und
869/98 -, die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis C, und die
Gerichtsakten BVerwG 1 WB 47.07, BVerwG 1 WDS-VR 10.07, BVerwG 1 WB
35.04, BVerwG 1 WB 39.04, BVerwG 1 WDS-VR 4.04 sowie BVerwG 1 WDS-
VR 14.08 haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag ist als Untätigkeitsantrag gegen eine unterbliebene Beschwerdeent-
scheidung des Bundesministers der Verteidigung zulässig (vgl. zu den Voraus-
setzungen Beschluss vom 4. März 2004 - BVerwG 1 WB 32.03 - insoweit nicht
veröffentlicht in BVerwGE 120,188 = Buchholz 403.11 § 20 BDSG Nr. 1 =
NZWehrr 2007, 165).
Er ist jedoch unbegründet.
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Der (Anfechtungs- und) Verpflichtungsantrag hat keinen Erfolg. Die vom Bun-
desminister der Verteidigung - PSZ I 7 - in der Vorlage an den Senat ausge-
führte Auffassung, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf die gewünschte
Versetzung „in den Raum H.“ habe, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Das hat der Senat hinsichtlich des Haupt- und des Hilfsantrags im Beschluss
vom 13. Oktober 2008 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (BVerwG
1 WDS-VR 14.08), der den Verfahrensbeteiligten bekannt ist, im Einzelnen dar-
gelegt.
Eine neuerliche Prüfung der Sach- und Rechtslage im vorliegenden Hauptsa-
cheverfahren führt zu keiner anderen Beurteilung.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die Begrün-
dung des genannten Beschlusses, an der er festhält. Nach der Übermittlung
dieser Entscheidung an die Verfahrensbeteiligten hat sich der Antragsteller
nicht mehr zur Sache geäußert. Deshalb erübrigen sich weitere Ausführungen
des Senats.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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