Urteil des BVerwG vom 27.05.2009

Amt, Vorbehalt des Gesetzes, Slv, Erstellung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 62.08
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberstleutnant i.G. ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst Reiner und
den ehrenamtlichen Richter Major Holz
am 27. Mai 2009 beschlossen:
Die planmäßige Beurteilung des Antragstellers vom 27.
Juli 2007 und die Beschwerdebescheide des Amtschefs ...
vom 21. Januar 2008 und des Stellvertreters des General-
inspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streit-
kräftebasis vom 28. Mai 2008 werden aufgehoben.
- 2 -
Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesver-
waltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Ver-
fahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden
dem Bund auferlegt.
G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich gegen eine planmäßige Beurteilung. Er sieht sich
unter anderem durch die Anwendung der Richtwertvorgaben, die durch die im
Januar 2007 in Kraft getretenen neuen Beurteilungsbestimmungen eingeführt
wurden, in seinen Rechten verletzt.
Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraus-
sichtlich am 28. Februar 2015. Zum Oberstleutnant wurde er am 18. April 1997
ernannt und mit Wirkung vom 1. August 2003 in eine Planstelle der Besol-
dungsgruppe A 15 eingewiesen. Der Antragsteller wurde im Beurteilungszeit-
raum der hier strittigen Beurteilung auf dem Dienstposten eines Datenverarbei-
tungsorganisationsstabsoffiziers und Referenten beim ...amt ... (...-Amt) in K.
verwendet.
Seine letzte planmäßige Beurteilung nach den „Bestimmungen über die Beurtei-
lungen der Soldaten der Bundeswehr“ vom 13. Mai 1998 (ZDv 20/6 a.F.) hatte
der Antragsteller zum Vorlagetermin 30. September 2005 erhalten. In der Beur-
teilung vom 27. Juli 2005 bewertete der Bereichsleiter ... beim ...-Amt nach der
damaligen siebenstufigen Skala die Leistungen des Antragstellers im Beurtei-
lungszeitraum (Vordruck A, Abschnitt F) bei acht Einzelmerkmalen mit der Wer-
tungsstufe „6“ (Leistungen übertreffen sehr deutlich die Anforderungen) und bei
weiteren acht Einzelmerkmalen mit der Wertungsstufe „7“ (Leistungen überra-
gen in außergewöhnlichem Maß die Anforderungen ); hieraus
ergab sich ein Durchschnittswert von „6,50“. Der Vizepräsident des ...-Amts und
Dienstälteste Offizier beim ...-Amt erklärte in der Stellungnahme des nächsthö-
1
2
3
- 3 -
heren Vorgesetzten vom 29. Juli 2005, die vorzügliche Beurteilung in allen
Punkten zu stützen.
Unter dem 17. Januar 2007 erließ das Bundesministerium der Verteidigung
neue „Bestimmungen über die Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten der
Bundeswehr“ (ZDv 20/6), die die bisherigen Bestimmungen vom Mai 1998 er-
setzten. Der Hauptteil der planmäßigen Beurteilung gliedert sich danach in die
drei Abschnitte „Aufgabenerfüllung auf dem/den Dienstposten“, „Persönlich-
keitsprofil“ und „Verwendung“.
Eine wesentliche Neuerung gegenüber den bisherigen Beurteilungsbestimmun-
gen stellt die Einführung verbindlicher Richtwertvorgaben für die Bewertung der
„Aufgabenerfüllung auf dem/den Dienstposten“ dar. Für die Bewertung der er-
brachten Leistungen sind nunmehr zehn Einzelmerkmale vorgegeben (Nr. 608,
609 Buchst. a ZDv 20/6). Alle Einzelmerkmale sind gleichwertig und unabhän-
gig voneinander anhand einer jetzt neunstufigen Skala - von „1“ (die Leistungs-
erwartungen wurden nicht erfüllt) bis „9“ (die Leistungserwartungen wurden
ständig in außergewöhnlichem Maße übertroffen) - im Leistungsvergleich der
jeweiligen Vergleichsgruppe zu bewerten (Nr. 609 Buchst. b ZDv 20/6). Zu den
Vergleichsgruppen bestimmt Nr. 203 Buchst. a ZDv 20/6:
203.
a.
Terminen
gen:
Beurteilungsjahr
Vorlagetermin
Vergleichsgruppen zu beurtei-
lender Soldatinnen/Soldaten
gera-
der
zum 31. März
- StArzt/StVet/StAp und
OStArzt/OStVet/OStAp
zum 31. März
- Hptm/KptLt
(OffzTrDst - A 11 und A 12
zum 31. März
- Hptm/KpLt
(OffzMilFD - A 11 und A 12)
zum 30. September
- HptFw/HptBtsm und
StFw/StBtsm
un-
gerader
zum 31. März
- Lt/Lt zS und OLt/OLt zS
(OffzTrDst)
zum 31. März
- Lt/Lt zS und OLt/OLt zS
(OffzMilFD)
4
5
- 4 -
zum 30. September
- BrigGen/FltlAdm
zum 30. September
- GenArzt/GenAp
zum 30. September
- Oberste/Kapitäne zur See
(A 16 und B 3)
zum 30. September
- Oberstärz-
te/OberstVet/OberstAp
(A 16 und B 3)
zum 30. September
- Oberstlt (A 15)/FKpt (A 15)
zum 30. September
- OFArzt/OFVet/OFAp
zum 30. September
- Maj/KKpt und Oberstlt (A 14)/
FKpt (A 14)
zum 30. September
- Fw/Btsm und OFw/OBtsm
Für die Bewertung im Leistungsvergleich sieht Nr. 610, 611 ZDv 20/6 das fol-
gende Richtwertesystem vor:
610.
a.
ein annähernd gleicher Bewertungsmaßstab aller Beurteilenden
angestrebt. Zur Schaffung einheitlicher Richtwertvorstellungen
als Ausgangspunkt eines differenzierten und transparenten Be-
urteilungssystems wird für die Beurteilung der Aufgabenerfül-
Richtwertkorridor
80 %
schnittswerte der Aufgabenerfüllung einer definierten Ver-
gleichsgruppe gebildete Mittelwert innerhalb eines Richtwertin-
4,5
zenwerten zu begrenzen, darf der Mittelwert aus den verblei-
20 %
Dieses gilt jeweils sowohl für den Bereich des Bundesministeri-
ums der Verteidigung als auch für den nachgeordneten Be-
reich.
b.
Rahmen ihrer truppendienstlichen Verantwortung die Einhal-
tung der Richtwertvorgaben. Hierzu können sie in ihrem jeweili-
gen Zuständigkeitsbereich ablauforganisatorische Weisungen
erteilen.
c.
Wahl ihres Beurteilungsmaßstabes an dem vorgegebenen
Richtwertkorridor zu orientieren und tragen dadurch zur Einhal-
tung der Vorgaben in jeder Vergleichsgruppe bei. Hierzu stim-
men sie sich mit den Stellung nehmenden Vorgesetzten im Vor-
feld der Beurteilungserstellung ab. Die Unabhängigkeit der be-
urteilenden Vorgesetzten wird durch die Abstimmungsgesprä-
- 5 -
che nicht angetastet. Die Beurteilenden treffen ihre Bewertung
in eigener Verantwortung. Grundsätzlich ist durch die Stellung
nehmenden Vorgesetzten die Einhaltung der Richtwertvorga-
ben zu gewährleisten. Können diese den Richtwert nicht einhal-
ten, müssen sie eine geplante Über- oder Unterschreitung be-
gründen und mit ihrer bzw. ihrem weiteren höheren Vorgesetz-
ten abstimmen. Dieses schließt z.B. das Recht auf Vorlage
anonymisierter Beurteilungsübersichten bereits vor Eröffnung
der Beurteilungen ein.
d.
ist
nicht zulässig.
e.
halten Nr. 203 a. und Nr. 204 a.
f.
Versetzung auf einen höherwertigen Dienstposten bzw. der Be-
förderung in einen höheren Dienstgrad aufgrund der Zugehö-
rigkeit zu einer neuen Vergleichsgruppe nicht mehr uneinge-
schränkt mit denen nachfolgender Beurteilungen zu verglei-
chen. Die oder der Beurteilte muss sich im Rahmen der neuen
Vergleichsgruppe bewähren und regelmäßig mit auf entspre-
chenden Dienstposten erfahreneren Soldatinnen und Soldaten
Ein Anspruch auf Fortschreibung der
Wertungen aus früheren Beurteilungen vor dem Hinter-
grund konstanter Leistungen existiert somit nicht.
611.
a.
berechnet sich wie folgt:
Summe der Wertungen (Einzelmerkmale)
=
Durchschnittswert
Aufgabenerfüllung
Anzahl der bewerteten Einzelmerkmale
b.
sich wie folgt:
Summe aus 80 % der Durchschnittswerte
Aufgabenerfüllung
=
Mittelwert der 80 %
einer Vergleichs-
gruppe
80 % Umfang Vergleichsgruppe
c.
sich wie folgt:
Summe aus 20 % der Durchschnittswerte
Aufgabenerfüllung
=
Mittelwert der 20 %
einer Vergleichs-
gruppe
20 % Umfang Vergleichsgruppe
- 6 -
- 7 -
Für die Durchführung der Abstimmungsgespräche bestimmt Nr. 509 ZDv 20/6:
509.
a.
Monate vor
Abstimmungsge-
spräche
mungen und zur Gewinnung eines umfassenden Bildes durch-
vor
und Eröffnung der Beurteilung reduziert die Notwendigkeit
nachsteuernder Änderungen durch die Stellung nehmenden
Vorgesetzten mit den damit verbundenen Folgen. Sofern für
Soldatinnen und Soldaten fachliche Beurteilungsbeiträge (Nr.
506) erstellt werden, wirken die zuständigen Fachvorgesetzten
beim Abstimmungsprozess mit.
b.
drei Monate
jeweiligen Vorlagetermin der Beurteilung zu führen.
c.
durch die Abstimmungsgespräche nicht berührt.“
Zum Vorlagetermin 30. September 2007 erstellte der Bereichsleiter ... beim ...-
Amt - derselbe Dienstposteninhaber wie bei der Beurteilung zum 30. September
2005 - unter dem 27. Juli 2007 eine am selben Tag eröffnete planmäßige Beur-
teilung für den Antragsteller nach den neuen Beurteilungsbestimmungen. Die
Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten wurde bei fünf Einzelmerkmalen mit
der Notenstufe „5“ (die Leistungserwartungen wurden erfüllt, überwiegend über-
troffen) und bei zwei Einzelmerkmalen mit der Notenstufe „6“ (die Leistungser-
wartungen wurden ständig übertroffen) bewertet; drei Einzelmerkmale wurden
nicht bewertet. Als Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung ergab sich hieraus
ein Wert von „5,29“.
Der Vizepräsident des ...-Amts und Dienstälteste Offizier beim ...-Amt - eben-
falls derselbe Dienstposteninhaber wie bei der Beurteilung zum 30. September
2005 - gab unter dem 1. Oktober 2007 eine Stellungnahme zu der Beurteilung
des Antragstellers ab. Dabei änderte er in der Bewertung der Aufgabenerfüllung
auf dem Dienstposten die Wertung für zwei Einzelmerkmale (Eigenständigkeit,
Belastbarkeit) von „6“ auf „5“ ab; als Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung
6
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- 8 -
ergab sich hierdurch ein Wert von „5,00“. Zur Begründung verwies der Vizeprä-
sident und Dienstälteste Offizier darauf, dass die Korrektur aufgrund der Ein-
ordnung des Antragstellers in die weit überdurchschnittlich leistungsstarke Ver-
gleichsgruppe beim ...-Amt erfolgt sei.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 7. August 2007 legte der An-
tragsteller Beschwerde gegen die Beurteilung ein. Die Beurteilung sei abzuän-
dern, weil die textlichen Festlegungen nicht mit den vergebenen Punkten über-
einstimmten. Auch seien etwaige Quotenvorgaben nicht zu berücksichtigen.
Mit Bescheid vom 21. Januar 2008 wies der Amtschef ... die Beschwerde zu-
rück. Es bestehe kein Widerspruch zwischen der Bewertung der Aufgabenerfül-
lung auf dem Dienstposten und der Beschreibung des Persönlichkeitsprofils.
Die freie Beschreibung charakterisiere den Antragsteller als einen Stabsoffizier,
dessen Profil zu den hohen Ansprüchen eines Dienstpostens der Dotierungs-
höhe A 15 passe. Zur Schaffung einheitlicher Vorstellungen als Ausgangspunkt
eines differenzierten und transparenten Beurteilungssystems seien im Übrigen
für die Beurteilung der Aufgabenerfüllung auf den Dienstposten Richtwerte fest-
gelegt. Die zur Einhaltung dieser Vorgaben vorgesehenen Abstimmungsge-
spräche führten dazu, dass am Ende des Abstimmungsprozesses für jede ein-
zelne Beurteilung ein Abstimmungsergebnis stehe, an das sich die beurteilen-
den Vorgesetzten grundsätzlich zu halten hätten, wenn sie die Einhaltung der
Richtwertvorgaben nicht gefährden wollten. Auf dem Weg dahin hätten alle be-
urteilenden Vorgesetzten die Möglichkeit, die Leistungen der zu Beurteilenden
individuell zu berücksichtigen. Es sei nicht zu erkennen, dass der Antragsteller
durch diese Verfahrensweise benachteiligt worden sei.
Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 1. Februar 2008 weitere
Beschwerde ein. Zur Begründung führte er aus, dass Richtwerte nur als Kon-
kretisierung der Leistungsbewertung zulässig seien, wobei eine hinreichend
große Zahl an Vergleichspersonen vorhanden sein müsse. Das Vorliegen die-
ser Voraussetzungen sei in seinem Fall zumindest zu hinterfragen.
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- 9 -
Mit Bescheid vom 28. Mai 2008 wies der Stellvertreter des Generalinspekteurs
der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis die weitere Beschwerde
zurück. Im ...-Amt sei mit 21 Offizieren eine hinreichend große Vergleichsgrup-
pe der Oberstleutnante (A 15) gegeben gewesen. Zu berücksichtigen sei auch,
dass sich der Dienstälteste Offizier mit dem Amtschef ... abgestimmt habe; in-
soweit habe die Vergleichsgruppe sogar 289 Offiziere umfasst. Erst auf dieser
Ebene seien die Leistungsbewertungen mit dem Ziel eines einheitlichen Bewer-
tungsmaßstabes abschließend abgestimmt worden.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18. Juni 2008 beantragte der An-
tragsteller die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Antrag wurde
vom Inspekteur der Streitkräftebasis mit seiner Stellungnahme vom 4. August
2008 dem Senat vorgelegt.
Zur Begründung trägt der Antragsteller ergänzend insbesondere vor:
Die Anwendung von Richtwerten setze voraus, dass eine hinreichend große
Zahl der zu Beurteilenden als Vergleichsgruppe bestehe, im Großen und Gan-
zen vergleichbare Aufgaben- und Personalstrukturen hinsichtlich Laufbahn und
Besoldungsgruppe vorlägen und geringfügige Über- und Unterschreitungen der
Prozentsätze möglich sein müssten. Diese Voraussetzungen seien vorliegend
nicht eingehalten. So verschweige der Beschwerdebescheid, dass der unmittel-
bare Vorgesetzte, der die Beurteilung erstellt habe, außer ihm, dem Antragstel-
ler, keine weiteren Soldaten der Besoldungsgruppe A 15 habe beurteilen müs-
sen. Der Hinweis, dass im Bereich des ... 289 Offiziere der Besoldungsgruppe
A 15 zu beurteilen gewesen seien, sei unbehelflich, da diese nicht einmal dem
nächsthöheren Vorgesetzten unterstellt gewesen seien. Die Beurteilung sei fer-
ner deshalb aufzuheben, weil sie nicht schlüssig sei. Die freie textliche Bewer-
tung beschreibe das Leistungsbild eines weit über dem Durchschnitt liegenden
Offiziers. Dies decke sich auch mit den vorangegangenen Beurteilungen, nicht
aber mit den Punktwertungen der Einzelmerkmale bei der Aufgabenerfüllung
auf dem Dienstposten. Eine Beurteilung unter Berücksichtigung von Richtwer-
ten scheitere ferner daran, dass der Dienstposten, den er, der Antragsteller,
besetze, von seiner Aufgabenstellung her einzigartig sei, so dass eine Ver-
gleichbarkeit mit anderen Soldaten nicht gegeben sei.
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Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der
Streitkräftebasis beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Es liege im Ermessen des Dienstherrn, Richtwerte für die Leistungsbewertung
als Konkretisierung der von ihm gewollten Beurteilungsmaßstäbe festzulegen.
Mit 21 Personen in der Vergleichsgruppe der Oberstleutnante und Fregattenka-
pitäne der Besoldungsgruppe A 15 sei eine hinreichende Vergleichsgruppen-
größe gegeben gewesen. Die Abstimmungsgespräche hätten unter Leitung des
Dienstältesten Offiziers beim ...-Amt im Februar 2007 stattgefunden. Anders als
in den Beurteilungssystemen der Beamten sei bei der Beurteilung von Soldaten
kein Gesamturteil vorgesehen; die Richtwertvorgaben der ZDv 20/6 würden
sich allein auf die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten beziehen. Ebenfalls
anders als in den Beurteilungssystemen der Beamten würden mit den Richtwer-
ten keine ganzzahligen Wertungen quotiert; durch die Ausgestaltung der Leis-
tungsbewertung könne daher schon bei kleineren Gruppengrößen eine bessere
Differenzierung erreicht werden. Das Verfahren zur Einhaltung der Richtwert-
vorgaben sei ferner so gestaltet, dass sich die beurteilenden Vorgesetzten bei
einer zu geringen Zahl von zu vergleichenden Soldaten zwar zunächst an den
Richtwertvorgaben zu orientieren hätten. Die Richtwerte als solche kämen je-
doch erst zum Tragen, wenn auf der jeweils nächsthöheren Ebene Soldaten in
eine hinreichend große Vergleichsgruppe zusammengefasst werden könnten;
dann sei für die Einhaltung des Richtwerts diese nächsthöhere Ebene zustän-
dig. Dies sei im vorliegenden Fall auf der Ebene des Dienstältesten Offiziers
beim ...-Amt geschehen.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Akten Bezug ge-
nommen. Die Beschwerdeakten des ... - Az.: B 77/07 und B 03/08 - und des
Inspekteurs der Streitkräftebasis - Az.: 25-05-11/19.08 und 39.08 - sowie die
Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei
der Beratung vorgelegen.
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- 11 -
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.
1. Der Antragsteller hat keinen bestimmten Sachantrag gestellt. Sein Rechts-
schutzbegehren ist so auszulegen, dass er beantragt, die planmäßige Beurtei-
lung vom 27. Juli 2007 sowie die Beschwerdebescheide des Amtschefs ... vom
21. Januar 2008 und des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundes-
wehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 28. Mai 2008 aufzuheben.
Gegenstand des Antrags ist die Beurteilung vom 27. Juli 2007
in der Bewertung der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten
(Herabsetzung der Wertung von zwei Einzelmerkmalen von „6“ auf „5“ mit der
Konsequenz einer Verschlechterung des Durchschnittswerts der Aufgabenerfül-
lung von „5,29“ auf „5,00“), die der Vizepräsident des ...amts ...(...-Amt) und
Dienstälteste Offizier beim ...-Amt mit seiner Stellungnahme vom 1. Oktober
2007 vorgenommen hat. Zwar richtete sich die Beschwerde des Antragstellers
vom 7. August 2007, schon aus Gründen der zeitlichen Abfolge, zunächst (nur)
gegen die planmäßige Beurteilung, so wie sie der Bereichsleiter ... beim ...-Amt
als beurteilender Vorgesetzter unter dem 27. Juli 2007 erstellt hat. Sie erfasst
jedoch auch die Änderungen der Beurteilung, die der stellungnehmende Vorge-
setzte während des anhängigen Beschwerdeverfahrens vorgenommen hat, oh-
ne dass es hierfür einer gesonderten Beschwerde oder Erklärung durch den
Antragsteller bedurfte. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob das Schreiben
vom 2. Oktober 2007, mit dem der Antragsteller innerhalb der laufenden Be-
schwerdefrist Einwände gegen die ihm am 1. Oktober 2007 ausgehändigte Stel-
lungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten erhoben hat und das von den be-
teiligten Vorgesetzten (nur) als Gegenvorstellung behandelt wurde, richtiger-
weise als eine zusätzliche Beschwerde gegen die Stellungnahme des nächst-
höheren Vorgesetzten zu bewerten ist. Dahingestellt bleiben kann auch, welche
Konsequenzen zu ziehen wären, wenn der Antragsteller entgegen Nr. 1001
Buchst. b Satz 2 ZDv 20/6 nicht darauf hingewiesen worden sein sollte, dass
durch eine bloße Gegenvorstellung kein Verfahren nach der Wehrbeschwerde-
ordnung eröffnet wird.
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- 12 -
Änderungen einer Beurteilung während eines laufenden Beschwerdeverfahrens
sind nicht nur dann zu berücksichtigen, wenn sie für den beurteilten Soldaten
günstig sind und insofern seiner Beschwerde ganz oder teilweise abhelfen.
Dasselbe gilt vielmehr auch für Änderungen der Beurteilung zum Nachteil des
Soldaten jedenfalls dann, wenn diese - wie hier - durch den stellungnehmenden
Vorgesetzten erfolgt sind. Die Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten
ist - ungeachtet ihres Charakters als selbstständig anfechtbare Maßnahme im
Sinne des § 17 WBO (vgl. zuletzt Beschluss vom 28. April 2009 - BVerwG 1
WB 29.08 - m.w.N.) - ein integraler Bestandteil der regelmäßigen bzw. planmä-
ßigen Beurteilung in dem weiteren Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SLV und Nr.
201 Buchst. a (1) der „Bestimmungen über die Beurteilungen der Soldatinnen
und Soldaten der Bundeswehr“ vom 17. Januar 2007 (ZDv 20/6). Die Stellung-
nahme eröffnet dem nächsthöheren Vorgesetzten die Möglichkeit, vor dem Ab-
schluss des gesamten Beurteilungsverfahrens (Nr. 912 Buchst. a ZDv 20/6) in
alle Abschnitte (Aufgabenerfüllung auf dem/den Dienstposten, Persönlichkeits-
profil, Verwendung) und alle dort getroffenen Wertungen und Einstufungen un-
mittelbar ändernd einzugreifen (vgl. im Einzelnen Nr. 906 Buchst. a und c ZDv
20/6). Für die hier vorliegende Änderung der Wertung von Einzelmerkmalen der
Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten kommt diese „Verzahnung“ der Stel-
lungnahme mit der zugrunde liegenden Beurteilung noch verstärkt dadurch zum
Ausdruck, dass die eigentliche Änderung in die Beurteilung eingetragen (Vor-
druck A, Abschnitt 3.1) und sie in der Stellungnahme lediglich begründet und
ihre rechnerische Konsequenz gezogen wird (Vordruck A, Abschnitte 8.2 und
8.3).
Angesichts dieser Zusammenhänge wäre es gegenüber einem Soldaten, der
bereits gegen die Beurteilung Beschwerde erhoben hat, ein - auch unter dem
Blickwinkel der Garantie des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) -
nicht zu rechtfertigender Formalismus, wenn er, um sein Rechtsschutzbegehren
auf eine vor dem Abschluss des gesamten Beurteilungsverfahrens erfolgte ver-
schlechternde Änderung der angefochtenen Beurteilung zu erstrecken, ge-
zwungen wäre, ein zweites, letztlich sachgleiches oder jedenfalls weitgehend
paralleles Beschwerdeverfahren zu eröffnen. Anders verhält es sich, wenn der
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- 13 -
Soldat originäre Bestandteile der Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetz-
ten, wie insbesondere die Aussagen zum Potenzial und die Entwicklungsprog-
nose (Vordruck A, Abschnitte 8.4 und 8.5), anfechten möchte; in diesem Fall ist
eine zusätzliche Beschwerde gegen die Stellungnahme unerlässlich. Dem An-
tragsteller geht es jedoch nicht um diese letzteren Aspekte, sondern nur um die
Bewertung seiner Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten.
Für die Einbeziehung von Änderungen der Beurteilung durch den stellungneh-
menden Vorgesetzten in das laufende Beschwerdeverfahren spricht im Übrigen
auch, dass die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Beschwerde gegen
die Beurteilung (§ 9 Abs. 1 Satz 1 WBO) von dem an sich zuständigen stel-
lungnehmenden Vorgesetzten auf den ersten Disziplinarvorgesetzten übergeht,
der zur Beurteilung noch nicht Stellung genommen hat (Nr. 1103 Buchst. b ZDv
20/6). Ganz im Sinne der vorstehend dargelegten Grundsätze haben deshalb
auch der - danach für die Beschwerdeentscheidung zuständige - Amtschef ...
und der Inspekteur der Streitkräftebasis in ihren Beschwerdebescheiden die
Änderung der angefochtenen Beurteilung durch die Stellungnahme teils explizit
(z.B. Beschwerdebescheid vom 21. Januar 2008, S. 2: „Die in Nr. 3 vorgenom-
mene Leistungsbewertung bezieht sich auf die Leistungen in der Funktion. Hier
wurden Ihnen mit der Wertung 5 durchweg gute Leistungen bestätigt.“), teils der
Sache nach berücksichtigt und in die Prüfung mit einbezogen.
2. Der Antrag ist zulässig.
Dienstliche Beurteilungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SLV
i.V.m. Nr. 201 ZDv 20/6, die von einem militärischen Vorgesetzten erstellt wor-
den sind (zu dieser Voraussetzung vgl. Beschluss vom 17. März 2009 -
BVerwG 1 WB 77.08 - juris ),
stellen nach ständiger Rechtsprechung des Senats truppendienstliche Maß-
nahmen im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO dar, die vor den Wehrdienstge-
richten angefochten werden können. Zwar findet gemäß § 1 Abs. 3 WBO (in der
insoweit maßgeblichen, bis zum 31. Januar 2009 geltenden Fassung) sowie Nr.
1101 ZDv 20/6 eine Beschwerde gegen die in dienstlichen Beurteilungen ent-
haltenen Aussagen und Wertungen zur Persönlichkeit, Eignung, Befähigung
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- 14 -
und Leistung des Beurteilten nicht statt; derartige Aussagen und Wertungen
sind als höchstpersönliche Werturteile einer inhaltlichen gerichtlichen Prüfung
nicht zugänglich. Ein Soldat kann jedoch eine Beurteilung mit der Begründung
anfechten, sie verstoße gegen Rechte, die ihm in Bezug auf die Erstellung von
Beurteilungen eingeräumt sind (vgl. zum Ganzen Beschlüsse vom 22. Februar
1978 - BVerwG 1 WB 74.77 - BVerwGE 63, 3 <5>, vom 6. März 2001 - BVerwG
1 WB 117.00 - BVerwGE 114, 80 <81> = Buchholz 236.11 § 1a SLV Nr. 15 und
vom 6. Juni 2007 - BVerwG 1 WB 45.06 - m.w.N.). Nr. 1102 Buchst. b ZDv 20/6
weist in diesem Sinne klarstellend darauf hin, dass sich Soldatinnen und Solda-
ten beschweren können, wenn sie glauben, dass bei der Erstellung der Beurtei-
lung, einschließlich der Stellungnahmen, solche Rechte verletzt worden sind,
die ihnen als Garantie für eine sachgerechte Beurteilung nach der Rechtsord-
nung eingeräumt sind. Hiernach ist eine Beschwerde - unter anderem - dann
statthaft, wenn der Beurteilte einen Verstoß gegen die Beurteilungsgrundsätze
nach Nr. 401 bis 409 ZDv 20/6 geltend macht. Das ist hier durch den An-
tragsteller geschehen.
3. Der Antrag ist auch begründet.
Die planmäßige Beurteilung des Antragstellers vom 27. Juli 2007 ist rechtswid-
rig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten. Die Beurteilung und die
Beschwerdebescheide des Amtschefs ... vom 21. Januar 2008 und des Stell-
vertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streit-
kräftebasis vom 28. Mai 2008 sind deshalb aufzuheben (§ 19 Abs. 1 Satz 1
i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO).
Dienstliche Beurteilungen sind in der Sache gerichtlich nur beschränkt nach-
prüfbar. Die Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob der
beurteilende Vorgesetzte den anzuwendenden Begriff der Beurteilung oder den
gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, von ei-
nem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe
nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvor-
schriften verstoßen hat. Hat das Bundesministerium der Verteidigung Richtli-
nien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen, an der sich die Beur-
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- 15 -
teilungspraxis im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG)
ständig orientiert (zur Maßgeblichkeit der tatsächlichen Verwaltungspraxis vgl.
Beschluss vom 28. Mai 2008 - BVerwG 1 WB 19.07 - Buchholz 449 § 3 SG Nr.
44), kann das Gericht ferner prüfen, ob diese Richtlinien eingehalten worden
sind und ob sie mit den normativen Regelungen für Beurteilungen in Einklang
stehen (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 6. März 2001 a.a.O. S. 82, vom 3. Juli
2001 - BVerwG 1 WB 17.01 - Buchholz 236.11 § 1a SLV Nr. 16 und vom 16.
September 2004 - BVerwG 1 WB 21.04 - Buchholz 236.110 § 2 SLV 2002 Nr.
5).
Nach diesen Maßstäben ist die planmäßige Beurteilung des Antragstellers vom
27. Juli 2007 rechtswidrig, weil sie auf der Anwendung eines Richtwertesystems
beruht, für das eine - durch den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes gebo-
tene - normative Grundlage fehlt. Die durch die Beurteilungsbestimmungen vom
17. Januar 2007 (ZDv 20/6) eingeführten Richtwertvorgaben und die ihrer Um-
setzung dienenden Verfahrensregelungen (insbesondere über Abstimmungs-
gespräche) konnten nicht allein auf der Grundlage von Verwaltungsvorschriften
eingeführt werden (vgl. wegen aller Einzelheiten Beschluss vom 26. Mai 2009 -
BVerwG 1 WB 48.07 -
wie auf der Internetseite des Bundesverwaltungsgerichts vorgesehen>).
a) Der vor allem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwi-
ckelte Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes verlangt, dass der Gesetzgeber
in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen
selbst zu treffen hat und nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der
Exekutive überlassen darf. Von der Wesentlichkeit der Entscheidung hängt
auch ab, inwieweit die Regelung unmittelbar in einem Parlamentsgesetz erfol-
gen muss (Parlamentsvorbehalt) oder die Regelung in einer Rechtsverordnung,
die ihrerseits einer gesetzlichen Grundlage bedarf, genügt. Die gegenwärtige
normative Regelung der dienstlichen Beurteilung der Soldaten besteht in mate-
riellrechtlicher Hinsicht allein in der Bestimmung des § 2 Abs. 1 Satz 1 SLV,
wonach Eignung, Befähigung und Leistung der Soldatinnen und Soldaten re-
gelmäßig, oder wenn es die dienstlichen oder persönlichen Verhältnisse erfor-
dern, zu beurteilen sind. Dieses geringe Maß an normativer Steuerung genügt
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den aus dem Vorbehalt des Gesetzes folgenden Anforderungen nur unter der
einschränkenden Voraussetzung, dass die Ermächtigung an das Bundesminis-
terium der Verteidigung, das Nähere durch Erlass zu regeln (§ 2 Abs. 2 Satz 1
SLV), als Ermächtigung (nur) zum Erlass von Beurteilungsbestimmungen ver-
standen wird, die sich an dem herkömmlichen Bild der dienstlichen Beurteilung
orientieren.
Das durch die Beurteilungsbestimmungen vom 17. Januar 2007 eingeführte
Richtwertesystem weicht grundlegend von der herkömmlichen Konzeption der
dienstlichen Beurteilung ab. Die einzelnen Bestandteile des Systems - Richt-
wertvorgaben in Form einzuhaltender Mittelwerte, Vergleichsgruppenbildung,
Durchsetzung der Richtwerte in einem alle militärischen Ebenen übergreifenden
Abstimmungsprozess - führen in ihrem Zusammenwirken zu einer strukturellen
Koppelung aller Beurteilungen innerhalb der jeweiligen Vergleichsgruppe, zu
einer damit einhergehenden Beweglichkeit des Beurteilungsmaßstabs, zu einer
Verlagerung des Gewichts von der individuellen Bewertung zum relativen „Leis-
tungsranking“ und zu einer tendenziellen Umformung der originären Zuständig-
keit des Beurteilenden zum Mitwirkungsrecht an einem Abstimmungsprozess.
Eine solche grundlegende Umgestaltung des Beurteilungssystems ist nicht
mehr von der bestehenden Ermächtigung an das Bundesministerium der Ver-
teidigung, das Nähere durch Erlass zu regeln, gedeckt und bedurfte deshalb
einer normativen, zumindest verordnungsrechtlichen Grundlage, aus der sich
die wesentlichen Elemente des neuen Systems ergeben.
b) Die planmäßige Beurteilung des Antragstellers vom 27. Juli 2007 ist rechts-
widrig und deshalb aufzuheben, weil sie tragend auf der Anwendung des
Richtwertesystems beruht.
Wegen der Größe, Struktur und Verteilung des ...-Amts auf mehrere Standorte
ist hinsichtlich der Zuständigkeit für die Erstellung der Beurteilungen und Stel-
lungnahmen von der Delegationsbefugnis gemäß Nr. 303 Buchst. a ZDv 20/6
Gebrauch gemacht worden (vgl. im Einzelnen die „Regelung der Beurteilungs-
zuständigkeit für Soldaten ...-AmtBw“, Anlage 1 zum Schreiben DO/MilA ...-
AmtBw vom 29. Juni 2007). Der danach für die Beurteilung der in seinem Be-
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reich eingesetzten Offiziere zuständige Bereichsleiter ... beim ...-Amt hatte nur
den Antragsteller als den einzigen ihm unterstellten Stabsoffizier der Besol-
dungsgruppe A 15 zu beurteilen. Auf der Ebene des für die Stellungnahme zu
der Beurteilung zuständigen Dienstältesten Offiziers beim ...-Amt, dessen Funk-
tion der Vizepräsident des ...-Amts innehatte, umfasste die für den Antragsteller
maßgebliche Vergleichsgruppe der Oberstleutnante/Fregattenkapitäne (A 15)
(Nr. 203 Buchst. a ZDv 20/6) 21 Soldaten. Einzelheiten der Bewertung ergeben
sich aus einer anonymisierten Übersicht über die Beurteilungen in der Ver-
gleichsgruppe des Antragstellers, die der Inspekteur der Streitkräftebasis vorge-
legt hat.
Zum Ablauf des Abstimmungsverfahrens hat der Inspekteur der Streitkräfteba-
sis mitgeteilt (Schreiben vom 19. Mai 2009), dass der Dienstälteste Offizier am
5. Februar 2007 alle beurteilenden Vorgesetzten des ...-Amts in die neuen Be-
urteilungsbestimmungen eingewiesen habe; die beurteilenden Vorgesetzten
hätten dabei die Vorgabe erhalten, zum ersten Abstimmungsgespräch die Spit-
zenleute der Vergleichsgruppe zu identifizieren; ferner seien die Abteilungsleiter
und der Leiter des ...-Zentrums um eine abteilungsinterne bzw. zentrumsinterne
Festlegung von Reihenfolgen gebeten worden. Der beurteilende Vorgesetzte
des Antragstellers habe an der Einweisung am 5. Februar 2007 und an den ab-
teilungsinternen Abstimmungsgesprächen teilgenommen. Am 14. und am 21.
Februar 2007 hätten dann die Abstimmungsgespräche auf der Ebene der Abtei-
lungsleiter und des Leiters des ...-Zentrums stattgefunden. Der Dienstälteste
Offizier habe angewiesen, dass die jeweiligen Teilergebnisse über die Abtei-
lungsleiter bzw. den Leiter des ...-Zentrums in deren Zuständigkeitsbereich mit
den jeweiligen beurteilenden Vorgesetzten abgestimmt werden sollten, was
auch geschehen sei. Im Rahmen des Abstimmungsprozesses sei keine Verän-
derung der vorgesehenen Leistungsbewertung des Antragstellers erfolgt. Der
Antragsteller sei von Beginn an der Gruppe zugeordnet worden, deren Durch-
schnittswert nach der „80 %-Regelung“ bei maximal „5,5“ habe liegen dürfen.
Die Reihenfolge der insoweit 17 Offiziere habe nach dem ersten Abstimmungs-
gespräch weitgehend festgestanden. Da allerdings nach Vorlage aller Beurtei-
lungen der maximale Durchschnittswert noch überschritten worden sei, habe
der Dienstälteste Offizier Anpassungen vorgenommen. So habe er sich als stel-
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lungnehmender Vorgesetzter im Rahmen der vergleichenden Betrachtung ent-
schlossen, den Leistungswert des Antragstellers in zwei Einzelmerkmalen zu
verändern und von „5,29“ auf „5,00“ nach unten zu korrigieren.
Die planmäßige Beurteilung des Antragstellers vom 27. Juli 2007 ist damit unter
Anwendung der Richtwertvorgaben zustande gekommen. Nach der Darstellung
des Inspekteurs der Streitkräftebasis beruht die Beurteilung bereits deshalb auf
dem Richtwertesystem, weil davon auszugehen ist, dass sich der Bereichsleiter
... als beurteilender Vorgesetzter bei der Zuordnung des Antragstellers zum „80
%-Bereich“ und dessen Einordnung in die Reihenfolge der 17 Offiziere im
Rahmen der abteilungsinternen Abstimmung von den Richtwertvorgaben hat
leiten lassen. Es lässt sich jedenfalls nicht ausschließen, dass der Bereichslei-
ter ... die Leistungen des Antragstellers ohne die Verpflichtung, sich bezüglich
der Wahl des Beurteilungsmaßstabs an dem vorgegebenen Richtwertkorridor
zu orientieren (Nr. 610 Buchst. c Satz 1 ZDv 20/6), besser bewertet hätte. Dass
die Festlegung der Leistungswerte in den eigentlichen Abstimmungsgesprä-
chen auf Abteilungsleiterebene, an denen der Bereichsleiter ... im Übrigen nicht
teilnahm, einvernehmlich erfolgte, ändert hieran nichts. Der beurteilende Vorge-
setzte ist zwar kraft seiner Unabhängigkeit formal nicht gezwungen, die Ergeb-
nisse der Abstimmungsgespräche zu übernehmen, wenn er diese nicht mitträgt
(vgl. Nr. 509 Buchst. c, Nr. 610 Buchst. c Satz 3 ZDv 20/6); praktisch hat das
Beharren auf einer eigenen, vom Abstimmungsergebnis abweichenden Bewer-
tung in der Regel jedoch nur geringe Erfolgsaussichten, weil es lediglich die
„Notwendigkeit nachsteuernder Änderungen ... mit den damit verbundenen Fol-
gen“ (Nr. 509 Buchst. a Satz 2 ZDv 20/6) - also insbesondere die Ausübung des
Rechts des stellungnehmenden Vorgesetzten, Beurteilungen Einzelner und sol-
che ganzer unterstellter Bereiche mit dem Hinweis auf die Einhaltung der
Richtwertvorgaben im Sinne eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabes aufzu-
heben (Nr. 902 Satz 2 ZDv 20/6) - provoziert.
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Dass die planmäßige Beurteilung des Antragstellers vom 27. Juli 2007 auf der
Anwendung des Richtwertesystems beruht, ist schließlich offenkundig, soweit
es die Änderung der Bewertung von zwei Einzelmerkmalen (Eigenständigkeit,
Belastbarkeit) von „6“ auf „5“ und die hieraus resultierende Herabsetzung des
Durchschnittswerts der Aufgabenerfüllung von „5,29“ auf „5,00“ durch die Stel-
lungnahme des Dienstältesten Offiziers betrifft. Denn diese Herabsetzung ist
ausdrücklich damit begründet worden, dass nach Vorlage aller Beurteilungen
der nach den Richtwertvorgaben maximal zulässige Durchschnittswert noch
überschritten worden sei.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1
Satz 1 WBO (in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Januar 2009, BGBl
I S. 81).
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Wehrbeschwerdeverfahrensrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
SLV
§ 2
WBO
§ 17 Abs. 3
Stichworte:
Dienstliche Beurteilung; Beurteilungsbestimmungen; Bewertung der Aufgaben-
erfüllung auf dem Dienstposten; Beschwerdegegenstand.
Leitsatz:
Eine Beschwerde gegen eine dienstliche Beurteilung erstreckt sich auf Ände-
rungen in der Bewertung der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten, die der
stellungnehmende Vorgesetzte während des Beschwerdeverfahrens vornimmt.
Beschluss des 1. Wehrdienstsenats vom 27. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 62.08