Urteil des BVerwG vom 09.05.2014

Wechsel, Bundesamt, Universität, Ermessen

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 60.13
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberleutnant ...,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 9. Mai 2014 beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt.
Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesver-
waltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Ver-
fahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden
zur Hälfte dem Bund auferlegt.
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G r ü n d e :
I
Der 19.. geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit, dessen Dienstzeitende auf
den 31. Dezember 2019 festgesetzt ist Er wurde zum 3. Januar 2008 für die X
als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes wieder einge-
stellt und dem 77. OAJ mit dem Studiengang Pädagogik zugeordnet. Zurzeit
studiert er an der Universität der Bundeswehr ...
Nach Angaben des Bundesministeriums der Verteidigung - R II 2 - beantragte
der Antragsteller mit einem am 15. Juli 2013 beim Bundesamt für das Perso-
nalmanagement der Bundeswehr eingegangenen Schreiben ohne Datum sei-
nen Wechsel zur Y. Mit Schreiben vom 23. Juli 2013 lehnte das Bundesamt für
das Personalmanagement der Bundeswehr den Antrag ab, weil Anträge auf
Wechsel der Truppengattung bis zum 30. April des letzten Studienjahres zu
stellen seien. Später eingereichte Anträge würden grundsätzlich abgelehnt. An
dieser Regelung werde auch bei Vorliegen eines Tauschpartners festgehalten.
Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers wies das Bundesminis-
terium der Verteidigung - R II 2 - mit Bescheid vom 8. Oktober 2013 als unzu-
lässig zurück. Da der Antragsteller lediglich das Schreiben, mit dem ihm der
Wechsel der Truppengattung versagt worden sei, nicht jedoch seine Verset-
zungsverfügung vom 8. Juli 2013 zur ...schule in ... angegriffen habe, liege eine
ihn unmittelbar beeinträchtigende Maßnahme des Bundesamtes für das Perso-
nalmanagement der Bundeswehr nicht vor. Die Zuordnung zu einer Truppen-
gattung stelle keinen mit der Beschwerde angreifbaren Eingriff in den Rechts-
kreis eines Soldaten dar, sondern lediglich eine Änderung der organisatori-
schen Zuordnung in einer Teilstreitkraft der Bundeswehr.
Dagegen richtete sich der Antrag des Antragstellers auf Entscheidung des Bun-
desverwaltungsgerichts, den das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 -
mit Schreiben vom 4. Dezember 2013 vorgelegt hat.
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Zur Begründung führte der Antragsteller insbesondere aus: Der Antrag sei ge-
richtet auf den begehrten Wechsel zur Y. Die Berufung auf die Antragsfrist sei
ein reiner Formalismus, der dem Fall inhaltlich nicht gerecht werde. Er begehre
den Wechsel der Truppengattung, um weiterhin heimatnah verwendet zu wer-
den, da anderenfalls die Betreuung seiner zwei kleinen Kinder nicht sicherge-
stellt werden könne. Auch wenn es keinen Anspruch auf einen Truppengat-
tungswechsel gäbe, habe er zumindest einen Anspruch auf ermessensfehler-
freie Entscheidung.
Der Bundesminister der Verteidigung hat den Antrag mangels eines entspre-
chenden Rechtsschutzbedürfnisses für unzulässig gehalten. Eine den Antrag-
steller belastende Maßnahme sei ihm gegenüber noch nicht ausgesprochen
worden und dementsprechend auch noch nicht von ihm angefochten. Die allei-
nige Zuordnung zu einer Waffenfarbe bzw. Truppengattung könne keine belas-
tende Wirkung entfalten. Zudem werde ein Großteil der in der Bundeswehr ver-
wendeten Soldaten gar nicht mehr in ihrer Truppengattung oder auf Dienstpos-
ten ihrer Truppengattung verwendet.
Nachdem der vom Antragsteller als Tauschpartner benannte Oberleutnant R.
wegen gesundheitlicher Beschwerden mit Schreiben vom 20. Januar 2014 an
das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr seinen Wechsel
von der derzeitigen Truppengattung Y zur Truppengattung X beantragt hatte,
stimmte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr mit
Schreiben vom 29. Januar 2014 dem Antrag des Antragstellers auf Wechsel der
Truppengattung von der X zur Y im Rahmen einer Einzelfallentscheidung aus
dienstlichem Grund zu. Zur Begründung hieß es: Aufgrund der Möglichkeit, den
Bedarf innerhalb der Truppengattung durch den gleichzeitigen Wechsel eines
„Tauschpartners“ weiter gewährleisten zu können, habe seinem Antrag aus
dienstlichen Gründen entsprochen werden können.
Daraufhin hat der Antragsteller mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom
5. Februar 2014 das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt.
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Das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - hat der Erledigungserklärung
mit Schreiben vom 13. Februar 2014 zugestimmt und vorgeschlagen, die Kos-
ten des Verfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Ak-
ten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidi-
gung - R II 2 – … - und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem
Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend
für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von
§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m.
§ 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für
die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grund-
sätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung
über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen
Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1
VwGO; stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 22. April 2008 - BVerwG 1 WB 4.08 -
m.w.N.).
Billigem Ermessen entspricht es, die dem Antragsteller erwachsenen notwendi-
gen Aufwendungen zur Hälfte dem Bund aufzuerlegen, weil die Erfolgsaussich-
ten des Rechtsschutzbegehrens des Antragstellers - das Bundesministerium
der Verteidigung zu verpflichten, über seinen Antrag auf Wechsel der Truppen-
gattung nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung der Rechtsauffas-
sung des Gerichts zu entscheiden - nach dem bisherigen Sach- und Streitstand
als offen einzuschätzen sind (vgl. zum Grundsatz der hälftigen Kostenteilung
bei offenen Erfolgsaussichten: Beschluss vom 14. Juli 2010 - BVerwG 1 WB
66.09 - Rn. 10).
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Zwar sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Beschlüsse
vom 5. August 2010 - BVerwG 1 WDS-VR 3.10 -, vom 27. Juli 2011 - BVerwG
1 WB 21.11 - und vom 17. Juli 2012 - BVerwG 1 WB 35.12 - Buchholz 450.1
§ 20 WBO Nr. 4 Rn. 17) in der Regel die notwendigen Aufwendungen (vollstän-
dig) dem Bund aufzuerlegen, wenn die übereinstimmenden Erledigungserklä-
rungen darauf beruhen, dass der Antragsteller klaglos gestellt worden ist, indem
der Bundesminister der Verteidigung oder die in seinem Auftrag handelnde
Stelle der Bundeswehr aus eigener Veranlassung dem mit dem Rechtsschutz-
antrag verfolgten Begehren stattgegeben hat. Resultiert dieses Nachgeben bei
gleichgebliebener Sach- und Rechtslage allein aus einer geänderten Rechtsauf-
fassung des Entscheidungsträgers der Bundeswehr, ist es billig, den Bund mit
sämtlichen Aufwendungen des jeweiligen Antragstellers zu belasten (ebenso zu
§ 161 Abs. 2 VwGO: Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 161 Rn. 18
m.w.N.).
Diese Voraussetzung liegt im Fall des Antragstellers indessen nicht vor. Ihm
wurde der begehrte Wechsel der Truppengattung im Verlauf der Anhängigkeit
des Verfahrens beim Bundesverwaltungsgericht gewährt, weil der - allerdings
vom Antragsteller schon früher als Tauschpartner benannte - Oberleutnant R.
erst mit Schreiben vom 20. Januar 2014 an das Bundesamt für das Personal-
management der Bundeswehr im Hinblick auf seine verstärkten gesundheitli-
chen Beschwerden seinerseits den Wechsel der Truppengattung von der Y zur
X beantragt hatte. Nach Auffassung des Bundesministeriums der Verteidigung
- R II 2 - gründet sich diese Entscheidung des Bundesamtes für das Personal-
management der Bundeswehr einzig auf der nunmehr festgestellten, fehlenden
gesundheitlichen Eignung des Oberleutnant R. Die Begründung des Schreibens
des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 29. Ja-
nuar 2014 stellt zwar nur darauf ab, dass der Bedarf innerhalb der Truppengat-
tung durch den gleichzeitigen Wechsel eines Tauschpartners weiter gewährleis-
tet werden kann; es ist aber nicht auszuschließen, dass die dienstlichen Grün-
de, aus denen dem Antrag des Antragstellers nunmehr stattgegeben wurde, in
den gesundheitlichen Beschwerden des Oberleutnant R. zu sehen sind.
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Da die Entscheidung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bun-
deswehr auf einer nachträglichen Änderung der Sachlage, nämlich dem Antrag
des Oberleutnant R. vom 20. Januar 2014 beruht, ist - anders als in den Fällen,
in denen ein Antragsteller ohne Änderung der Sachlage von einer Dienststelle
der Bundeswehr aufgrund ihrer geänderten Rechtsauffassung klaglos gestellt
wird - eine vollständige Kostenbelastung des Bundes nicht geboten.
Es entspricht aber auch nicht der Billigkeit, wegen mangelnder Erfolgsaussich-
ten dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens insgesamt aufzuerlegen. Denn
die Erfolgsaussichten des Antrags sind als offen zu bezeichnen.
Das Bundesministerium der Verteidigung - R II 2 - hält die Beschwerde des An-
tragstellers gegen die ursprüngliche Ablehnung seines Antrags auf Wechsel der
Truppengattung durch das Bundesamt für das Personalmanagement der Bun-
deswehr und den Antrag auf gerichtliche Entscheidung für unzulässig, weil dem
Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Der Antragsteller müsse sich
gegen seine Versetzung wenden, die Zuordnung zu einer Truppengattung kön-
ne keine ihn belastende Wirkung entfalten.
Ob hier eine Versetzungsverfügung vorliegt, gegen die der Antragsteller sich
hätte beschweren können, ist nicht eindeutig. Zwar befindet sich in seiner Per-
sonalakte eine Verfügung, der zufolge er mit Dienstantritt am 23. September
2013 von seinem Dienstpostenähnlichen Konstrukt (...) an der Universität der
Bundeswehr in ... auf ein Dienstpostenähnliches Konstrukt an der ...schule in ...
versetzt wird. Es befindet sich dort aber auch eine Verfügung vom 27. Novem-
ber 2013, mit der der Antragsteller von eben dem Dienstpostenähnlichen Kons-
trukt ... an der Universität der Bundeswehr in ... mit Wirkung vom 1. Oktober
2013 auf ein Dienstpostenähnliches Konstrukt (...) ebenfalls an der Universität
der Bundeswehr in ... versetzt wird. Seine voraussichtliche Verwendungsdauer
dort ist mit 31. Dezember 2014 angegeben. Auch das Bundesministerium der
Verteidigung geht in seinem Vorlageschreiben vom 4. Dezember 2013 - anders
als in seinem Beschwerdebescheid vom 8. Oktober 2013 - davon aus, dass
eine Versetzung dem Antragsteller gegenüber noch nicht ausgesprochen wur-
de.
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Rechtsprechung des Senats zur Frage der Beschwerdefähigkeit der Ablehnung
eines Antrags auf Wechsel der Truppengattung gibt es, soweit ersichtlich, nicht.
Der Senat hat bisher lediglich entschieden, dass der Wechsel der Teilstreitkraft
oder des Uniformträgerbereichs eine anfechtbare dienstliche Maßnahme dar-
stellt (vgl. Beschluss vom 15. Juli 2008 - BVerwG 1 WB 46.07 - Buchholz 449
§ 82 SG Nr. 3 Rn. 17 f. = NZWehrr 2009, 31 f.). Die Frage, ob die Ablehnung ei-
nes Begehrens auf Wechsel der Truppengattung einer materiellen Prüfung
durch den Senat zugänglich ist, ist eine ungeklärte nicht einfache Rechtsfrage,
für deren Beantwortung im Rahmen der hier nur noch zu treffenden Kostenent-
scheidung kein Raum ist.
Vor diesem Hintergrund ist offen, ob das Begehren des Antragstellers in der
Sache hätte Erfolg haben können.
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Dr. Frentz
Dr. Langer
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