Urteil des BVerwG vom 27.11.2007

Genfer Abkommen, Prüfung der Sache, Befehl, Überprüfung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 58.06, 1 WB 64.06
In den Wehrbeschwerdeverfahren
der Frau Hauptfeldwebel ... E.,
...amt der Bundeswehr, M.,
- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...,
... -
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz als Vorsitzende,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberfeldarzt Bosse und
den ehrenamtlichen Richter Hauptfeldwebel Vieth
am 27. November 2007 beschlossen:
Die Anträge werden zur gemeinsamen Entscheidung ver-
bunden.
Die Anträge werden als unzulässig verworfen.
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G r ü n d e :
I
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Übermittlung einer von ihr erhobenen
Beschwerde zur weiteren Bearbeitung und Bescheidung an eine ihrer Ansicht
nach unzuständige Stelle (BVerwG 1 WB 58.06) sowie gegen Befehle und
Weisungen zum Einsatz von Sanitätssoldaten des Deutschen Einsatzkontin-
gents ISAF für die Lagersicherung des Camp W. in K., die sie für völkerrechts-
widrig hält (BVerwG 1 WB 64.06).
Die 1970 geborene Antragstellerin ist Berufssoldatin; ihre Dienstzeit wird vor-
aussichtlich am 31. Januar 2024 enden. Zum Hauptfeldwebel wurde sie am
1. April 2000 befördert. Gegenwärtig leistet sie Dienst im ...amt der Bundeswehr
in M.
1. In der Zeit vom 24. Februar bis 27. April 2005 nahm die Antragstellerin an ei-
nem Auslandseinsatz in Afghanistan teil. Sie gehörte der Klinikkompanie des
Sanitätseinsatzverbands des ... Deutschen Einsatzkontingents ISAF an und war
als Teileinheitsführerin der Operationsgruppe und Chirurgischen Ambulanz im
Feldlazarett des Feldlagers Camp W., K., eingesetzt. Ihre Kommandierung
wurde mit Bescheid des Kommandeurs des ... Deutschen Einsatzkontingents
ISAF vom 23. April 2005 aus dienstlichen Gründen vorzeitig beendet.
Am 21. April 2005 hatte der Kommandeur des Sanitätseinsatzverbands des
... Deutschen Einsatzkontingents ISAF gegen die Antragstellerin eine Diszipli-
narbuße in Höhe von 800 € verhängt, deren Tenor wie folgt lautete:
„Sie hat am 16.04.2005 in Camp W., K. AFG, vor der
Hauptwache am Maingate gegen 5:50 Uhr beim Antritt
des Sicherungsdienstes in der Feldlagersicherung Camp
W., zu dem sie sich am 10.04.2005 freiwillig gemeldet hat-
te, mit angelegter Rotkreuzarmbinde gegenüber dem Si-
cherungszugführer, OLt R., darauf hingewiesen, dass sie
das Schutzzeichen trage, also Nichtkombattant sei und
daher nicht im Sicherungsdienst eingesetzt werden dürfe.
Daraufhin zeigte sie dem Sicherungszugführer, OLt R., ih-
re Rotkreuzarmbinde und ihren Neutralitätsausweis und
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forderte ihn auf, ihr die Unterlagen über die Befehlsge-
bung zum Einsatz von Sanitätssoldaten in der Sicherung
Camp W. herauszusuchen und den Rechtsberater zur
Klärung des Sachverhaltes zu kontaktieren. Des weiteren
gab sie auf die Frage des Sicherungszugführers, OLt R.,
weshalb sie überhaupt zum Dienst erschienen sei, wenn
sie diesen ohnehin nicht ausführen dürfe, an, dass sie nur
deshalb erschienen sei, weil sie zu diesem Dienst einge-
teilt wurde. Sie hat mit ihrem Verhalten den Sicherungs-
zugführer, OLt R., verunsichert und von seinen Aufgaben
abgehalten und so den ordnungsgemäßen Ablauf des Si-
cherungsdienstes behindert, was gegen 08:30 Uhr zu ihrer
Herauslösung aus dem Sicherungsdienst führte. Sie hat
gleichzeitig als Vorgesetzte durch ihr Verhalten gegenüber
den anderen Soldaten ein schlechtes Beispiel gegeben.“
Die gegen diese Disziplinarmaßnahme eingelegte Beschwerde der Antragstel-
lerin wies der Chef des Stabes des ... Deutschen Einsatzkontingents ISAF mit
Bescheid vom 30. April 2005 zurück. Mit Beschluss vom 30. August 2005 (Az.:
S 10 BLc 4/05) wies das Truppendienstgericht Süd, ... Kammer, auch die weite-
re Beschwerde der Antragstellerin zurück.
2. Mit Schreiben vom 13. April 2005 wandte sich die Antragstellerin an den da-
maligen Kompaniechef der ...kompanie des Sanitätseinsatzverbands des
... Deutschen Einsatzkontingents ISAF, ihren Ehemann, und bat diesen „um ei-
ne Überprüfung der Befehle zum Wach- und Sicherungsdienst der multinatio-
nalen Streitkräfte durch das vor Ort befindliche Sanitätspersonal der Bundes-
wehr zur Lagersicherung Camp W. K. auf dessen Rechtsverbindlichkeit auf der
Grundlage des Genfer Abkommens vom 12. August 1949“. Die Durchführung
der Wach- und Sicherungsdienste durch das Sanitätspersonal der Bundeswehr
verstoße gegen das Völkerrecht.
Unter dem 9. Juli 2005 erhob die Antragstellerin Beschwerde zum Chef des
Stabsquartiers des ...amts der Bundeswehr, weil ihr Antrag vom 13. April 2005
bisher weder durch den Kommandeur des Sanitätseinsatzverbands noch durch
den Kommandeur des ... Deutschen Einsatzkontingents ISAF beschieden wor-
den sei. Dieser Beschwerde gab der Chef des Stabes des ... Deutschen
Einsatzkontingents ISAF mit Bescheid vom 22. August 2005 statt und wies den
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G 2 des ... Deutschen Einsatzkontingents ISAF an, den Antrag vom 13. April
2005 zu bescheiden.
Mit Bescheid vom 22. August 2005 teilte der G 2 des ... Deutschen Einsatzkon-
tingents ISAF der Antragstellerin mit, dass es keine rechtlichen Gründe gebe,
die dem Einsatz von Sanitätspersonal in der Lagersicherung entgegenstünden.
Dies sei dem Kontingent von der Abteilung RB des Einsatzführungskommandos
der Bundeswehr in der Täglichen Weisung vom 28. April 2005 mitgeteilt
worden. Der Einsatz dürfe nur der Feldlagersicherung dienen, das Schutzzei-
chen „Rotes Kreuz“ sei dabei nicht zu tragen. Diese Auffassung sei auch mit
dem Genfer Abkommen vereinbar, da dieses nur bei einem bewaffneten Kon-
flikt gelte, der in Afghanistan zurzeit nicht vorliege.
Die Antragstellerin legte mit Schreiben an den Chef des Stabsquartiers des
...amts der Bundeswehr vom 9. September 2005 gegen diesen Bescheid Be-
schwerde ein, die sie unter dem 15. September 2005 ausführlich begründete.
Das ...amt der Bundeswehr übersandte die Beschwerde unter dem
20. September 2005 „zuständigkeitshalber zur weiteren Bearbeitung“ an das
Einsatzführungskommando der Bundeswehr. Mit Telefax vom 23. September
2005 übermittelte der J 1/InFü des Einsatzführungskommandos der Bundes-
wehr den Vorgang an den Kommandeur des ... Deutschen Einsatzkontingents
ISAF. Nach interner Weiterleitung an den Chef des Stabes des ... Deutschen
Einsatzkontingents ISAF wies dieser mit Bescheid vom 27. September 2005 die
Beschwerde zurück; der Bescheid des G 2 des ... Deutschen Einsatzkontin-
gents ISAF vom 22. August 2005 sei auf der Grundlage der gültigen Weisungs-
lage ergangen und rechtlich nicht zu beanstanden.
Die von der Antragstellerin hiergegen erhobene weitere Beschwerde wies der
Kommandeur des ... Deutschen Einsatzkontingents ISAF mit Bescheid vom
16. Februar 2006 zurück. Die weitere Beschwerde sei unzulässig, weil die von
der Antragstellerin erbetene Rechtsauskunft keine anfechtbare Maßnahme dar-
stelle. Die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage sei der Wehrbeschwerdeord-
nung fremd.
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Den Antrag der Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung wies das Trup-
pendienstgericht Süd, ... Kammer, mit Beschluss vom 10. Mai 2006 (Az.:
S 10 BLa 1/06) zurück. Es fehle an einer persönlichen Beschwer der Antrag-
stellerin. Die Befehle zum Wach- und Sicherungsdienst zur Sicherung des Feld-
lagers Camp W. seien nicht unmittelbar an die Antragstellerin gerichtet und
diese daher nicht unmittelbar betroffen. Die Antragstellerin könne sich auch
nicht darauf berufen, dass sie am 10. April 2005 eine Einweisung in den Wach-
und Sicherungsdienst erhalten habe und am 16. April 2005 zum Sicherungs-
dienst eingeteilt worden sei. In dem rechtskräftig abgeschlossenen Disziplinar-
verfahren sei festgestellt worden, dass die Antragstellerin als Angehörige einer
OP-Gruppe gar nicht zum Sicherungsdienst herangezogen worden wäre und es
zu der damaligen Einteilung nur deshalb gekommen sei, weil sie sich freiwillig
gemeldet habe. Im Übrigen habe die Antragstellerin auf ihren Antrag vom
13. April 2005 eine Antwort auf ihre Rechtsfrage bekommen; dass dort nicht die
von ihr gewünschte Rechtsauffassung vertreten worden sei, sei unerheblich.
Mit Schreiben vom 6. Oktober 2005 erhob die Antragstellerin Beschwerde da-
gegen, dass ihre Beschwerde vom 9. September 2005 (gegen den Bescheid
des G 2 des ... Deutschen Einsatzkontingents ISAF) zur weiteren Bearbeitung
und Erstellung des Beschwerdebescheids vom Einsatzführungskommando der
Bundeswehr an den ihrer Ansicht nach unzuständigen Kommandeur des Deut-
schen Einsatzkontingents ISAF weitergegeben worden sei.
Mit Bescheid vom 17. November 2005 wies der Stellvertreter des Generalin-
spekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis die Beschwerde
zurück. Die Beschwerde sei unstatthaft, weil ersichtlich rechtsmissbräuchlich.
Die von der Antragstellerin erbetene und vom G 2 des Deutschen Einsatz-
kontingents ISAF erteilte Rechtsauskunft stelle keine nach der Wehrbeschwer-
deordnung anfechtbare Maßnahme dar. Da die Antragstellerin ihr Schreiben
vom 9. September 2005 jedoch als Wehrbeschwerde formuliert habe, sei nicht
zu erkennen, warum dessen - zugunsten der Antragstellerin erfolgte - Behand-
lung als Beschwerde als fehlerhaft zu rügen sei. Es könne nicht unterstellt wer-
den, die Antragstellerin habe nicht gewusst, dass sich der Vorgesetzte des G 2
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des Deutschen Einsatzkontingents ISAF ebenfalls beim Deutschen Einsatzkon-
tingent in Afghanistan befinde. Auffällig sei, dass die Antragstellerin eine Wehr-
beschwerde neutral bei ihrem nächsten Disziplinarvorgesetzten einlege und die
anschließende Weiterleitung auf dem Dienstweg willkürlich bis zu einem be-
stimmten Punkt akzeptiere, dann aber im Widerspruch dazu im Nachhinein von
einer völlig berechtigten Weiterleitung beschwert sein wolle.
Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben an den Bundesminister der
Verteidigung vom 2. Dezember 2005 weitere Beschwerde ein, die sie unter dem
9. Dezember 2005 und 16. Januar 2006 ausführlich begründete. Auf Nachfrage
durch den Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - erklärte die
Antragstellerin mit Schreiben vom 22. Februar 2006, dass sie eine Beschwer-
deentscheidung durch das Bundesministerium der Verteidigung wünsche. Mit
Schreiben vom 30. August 2006 an das Bundesministerium der Verteidigung
beantragte die Antragstellerin, nachdem ihre Beschwerde trotz ihrer Nachfrage
vom 16. Juni 2006 nicht bearbeitet worden sei, die Entscheidung des Bundes-
verwaltungsgerichts. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 3. November
2006 an das Bundesverwaltungsgericht beschwerte sich die Antragstellerin
nochmals über die Untätigkeit bei der Bearbeitung ihrer (weiteren) Beschwerde
vom 2. Dezember 2005.
Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - wertete die Untätigkeitsbe-
schwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung und legte ihn zusammen mit
seiner Stellungnahme vom 15. November 2006 dem Senat vor.
Zur Begründung ihres Antrags trägt die Antragstellerin insbesondere vor:
Der Kommandeur des Deutschen Einsatzkontingents ISAF habe mit dem „Be-
fehl für die Sicherung Feldlager Camp W. Az.: 12-11-00 Kdr DtEinsKtgt ISAF
vom 12.09.2004“ rechtswidrig den Sicherungsdienst durch das dadurch be-
schwerte Sanitätspersonal vor Ort veranlasst. Auf diesen Befehl vom
12. September 2004 verweise der für den Sanitätseinsatzverband verbindliche
„Befehl für die Abstellung von Sicherungssoldaten zur Sicherung des Feldlagers
Camp W.“ vom 11. Dezember 2004. Aus dem Befehl vom 11. Dezember 2004
gehe hervor, dass der Sanitätseinsatzverband Sicherungskräfte als Per-
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sonalersatz mit Kampfbeladung zu stellen habe. Ferner würden sich daraus
auch die Absprachen zwischen dem G 2 und dem stellvertretenden Komman-
deur und G 3 San ergeben. Auffällig sei die Verweisung auf den Befehl vom
12. September 2004, ohne dass dort der Einsatz des Sanitätseinsatzverbands
zum Sicherungsdienst Erwähnung gefunden habe. Dieses Unterlaufen der Be-
fehlslage vom 12. September 2004 habe also nicht von der Dienstaufsicht er-
fasst werden sollen, woraus sich ein eindeutiger Eingriff in die vom Soldatenge-
setz geschützte Rechtssphäre jedes einzelnen Sanitätssoldaten und damit auch
in die der Antragstellerin ergebe. Die Beschwerde der Antragstellerin habe der
Überprüfung der rechtswidrigen Befehle durch das Einsatzführungskommando
als übergeordneter Dienststelle gegolten. Der Befehlshaber des
Einsatzführungskommandos habe sich jedoch zu Lasten der Sanitätssoldaten
seiner Pflicht zur Dienstaufsicht und zur Überprüfung des Befehls des Kom-
mandeurs des Deutschen Einsatzkontingents entzogen.
Die Antragstellerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids des Stellvertreters des
Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der
Streitkräftebasis vom 17. November 2005 festzustellen,
dass die Bearbeitung der Beschwerde durch den Kom-
mandeur des Deutschen Einsatzkontingents ISAF und
dessen unterstellten Bereich rechtswidrig war.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antrag sei unzulässig, weil die Wehrbeschwerdeordnung keine Regelung
enthalte, die eine Überprüfung auf das Vorliegen von - angeblichen - Verfah-
rensfehlern im Rahmen eines isolierten Beschwerdeverfahrens ermögliche.
Unabhängig davon sei die Vorgehensweise des Einsatzführungskommandos
der Bundeswehr, den Rechtsbehelf der Antragstellerin vom 9. September 2005
an den Kommandeur des ... Deutschen Einsatzkontingents ISAF weiterzuleiten,
nicht zu beanstanden. Ein Verfahrensfehler könne allenfalls in dem Umstand
erblickt werden, dass der Chef des Stabes des ... Deutschen Einsatzkontin-
gents ISAF mit Bescheid vom 22. August 2005 der Untätigkeitsbeschwerde der
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Antragstellerin stattgegeben habe. Die Bescheidung der Untätigkeitsbeschwer-
de hätte vielmehr dem Kommandeur des Sanitätseinsatzverbands als dem
truppendienstlichen Vorgesetzten des „untätigen“ Kompaniechefs der Klinik-
kompanie oblegen; dieser hätte der Antragstellerin auch das Ergebnis der
Überprüfung der Befehle zum Wach- und Sicherungsdienst mitzuteilen gehabt.
Über eine hiergegen gerichtete weitere Beschwerde der Antragstellerin hätte
sodann der Kommandeur des ... Deutschen Einsatzkontingents ISAF als trup-
pendienstlicher Vorgesetzter des Kommandeurs des Sanitätseinsatzverbands
entscheiden müssen. Vor diesem Hintergrund sei die Antragstellerin gehalten
gewesen, die Entscheidung über ihre Untätigkeitsbeschwerde vom 9. Juli 2005
durch den hierfür nicht zuständigen Chef des Stabes des ... Deutschen
Einsatzkontingents ISAF, durch die sie zugleich über dessen an den G 2 ge-
richtete Weisung zur Bescheidung ihres Antrags vom 13. April 2005 unterrichtet
worden sei, anzugreifen und die Entscheidung über einen entsprechenden
Rechtsbehelf bei dem Kommandeur des ... Deutschen Einsatzkontingents ISAF
herbeizuführen. Das habe die Antragstellerin jedoch unterlassen und sich statt-
dessen gegen das Schreiben des G 2 des ... Deutschen Einsatzkontingents
vom 22. August 2005 gewandt, das sie für inhaltlich falsch gehalten habe. Als
nächster Vorgesetzter des G 2 habe der Chef des Stabes des ... Deutschen
Einsatzkontingents ISAF diese Beschwerde zurückgewiesen. Nach alledem sei
das Einsatzführungskommando der Bundeswehr für die Entscheidung über den
Rechtsbehelf vom 9. September 2005 in keinem Falle zuständig gewesen.
Letztlich könne dies jedoch wegen der vom Truppendienstgericht Süd bereits in
der Sache getroffenen verfahrensbeendenden Entscheidung dahingestellt blei-
ben.
Mit Schreiben vom 4. November 2005 erhob die Antragstellerin Beschwerde
gegen den Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr
wegen in seinem Auftrag erteilter völkerrechtswidriger Befehle. Dem Sanitäts-
personal des ... Deutschen Einsatzkontingents ISAF seien die folgenden völker-
rechtswidrigen Weisungen mit bindendem Befehlscharakter erteilt worden:
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„1. Die Bestimmungen des Humanitären Völkerrechts/
Genfer Abkommen und deren Anwendung gelten nicht für
das Sanitätspersonal deutscher Anteil ISAF in Afghanis-
tan, K. und Umgebung während der nahezu täglichen in-
ternational bewaffneten Konflikte und jedes anderen be-
waffneten Konflikts (kriegsähnliche Bedingungen) in Af-
ghanistan, Kabul und Umgebung.
2. Die Angehörigen des Sanitätspersonals deutscher An-
teil ISAF werden seit Dezember 2004 als Sicherungssol-
daten der Infanterie - als Personalersatz für den georgi-
schen Sicherungszug der Infanterie der multinationalen
Schutztruppe ISAF - und als Kombattanten bei den multi-
nationalen Streitkräften der ISAF Schutztruppe/Infanterie
in der Sicherung eingesetzt - umgeflaggt - und gleichzeitig
ist dem Sanitätspersonal deutscher Anteil ISAF der Status
Nicht-Kombattant mit dessen Rechten und Pflichten aber-
kannt worden.
3. Die Anwendung militärischer Gewalt ist dem Sanitäts-
personal deutscher Anteil ISAF über ihr legitimes Recht
gemäß GA I hinaus befohlen worden - im Rahmen der ak-
tiven Teilnahme des Sanitätspersonals deutscher Anteil
ISAF an bewaffneten Konflikten i.S. von Kampfhandlun-
gen.
4. Befohlen wurde die Entfernung der Rot-Kreuz-Schutz-
Zeichen/Trageverbot der Rot-Kreuz-Armbinden für das
Sanitätspersonal der Streitkräfte deutscher Anteil ISAF -
sowohl generell als auch bei der sanitätsdienstlichen Be-
gleitung/Versorgung der Streitkräfte der ISAF Schutztrup-
pe in K. und Umgebung.“
Sie, die Antragstellerin, sei als Angehörige des Sanitätspersonals im ... Deut-
schen Einsatzkontingent ISAF hiervon betroffen gewesen und zu völkerrechts-
widrigen Handlungen gezwungen worden.
Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der
Streitkräftebasis wies die Beschwerde mit Bescheid vom 6. Januar 2006 zu-
rück. Die Beschwerde sei schon deshalb unzulässig, weil sie die Zwei-Wochen-
Frist des § 6 WBO nicht einhalte. Weitere Zulässigkeitsfragen, wie etwa
Rechtsmissbrauch, anderweitige Bescheidung oder Anhängigkeit derselben
Fragen könnten dahinstehen.
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Mit Schreiben vom 17. Januar 2006 legte die Antragstellerin hiergegen beim
Bundesminister der Verteidigung weitere Beschwerde ein. Unter dem 27. Okto-
ber 2006 beantragte sie, nachdem ihre Beschwerde trotz ihrer Nachfrage vom
6. Oktober 2006 nicht bearbeitet worden sei, die Entscheidung des Bundesver-
waltungsgerichts. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten an das Bundesverwal-
tungsgericht vom 3. November 2006 beschwerte sich die Antragstellerin auch in
dieser Sache nochmals wegen der Untätigkeit bei der Bearbeitung der Be-
schwerde durch das Bundesministerium der Verteidigung.
Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - wertete die Untätigkeitsbe-
schwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung und legte ihn zusammen mit
seiner Stellungnahme vom 15. November 2006 dem Senat vor.
Zur Begründung ihres Antrags führt die Antragstellerin insbesondere aus:
Die Beschwerde sei fristgerecht erhoben worden, weil sie, die Antragstellerin,
erst durch das Schreiben des Chefs des Stabes des ... Deutschen Einsatzkon-
tingents ISAF vom 27. September 2005 am 2. November 2005 Kenntnis von
den völkerrechtswidrigen Befehlen des Einsatzführungskommandos erhalten
und festgestellt habe, dass sie selbst hiervon nachteilig betroffen gewesen sei.
Es fehle auch nicht an einer Beschwer; vielmehr sei sie in der Zeit vom 16. bis
26. April 2005 unmittelbar von den völkerrechtswidrigen Befehlen betroffen ge-
wesen.
Der sich aus den Befehlen und Weisungen des Einsatzführungskommandos
ergebende Befehl des Sanitätseinsatzverbands für die Abstellung von Siche-
rungssoldaten zur Sicherung des Feldlagers Camp W. vom 11. Dezember 2004
und der Befehl des Kommandeurs des Deutschen Einsatzkontingents ISAF für
die Sicherung Feldlager Camp W. vom 12. September 2004 regelten operative
Aufgaben der Streitkräfte. Demnach handele es sich nicht um eine Bewachung
im Sinne eines „Wachdienstes“ wie bei einer Kaserne auf dem Gebiet der Bun-
desrepublik Deutschland im Frieden. „Sicherungsdienst“ habe vielmehr den
Zweck, die eigene Truppe vor Überraschung durch den Feind zu schützen und
erfolge nur bei bewaffneten Konflikten. Sicherungsaufgaben würden von „Si-
cherungssoldaten“ - „Kombattanten“ - wahrgenommen, die voll ausgebildete
Kampfsoldaten seien. Soldaten des Sanitätsdienstes der Bundeswehr würden
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hingegen weder im Frieden noch im Krieg zum „Dienst mit der Waffe“ einge-
setzt; sie seien allein für die sanitätsdienstliche Versorgung und Betreuung der
Soldaten verantwortlich und hätten Verwundeten zu helfen. Nach den „Rules of
Engagement“ für die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der
ISAF-Truppe hätten Infanteriekräfte, Fallschirmjäger und Gebirgsjäger zur Si-
cherung des Feldlagers eingesetzt werden müssen.
Die Antragstellerin sei nach dem Einteilungsplan vom 16. April 2005 im Rahmen
eines Diensttausches in den deutsch-türkischen Sicherungszug befohlen
worden. Sie habe im Sicherungsdienst - entgegen dem offiziellen Befehl vom
12. September 2004 - die Weisung erhalten, weibliche lokale Ortskräfte und
weibliche Besucher, konkret: mögliche Selbstmordattentäterinnen oder Terro-
ristinnen, u.a. auf Munition und Sprengstoff zu durchsuchen und bei Gefähr-
dung zu bekämpfen. Weil sie Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Befehlsge-
bung gegenüber dem Sicherungszugführer geäußert habe, sei sie mit einer
Disziplinarmaßnahme belegt worden. In Friedenseinsätzen seien Soldaten der
Bundeswehr ausdrücklich per Dienstvorschrift auf die Regeln des humanitären
Völkerrechts verpflichtet. Deshalb würden zum Beispiel im Kosovo und Bosnien
keine Sanitäter zur Durchsuchung eingesetzt, weil im Hinblick auf die Regeln
des Ersten Genfer Abkommens und des Zusatzprotokolls I verbrieft sei, dass
Sanitäter nicht zu operativen Aufgaben herangezogen werden dürften.
Der Kommandeur und Leitende Sanitätsoffizier des Sanitätseinsatzverbands
habe wegen der genannten Befehle das Tragen des Rot-Kreuz-Schutzzeichens
sowohl bei der sanitätsdienstlichen Begleitung/Versorgung als auch im Siche-
rungsdienst ausschließlich den deutschen Sanitätssoldaten des multinationalen
Sanitätseinsatzverbands im Camp W. untersagt. Gebrauch und Entfernen des
Rot-Kreuz-Schutzzeichens nach Belieben des jeweiligen deutschen Entschei-
dungsträgers stelle einen Missbrauch des Schutzzeichens dar. Die Statusände-
rung der deutschen Sanitätssoldaten zu „Kombattanten“, um sie für den Dienst
an der Waffe bei der Sicherung und Verteidigung eines Militärlagers einsetzen
zu können, sei rechtswidrig.
Die Antragstellerin sei nach der Disziplinarmaßnahme weiteren Repressalien
ausgesetzt; dies rechtfertige den Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrig-
keit der Befehle des Einsatzführungskommandos zur Lagersicherung durch
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Sanitätssoldaten. Zudem sei nicht ausgeschlossen, dass ihr in entsprechenden
Situationen ähnliche rechtswidrige Befehle und Weisungen erteilt würden.
Die Antragstellerin beantragt,
festzustellen, dass die Befehle und Weisungen mit bin-
dendem Befehlscharakter des Einsatzführungskomman-
dos zum Einsatz von Sanitätssoldaten des Deutschen
Einsatzkontingents ISAF für die Lagersicherung des Camp
W. in K. rechtswidrig waren.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antrag sei unzulässig. Einer Sachentscheidung über das Begehren der An-
tragstellerin stehe - neben der in dem Beschwerdebescheid genannten Verfris-
tung des Rechtsbehelfs - das Fehlen einer Beschwer entgegen. Bereits nach
dem Sachvortrag der Antragstellerin komme ein unmittelbarer Eingriff in ihren
Rechtskreis durch die Befehlsgebung des Befehlshabers des Einsatzführungs-
kommandos der Bundeswehr gegenüber dem Deutschen Einsatzkontingent
ISAF unter keinen Umständen in Betracht. Die beanstandete Befehlsgebung
entfalte unmittelbare rechtliche Relevanz ausschließlich im Rahmen bestehen-
der Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnisse zwischen den Sanitätssoldaten,
die im Deutschen Einsatzkontingent ISAF in Afghanistan verwendet würden,
sowie den ihnen in diesem Einsatz vorgesetzten militärischen Führern, die sie
zur Feldlagersicherung einsetzten. Dies sei im Übrigen auch Gegenstand des
von der Antragstellerin beim Truppendienstgericht Süd geführten, durch Be-
schluss vom 10. Mai 2006 beendeten Wehrbeschwerdeverfahrens gewesen,
das einer erneuten Sachprüfung als Prozesshindernis entgegenstehe.
Unabhängig davon sei festzustellen, dass sich die Bundesrepublik Deutschland
durch die Teilnahme am ISAF-Einsatz weder in einem internationalen bewaff-
neten Konflikt befinde noch Partei eines nicht internationalen Konflikts sei. Eine
unmittelbare Anwendung der von der Antragstellerin genannten Genfer Ab-
kommen und Zusatzprotokolle sei somit ausgeschlossen. Zwar fänden gemäß
Nr. 208 ZDv 15/2 die Regelungen des humanitären Völkerrechts auch bei frie-
denssichernden Maßnahmen oder anderen Einsätzen der Vereinten Nationen
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Beachtung. Nicht nach den Grundsätzen des humanitären Völkerrechts beurtei-
le sich jedoch die Frage, welche Rechtsstellung den an dem Einsatz beteiligten
Nationen und ihrem Personal zukomme. Sanitätssoldaten hätten deshalb in
Friedenszeiten keinen aus dem Völkerrecht ableitbaren Anspruch auf eine aus-
schließlich sanitätsdienstlichen Zwecken dienende Aufgabenzuweisung. Die
Heranziehung von Angehörigen des Sanitätsdienstes zu militärischen Siche-
rungsaufgaben sei außerhalb eines bewaffneten Konflikts jederzeit möglich. Bei
dem Roten Kreuz auf weißem Grund handele es sich zwar um ein international
anerkanntes Schutzzeichen des Sanitätsdienstes. Jedoch folge das Recht zum
Tragen des Schutzzeichens nicht aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten
Laufbahn, sondern allein aus der Gewährung völkerrechtlichen Schutzes bei
der Wahrnehmung von Sanitätsaufgaben. Deshalb müsse das Tragen des
Schutzzeichens untersagt werden, wenn Soldaten zu anderen als sanitäts-
dienstlichen Zwecken eingesetzt würden. Ein Verbot des Einsatzes bestimmter
Waffen oder militärischer Zwangsmittel im Rahmen des Sicherungsdienstes
bestehe nicht. Die Festlegung der Mittel und Bewaffnung erfolge ausschließlich
auf der Grundlage der Bedrohungslage und der Gegebenheiten vor Ort.
Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der
Beteiligten sowie der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des Stell-
vertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streit-
kräftebasis - Az.: 25-05-11/18.05 und 20.05 - und des Bundesministers der Ver-
teidigung - PSZ I 7 - Az.: 25-05-12 621/06 und 777/06 -, die Personalgrundakte
der Antragstellerin sowie die beigezogenen Akten des Truppendienstgerichts
Süd, ... Kammer, Az.: S 10 BLc 4/05 und S 10 BLa 1/06, haben dem Senat bei
der Beratung vorgelegen.
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Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen (§ 93 Satz 1 VwGO in ent-
sprechender Anwendung) Anträge sind unzulässig.
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1. Der Antrag, unter Aufhebung des Bescheids des Stellvertreters des General-
inspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 17. No-
vember 2005 festzustellen, dass die Bearbeitung der Beschwerde der Antrag-
stellerin vom 9. September 2005 durch den Kommandeur des Deutschen
Einsatzkontingents ISAF und dessen unterstellten Bereich rechtswidrig war
(BVerwG 1 WB 58.06), ist unzulässig, weil die Art und Weise der Verfahrens-
behandlung nicht zum Gegenstand eines selbständigen Verfahrens vor den
Wehrdienstgerichten gemacht werden kann.
Mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1
WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) nur geltend gemacht werden, dass
eine dienstliche Maßnahme oder die Unterlassung einer solchen Maßnahme
rechtswidrig sei. Der Begriff der Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift setzt da-
bei eine dem öffentlichen Recht zugehörige Handlung eines Vorgesetzten (oder
einer Dienststelle der Bundeswehr) voraus, die im Verhältnis der Über- und Un-
terordnung getroffen oder erbeten wird; dabei kommt es nicht darauf an, ob sie
auch auf die Herbeiführung von Rechtswirkungen abzielt (stRspr, grundlegend:
Beschlüsse vom 25. März 1976 - BVerwG 1 WB 105.75 - BVerwGE 53, 160
<161> und vom 12. November 1986 - BVerwG 1 WB 127.83, 97.84 - BVerwGE
83, 242 <246>). Die Art und Weise der Verfahrensbehandlung stellt für sich
genommen keinen statthaften Beschwerdegegenstand dar; sie ist nicht isoliert
bzw. selbständig anfechtbar (stRspr, vgl. u.a. Beschlüsse vom 25. März 1976
a.a.O. S. 162, vom 27. November 1990 - BVerwG 1 WB 62.90 - sowie zuletzt
vom 31. Januar 2007 - BVerwG 1 WB 34.06 - und vom 8. März 2007 - BVerwG
1 WB 43.06 -). Rechtsschutz wird allein gegen die Maßnahme selbst (oder de-
ren Unterlassung) gewährt; (nur) im Rahmen der Anfechtung einer Maßnahme
kann auch eine Überprüfung auf eventuelle Verfahrensfehler erfolgen.
Es ist bereits zweifelhaft, ob es sich bei der Mitteilung des Ergebnisses der von
der Antragstellerin erbetenen „Überprüfung der Befehle zum Wach- und Siche-
rungsdienst“, auch wenn diese durch den G 2 des ... Deutschen Einsatzkontin-
gents ISAF in der Form eines Bescheids erfolgte, um eine Maßnahme in die-
sem Sinne handelt (zum fehlenden Maßnahmecharakter von Rechtsauskünften,
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Äußerungen in Form der Rechtsberatung oder Hinweisen zu Rechtsproblemen
vgl. Beschluss vom 9. August 2007 - BVerwG 1 WB 15.07 -).
Die Antragstellerin beanstandet jedoch ausdrücklich nur, dass ihre Beschwerde
vom 9. September 2005 gegen den Bescheid des G 2 des ... Deutschen Ein-
satzkontingents ISAF vom 22. August 2005 nicht von dem Einsatzführungs-
kommando der Bundeswehr bearbeitet, sondern von diesem an den ihrer An-
sicht nach unzuständigen Kommandeur des ... Deutschen Einsatzkontingents
ISAF zur dortigen Bearbeitung weitergeleitet worden ist. Sie wendet sich damit
ausschließlich gegen einen einzelnen Verfahrensschritt in ihrem Wehrbe-
schwerdeverfahren, der nach dem Gesagten einer selbständigen Überprüfung
nicht zugänglich ist
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wäre im Übrigen aber auch dann nicht
zulässig, wenn man ihn - entgegen der ausdrücklichen Beschränkung durch die
Antragstellerin - auf die betroffenen Entscheidungen selbst beziehen würde.
Der Bescheid des G 2 des ... Deutschen Einsatzkontingents ISAF vom
22. August 2005 und die hierzu ergangenen Beschwerdeentscheidungen des
Chefs des Stabes des ... Deutschen Einsatzkontingents ISAF vom
27. September 2005 und des Kommandeurs des ... Deutschen Einsatzkontin-
gents ISAF vom 16. Februar 2006 waren bereits Gegenstand eines gerichtli-
chen Antragsverfahrens. Einer erneuten Prüfung der Sache steht die Rechts-
kraft des Beschlusses des Truppendienstgerichts Süd, ... Kammer, vom 10. Mai
2006 (Az.: S 10 BLa 1/06), mit dem der Antrag der Antragstellerin auf
gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen wurde, entgegen (§ 121 VwGO in
entsprechender Anwendung; zur formellen und materiellen Rechtskraftfähigkeit
wehrdienstgerichtlicher Entscheidungen vgl. Beschlüsse vom 5. Dezember
1968 - BVerwG 1 WB 81.68 - BVerwGE 33, 228 und vom 18. Februar 1982
- BVerwG 1 WB 41.81 - BVerwGE 73, 348).
2. Der Antrag, festzustellen, dass die „Befehle und Weisungen mit bindendem
Befehlscharakter“ des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr zum Ein-
satz von Sanitätssoldaten des Deutschen Einsatzkontingents ISAF für die La-
gersicherung des Camp W. in K. rechtswidrig waren (BVerwG 1 WB 64.06), ist
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unzulässig, weil die Antragstellerin durch die von ihr beanstandeten Befehle und
Weisungen nicht beschwert ist.
Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) kann ein
Soldat die Wehrdienstgerichte nur dann anrufen, wenn sein Antrag bzw. seine
Beschwerde eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Vorge-
setztenpflichten ihm gegenüber zum Gegenstand hat, die im Zweiten Unterab-
schnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24,
25, 30 und 31 geregelt sind. Daraus folgt, dass der Soldat nur solche Maßnah-
men oder Unterlassungen (§ 17 Abs. 3 Satz 1 WBO) seiner militärischen Vor-
gesetzten (oder einer Dienststelle der Bundeswehr mit vergleichbaren Wei-
sungsbefugnissen) einer gerichtlichen Prüfung unterziehen kann, die unmittel-
bar gegen ihn gerichtet sind oder die sonst in Form einer Rechtsverletzung und
eines Pflichtenverstoßes in seine Rechtssphäre hineinwirken (stRspr, vgl. Be-
schluss vom 6. April 2005 - BVerwG 1 WB 67.04 - BVerwGE 123, 165
= Buchholz 236.1 § 15 SG Nr. 2 = NZWehrr 2005, 168 m.w.N.). Wendet sich
der Soldat gegen eine Maßnahme, die ausschließlich an seine Vorgesetzten
oder an andere Dienststellen der Bundeswehr gerichtet ist, ohne ihn konkret
und unmittelbar in eigener Person zu betreffen, ist der Antrag auf gerichtliche
Entscheidung unzulässig; das Wehrbeschwerdeverfahren dient nicht dazu, das
Handeln oder die Anordnungen bzw. Erlasse von Vorgesetzten oder Dienststel-
len der Bundeswehr im Allgemeinen zu überprüfen (Beschluss vom 9. August
2007 a.a.O.).
Die Antragstellerin hat die „Befehle und Weisungen mit bindendem Befehlscha-
rakter“ des Einsatzführungskommandos, die Gegenstand ihres Antrags sein
sollen, nicht im Einzelnen bezeichnet. Im Zusammenhang mit dem Einsatz von
Sanitätssoldaten des Deutschen Einsatzkontingents ISAF für die Lagersiche-
rung des Camp W. in K. kommen nach dem Vortrag der Beteiligten und den
vorliegenden Akten insoweit jedoch nur zwei Anordnungen des Einsatzfüh-
rungskommandos der Bundeswehr in Betracht. Es handelt sich zum einen um
die „Weisung für die Erhöhung der Sicherheit im Rahmen von Auslandseinsät-
zen“ vom 27. Februar 2003 - Az.: 06-05-01/VS-NfD -, die auch der „Befehl für
die Sicherung Feldlager CAMP W.“ vom 12. September 2004 - Az.: 12-11-
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00/VS-NfD - (dort unter Nr. 2) in Bezug nimmt; diese Weisung vom 27. Februar
2003 ist, wie sich aus ihrem Verteiler ergibt, unter anderem an das Deutsche
Einsatzkontigent ISAF im Wege der Täglichen Weisung ergangen. Zum ande-
ren handelt es sich um die Mitteilung des Rechtsberaters im Einsatzführungs-
kommando („Betr.: Einsatz SanPers zur Sicherung FLgr“) vom 28. April 2005,
dass „gegen Einsatz Sanitätspersonal ohne Armbinde mit Schutzzeichen RO-
TES KREUZ (…), soweit dieser nur zur Sicherung Feldlager dient, keine recht-
lichen Bedenken“ bestünden; diese Mitteilung, auf die der G 2 des ... Deutschen
Einsatzkontingents ISAF seinen Bescheid vom 22. August 2005 stützte, ist an
das Deutsche Einsatzkontigent ISAF in K. ebenfalls im Wege der Täglichen
Weisung ergangen.
Die Antragstellerin war durch diese Maßnahmen zu keinem Zeitpunkt - weder
während ihres Einsatzes im Feldlager Camp W. in K. vom 24. Februar bis
27. April 2005 noch und erst recht nicht bei Einlegung ihrer Beschwerde vom
4. November 2005 - in eigener Person betroffen und damit beschwert.
Die Weisung vom 27. Februar 2003 richtet sich nicht unmittelbar an alle einzel-
nen Soldaten des Einsatzkontingents. Die darin enthaltenen Aufträge, etwa zur
Erstellung und Fortschreibung von Absicherungskonzepten für die durch die
Einsatzkontingente genutzten Liegenschaften (Nr. 3 Buchst. c der Weisung),
bedürfen vielmehr der Umsetzung im Rahmen der jeweiligen Befehls- und Wei-
sungsstruktur (so ausdrücklich auch Nr. 5 der Weisung). Unmittelbare Adressa-
ten der Weisung sind deshalb (nur) die jeweils für die Umsetzung zuständigen
Vorgesetzten in den Einsatzkontingenten, Führungskommandos der Teilstreit-
kräfte und vergleichbaren Dienststellen, die in dem Verteiler der Weisung auf-
geführt sind.
Entsprechendes gilt für die mit der Täglichen Weisung vom 28. April 2005
übermittelte Rechtsauffassung des Einsatzführungskommandos zum Einsatz
von Sanitätspersonal für die Lagersicherung. Dieser rechtliche Hinweis ist für
die Einsatzkontingente zwar grundsätzlich bindend (vgl. die Stellungnahme des
Einsatzführungskommandos der Bundeswehr - J1 - Az.: 25-05-00/266/05 - vom
19. Dezember 2005). Die Mitteilung der Rechtsauffassung stellt jedoch selbst
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keinen Befehl dar, sondern eine Maßgabe, die bei der Erteilung von Befehlen
oder bei sonstigen Maßnahmen zu beachten ist. Auch insoweit sind also unmit-
telbare Adressaten der Mitteilung (nur) die jeweiligen militärischen Vorgesetz-
ten.
Beschwert konnte die Antragstellerin danach nur durch Maßnahmen sein, die in
Umsetzung der Weisung vom 27. Februar 2003 oder in Anwendung der vom
Einsatzkommando mitgeteilten Rechtsauffassung gegen sie gerichtet waren
oder sonst in ihre Rechtssphäre hineinwirkten. Im Rahmen eines Rechtsbehelfs
gegen solche Maßnahmen käme - mittelbar - auch eine Überprüfung der zu-
grundeliegenden Erlasse, Weisungen oder Befehle in Betracht, soweit dies für
die Entscheidung erheblich ist.
Soweit sich die Antragstellerin gegen die Disziplinarmaßnahme vom 21. April
2005 und gegen die ihr mit Bescheid des G 2 des ... Deutschen Einsatzkontin-
gents ISAF vom 22. August 2005 erteilte Rechtsauskunft gewandt hat, sind
diese Verfahren durch die Beschlüsse des Truppendienstgerichts Süd, ... Kam-
mer, vom 30. August 2005 (Az.: S 10 BLc 4/05) und 10. Mai 2006 (Az.: S 10
BLa 1/06) rechtskräftig abgeschlossen. Die Rechtskraft steht einer erneuten
Sachprüfung entgegen (§ 121 VwGO in entsprechender Anwendung).
Was die (durch den Einsatzoffizier der Klinikkompanie vorgenommene) Eintei-
lung der Antragstellerin zum Sicherungsdienst am 16. April 2005 betrifft, würde
die bindende (§ 145 Abs. 2 WDO) Feststellung des Truppendienstgerichts Süd
in dem Beschluss vom 30. August 2005, dass sich die Antragstellerin freiwillig
habe einteilen lassen, eine Überprüfung der Maßnahme wohl nicht ausschlie-
ßen; denn auch bei freiwilliger Meldung hat der Soldat Anspruch darauf, dass
bei seinem Einsatz nicht gegen zwingende Rechtsvorschriften, soweit diese
anwendbar sind, verstoßen wird. Die Antragstellerin hat ihre Einteilung zum Si-
cherungsdienst jedoch nicht angefochten. Unerheblich ist, dass die Antragstel-
lerin erst durch den Bescheid des Chefs des Stabes des ... Deutschen Einsatz-
kontingents ISAF vom 27. September 2005 Kenntnis von den beanstandeten
Weisungen des Einsatzführungskommandos erlangt haben will; für die Einle-
gung der Beschwerde und die dabei einzuhaltende Frist kommt es nicht auf die
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Kenntnis von Rechtsgrundlagen oder Weisungen, sondern auf die Kenntnis von
dem Beschwerdeanlass, hier also von der Einteilung zum Sicherungsdienst, an
(§ 6 Abs. 1 WBO). Auch sonst ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin
eventuelle weitere, sie betreffende Maßnahmen im Zusammenhang mit dem
Sicherungsdienst durch Sanitätssoldaten angefochten hat; sie wären jedenfalls
nicht Gegenstand des vorliegenden Antrags auf gerichtliche Entscheidung.
3. Der Antragstellerin waren keine Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil
die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO nicht vor-
liegen.
Dr. Frentz Prof. Dr. Widmaier Dr. Langer
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