Urteil des BVerwG vom 26.11.2013

Persönliche Anhörung, Sicherheit, Bausparvertrag, Gefährdung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 57.12
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Hauptfeldwebel ...,
- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
die ehrenamtliche Richterin Oberstabsarzt Walter und
den ehrenamtlichen Richter Hauptfeldwebel Eckertz
am 26. November 2013 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
- 2 -
G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in
seiner einfachen Sicherheitsüberprüfung (Ü1/Sabotageschutz) und seiner er-
weiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü2/A2).
Der 1973 geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet vo-
raussichtlich am 31. März 2028. Zum Hauptfeldwebel wurde er am 27. Mai
2003 befördert. Der Antragsteller war auf einem Dienstposten als ... beim ... in
L. eingesetzt; im Zuge der Auflösung des ... und der Aufstellung des ... wurde er
dort mit Wirkung vom 1. Oktober 2013 auf den Dienstposten eines Technischen
Betriebsführungsmeisters ... versetzt; beide Dienstposten erfordern eine Si-
cherheitsüberprüfung. Im Hinblick auf die hier strittige Feststellung eines Si-
cherheitsrisikos genehmigte die Stammdienststelle der Bundeswehr mit Be-
scheid vom 19. Januar 2012 die nicht-dienstpostengerechte Verwendung des
Antragstellers auf dem Dienstposten eines Heimfeldwebels für den Zeitraum
vom 1. April 2012 bis 31. Dezember 2014.
Für den Antragsteller war zuletzt am 25. April 2008 eine Aktualisierung seiner
erweiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü2/A2) ohne Auflagen, Einschränkungen
oder personenbezogene Hinweise abgeschlossen worden.
Mit Nachbericht vom 1. Oktober 2009 meldete der Sicherheitsbeauftragte des ...
dem Militärischen Abschirmdienst sicherheitserhebliche Veränderungen. Aus
der beigefügten Erklärung des Antragstellers über seine finanziellen Verhältnis-
se vom 29. September 2009 sowie mehreren Mitteilungen der Wehrbereichs-
verwaltung ... geht hervor, dass der Antragsteller Schulden in Höhe von insge-
samt rund 209 000 € habe und gegen ihn am 10. Juli 2009 ein Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss über einen Betrag in Höhe von rund 50 000 € ergan-
gen sei.
1
2
3
4
5
- 3 -
Mit Nachbericht vom 26. Mai 2011 meldete der Sicherheitsbeauftragte des ...
dem Militärischen Abschirmdienst weitere sicherheitserhebliche Veränderun-
gen. Insbesondere wurde mitgeteilt, dass über das Vermögen des Antragstel-
lers mit Beschluss des Amtsgerichts R. vom 21. April 2011 das Insolvenzverfah-
ren eröffnet worden sei. Dem Nachbericht war ferner eine Stellungnahme des
Chefs des Antragstellers vom 30. Mai 2011 beigefügt, in der dieser erklärte,
dass aus seiner Sicht durch die Privatinsolvenz mögliche Sicherheitsrisiken
gemindert würden.
Aus einer weiteren Erklärung des Antragstellers über seine finanziellen Verhält-
nisse vom 24. Juni 2011 ergibt sich ein Schuldenstand des Antragstellers bei
drei verschiedenen Gläubigern in Höhe von rund 130 000 €.
Der Antragsteller wurde am 1. Dezember 2009, 15. Dezember 2009, 2. Februar
2010, 1. Februar 2011, 22. Februar 2011 und 12. April 2011 durch den Militäri-
schen Abschirmdienst zu den sicherheitserheblichen Erkenntnissen befragt.
Dabei erklärte er, dass er im Jahre 2002 gemeinsam mit seiner Ehefrau ein
Haus gebaut habe, dessen Finanzierung ohne Eigenkapital erfolgt sei. Das er-
forderliche Fremdkapital habe er durch - über einen Bekannten vermittelte -
Darlehen der Commerzbank (96 000 €) und der Eurohypo AG (122 000 €) auf-
gebracht. Als Sicherheit für die Kredite habe er einen Bausparvertrag abge-
schlossen, auf den er - auf Anraten des Bekannten - jedoch keine Einzahlungen
vorgenommen habe. Außerdem habe er einen Konsumentenkredit bei der Von
Essen Bank über 50 000 € aufgenommen, den er u.a. für einen PKW (6 500 €),
eine neue Küche (20 000 €), den Ausgleich eines Dispositionskredits (2 500 €)
sowie für Gutachter- und Gerichtskosten (15 000 €) verwendet habe. Da bei
einer Prüfung durch die Commerzbank aufgefallen sei, dass der Bausparvertrag
nicht die vereinbarte Summe aufwies, sei er aufgefordert worden, umgehend
32 000 € auf den Bausparvertrag einzuzahlen. Nachdem ihm das nicht möglich
gewesen sei, sei der gesamte Kredit sofort fällig gestellt worden. Auch die bei-
den anderen Kreditinstitute hätten daraufhin die sofortige Rückzahlung der Dar-
lehen verlangt. In der Folge sei es zu den Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
und schließlich zur Zwangsversteigerung des Hauses gekommen, die jedoch
nur einen Erlös von 154 000 € erbracht habe. Daher seien letztlich noch rund
6
7
- 4 -
100 000 € an Forderungen offen geblieben. Da er diese nicht begleichen konn-
te, habe er sich an die Schuldnerberatung gewandt, wo man ihm zur Privatin-
solvenz geraten habe. Er sehe sich nach wie vor nicht in der Lage, allen seinen
finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.
Mit Schreiben vom 18. August 2011 gab die Geheimschutzbeauftragte beim
Streitkräfteamt dem Antragsteller Gelegenheit, unter Verwendung eines beige-
fügten Beiblatts zu den sicherheitserheblichen Umständen Stellung zu nehmen.
In seiner Stellungnahme vom 29. August 2011 erklärte der Antragsteller seine
Schulden unter anderem mit Baumängeln des Hauses, mit der Insolvenz der
Baufirma, mit einem Beratungsfehler hinsichtlich des Bausparvertrags sowie mit
einem nicht korrekten Verlauf der Zwangsversteigerung des Hauses. Er sei sich
bewusst, durch eigene Schuld in die schlechte finanzielle Situation geraten zu
sein. Seine Insolvenzverwalterin habe ihm jedoch erklärt, dass in seinem Fall
die Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren gesichert sei. Sein Verfügungs-
rahmen betrage derzeit rund 2 600 €, der seiner Ehefrau etwa 1 600 € monat-
lich. Mit Schreiben vom 5. September 2011 äußerte sich der Chef des Antrag-
stellers nochmals positiv über dessen Verhalten und dienstliche Leistungen.
Der Antragsteller habe ihn stets offen über seine private und finanzielle Situa-
tion informiert; er halte ihn für glaubwürdig, zuverlässig und vertrauenswürdig.
Mit Schreiben vom 16. September 2011 teilte die Geheimschutzbeauftragte
dem Antragsteller mit, dass auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse
von der Feststellung eines Sicherheitsrisikos nicht abgesehen werden könne,
und gab ihm nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Antragsteller äu-
ßerte sich unter dem 4. Oktober 2011 und legte dabei ein Schreiben der Insol-
venzverwalterin vom selben Tage sowie eine Gläubigertabelle gemäß § 175 der
Insolvenzordnung (InsO) vor.
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2011 bat die Geheimschutzbeauftragte den An-
tragsteller um weitere Erläuterungen zum Zustandekommen seiner Zahlungsun-
fähigkeit, zu den Ursachen der Gläubigerforderungen und zu den Zeitpunkten
von deren Entstehung. Die Gesamtsituation deute auf ein nicht an die Einnah-
8
9
10
11
- 5 -
men angepasstes Konsum-/Ausgabeverhalten, auf nicht an die Einnahmen an-
gepasste Finanzplanungen und damit auf ein sorgloses Finanzgebaren hin.
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2011 äußerte sich der Antragsteller nochmals
zu einzelnen Schuldenpositionen. Hinsichtlich des Hauskaufs sei er leider so
naiv gewesen, einem Bekannten zu vertrauen, der bei der Deutschen Vermö-
gensberatung tätig gewesen sei und der ihm zu dem eingeschlagenen Weg der
Finanzierung geraten habe.
Mit formularmäßigem Bescheid vom 9. November 2011, im Auftrag der perso-
nalbearbeitenden Stelle durch den Disziplinarvorgesetzten eröffnet am
4. Januar 2012, stellte die Geheimschutzbeauftragte beim Streitkräfteamt fest,
dass die einfache Sicherheitsüberprüfung (Ü1/Sabotageschutz) und die erwei-
terte Sicherheitsüberprüfung (Ü2/A2) Umstände ergeben hätten, die im Hinblick
auf eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ein Sicherheitsrisiko darstellten. Die
Entscheidung umfasse auch die Verwendung in einer sicherheitsempfindlichen
Tätigkeit der Überprüfungsart Ü1/Verschlusssachenschutz. Mit Schreiben vom
9. November 2011 informierte die Geheimschutzbeauftragte den Antragsteller
vorab über das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung.
Die sicherheitsmäßige Bewertung durch die Geheimschutzbeauftragte in den
Entscheidungsgründen lautet wie folgt:
„Insgesamt vermögen die Einlassungen des Betroffenen
nicht zu überzeugen. Bei der gebotenen Sorgfalt hätte er
seine Finanzplanungen mehr an seinen Einkünften aus-
richten, mehr Spielraum für unabwägbare Ausgaben las-
sen und einen als Sicherheit gegebenen Bausparvertrag
bedienen müssen; Zweifel im Sinne der ZDv 2/30 Nr. 2414
(1) sind noch begründet.
Zudem bleibt die mit der Eröffnung eines Insolvenzverfah-
rens auch dokumentierte Zahlungsunfähigkeit/Überschul-
dung und die damit auch verbundene besondere
nachrichtendienstliche Gefährdungslage im Sinne der ZDv
2/30 Nr. 2414 (2) bestehen. So ist bei einem laufenden In-
solvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit
die besondere Gefährdung in
Bezug auf die Ansprechbarkeit durch fremde Nachrichten-
dienste, die bekanntermaßen nach Personen - insbeson-
12
13
14
- 6 -
dere in sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten - forschen,
die sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden, ob-
jektiv gegeben. Derart zu erwartende Gefahrensituationen
hat der Dienstherr im Interesse der Sicherheit und auch im
Interesse des Betroffenen und seiner Angehörigen (um ihn
und seine Familie aus dem Fokus eines fremden Nach-
richtendienstes zu nehmen) möglichst auszuschließen.
Eine verlässliche positive Prognose kann dem Betroffenen
aus sicherheitsmäßiger Bewertung bei dieser Sachlage,
zumindest bis zur Restschuldbefreiung,
noch nicht gestellt werden.
Dem steht auch die positive Stellungnahme des Vorge-
setzten vom 05.09.2011 nicht entgegen. Auch wenn diese
Einschätzung grundsätzlich für den Betroffenen spricht,
vermag sie die sicherheitserheblichen Umstände nicht hin-
reichend zu entkräften.
Zum Schutz der Militärischen Sicherheit und zur Erfüllung
des Verteidigungsauftrages der Bundeswehr sollen nur
solche Soldaten Zugang zu sicherheitsempfindlichen Tä-
tigkeiten, zu vertraulichen, geheimen Unterlagen und zu
Tätigkeiten in einer besonders sicherheitsempfindlichen
Stelle im militärischen Sicherheitsbereich erhalten, bei de-
nen keinerlei Sicherheitsbedenken bestehen. Die dazu
notwendige Überprüfung von Angehörigen der Bundes-
wehr auf Sicherheitsbedenken ist eine vorbeugende Maß-
nahme, die Sicherheitsbedenken nach Möglichkeit aus-
schließen soll.
Im Interesse der Sicherheit, das gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2
Sicherheitsüberprüfungsgesetz (ZDv 2/30 Nr. 2705) im
Zweifel Vorrang vor anderen Belangen hat, ist bei der sich
derzeit darstellenden Sachlage die Feststellung eines Si-
cherheitsrisikos gemäß ZDv 2/30 Nr. 2414 (1) und (2) aus
sicherheitsmäßiger Sicht als vorbeugende Maßnahme
noch geboten.
Die sicherheitserheblichen Umstände lassen auch unter
Berücksichtigung der Fürsorgegesichtspunkte der
ZDv 2/30 Nr. 2709 keine andere sicherheitsmäßige Be-
wertung zum jetzigen Zeitpunkt zu.
Auch positive dienstliche/fachliche Leistungen, auch in
einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit, stehen dieser si-
cherheitsmäßigen Bewertung nicht entgegen, da sie die
sicherheitserheblichen Umstände nicht revidieren bzw.
kompensieren können. Ein Einsatz in einer sicherheits-
empfindlichen Tätigkeit kann das Ergebnis der Sicher-
heitsüberprüfung nicht vorwegnehmen.
Im Interesse der Sicherheit ist dem Betroffenen derzeit die
Ausübung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit noch
zu verwehren, den Sicherheitsbedenken kann mit einer
Auflagenentscheidung nicht ausreichend begegnet wer-
den.“
- 7 -
Nach Auskunft des Bundesministers der Verteidigung (Schreiben vom
23. Oktober 2013) wurde der Antragsteller mit Bekanntwerden der Entschei-
dung der Geheimschutzbeauftragten faktisch nicht mehr in einer sicherheits-
empfindlichen Tätigkeit verwendet, sondern - soweit er nicht „krank zu Hause“
war - bis zum Beginn seiner genehmigten nicht-dienstpostengerechten Ver-
wendung am 1. April 2012 in der Offizierheimgesellschaft/Unteroffizierheim-
gesellschaft und in der Schwimmhalle der Kaserne als Aufsicht/Rettungs-
schwimmer eingesetzt.
Mit gleichlautenden Schreiben vom 7. Dezember 2011, 29. Dezember 2011 und
10. Januar 2012 legte der Antragsteller „Einspruch“ gegen die Entscheidung der
Geheimschutzbeauftragten ein. Zur Begründung verwies er insbesondere da-
rauf, dass er nach Bekanntwerden seiner finanziellen Probleme im Jahre 2009
noch drei Jahre lang ohne Einschränkungen in sicherheitsempfindlicher Tätig-
keit geblieben sei. Er habe alle notwendigen Maßnahmen ergriffen, seine finan-
ziellen Probleme mittelfristig zu lösen. Seine direkten Vorgesetzten stünden ge-
schlossen hinter ihm. Außerdem liege ein Verfahrensfehler vor, weil ihm eine
persönliche Anhörung nicht gewährt worden sei.
Mit Bescheid vom 29. März 2012, ausgehändigt am 13. April 2012, wies der
Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - die als Beschwerden gewerteten
Rechtsbehelfe des Antragstellers zurück. Tatsächliche Anhaltspunkte, die Zwei-
fel an der Zuverlässigkeit begründeten, könnten auch aus einer hohen Ver-
schuldung entstehen. Zwar sei aus einer erheblichen Schuldenlast alleine nicht
zwingend auf das Bestehen eines Sicherheitsrisikos zu schließen, solange der
Soldat seinen finanziellen Verpflichtungen nachkomme und eine seiner Dienst-
stellung entsprechende Lebensführung sicherstellen könne. Erreiche der
Schuldenstand jedoch einen Umfang, der einen Abbau in überschaubarer Zeit
auch bei sparsamster Lebensführung als ausgeschlossen erscheinen lasse und
Mittel für eine angemessene Lebensführung kaum noch ausreichend vorhanden
seien, rechtfertige dies die Annahme eines Sicherheitsrisikos. Dass der Antrag-
steller nicht in der Lage sei, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukom-
men, ergebe sich aus der Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens, mit
der die Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners objektiv feststehe. Zwar bestehe
15
16
17
- 8 -
die Möglichkeit einer Restschuldbefreiung, die jedoch nicht bereits mit der Er-
öffnung des Insolvenzverfahrens gesichert sei. Auch lasse das Zustandekom-
men der finanziellen Probleme auf Sorglosigkeit und Nachlässigkeit im Umgang
mit Finanzen schließen. Der Antragsteller habe sich bei der Aufnahme der Kre-
ditsumme von über 200 000 € auf den Rat eines Bekannten verlassen und kei-
ne Einzahlungen auf den zur Sicherheit abgeschlossenen Bausparvertrag vor-
genommen. Wegen der Leichtfertigkeit im Umgang mit Geld bestehe die Be-
sorgnis, dass der Antragsteller auch im Umgang mit sicherheitsempfindlichem
Material nicht die erforderliche Sorgfalt und das von einem Geheimnisträger ge-
forderte Pflichtbewusstsein an den Tag legen könnte. Neben dem Sicherheitsri-
siko gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG lägen auch tatsächliche Anhaltspunkte
für eine besondere Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche
fremder Nachrichtendienste vor. Diese nützten schwierige persönliche Situatio-
nen, insbesondere finanzielle Schwierigkeiten, von Personen aus, um sie durch
Versprechen von finanziellen Zuwendungen zur Mitarbeit zu bewegen. Situatio-
nen einer erhöhten Ansprechbarkeit seien auch im Rahmen der Verbraucherin-
solvenz nicht ausgeschlossen. Zudem würden die Beschlüsse des Amtsgerichts
im Insolvenzverfahren im Internet veröffentlicht, wodurch die Identifizierung für
einen angreifenden Nachrichtendienst erleichtert werde.
Eine positive Prognose, dass der Antragsteller seine finanzielle Situation in den
Griff bekomme, könne derzeit noch nicht gestellt werden. Zu einer Restschuld-
befreiung komme es nur dann, wenn der Betroffene den ihm gemäß § 295 InsO
obliegenden Verpflichtungen nachkomme. Es bedürfe daher noch eines länge-
ren Zeitraums, um eine verlässliche Aussage treffen zu können, wie sich die fi-
nanzielle Situation des Antragstellers in den kommenden Jahren entwickle. Der
Umstand, dass der Disziplinarvorgesetzte den Antragsteller als glaubwürdig
und zuverlässig bezeichne, sei als positiver Aspekt zu werten, räume aber die
sicherheitserheblichen Bedenken nicht aus. Die Zuverlässigkeit im Sinne des
Sicherheitsüberprüfungsgesetzes sei nicht mit der Zuverlässigkeit im dienstli-
chen Bereich gleichzusetzen. Auch der Umstand, dass der Antragsteller nach
Bekanntwerden seiner finanziellen Probleme und sogar noch nach Einleitung
des Insolvenzverfahrens weiterhin in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit einge-
setzt gewesen sei, führe zu keinem anderen Ergebnis. Die Entscheidung über
die Zuverlässigkeit sei erst nach umfassenden Ermittlungen, mehrfachen Be-
- 9 -
fragungen durch den Militärischen Abschirmdienst sowie den Anhörungen
durch die Geheimschutzbeauftragte möglich gewesen. Die beanstandungsfreie
Tätigkeit auf einem sicherheitsempfindlichen Dienstposten stehe der Feststel-
lung eines Sicherheitsrisikos ferner deshalb nicht entgegen, weil diese Feststel-
lung vorliegend auch auf der Gefahr einer nachrichtendienstlichen Ansprech-
barkeit beruhe. Dafür sei unerheblich, ob der Antragsteller bereits konkret in
den Fokus eines fremden Nachrichtendienstes geraten sei, weil aus fremder
nachrichtendienstlicher Tätigkeit entspringende Gefährdungslagen präventiv
vermieden werden sollten.
Ein Anhörungsfehler liege nicht vor, weil dem Antragsteller insgesamt drei Mal
die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben und diese von ihm auch wahrge-
nommen worden sei. Den Wunsch nach einem zusätzlichen persönlichen bzw.
mündlichen Gespräch habe er dabei nicht geäußert.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 14. Mai 2012 beantragte der An-
tragsteller hiergegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der
Antrag wurde vom Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - mit seiner Stel-
lungnahme vom 22. November 2012 dem Senat vorgelegt.
Ergänzend zu seinem Vorbringen im Beschwerdeverfahren trägt der Antragstel-
ler zur Begründung insbesondere vor:
Den Verbindlichkeiten in Höhe von rund 130 000 € stehe ein Nettoeinkommen
von monatlich 2 656,60 € (Antragsteller) bzw. 1 682,22 € (Ehefrau) gegenüber,
und zwar nach Abzug der Überweisungen an Dritte. An festen Ausgaben seien
monatlich für Miete ca. 800 €, für Strom ca. 32 €, für Wasser ca. 130 €, für Gas
ca. 130 €, für Telefon ca. 150 €, für Versicherungen ca. 60 € sowie für Kraftstoff
für zwei Autos ca. 400 € zu leisten. Seine, des Antragstellers, finanzielle Situa-
tion und die seiner Familie könne angesichts des relativ hohen Nettoeinkom-
mens trotz der bestehenden Privatinsolvenz als geordnet angesehen werden.
Er habe sich zudem sofort, als die finanziellen Unregelmäßigkeiten wegen des
Versagens des damaligen Beraters zum Problem geworden seien, seinem Dis-
ziplinarvorgesetzten offenbart und die gesamte Situation offen gelegt. Sein Ein-
satz als Geschäftsführer der OHG/UHG am Standort L. bestätige zudem das
18
19
- 10 -
uneingeschränkte und hohe Vertrauen, das ihm seine Disziplinarvorgesetzten
entgegenbrächten.
Die Geheimschutzbeauftragte habe ihre Entscheidung auf eine rein abstrakt
formulierte Besorgnis gestützt, ohne dass konkrete Anhaltspunkte für ein Si-
cherheitsrisiko feststellbar gewesen wären. Sie habe auch versäumt zu prüfen,
ob einem möglicherweise bestehenden Sicherheitsrisiko mit Auflagen im Sinne
der Nr. 2705 Abs. 1 ZDv 2/30 hätte begegnet werden können. Nicht weiterfüh-
rend seien die Spekulationen über eine mögliche nachrichtendienstliche An-
sprache. Im Grunde stehe heute jeder Angehörige der Bundeswehr unter dem
permanenten Risiko, in den Fokus eines fremden Nachrichtendienstes zu gera-
ten. Warum gerade bei ihm, dem Antragsteller, ein besonders hohes Risiko er-
kannt werde, sei nicht klar. Jeder, der sich bei Facebook oder sonst im Internet
als Soldat zu erkennen gebe, sei einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt.
Gerügt werde schließlich die Verletzung von zwingendem Verfahrensrecht. Die
persönliche Anhörung des Betroffenen sei gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 SÜG zwin-
gend vorgeschrieben. Er habe weder einen entsprechenden Hinweis noch die
Gelegenheit zu einer persönlichen Äußerung erhalten. Die Geheimschutzbeauf-
tragte habe sich damit keinen persönlichen Eindruck von ihm machen können.
Der Antragsteller beantragt,
den Bescheid der Geheimschutzbeauftragten beim Streit-
kräfteamt vom 9. November 2011 und die Entscheidung
des Bundesministers der Verteidigung vom 29. März 2012
aufzuheben.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Ungeachtet der Gegenüberstellung der Nettoeinkommen des Antragstellers und
seiner Ehefrau mit den festen monatlichen Ausgaben verbleibe es dabei, dass
mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Feststellung verbunden sei, dass
der Schuldner zahlungsunfähig bzw. überschuldet sei. Am Ende des Insolvenz-
verfahrens müssten die Gläubiger auf den Großteil ihrer Forderungen verzich-
20
21
22
- 11 -
ten. Der Umstand, dass es trotz eines gemeinsamen Nettoeinkommens von
über 4 000 € monatlich zu Schulden in Höhe von 130 000 € gekommen sei,
mache deutlich, dass der Antragsteller mit den ihm zur Verfügung stehenden fi-
nanziellen Mitteln über Jahre hinweg sorglos umgegangen sei. Er habe über
Jahre hinweg ein unverantwortliches Verhalten im Hinblick auf seine Finanzen
gezeigt und weit über seine finanziellen Verhältnisse gelebt.
Eine positive Prognose könne für den Antragsteller derzeit noch nicht gestellt
werden. Eine Restschuldbefreiung könne erst im April 2017 eintreten. Der An-
tragsteller müsse im Insolvenzverfahren zeigen, dass er eine nachhaltige Ver-
haltensänderung im Umgang mit seinen Finanzen vollzogen habe. Von der
Feststellung eines Sicherheitsrisikos könne auch nicht deshalb abgesehen wer-
den, weil der Antragsteller nach Einleitung des Insolvenzverfahrens weiterhin in
sicherheitsempfindlicher Tätigkeit eingesetzt gewesen sei. Zum Schutz des Be-
troffenen sei ein umfangreiches und manchmal auch zeitaufwändiges Verfahren
erforderlich, um letztlich bewerten zu können, ob sicherheitserhebliche Um-
stände zur Feststellung eines Sicherheitsrisikos führten. Würden die betroffe-
nen Soldaten bereits unmittelbar nach Bekanntwerden eines sicherheitserhebli-
chen Umstands von jeglicher sicherheitsempfindlichen Tätigkeit entbunden,
würden ohne ausreichende Entscheidungsgrundlage nachteilige Fakten ge-
schaffen. Ein gewisser Zeitaufwand bei der Beiziehung von Informationen sei
deshalb gerade auch Ausdruck des Fürsorgegedankens. Die beanstandungs-
freie Tätigkeit im sicherheitsempfindlichen Bereich stehe der Feststellung eines
Sicherheitsrisikos im Übrigen auch deshalb nicht entgegen, weil die Gefahr
einer nachrichtendienstlichen Ansprache rein objektiv zu ermitteln sei. Insbe-
sondere die zahlreichen Auslandseinsätze des Antragstellers verdeutlichten,
dass diese Gefahr real gewesen und auch zukünftig gegeben sei.
Eine Auflagenentscheidung sei nicht in Betracht gekommen. Anhaltspunkte für
eine beständige Verhaltensänderung im finanziellen Bereich könnten aus dem
bisherigen Verhalten des Antragstellers im Insolvenzverfahren noch nicht abge-
leitet werden. Erforderlich sei vor dem Hintergrund der mehrjährigen Schulden-
historie des Antragstellers ein längerer Zeitraum, in dem der Antragsteller zei-
gen müsse, dass er den Umgang mit seinen finanziellen Mitteln geändert habe.
Die Dauer dieses Zeitraums sei dabei an der einfachgesetzlichen Regelung des
§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO (sechs Jahre) auszurichten.
- 12 -
Eine persönliche Anhörung des Betroffenen sei weder gesetzlich noch aus an-
deren Erwägungen heraus gefordert. Vielmehr sei eine Anhörung im schriftli-
chen Verfahren ausdrücklich zugelassen. Eine solche komme insbesondere
dann in Betracht, wenn, wie vorliegend, der persönliche Eindruck nicht aus-
schlaggebend für die Bewertung der sicherheitserheblichen Erkenntnisse sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Ak-
ten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidi-
gung - R II 2 - Az.: …/12 - und die Personalgrundakte des Antragstellers haben
dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist zwar zulässig.
Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gemäß § 14 Abs. 3 SÜG kann nach
ständiger Rechtsprechung des Senats durch einen Antrag auf gerichtliche Ent-
scheidung vor den Wehrdienstgerichten mit dem Ziel der Aufhebung des ent-
sprechenden Bescheids angefochten werden. Die aus § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO
(hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) folgende Zuständigkeit der Wehrdienstge-
richte für Streitigkeiten, die die dienstliche Verwendung eines Soldaten betref-
fen, erstreckt sich auch auf die Überprüfung sicherheitsrechtlicher Bescheide im
Sinne des § 14 Abs. 3 SÜG, weil mit der Feststellung des Geheimschutzbeauf-
tragten über die Frage des Bestehens eines Sicherheitsrisikos im Kern über die
sicherheitsrechtliche Eignung eines Soldaten für eine bestimmte dienstliche
Verwendung entschieden wird (vgl. zum Ganzen Beschluss vom 20. November
2012 - BVerwG 1 WB 21.12 und 1 WB 22.12 - juris Rn. 24 m.w.N.).
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
23
24
25
26
27
- 13 -
Der Bescheid der Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt vom
9. November 2011 und der Beschwerdebescheid des Bundesministers der Ver-
teidigung vom 29. März 2012 sind rechtmäßig und verletzen den Antragsteller
nicht in seinen Rechten.
a) Die Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken
ist eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit aus-
schließen soll (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB
37.07 - BVerwGE 130, 291 = Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 14
m.w.N.). Dabei obliegt es der zuständigen Stelle - hier: der Geheimschutzbeauf-
tragten beim Streitkräfteamt (Nr. 2416 ZDv 2/30) -, aufgrund einer an diesem
Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzel-
falls die ihr übermittelten Erkenntnisse im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit
zu bewerten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 SÜG).
Der Geheimschutzbeauftragten steht bei der Entscheidung, ob in der Person
eines Soldaten ein Sicherheitsrisiko festzustellen ist, ein gerichtlich nur einge-
schränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle be-
schränkt sich darauf, ob die Geheimschutzbeauftragte von einem unrichtigen
Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzli-
chen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt, allgemeingültige
Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen
Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr, vgl. Beschluss vom 21. Juli 2011
- BVerwG 1 WB 12.11 - BVerwGE 140, 384 = Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 25
m.w.N.; ferner Urteile vom 15. Februar 1989 - BVerwG 6 A
2.87 - BVerwGE 81, 258 <264> = Buchholz 236.1 § 59 SG Nr. 2 S. 7 und vom
15. Juli 2004 - BVerwG 3 C 33.03 - BVerwGE 121, 257 <262> = Buchholz
442.40 § 29d LuftVG Nr. 1 S. 4 f.; Beschluss vom 1. Oktober 2009 - BVerwG
2 VR 6.09 - juris Rn. 15).
Wegen der präventiven Funktion der Sicherheitsüberprüfung und wegen des
hohen Ranges der zu schützenden Rechtsgüter liegt ein Sicherheitsrisiko be-
reits dann vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte Zweifel an der Zuverlässigkeit
des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit
28
29
30
31
- 14 -
oder eine besondere Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche
fremder Nachrichtendienste begründen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SÜG,
Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZDv 2/30). Dabei hat im Zweifel das Sicherheitsin-
teresse Vorrang vor anderen Belangen (§ 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG). Die Feststel-
lung eines Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose über die künftige Zu-
verlässigkeit und Integrität des Soldaten darstellt, darf sich nicht auf eine vage
Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen. Dabei gibt es keine
„Beweislast”, weder für den Soldaten dahingehend, dass er die Sicherheitsinte-
ressen der Bundeswehr bisher gewahrt hat und künftig wahren wird, noch für
die zuständige Stelle, dass der Soldat diesen Erwartungen nicht gerecht ge-
worden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird (stRspr, vgl. Beschlüs-
se vom 18. Oktober 2001 - BVerwG 1 WB 54.01 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG
Nr. 11 S. 17, vom 8. März 2007 - BVerwG 1 WB 63.06 - Rn. 22 und vom 22. Juli
2009 - BVerwG 1 WB 53.08 - Rn. 24; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22. Mai
1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <353>).
Maßgeblich für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeit-
punkt der Vorlage des Antrags auf gerichtliche Entscheidung durch den Bun-
desminister der Verteidigung beim Senat (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 21. Juli
2010 - BVerwG 1 WB 68.09 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 23 Rn. 21 sowie zu-
letzt vom 28. August 2012 - BVerwG 1 WB 10.12 - Rn. 26). Bis zu diesem Zeit-
punkt - und damit auch durch den Beschwerdebescheid oder das Vorlage-
schreiben - können tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Sicher-
heitsrisikos einschließlich der dabei zu treffenden Prognose in Ergänzung zu
der Entscheidung der Geheimschutzbeauftragten in das Verfahren eingeführt
werden (vgl. - auch zum Folgenden - Beschlüsse vom 27. September 2007
- BVerwG 1 WDS-VR 7.07 - Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 13 Rn. 23 und vom
11. März 2008 - BVerwG 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 = Buchholz 402.8
§ 14 SÜG Nr. 14 ). Allerdings kann eine solche Ergänzung nur
mit Zustimmung der Geheimschutzbeauftragten, der der gerichtlich nur be-
schränkt überprüfbare Beurteilungsspielraum zugewiesen ist, und nach deren
neuerlicher Beurteilung des Sachverhalts erfolgen. Sollen neue entscheidungs-
erhebliche Tatsachen in das Verfahren eingeführt werden, so ist dem Betroffe-
32
- 15 -
nen hierzu gemäß § 14 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 SÜG Gelegenheit
zur Äußerung zu geben.
b) Die Feststellung im Bescheid vom 9. November 2011, dass in der Person
des Antragstellers ein Sicherheitsrisiko vorliegt, hält in der Fassung des Be-
schwerdebescheids des Bundesministers der Verteidigung vom 29. März 2012
(§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) die Grenzen des vorbe-
zeichneten Beurteilungsspielraums ein.
aa) Bei der Überprüfung der Feststellung eines Sicherheitsrisikos sind neben
den Gründen des Bescheids der Geheimschutzbeauftragten auch die ergän-
zenden Ausführungen in dem Beschwerdebescheid und in dem Vorlageschrei-
ben des Bundesministers der Verteidigung zu berücksichtigen.
Nach den vom Bundesminister der Verteidigung vorgelegten umfangreichen
Unterlagen hat im vorgerichtlichen Beschwerdeverfahren im Rahmen der Abhil-
feprüfung zunächst die Geheimschutzbeauftragte beim Streitkräfteamt (interne
Mitteilung vom 11. Januar 2012, dass nicht abgeholfen wird) und sodann an der
Erstellung des Beschwerdebescheids vom 29. März 2012 und des Vorlage-
schreibens vom 22. November 2012 der Geheimschutzbeauftragte im Bundes-
ministerium der Verteidigung mitgewirkt.
Gegen die Mitwirkung des Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium
der Verteidigung an der Erstellung des Beschwerdebescheids und des Vorlage-
schreibens und gegen den entsprechenden Wechsel in der Wahrnehmung der
Aufgaben der zuständigen Stelle (§ 3 Abs. 1, § 14 Abs. 3 Satz 1 SÜG) im Be-
schwerdeverfahren bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Der Senat hat bereits in einem Fall, in dem der Geheimschutzbeauftragte im
Bundesministerium der Verteidigung an Stelle des grundsätzlich zuständigen
Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt den Erstbescheid in einer er-
weiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü 2) erlassen hatte, entschieden, dass der
Geheimschutzbeauftragte im Bundesministerium der Verteidigung befugt ist, im
Rahmen der ihm zustehenden Fachaufsicht (Nr. 2422 ZDv 2/30; vgl. auch
33
34
35
36
37
- 16 -
Nr. 2705 Abs. 4 ZDv 20/3) in die Zuständigkeit des ihm fachlich nachgeordne-
ten Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräfteamt einzutreten (vgl. - auch
zum Folgenden - Beschluss vom 14. Dezember 2010 - BVerwG 1 WB 13.10 -
Rn. 17 f.). Soweit - wie im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidi-
gung - die Zuständigkeiten nicht durch eine Rechtsnorm, sondern (nur) durch
Verwaltungsvorschrift (hier: Nr. 2416 ZDv 2/30) verteilt sind, bedarf es für den
Eintritt der übergeordneten Behörde in die Entscheidungszuständigkeit im We-
ge der Fachaufsicht keiner speziellen gesetzlichen Ermächtigung. Der gesetzli-
che Rahmen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SÜG ist nicht berührt, weil
durch diese Vorschriften außenwirksame Zuständigkeiten noch nicht definitiv
festgelegt sind bzw. die Zuständigkeit des Geheimschutzbeauftragten beim
Streitkräfteamt insoweit unter dem Vorbehalt einer Übernahme durch die ober-
ste Bundesbehörde in Gestalt des Geheimschutzbeauftragten im Bundesminis-
terium der Verteidigung steht.
Diese Erwägungen gelten erst recht für die hier vorliegende Konstellation, dass
der Geheimschutzbeauftragte im Bundesministerium der Verteidigung im Be-
schwerdeverfahren an die Stelle der Geheimschutzbeauftragten beim Streitkräf-
teamt tritt, nachdem diese zuvor die Möglichkeit der Abhilfe geprüft hat. Inso-
weit erfüllt der Geheimschutzbeauftragte im Bundesministerium der Verteidi-
gung im Beschwerdeverfahren zulässigerweise die von einer von der Personal-
verwaltung getrennten Organisationseinheit (§ 3 Abs. 1 Satz 3 SÜG) wahrzu-
nehmenden Aufgaben der zuständigen Stelle; ihm ist insoweit der gerichtlich
nur beschränkt überprüfbare Beurteilungsspielraum zugewiesen.
Der Geheimschutzbeauftragte im Bundesministerium der Verteidigung hat so-
wohl zu dem Beschwerdebescheid als auch zu dem Vorlageschreiben nach ei-
gener Befassung vorab Stellung genommen (Schreiben vom 2. März 2012 bzw.
vom 30. Oktober 2012) und sowohl den Beschwerdebescheid als auch das Vor-
lageschreiben intern mitgezeichnet (LoNo-Nachricht vom 27. März 2012 bzw.
vom 14. und 20. November 2012). Die inhaltlichen Aussagen erfolgten damit
mit seiner Zustimmung. Die ergänzenden Ausführungen in dem Beschwerde-
bescheid und dem Vorlageschreiben beziehen sich dabei nur auf die Bewertung
des Sachverhalts, der bereits dem Bescheid der Geheimschutzbeauftragten
38
39
- 17 -
beim Streitkräfteamt vom 9. November 2011 zugrunde liegt; neue entschei-
dungserhebliche Tatsachen, die eine erneute Anhörung des Antragstellers er-
fordert hätten, wurden nicht in das Verfahren eingeführt.
bb) Die Geheimschutzbeauftragte ist nicht von einem unrichtigen oder unvoll-
ständigen Sachverhalt ausgegangen. Die finanziellen Verhältnisse des Antrag-
stellers und deren Entwicklung, die der Antragsteller gegenüber seinen Vorge-
setzten, dem Militärischen Abschirmdienst und der Geheimschutzbeauftragten
offengelegt und die die Geheimschutzbeauftragte in den Gründen ihres Be-
scheids vom 9. November 2011 (Seite 2 bis 7) zusammengefasst dargestellt
hat, sind - was die Fakten betrifft - in allen wesentlichen Punkten unstrittig.
Danach hat der Antragsteller im Jahre 2002 gemeinsam mit seiner Ehefrau oh-
ne Einsatz von Eigenkapital den Bau eines Hauses unternommen. Die Fremdfi-
nanzierung erfolgte über Darlehen der Commerzbank (96 000 €) und der Euro-
hypo AG (122 000 €). Als Sicherheit für diese Kredite hat der Antragsteller
einen Bausparvertrag abgeschlossen, auf den er allerdings entgegen der Siche-
rungsabrede keine Einzahlungen leistete. Darüber hinaus hat der Antragsteller
einen Konsumentenkredit bei der Von Essen Bank über 50 000 € aufgenom-
men. Als Anfang 2009 die fehlende Deckung des Bausparvertrags auffiel und
der Antragsteller nicht in der Lage war, die geforderte Einzahlung von 32 000 €
zu leisten, wurden sämtliche Kredite fällig gestellt. In der Folgezeit kam es zu
Pfändungen, zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, zur Zwangsver-
steigerung des Hauses, die einen Erlös von 154 000 € erbrachte, und schließ-
lich mit Beschluss des Amtsgerichts R. vom 21. April 2011 zur Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers. Gläubigertabellen
zum 24. Juni 2011 weisen für den Antragsteller eine Summe der Forderungen
in Höhe von 128 216,81 €, für die Ehefrau des Antragstellers eine Summe der
Forderungen in Höhe von 130 410,40 € aus, wobei es sich allerdings in Höhe
der Schulden des Antragstellers um eine gesamtschuldnerische Haftung han-
deln dürfte. Nach den von der Geheimschutzbeauftragten zugrunde gelegten
Angaben des Antragstellers beträgt sein aktueller Verfügungsrahmen rund
2 600 €, der seiner Ehefrau rund 1 600 € monatlich. Seit der Zwangsversteige-
rung seines Hauses bewohnt der Antragsteller mit seiner Familie ein 128 qm
40
41
- 18 -
großes Einfamilienhaus zu einer Kaltmiete von 800 € monatlich; an weiteren re-
gelmäßigen Ausgaben hat der Antragsteller nach seinen Angaben monatlich für
Strom ca. 32 €, für Wasser ca. 130 €, für Gas ca. 130 €, für Telefon ca. 150 €,
für Versicherungen ca. 60 € und für Kraftstoff für zwei Autos ca. 400 € zu leis-
ten.
cc) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Geheimschutzbeauftragte
und der Bundesminister der Verteidigung in dem wirtschaftlichen Verhalten des
Antragstellers und seiner finanziellen Situation hinreichende tatsächliche An-
haltspunkte für Zweifel an seiner Zuverlässigkeit bei der Wahrnehmung einer
sicherheitsempfindlichen Tätigkeit und eine besondere Gefährdung durch An-
bahnungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste erkannt haben.
Mit dieser Einschätzung haben die Geheimschutzbeauftragte und der Bundes-
minister der Verteidigung weder den anzuwendenden Begriff oder den gesetzli-
chen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen können, verkannt noch allgemein-
gültige Wertmaßstäbe missachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats können sich tatsächliche Anhalts-
punkte, die Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrneh-
mung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG)
und/oder eine besondere Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversu-
che fremder Nachrichtendienste (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SÜG) und damit ein
Sicherheitsrisiko begründen, aus einer hohen Verschuldung des Betroffenen
ergeben (vgl. - auch zum Folgenden - Beschlüsse vom 30. Januar 2001
- BVerwG 1 WB 119.00 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 10, vom 6. September
2007 - BVerwG 1 WB 61.06
-,
vom 15. Dezember 2009 - BVerwG 1 WB 58.09 -
Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 22 und vom 28. August 2012 - BVerwG 1 WB
10.12 - Rn. 35). Aus der Tatsache einer erheblichen Schuldenlast allein kann
allerdings noch nicht zwingend auf das Bestehen eines Sicherheitsrisikos ge-
schlossen werden, jedenfalls solange nicht, wie der Soldat seinen finanziellen
Verpflichtungen nachkommt und eine seiner Dienststellung entsprechende Le-
bensführung sicherstellen kann. Deshalb ist stets - auch in Fällen eines Insol-
venzverfahrens des Betroffenen - eine wertende Beurteilung des Einzelfalls er-
forderlich.
42
43
- 19 -
Die angefochtenen Bescheide halten dem Antragsteller Sorglosigkeit, Nachläs-
sigkeit und Leichtfertigkeit im Umgang mit seinen Finanzen vor. Sie stützen dies
darauf, dass der Antragsteller mit der Kreditsumme von über 200 000 € für
einen rein fremdfinanzierten Hausbau und mit einer erheblichen weiteren Kre-
ditaufnahme für Konsumgüter und Wohnungseinrichtung seine Finanzplanung
nicht hinreichend an seinen Einkünften ausgerichtet habe, dass er sich unge-
achtet der offenkundigen Risikolage maßgeblich auf den Rat eines Bekannten
verlassen habe, dass er abredewidrig den als Sicherheit abgeschlossenen
Bausparvertrag nicht bedient habe, dass er bei Aufdeckung der fehlenden
Deckung im Jahre 2009 auch nicht nachträglich in der Lage war, die erforderli-
chen 32 000 € auf den Bausparvertrag einzuzahlen, um die Fälligstellung der
Kredite, die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und schließlich die Eröffnung
des Insolvenzverfahrens zu verhindern. Es ist nicht zu beanstanden, dass die
Geheimschutzbeauftragte und der Bundesminister der Verteidigung aus diesem
wirtschaftlich fahrlässigen, teilweise vertragswidrigen und nicht zuletzt erheblich
fremdschädigenden Verhalten Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers
auch bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (§ 5 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 SÜG) abgeleitet haben.
Nicht zu beanstanden ist auch die Einschätzung der Geheimschutzbeauftragten
und des Bundesministers der Verteidigung, dass - neben den Zuverlässigkeits-
bedenken - durch die Verschuldung des Antragstellers darüber hinaus eine be-
sondere Gefährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder
Nachrichtendienste (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SÜG) gegeben ist. Der Schulden-
stand des Antragstellers betrug im maßgeblichen Zeitpunkt rund 130 000 €. Mit
der am 21. April 2011 erfolgten Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens,
die u.a. das Scheitern einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern vo-
raussetzt (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO), steht darüber hinaus objektiv die Zahlungs-
unfähigkeit des Antragstellers fest (§ 17 i.V.m. § 304 Abs. 1 Satz 1 InsO). Zu-
treffend verweisen die angefochtenen Bescheide darauf, dass fremde Nachrich-
tendienste schwierige persönliche Situationen, insbesondere finanzielle
Zwangslagen, ausnützten, um an Geheimnisträger heranzutreten. Plausibel ist
auch der Hinweis in dem Beschwerdebescheid, dass die Entstehungsgeschich-
44
45
- 20 -
te von Schulden regelmäßig mit einem erhöhten Lebensstandard zusammenfal-
le, der sich in der Wohlverhaltensphase eines Insolvenzverfahrens mit den da-
mit verbundenen finanziellen Restriktionen nicht aufrechterhalten lasse, so dass
auch im Rahmen eines geordneten Insolvenzverfahrens Anreize bestünden, auf
finanzielle Verlockungen einzugehen. Von Bedeutung ist schließlich auch die
mit der Pflicht zur sofortigen Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses
(§ 30 InsO) bewirkte Publizität des Insolvenzverfahrens. Es leuchtet ein, dass
es auf diese Weise fremden Nachrichtendiensten erleichtert wird, geeignete
Personen für Anbahnungs- und Werbungsversuche zu identifizieren. Soweit der
Antragsteller darauf verweist, dass inzwischen viele Soldaten insbesondere
über soziale Netzwerke als solche erkennbar seien, liegt insoweit ein Unter-
schied vor, weil mit der Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses zugleich
auch der mögliche Ansatzpunkt für Anbahnungs- und Werbungsversuche frem-
der Nachrichtendienste publik gemacht wird.
dd) Keinen durchgreifenden Bedenken begegnet schließlich die Beurteilung der
Geheimschutzbeauftragten und des Bundesministers der Verteidigung, dem
Antragsteller im Hinblick auf sein leichtfertiges wirtschaftliches Verhalten und
seine durch Zahlungsunfähigkeit gekennzeichnete finanzielle Situation keine
positive Prognose auszustellen.
Eine positive Prognose wird insbesondere nicht durch die im April 2011 erfolgte
Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens gefordert (vgl. zum Folgenden
Beschlüsse vom 6. September 2007 a.a.O. Rn. 32 und vom 28. August 2012
a.a.O. Rn. 39). Zwar ermöglicht die Durchführung des Insolvenzverfahrens die
Erteilung einer Restschuldbefreiung durch das Insolvenzgericht (§§ 300, 301
InsO). Dies setzt voraus, dass der Schuldner sein pfändbares Einkommen für
die Dauer einer - hier im April 2017 endenden - sog. Wohlverhaltensperiode von
sechs Jahren an einen Treuhänder abtritt (§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO) und wäh-
rend dieser Zeit weitere Obliegenheiten erfüllt (§ 295 InsO). Die Ankündigung
der Restschuldbefreiung durch das Insolvenzgericht (§ 291 InsO) löst jedoch
keinen Automatismus aus, sondern eröffnet dem Schuldner lediglich die Chan-
ce, durch sein eigenes (Wohl-)Verhalten Befreiung von den im Insolvenzverfah-
ren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern zu er-
46
47
- 21 -
langen. Die Ankündigung der Restschuldbefreiung und erst recht die bloße Er-
öffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens bedingen oder bewirken deshalb
auch nicht zwangsläufig eine positive Prognose der künftigen Entwicklung der
Persönlichkeit des Antragstellers und seiner finanziellen Verhältnisse im Sinne
des Sicherheitsüberprüfungsrechts.
Die Geheimschutzbeauftragte und der Bundesminister der Verteidigung haben
ihren Beurteilungsspielraum auch nicht dadurch überschritten, dass sie die
positiven Stellungnahmen des Disziplinarvorgesetzten des Antragstellers, zu-
letzt vom 5. September 2011, zwar berücksichtigt, ihnen aber keine ausschlag-
gebende Bedeutung zugemessen haben. Die Verantwortung für die sicher-
heitsmäßige Einschätzung liegt bei den nach dem Sicherheitsüberprüfungsge-
setz zuständigen Stellen. Es ist danach nicht zu beanstanden, dass die Ge-
heimschutzbeauftragte und der Bundesminister der Verteidigung bei der vorlie-
genden Sachlage - entgegen der zugunsten des Antragstellers abgegebenen
Vertrauenserklärung des Disziplinarvorgesetzten - dem Sicherheitsinteresse
den Vorrang eingeräumt haben (§ 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG). Eine abweichende
Bewertung gebietet dabei auch nicht die Tatsache, dass der Antragsteller aktu-
ell als Geschäftsführer der OHG/UHG am Standort L. eingesetzt wird; hierbei
handelt es sich offenkundig nicht um eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit im
Sinne des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes.
Nach den konkreten Umständen des vorliegenden Falls steht der negativen
Prognose durch die Geheimschutzbeauftragte und den Bundesminister der Ver-
teidigung schließlich nicht entgegen, dass der Antragsteller nach Bekanntwer-
den seiner finanziellen Probleme und zunächst auch noch nach Eröffnung des
Verbraucherinsolvenzverfahrens am 21. April 2011 bis zur Entscheidung der
Geheimschutzbeauftragten in seiner sicherheitsempfindlichen Tätigkeit verblie-
ben ist.
Wird ein Soldat trotz Bekanntwerden sicherheitserheblicher Erkenntnisse über
einen längeren Zeitraum ohne Einschränkungen weiter in einer sicherheitsemp-
findlichen Tätigkeit verwendet, so muss nach der Rechtsprechung des Senats
(Beschlüsse vom 15. Dezember 2009 - BVerwG 1 WB 58.09 - Buchholz 402.8
48
49
50
- 22 -
§ 5 SÜG Nr. 22 Rn. 29 ff. und vom 21. Juli 2010 - BVerwG 1 WB 68.09 -
Rn. 33) der zuständige Geheimschutzbeauftragte diesen Umstand vor seiner
Entscheidung über die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in seine Prognose-
erwägungen einbeziehen. Das ist hier zwar nicht bereits durch den Bescheid
der Geheimschutzbeauftragten, jedoch - in zulässiger Ergänzung der dortigen
Ausführungen (siehe oben II.2.b.aa) - durch den Bundesminister der Verteidi-
gung in dessen Beschwerdebescheid und Vorlageschreiben geschehen. Der
Bundesminister der Verteidigung hat sich dabei zum einen darauf berufen, dass
die Entscheidung über die Zuverlässigkeit erst nach mehrfachen Befragungen
durch den Militärischen Abschirmdienst und mehrfachen Anhörungen durch die
Geheimschutzbeauftragte möglich gewesen sei; ein - wie hier - umfangreiches
und zeitaufwändiges Ermittlungsverfahren sei auch zum Schutz des Betroffe-
nen erforderlich und nicht zuletzt Ausdruck des Fürsorgegedankens; würden
betroffene Soldaten bereits unmittelbar nach Bekanntwerden eines sicherheits-
erheblichen Umstands von jeglicher sicherheitsempfindlichen Tätigkeit entbun-
den, so würden häufig ohne ausreichende Entscheidungsgrundlage nachteilige
Fakten geschaffen. Zum anderen hat der Bundesminister der Verteidigung auf
die fortlaufende Veränderung des Sachverhalts bis zur Eröffnung des Insol-
venzverfahrens am 21. April 2011 hingewiesen; so habe der Antragsteller in der
Sicherheitserklärung vom 13. Februar 2008 noch angegeben, keine finanziellen
Schwierigkeiten zu haben, und in seiner Erklärung vom 29. September 2009
versichert, dass es durch einen Beratungsfehler zur Zwangsvollstreckung ge-
kommen sei, er sich um eine Umfinanzierung bemühe und er die Schulden mit
seinem Gehalt bedienen könne. Schließlich hat der Bundesminister der Vertei-
digung auf die - unabhängig von der vorläufigen Weiterverwendung in einer si-
cherheitsempfindlichen Tätigkeit - objektiv gegebene Gefahr einer nachrichten-
dienstlichen Ansprechbarkeit verwiesen.
Auf der Grundlage dieser Erwägungen ist es unter dem Blickwinkel der Gefah-
renprognose nicht widersprüchlich und damit rechtlich nicht zu beanstanden,
dass der Antragsteller während des laufenden Sicherheitsüberprüfungsverfah-
rens in seiner sicherheitsempfindlichen Tätigkeit verblieben ist. Zu der Tatsa-
che, dass der Antragsteller auch nach Feststellung des Sicherheitsrisikos wei-
terhin auf Dienstposten geführt wurde und bis heute geführt wird, für die eine
51
- 23 -
positive Sicherheitsüberprüfung erforderlich ist, hat der Bundesminister der Ver-
teidigung unwidersprochen erläutert, dass der Antragsteller nach Bekanntwer-
den der Entscheidung der Geheimschutzbeauftragten faktisch nicht mehr in ei-
ner sicherheitsempfindlichen Tätigkeit verwendet, sondern - soweit er nicht
„krank zu Hause“ war - in der Offizierheimgesellschaft/Unteroffizierheimgesell-
schaft und in der Schwimmhalle der Kaserne als Aufsicht/Rettungsschwimmer
eingesetzt wurde. Seit dem 1. April 2012 wird der Antragsteller auch formal kor-
rekt mit Zustimmung der Stammdienststelle der Bundeswehr (Bescheid vom
19. Januar 2012) nicht-dienstpostengerecht auf dem Dienstposten eines Heim-
feldwebels verwendet.
ee) Ohne Erfolg beanstandet der Antragsteller ferner, dass in seinem Fall von
der Möglichkeit einer positiven Entscheidung unter Auflagen, Einschränkungen
oder personenbezogenen Sicherheitshinweisen (Nr. 2705 Abs. 1 ZDv 2/30) kein
Gebrauch gemacht worden sei.
Auch insoweit hat der Bundesminister der Verteidigung die - apodiktische - Aus-
sage in dem Bescheid der Geheimschutzbeauftragten, dass den Sicherheitsbe-
denken mit einer Auflagenentscheidung nicht ausreichend begegnet werden
könne, in dem Vorlageschreiben ergänzt. Er hat dabei insbesondere darauf ab-
gestellt, dass - vor dem Hintergrund der mehrjährigen Schuldenhistorie des An-
tragstellers - die für eine Auflagenentscheidung erforderlichen Anhaltspunkte für
eine beständige Verhaltensänderung im finanziellen Bereich noch nicht allein
daraus abgeleitet werden könnten, dass der Antragsteller im Insolvenzverfahren
bisher seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflicht nachgekommen sei. Diese Ein-
schätzung überschreitet nicht die Grenzen des Beurteilungsspielraums.
ff) Im Ergebnis ohne Erfolg rügt der Antragsteller schließlich eine Verletzung
seines Anhörungsrechts nach § 14 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 SÜG.
(1) Nach der Rechtsprechung des Senats muss die Anhörung des Betroffenen
im Verfahren einer Sicherheitsüberprüfung nicht notwendig persönlich erfolgen;
sie kann auch im schriftlichen Verfahren durchgeführt werden (vgl. Beschluss
vom 21. Oktober 2010 - BVerwG 1 WB 16.10 - Buchholz 402.8 § 6 SÜG Nr. 1
52
53
54
55
- 24 -
Leitsatz). Es liegt in der Initiative des anzuhörenden Betroffenen, es entweder
mit einer schriftlichen Äußerung bewenden zu lassen oder auf einer persönli-
chen Anhörung - ggf. nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Satz 2 SÜG mit einem
Rechtsanwalt - zu bestehen (Beschluss vom 21. Oktober 2010 a.a.O. Rn. 44).
Diese Rechtsprechung ist wie folgt klarzustellen:
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 SÜG ist vor der Ablehnung der Zulassung zu einer
sicherheitsempfindlichen Tätigkeit dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich
persönlich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Der
Betroffene kann zur Anhörung mit einem Rechtsanwalt erscheinen (§ 6 Abs. 1
Satz 2 SÜG; siehe auch Nr. 2708 ZDv 2/30). Aus dem eindeutigen Gesetzes-
wortlaut folgt damit nicht nur, dass die Anhörung als solche zwingend vorge-
schrieben ist, sofern sie nicht aus den Gründen des § 6 Abs. 1 Satz 4 SÜG (er-
heblicher Nachteil für die Sicherheit des Bundes oder eines Landes) aus-
nahmsweise unterbleibt. Zwingend angeordnet ist vielmehr auch, dass dem Be-
troffenen Gelegenheit zu geben ist, sich persönlich, das heißt: unter Anwesen-
den, sowie ggf. im Beisein eines Rechtsanwalts, zu äußern. Dasselbe ergibt
sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Si-
cherheitsüberprüfungsgesetz, wonach der Betroffene sich persönlich äußern
und keinen Vertreter schicken solle; bei der Anhörung komme es wesentlich
auch auf den persönlichen Eindruck an, den die zu überprüfende Person hinter-
lasse (vgl. BTDrucks 12/4891, S. 21).
Zu dieser Gesetzesauslegung steht es nicht im Widerspruch, dass eine Anhö-
rung auch im schriftlichen Verfahren erfolgen kann (Beschluss vom 21. Oktober
2010 a.a.O. Rn. 44). Denn der Betroffene muss nur - dies allerdings vorbehalt-
los - Gelegenheit erhalten, sich persönlich zu äußern. Die persönliche Anhö-
rung ist keine Vorladung zu einer Vernehmung, sondern ein Recht des Betrof-
fenen (siehe die Überschrift zu § 6 SÜG), wie überhaupt die Sicherheitsüber-
prüfung nur mit Zustimmung des Betroffenen durchgeführt wird (§ 2 Abs. 1
Satz 1 und 2 SÜG). Der Betroffene ist daher weder verpflichtet, sich überhaupt
zu äußern, noch, seine Äußerung gerade in persönlicher Form abzugeben.
Möchte der Betroffene von der Gelegenheit zur Äußerung zwar grundsätzlich,
56
57
58
- 25 -
nicht jedoch in einem persönlichen Gespräch Gebrauch machen, so steht es
ihm deshalb - gleichsam als Minus zur persönlichen Äußerung - frei, sich
schriftlich zu äußern.
Verpflichtet zur persönlichen Anhörung ist - schließlich - die „zuständige Stelle“,
also der Geheimschutzbeauftragte (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG, Nr. 2416
ZDv 2/30). Dies ergibt sich aus § 14 Abs. 3 Satz 1 und 4 SÜG, wonach die zu-
ständige Stelle, wenn sie über das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos entschei-
det, § 6 Abs. 1 und 2 SÜG zu beachten hat. Eine Anhörung oder Befragung
durch den Militärischen Abschirmdienst als mitwirkender Behörde (§ 3 Abs. 2
SÜG, Nr. 2411 ZDv 2/30) ist nicht geeignet, die persönliche Anhörung durch
den Geheimschutzbeauftragten zu ersetzen.
(2) Mit diesen Grundsätzen ist die Anhörungspraxis der Geheimschutzbeauf-
tragten beim Streitkräfteamt, wie sie vorliegend auch ihrem Anhörungsschrei-
ben vom 18. August 2011 zugrunde liegt, nicht in vollem Umfang vereinbar.
Nach dieser Praxis wird dem Betroffenen in einem standardisierten Schreiben
mitgeteilt, dass in seinem Fall bestimmte, in einer Anlage 1 näher aufgeführte
Umstände vorlägen, die geeignet seien, ein Sicherheitsrisiko zu begründen;
dies habe nach derzeitigem Sachstand zur Folge, dass der Betroffene eine
sicherheitserhebliche Tätigkeit nicht bzw. nicht mehr ausüben dürfe. Vor einer
Entscheidung erhalte der Betroffene Gelegenheit, binnen einer bestimmten Frist
(hier: von drei Wochen nach Erhalt des Schreibens) zu den in Anlage 1 aufge-
führten Umständen unter Verwendung des anliegenden Beiblattes (Anlage 2)
Stellung zu nehmen.
Mit diesen Formulierungen im Anhörungsschreiben wird dem Betroffenen keine
Gelegenheit zu einer persönlichen Äußerung, sondern von vornherein nur Ge-
legenheit zu einer Stellungnahme „unter Verwendung des anliegenden Beiblat-
tes (Anlage 2)“, also nur zu einer schriftlichen Äußerung gegeben. Es ist nicht
Aufgabe des Betroffenen, von dem oder der Geheimschutzbeauftragten eine
persönliche Anhörung zu verlangen. Vielmehr ist es Aufgabe des oder der Ge-
heimschutzbeauftragten, dem Betroffenen in erster Linie eine persönliche Anhö-
59
60
61
62
- 26 -
rung im Sinne der „Gelegenheit …, sich persönlich zu den für die Entscheidung
erheblichen Tatsachen zu äußern“ (§ 6 Abs. 1 Satz 1 SÜG), anzubieten. Dieses
Angebot kann - in zweiter Linie - mit dem Hinweis verbunden werden, dass es
dem Betroffenen freistehe, sich auch in schriftlicher Form zu den ihm vorgehal-
tenen Umständen zu äußern.
(3) Eine Verletzung des Rechts auf persönliche Anhörung führt jedoch nur dann
zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung des oder der Geheimschutzbeauftrag-
ten, wenn sich die Vorenthaltung der Möglichkeit, sich gerade persönlich und
nicht nur schriftlich zu äußern, entscheidungserheblich auf die Feststellung ei-
nes Sicherheitsrisikos ausgewirkt hat.
Der Antragsteller hat zwar mehrfach (in seinen Beschwerdeschreiben sowie in
den Schriftsätzen seines Bevollmächtigten vom 10. Januar 2013, unter II.2.,
und vom 10. Mai 2013, unter 1.) eine Verletzung von § 6 Abs. 1 Satz 1 SÜG ge-
rügt und zur Auslegung dieser Bestimmung Stellung genommen. Er hat jedoch
nichts dazu vorgetragen, inwiefern im vorliegenden Fall der persönliche Ein-
druck von Bedeutung für die Entscheidung der Geheimschutzbeauftragten ge-
wesen wäre oder zu welchen sicherheitserheblichen Umständen er, der Antrag-
steller, sich nur im persönlichen Gespräch, nicht aber schriftlich hätte erklären
wollen. Eine entscheidungserhebliche Bedeutung einer persönlichen Anhörung
des Antragstellers drängt sich auf der Basis der Entscheidungsgründe der Ge-
heimschutzbeauftragten auch im Übrigen nicht auf. Soweit die Geheimschutz-
beauftragte die Feststellung eines Sicherheitsrisikos auf eine besondere Ge-
fährdung durch Anbahnungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichten-
dienste (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SÜG) gestützt hat, hat sie im Kern auf objekti-
ve, von dem Antragsteller nicht (mehr) beeinflussbare Umstände, nämlich auf
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und dessen Publizität, abgestellt. Da es
sich insoweit - im Verhältnis zu den außerdem angeführten Zweifeln an der Zu-
verlässigkeit bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit
(§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG) - um eine selbstständig tragende Begründung für
die Feststellung des Sicherheitsrisikos handelt, fehlt es bereits aus diesem
Grund an der Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensverstoßes.
63
64
- 27 -
gg) Keine rechtlichen Bedenken bestehen schließlich dagegen, dass die Ge-
heimschutzbeauftragte die Feststellung eines Sicherheitsrisikos auch auf die
Verwendung des Antragstellers in sicherheitsempfindlicher Tätigkeit der Über-
prüfungsart Ü 1 (Verschlusssachenschutz) erstreckt hat. Für die Beurteilung der
Zuverlässigkeit des Antragstellers und für die Risikoeinschätzung ergeben sich
insoweit keine abweichenden Gesichtspunkte.
Dr. von Heimburg Dr. Frentz Dr. Langer
65
Sachgebiet:
BVerwGE:
Ja
Wehrbeschwerderecht
Fachpresse:
Ja
Rechtsquellen:
SÜG
§ 6 Abs. 1, § 14 Abs. 3
Stichworte:
Sicherheitsüberprüfung; persönliche Anhörung des Betroffenen.
Leitsätze:
Die Pflicht des Geheimschutzbeauftragten, dem Betroffenen vor der Feststel-
lung eines Sicherheitsrisikos Gelegenheit zur persönlichen Äußerung zu geben
(§ 14 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 SÜG), ist verletzt, wenn dem Be-
troffenen lediglich angeboten wird, sich in schriftlicher Form zu äußern.
Die Verletzung des Rechts auf persönliche Anhörung führt nur dann zur Rechts-
widrigkeit der Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten, wenn sich die Vor-
enthaltung der Möglichkeit, sich gerade persönlich und nicht nur schriftlich zu
äußern, entscheidungserheblich auf die Feststellung eines Sicherheitsrisikos
ausgewirkt hat.
Beschluss des 1. Wehrdienstsenats vom 26. November 2013 - BVerwG 1 WB
57.12