Urteil des BVerwG vom 10.08.2010

Verfügung, Versetzung, Ermessen, Hauptsache

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 57.09
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberfeldwebel ...,
..., ...,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...,
..., ... -
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen
am 10. August 2010 beschlossen:
Das Verfahren wird eingestellt.
Der Antrag, die dem Antragsteller im Verfahren vor dem
Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im
vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen
Aufwendungen dem Bund aufzuerlegen, wird
zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
I
Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit wird
voraussichtlich am ... enden.
Mit Verfügung Nr. ... vom ... versetzte die Stammdienststelle der Bundeswehr
den Antragsteller von der ... in U... zur ... in L.... Die voraussichtliche
Verwendungsdauer wurde auf den 31. Dezember 2008 festgesetzt. Mit 2.
Korrektur vom 4. November 2008 zur Verfügung Nr. ... änderte die
Stammdienststelle die Verwendungsdauer auf den 31. Dezember 2011.
Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom ... Beschwerde, die er mit
weiterem Schreiben vom ... begründete. Seiner Auffassung nach habe eine
Verlängerung der Verwendungsdauer am Standort Laupheim nur bis zum 31.
Dezember 2010 erfolgen dürfen; außerdem beantrage er vorab seine
Versetzung an den Standort H... oder M....
Nachdem dem Antragsteller bereits zuvor in einem Personalgespräch am ...
mitgeteilt worden war, dass die Änderung der Verwendungsdauer fehlerhaft sei
und korrigiert werde, setzte die Stammdienststelle mit 3. Korrektur vom 2. März
2009 die voraussichtliche Verwendungsdauer auf den 31. Dezember 2010 fest.
Mit Bescheid vom ... lehnte die Stammdienststelle den Antrag auf Versetzung
nach H... oder M... ab.
Mit Bescheid vom ... wies der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - die
Beschwerde des Antragstellers gegen die Verlängerung der Verwendungsdauer
am Standort L... bis zum 31. Dezember 2011 als unzulässig zurück. Die
Beschwerde sei verspätet erhoben. Außerdem sei dem Anliegen des
Antragstellers durch die 3. Korrektur vom 2. März 2009 bereits Rechnung
getragen.
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Hiergegen beantragte der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten
vom ... die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Die Beschwerde sei
nicht verspätet und auch im Übrigen zulässig. In der Sache beantragte der
Antragsteller, die Verfügung der Stammdienststelle vom ... und den
Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung vom ...
aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, seine, des Antragstellers,
Anliegen in dem Schreiben vom ... rechtsmittelfähig in einer vom Gericht zu
bestimmenden angemessenen Frist zu bescheiden.
Mit Schreiben vom ... wies der Berichterstatter den Antragsteller auf Bedenken
gegen die Zulässigkeit seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung hin. Der
Antragsteller erklärte daraufhin mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom ...
den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragt,
der Wehrbeschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens
aufzuerlegen.
Nachdem der Bundesminister der Verteidigung inzwischen eingeräumt habe,
dass die Beschwerde nicht wegen Fristversäumnisses als unzulässig habe
zurückgewiesen werden dürfen, habe der Antrag auf gerichtliche Entscheidung
die einzige Möglichkeit zur Aufklärung der rechtsfehlerhaften Ausführungen im
ursprünglich ablehnenden Beschwerdebescheid dargestellt. Dies gebiete eine
Kostenentscheidung zu Lasten der Beschwerdegegnerin.
Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat mit Schreiben vom ... der
Erledigungserklärung des Antragstellers zugestimmt. Er ist der Auffassung,
dass die Verfahrenskosten dem Bund nicht aufzuerlegen seien, weil der Antrag
auf gerichtliche Entscheidung von vornherein keine Aussicht auf Erfolg gehabt
habe.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug
genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I
7 - Az.: ... - und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei
der Beratung vorgelegen.
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II
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend
für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von
§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §
20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für
die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden
Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender
Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter
Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20
Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 22.
April 2008 - BVerwG 1 WB 4.08 - m.w.N.).
Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, die dem Antragsteller erwachsenen
notwendigen Auslagen dem Bund aufzuerlegen, weil der Antrag auf
gerichtliche Entscheidung erfolglos geblieben wäre.
Soweit der Antragsteller beantragte, die Verfügung der Stammdienststelle der
Bundeswehr vom ... und den Beschwerdebescheid des Bundesministers der
Verteidigung vom ... aufzuheben (Sachantrag Nr. 1 im Schriftsatz vom ...),
fehlte ihm das Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Entscheidung. Die
Verfügung vom 4. November 2008 (2. Korrektur zur Versetzungsverfügung Nr.
...) wurde bereits durch die 3. Korrektur vom 2. März 2009 aufgehoben und die
voraussichtliche Verwendungsdauer auf den vom Antragsteller nicht
beanstandeten Termin 31. Dezember 2010 geändert. Damit war dem Begehren
des Antragstellers bereits vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens (und auch
schon vor Erlass des Beschwerdebescheids) entsprochen.
Soweit der Antragsteller ferner beantragte, den Bundesminister der
Verteidigung zu verpflichten, seine, des Antragstellers, Anliegen in dem
Schreiben vom ... rechtsmittelfähig in einer vom Gericht zu bestimmenden
angemessenen Frist zu bescheiden (Sachantrag Nr. 2 im Schriftsatz vom ...),
war der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ebenfalls unzulässig. Zum einen
war auch diesem Begehren bereits dadurch entsprochen, dass die
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Stammdienststelle über den im Schreiben vom ... (Beschwerdebegründung)
gestellten Antrag auf Versetzung nach H... oder M... mit Bescheid vom ... -
wenn auch negativ - entschieden hatte. Zum anderen und vor allem aber
konnten die weiteren „Anliegen in dem Schreiben vom ...“, insbesondere der
Versetzungsantrag, nicht zum Gegenstand des vorliegenden
Wehrbeschwerdeverfahrens gemacht werden. Nach ständiger Rechtsprechung
des Senats wird der Gegenstand des gerichtlichen Antragsverfahrens durch die
Beschwerde und die damit angefochtene oder begehrte Maßnahme bestimmt;
die Wehrbeschwerdeordnung kennt kein der Klageänderung oder
Klageerweiterung vergleichbares Rechtsinstitut (vgl. z.B. Beschluss vom 15.
Juli 2008 - BVerwG 1 WB 25.07 - Rn. 25 m.w.N.). Die Beschwerde des
Antragstellers vom ... richtete sich (nur) gegen die Verlängerung seiner
Verwendungsdauer am Standort L... durch die Verfügung der
Stammdienststelle vom .... Soweit der Antragsteller mit der
Beschwerdebegründung vom ... weitere Anliegen verband, hat er damit neue
Ausgangsverfahren eröffnet, an die sich im Falle ablehnender Entscheidungen
ggf. weitere, selbständige Beschwerdeverfahren anschließen können;
insbesondere hätte der Antragsteller gegen die Ablehnung seines
Versetzungsantrags durch den Bescheid vom ... gesondert Beschwerde
erheben können und müssen. Unabhängig davon, ob das geschehen ist oder
nicht, sind der Versetzungsantrag in dem Schreiben vom ... und der Bescheid
vom ... jedenfalls nicht Gegenstand des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens.
Der Antragsteller kann eine Erstattung seiner notwendigen Aufwendungen
schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt von § 23a Abs. 2 WBO i.V.m. §
155 Abs. 4 VwGO verlangen, wonach Kosten, die durch Verschulden eines
Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden können. Soweit der
Antragsteller insoweit geltend macht, der Antrag auf gerichtliche Entscheidung
sei dadurch veranlasst gewesen, dass seine Beschwerde zu Unrecht wegen
Fristversäumnisses als unzulässig zurückgewiesen worden sei, hat der
Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - zwar eingeräumt, dass eine
Verspätung tatsächlich nicht vorlag und der Beschwerdebescheid deshalb
insoweit fehlerhaft sei. Der Beschwerdebescheid vom ... begründete die
Unzulässigkeit der Beschwerde jedoch nicht nur mit der (nicht vorliegenden)
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verspäteten Einlegung, sondern daneben auch damit, dass dem Anliegen des
Antragstellers durch die 3. Korrektur vom 2. März 2009 bereits Rechnung
getragen worden sei; dieser letztere Grund trifft, wie eben dargelegt, zu. Stützt
sich ein Bescheid alternativ auf zwei (oder mehrere) Gründe, so kann mit dem
Antrag auf gerichtliche Entscheidung eine isolierte Überprüfung (nur) eines
bestimmten Grundes nicht verlangt werden (vgl. dazu, dass einzelne
Feststellungen in den Gründen eines Bescheids keine selbständigen
Beschwerdeanlässe oder -gegenstände darstellen, Beschluss vom 29. Januar
2008 - BVerwG 1 WB 4.07 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 69 m.w.N.). Die
Einlegung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung ist deshalb auch nicht vom
Bundesminister der Verteidigung „verschuldet“ im Sinne von § 23a Abs. 2 WBO
i.V.m. § 155 Abs. 4 VwGO.
Golze Dr. Langer Thomsen