Urteil des BVerwG vom 24.02.2005

Beendigung des Dienstverhältnisses, Dienstzeit, Ausbildung, Slv

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
Beschluss
BVerwG 1 WB 57.04
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
,
…,
- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt …,
…, … -
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth,
sowie
Oberstleutnant Ernst und
Oberstabsgefreiter Bohr
als ehrenamtliche Richter
am 24. Februar 2005
b e s c h l o s s e n :
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
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G r ü n d e :
I
Der 1982 geborene Antragsteller war Soldat auf Zeit. Nach Ablauf seiner Dienst-
zeit von zwei Jahren ist er am 30. September 2004 aus der Bundeswehr ausge-
schieden. Zum Hauptgefreiten war er am 21. November 2003 ernannt worden. Vor
dem Ende seiner Dienstzeit wurde er zuletzt als Sanitätssoldat und Sanitätssoldat
Krankenpflegedienst beim Standortsanitätszentrum (StOSanZ) A. verwendet.
Mit Bewerbungssofortmeldung vom 8. Juni 2004 beantragte der Antragsteller bei
der Stammdienststelle des Heeres (SDH) seine Zulassung zur Laufbahn der
Feldwebel des Sanitätsdienstes (FwSanD) in der Verwendung als Sanitätsfeldwe-
bel (SanFw) Controlling oder SanFw Rettungsassistent (RettAss). Diesen Antrag
lehnte die SDH mit Bescheid (E-Mail) vom 18. Juni 2004 mit der Begründung ab,
für die Ausbildung in den nichtakademischen Berufen des Gesundheitswesens sei
in der Regel ein mittlerer Bildungsabschluss mit einem Notendurchschnitt von 2,5
in den naturwissenschaftlichen Fächern und im Fach Deutsch erforderlich. Der
Antragsteller habe die Mittlere Reife mit einem Notendurchschnitt von 3,66 in die-
sen Fächern erworben und erfülle damit nicht die Voraussetzungen nach dem
Ausbildungskonzept für die Laufbahn der FwSanD. Für die Ausbildung zum
RettAss sei zwar als schulische Vorbildung der Hauptschulabschluss ausreichend;
in diesem Bereich bestünde aber auf absehbare Zeit keine Einplanungsmöglich-
keit.
Mit Scheiben vom 21. Juni 2004 wies die Stabsgruppe des StOSanZ A. darauf hin,
dass der Antragsteller die Fachhochschulreife bzw. das Fachabitur schulischer
Teil absolviert habe und bat um Überprüfung der Entscheidung.
Daraufhin hob die SDH mit Schreiben (E-Mail) vom 23. Juni 2004 den Bescheid
vom 18. Juni 2004 auf und kündigte dem Antragsteller eine Entscheidung in der
Auswahlkonferenz am 29. Juli 2004 an.
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Mit Bescheid vom 3. August 2004 lehnte die SDH den Antrag auf Laufbahnwech-
sel mit der Begründung ab, der Antragsteller habe in der Auswahlkonferenz nicht
ausgewählt werden können, weil Dienstposten der Ausbildungs- und Verwen-
dungsreihen (AVR), für die er sich beworben habe, nicht zu besetzen seien. Die-
ser Bescheid - mit dem Briefkopf „Stammdienststelle des Heeres/Dez III Z Sach-
gebiet 4“ und dem Hinweis „Bearb: OF B.“ - war nicht handschriftlich unterschrie-
ben, sondern enthielt unter der Rechtsbehelfsbelehrung den Text: „gezeichnet
OFA Dr. N. … Im Auftrag: B., Oberfeldwebel“.
Die Beschwerde des Antragstellers vom 18. August 2004 wies der Bundesminister
der Verteidigung (BMVg) - PSZ I 7 - mit Beschwerdebescheid vom 28. September
2004 zurück.
Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 4. Oktober 2004 hat der BMVg
- PSZ I 7 - mit seiner Stellungnahme vom 25. Oktober 2005 dem Senat vorgelegt.
Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Er habe sich bereits am 11. November 2003 (richtig: 20. November) um die Zu-
lassung zur Laufbahn der Feldwebel des allgemeinen Fachdienstes (FwFD) be-
worben. Das Z… habe ihm am 21. Januar 2004 mitgeteilt, dass er für diese Lauf-
bahn geeignet sei. Aufgrund fehlenden Bedarfs habe er jedoch nicht auf einem
Feldwebeldienstposten eingeplant werden können. Daher habe das Zentrum für
Nachwuchsgewinnung seine Bewerbungsunterlagen zur weiteren Bearbeitung an
die SDH weitergeleitet. Während des Verfahrens sei seine Personalakte ver-
schwunden. Deshalb habe die SDH seine Dienststelle aufgefordert, eine neue
Bewerberakte vorzulegen. Entsprechend der Anregung der SDH habe er dann
seine Bewerbung auf die Laufbahn der FwSanD ausgedehnt und die Bewer-
bungssofortmeldung vom 8. Juni 2004 abgegeben. Diese sei mit Schreiben des
StOSanZ A. vom 9. Juli 2004 der SDH vorgelegt worden. Die SDH habe seinen
Antrag auf Zulassung zur Laufbahn der FwFD vom 20. November 2003 nicht be-
schieden.
Er beantragt
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festzustellen, dass die unterbliebene Bescheidung des An-
trags vom 20. November 2003 auf Übernahme in die Lauf-
bahn der FwFD rechtswidrig war und ist.
Der BMVg beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei unzulässig. Mit seinem Ausscheiden
aus der Bundeswehr am 30. September 2004 habe der Antragsteller den Status
als Soldat auf Zeit verloren. Seinem Begehren, als Anwärter für die Laufbahn der
FwSanD bzw. alternativ der FwFD zugelassen und ausgebildet zu werden, könne
objektiv nicht mehr entsprochen werden. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse
habe der Antragsteller nicht dargetan; dieses sei auch nicht ersichtlich. In der Sa-
che sei die Entscheidung der SDH, den Antragsteller nicht zur Laufbahn der
FwSanD zuzulassen, rechtmäßig, weil weder in der Auswahlkonferenz vom
29. Juli 2004 noch in der ihr vorangegangenen Konferenz vom 24. Juni 2004
Dienstposten zu besetzen gewesen seien, die der AVR für die vom Antragsteller
angestrebten Dienstposten entsprächen. In der ersten Priorität habe er die Ver-
wendung als SanFw Controlling und in der zweiten Priorität die Verwendung als
SanFw RettAss beantragt. In der AVR 85903, Assistenzpersonal Sanitätsdienst
allgemein, zu der die Dienstposten SanFw Controlling gehörten, seien keine
Feldwebeldienstposten zu besetzen gewesen. Dies gelte auch für die Feldwebel-
dienstposten in der AVR 85908, Assistenzpersonal Rettungsdienst, zu der die
Dienstposten SanFw RettAss gehörten. Der Umstand der fehlenden Unterschrift
unter dem Bescheid vom 3. August 2004 sei rechtlich bedeutungslos. Aus den
gesamten Umständen gehe zweifelsfrei hervor, dass es sich bei dem Bescheid um
eine abschließende, für den Antragsteller bestimmte Entscheidung handele. Der
Bescheid enthalte die Namenswiedergabe der Bearbeiterin, verbunden mit dem
Zusatz „gezeichnet OFA Dr. N.“ und sei an die Einheit/Dienststelle des An-
tragstellers versandt worden, wo ihm der Bescheid nach seinem eigenen Vorbrin-
gen am 16. August 2004 bekannt gegeben worden sei. Den Übernahmeantrag
vom 20. November 2003 habe die SDH mit Bescheid vom 5. Februar 2004 ableh-
nend beschieden.
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Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Be-
teiligten und der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des BMVg
- PSZ I 7 - 878/04 - sowie die Personalgrundakte des Antragstellers lagen dem
Senat bei der Beratung vor.
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
Das Ausscheiden des Antragstellers aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf
Zeit steht der Fortführung des Verfahrens nicht entgegen (§ 15 WBO).
Sein ursprünglich im Beschwerdeverfahren verfolgtes Anliegen, den BMVg zu
verpflichten, ihn zur Laufbahn der FwSanD zuzulassen, ist jedoch mit Ausscheiden
des Antragstellers aus der Bundeswehr am 30. September 2004 in der
Hauptsache erledigt. Die Dienstzeit des Antragstellers war von der SDH unter dem
25. Juli 2003 auf zwei Jahre - beginnend mit dem 1. Oktober 2002, endend mit
Ablauf des 30. September 2004 - festgesetzt worden. In der Folgezeit ist eine
Abänderung dieser Mitteilung über die Dauer des Dienstverhältnisses, insbeson-
dere eine Neufestsetzung der Dienstzeit, nicht erfolgt. Damit ist nach Beendigung
des Dienstverhältnisses des Antragstellers sein Rechtsschutzbegehren auf Ver-
pflichtung des BMVg zur Zulassung des Laufbahnwechsels unzulässig.
Diesem Umstand hat der Antragsteller in verfahrensrechtlicher Hinsicht dadurch
Rechnung getragen, dass er nach der auch im Wehrbeschwerdeverfahren ent-
sprechend anwendbaren Vorschrift des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zu einem
Fortsetzungsfeststellungsantrag übergegangen ist (vgl. hierzu: Beschlüsse vom
4. März 1976 - BVerwG 1 WB 54.74 - , vom
21. November 1995 - BVerwG 1 WB 53.95 -
252 § 9 SBG Nr. 1>, vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 WB 15.01 -
§ 30 LuftVG Nr. 6 = NZWehrr 2001, 165> und vom 4. November 2004 - BVerwG
1 WB 29.04 -).
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Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann das dafür erforderliche Fortset-
zungsfeststellungsinteresse auf ein Rehabilitierungsinteresse (Beschlüsse vom
4. März 1976 - BVerwG 1 WB 54.74 - m.w.N. und vom 27. Februar 2003
- BVerwG 1 WB 60.02 - m.w.N.), auf eine Wiederholungsgefahr (Beschlüsse vom
25. März 1999 - BVerwG 1 WB 56.98 -
NZWehrr 1999, 120 = ZBR 1999, 283> und vom 27. Februar 2003 - BVerwG
1 WB 60.02 - m.w.N.) oder auf die Absicht gestützt werden, einen Schadener-
satzanspruch geltend zu machen, sofern dieser nicht von vornherein als aus-
sichtslos erscheint (Beschlüsse vom 25. März 1999 - BVerwG 1 WB 56.98 -
, vom 25. Oktober 2000 - BVerwG 1 WB 86.00 - und vom 14. Dezember
2000 - BVerwG 1 WB 102.00 -). Zusätzlich kann sich - unter dem Gesichtspunkt
effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) - ein berechtigtes Feststellungsin-
teresse jedenfalls daraus ergeben, dass die erledigte Maßnahme eine fortdauern-
de faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich zieht (Beschlüsse vom
11. Dezember 2003 - BVerwG 1 WB 14.03 - und - BVerwG
1 WB 24.03 - , vom 22. Januar 2004
- BVerwG 1 WB 34.03 - jeweils m.w.N. und vom 4. November 2004 - BVerwG
1 WB 29.04 -). Ein Feststellungsinteresse in diesem Sinne muss der Antragsteller
spezifiziert darlegen und geltend machen. Diese Voraussetzung ist hier nicht er-
füllt.
Dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 4. Oktober 2004 sowie den weite-
ren - anwaltlichen - Schriftsätzen des Antragstellers im gerichtlichen Antragsver-
fahren ist die Darlegung eines derartigen spezifischen Feststellungsinteresses
nicht zu entnehmen.
Auch der mit anwaltlichem Schreiben vom 26. Januar 2005 gestellte Feststel-
lungsantrag des Antragstellers, der die Zulassung zur Laufbahn der FwFD - initiiert
mit der von ihm vorgelegten Bewerbung vom 20. November 2003 - betrifft, ist
unzulässig. Hierüber hat der Senat im vorliegenden Verfahren nicht zu
entscheiden. Diesen Antrag auf Laufbahnwechsel hat die SDH bereits mit Be-
scheid vom 5. Februar 2004 wegen zurzeit fehlender Einplanungsmöglichkeiten
abgelehnt. Die Zulassung zu dieser Feldwebellaufbahn stellt nach Maßgabe des
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§ 27 Abs. 1 SG i.V.m. § 3 Abs. 2, Abs. 3 SLV einen eigenständigen Streitgegen-
stand dar. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats wird der Antrag auf ge-
richtliche Entscheidung des Wehrdienstgerichts - wenn ein Beschwerdeverfahren
stattgefunden hat - allein durch die Beschwerdeschrift und den in ihr genannten
Streitgegenstand bestimmt. Denn Gegenstand dieses Antrags ist die ursprünglich
mit der Beschwerde angefochtene Maßnahme oder Unterlassung in der Gestalt,
die sie durch den Beschwerdebescheid gefunden hat (Beschlüsse vom 27. Juli
1977 - BVerwG 1 WB 19.76 - m.w.N. und vom
27. Februar 2003 - BVerwG 1 WB 55.02 -
NZWehrr 2003, 171; Böttcher/Dau, WBO, 4. Aufl., § 17 RNr. 16). Dies gilt auch für
den gerichtlichen Antrag, der als Fortsetzungsfeststellungsantrag weitergeführt
wird. Streitgegenstand ist deshalb nur das Vorbringen des Antragstellers aus sei-
ner Beschwerde vom 18. August 2004, mit dem er ausschließlich den Bescheid
vom 3. August 2004 (betreffend den Laufbahnwechsel in die Laufbahn des
FwSanD und die Ausbildung zum RettAss) beanstandet hat. Die rechtliche Würdi-
gung eines vom Beschwerdeverfahren abweichenden Vortrags und Streitgegen-
stands im gerichtlichen Verfahren ist ausgeschlossen, weil die Wehrbeschwerde-
ordnung ein der Klageänderung oder Klageerweiterung vergleichbares Rechtsin-
stitut nicht kennt (Beschlüsse vom 20. Juli 1995 - BVerwG 1 WB 118.94 -
holz 236.1 § 10 SG Nr. 11 = NZWehrr 1996, 65> und vom 27. Februar 2003
- BVerwG 1 WB 55.02 - m.w.N.).
Prof. Dr. Pietzner Dr. Frentz Dr. Deiseroth
Ernst Bohr