Urteil des BVerwG vom 21.07.2010

Luftwaffe, Ausbildung, Heer, Soldat

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 56.09
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Stabsfeldwebel ...,
..., ...,
- ...
...
...-
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Major Heinrichs und
die ehrenamtliche Richterin Oberfeldwebel Kuhnt
am 21. Juli 2010 beschlossen:
Das Fernschreiben der Stammdienststelle der
Bundeswehr vom 11. März 2009, soweit es den
Antragsteller betrifft, und der Beschwerdebescheid des
Bundesministers der Verteidigung vom 3. Juli 2009
werden aufgehoben.
Der Bundesminister der Verteidigung wird verpflichtet, den
Antrag des Antragstellers, ihm den Personalbegriff
ATB/ATN Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte/1010963
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zuzuerkennen, unter Beachtung der Rechtsauffassung
des Gerichts neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die dem Antragsteller in dem Verfahren vor dem
Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im
vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen
Aufwendungen werden dem Bund auferlegt.
G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags, ihm den
Personalbegriff mit der Ausbildungs- und Tätigkeitsbezeichnung (ATB)
Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte und der Ausbildungs- und Tätigkeitsnummer
(ATN) 1010963 zuzuerkennen.
Der 1964 geborene Antragsteller ist Berufssoldat in der Laufbahn der Feldwebel
des allgemeinen Fachdienstes des Heeres und Angehöriger der
Heeresfliegertruppe; seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit Ablauf des 31.
August 2018 enden. Zum Stabsfeldwebel wurde er am 3. März 2008 ernannt.
Er verfügt unter anderem über die zuerkannte ATN 3057261
(Luftfahrzeugelektronikfeldwebel TIGER).
Vom 1. April 2006 bis zum 30. September 2006 war er beim L... in K... auf dem
Dienstposten Stabsdienstbearbeiter allgemein und
Luftfahrzeugelektronikfeldwebel TIGER, Teileinheit/Zeile 5..., eingesetzt. Zum 1.
Oktober 2006 erfolgte die organisatorische Umgliederung des L... zum W... der
Luftwaffe. Seitdem wurde der Antragsteller auf dem Dienstposten
Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte und Luftfahrzeugelektronikfeldwebel TIGER,
Teileinheit/Zeile 6..., beim W... der Luftwaffe verwendet. Dieser Dienstposten ist
nach Mitteilung des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - gemäß der
gültigen Stärke- und Ausrüstungsnachweisung der Luftwaffe für die
Bedarfsdeckung dem Organisationsbereich Heer zugeordnet, weil das
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Waffensystem TIGER ausschließlich im Organisationsbereich Heer eingesetzt
wird und der Dienstposten aufgrund der erforderlichen Vorverwendung als
Luftfahrzeugelektronikfeldwebel TIGER nur mit Feldwebeln des Heeres zu
besetzen ist. Nach einem Dienstpostenwechsel zum 1. Oktober 2009 wird der
Antragsteller zurzeit auf dem (förderlichen) Dienstposten Stabsdienstbearbeiter
Streitkräfte und Luftfahrzeugwaffenelektronikfeldwebel TIGER, Teileinheit/Zeile
4..., beim W... der Luftwaffe verwendet.
Mit folgendem Schreiben vom 9. Mai 2007 informierte das für die
Weiterentwicklung des Stabsdienstes der Bundeswehr zuständige Dezernat VI
1 (5) des Streitkräfteamtes u.a. die Stammdienststelle der Bundeswehr über die
Zuerkennungsgrundlagen für die ATB/ATN Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte /
1010963:
Der Personalbegriff „Stabsdienstbearbeiter der
Streitkräfte“ weist gemäß Tätigkeitsinformationsverfahren
(TIV) als einzige Zuerkennungsgrundlage für die
Fachtätigkeit die Teilnahme am Lehrgang auf.
Im Zuge von STAN-Pflegemaßnahmen erreicht SKA VI 1
(5) vermehrt aus den militärischen Organisationsbereichen
die Frage, ob auf Dienstposten verfügte Soldatinnen und
Soldaten nunmehr alle den entsprechenden Lehrgang
besuchen müssen.
Die Antwort dazu lautet - Ja, aber auch Nein!
Die Zuerkennung der ATB/ATN richtet sich in jedem Fall
nach dem VMBl gemäß Bezug (VMBl 2001, Nr. 6, S. 114
ff.).
1. Ja für alle Dienstposten-Inhaber, die seit 01.01.2007
neu auf den Dienstposten versetzt wurden und bisher noch
keine ATB/ATN (nach Punkt 2) erworben haben. Nach
erfolgreicher Absolvierung der lehrgangsgebundenen
Ausbildung erfolgt die Zuerkennung gemäß
Ausbildungsweisung für den Lehrgang
„Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte/127 524“ durch die
Ausbildungseinrichtung. Die personalbearbeitenden
Stellen sind im Verteiler jeder Ausbildungsweisung aus
dem Bereich Stabsdienst.
2. Nein für Dienstposteninhaber, die eine ATB/ATN gemäß
Anlage erworben haben. Eine Umschreibung von Amts
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wegen auf die Querverweis-ATN „Stabsdienstbearbeiter
Streitkräfte/1010963“ durch die personalbearbeitenden
Stellen ist jederzeit möglich (Bezug).
3. Nein für Dienstposteninhaber, die bereits vor
Inkrafttreten der streitkräftegemeinsamen Ausbildung am
01.01.2007 auf Dienstposten verfügt waren und denen der
Disziplinarvorgesetzte die erfolgreich ausgeübte Tätigkeit
in einer oder mehreren Verwendungen auf
entsprechenden Dienstposten bescheinigt.
...
In der Anlage ist geregelt, dass die Querverweis-ATN 1010963 unter anderem
für die ATB/ATN Stabsdienstbearbeiter allgemein/5700933 gilt und diese
ersetzt.
Den Inhalt dieses Schreibens gab das W... der Luftwaffe - A 3 a - mit Weisung
vom 16. Mai 2007 für seinen Kommandobereich bekannt.
Mit Schreiben vom 3. September 2008 beantragte der nächste
Disziplinarvorgesetzte des Antragstellers für diesen die Zuerkennung der
ATB/ATN Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte/1010963. Er führte aus, der
Antragsteller besetze bereits seit dem 1. April 2006 - somit vor Inkrafttreten der
streitkräftegemeinsamen Ausbildung - einen entsprechenden Dienstposten,
habe sich auf diesem Dienstposten bewährt und übe diese Tätigkeit erfolgreich
aus. Den Antrag lehnte die Stammdienststelle der Bundeswehr mit Schreiben
vom 15. September 2008 mit der Begründung ab, die Zuerkennung der
gewünschten ATB/ATN ohne lehrgangsgebundene Ausbildung könne in
Absprache mit der fachlich zuständigen Stelle beim Streitkräfteamt nur erfolgen,
wenn der Soldat in Vorverwendung in einer gemäß Überleitliste aufgeführten
ATB eingesetzt gewesen sei und außerdem die ATN für die „Alt“-ATB erworben
habe.
Mit Schreiben vom 25. Februar 2009 beantragte der Disziplinarvorgesetzte des
Antragstellers für diesen die nachträgliche Zuerkennung der ATB/ATN
Stabsdienstbearbeiter allgemein/5700933 und die anschließende Überleitung
und Zuerkennung der „neuen“ ATB/ATN Stabsdienstbearbeiter
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Streitkräfte/1010963. Er legte dar, der Antragsteller habe seit dem 1. April 2006
einen Stabsfeldwebel/Feldwebel-Dienstposten mit der Fachtätigkeit
Stabsdienstbearbeiter allgemein und Luftfahrtzeugelektronikfeldwebel TIGER
besetzt. Sowohl als Stabsdienstbearbeiter allgemein als auch in der
übergeleiteten Verwendung eines Stabsdienstbearbeiters Streitkräfte habe er
sich bewährt und übe diese Tätigkeit bis heute erfolgreich aus. Nach 6 Monaten
Bewährung auf dem Dienstposten habe zum 1. Oktober 2006 eine
Zuerkennung der ATB Stabsdienstbearbeiter allgemein erfolgen können, was
jedoch zum damaligen Zeitpunkt aus ungeklärten Gründen unterblieben sei.
Diesen Antrag lehnte die Stammdienststelle mit Fernschreiben vom 11. März
2009 - unter Anordnung der förmlichen Eröffnung - mit der Begründung ab,
dass nach nochmaliger Prüfung an dem Bescheid vom 15. September 2008
festgehalten werde.
Dagegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 1. April 2009 Beschwerde
ein, die der Bundesminister der Verteidigung mit Bescheid vom 3. Juli 2009
zurückwies. Darin wird ausgeführt, der Antragsteller erfülle die
Voraussetzungen für die Zuerkennung des angestrebten Personalbegriffs
Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte nach Maßgabe des Schreibens des
Streitkräfteamtes vom 9. Mai 2007 nicht vollständig. Eine Umschreibung nach
Nr. 2 dieses Schreibens sei nicht möglich, weil der Antragsteller die ATB
Stabsdienstbearbeiter allgemein während seiner Tätigkeit auf dem Dienstposten
Teileinheit/Zeile 5... im L... nicht erworben habe. In Anwendung der Nr. 3 des
Schreibens hätten dem Antragsteller zwar seine Disziplinarvorgesetzten
bescheinigt, die entsprechende Tätigkeit erfolgreich ausgeübt zu haben. Die
Überprüfung, ob diese Bewertung unter Berücksichtigung der
Aufgabenbeschreibung des Dienstpostens Teileinheit/Zeile 5... in Verbindung
mit dem geforderten Tätigkeitsbild eines Stabsdienstbearbeiters Streitkräfte
zutreffend sei, habe jedoch ergeben, dass die damalige Aufgabenbeschreibung
keine Verbindung zum Tätigkeitsbild eines Stabsdienstbearbeiters Streitkräfte
erkennen lasse. Insoweit könne der angestrebte Personalbegriff nicht zuerkannt
werden, weil der Antragsteller nicht den Nachweis habe führen können, dass er
die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten besitze und die weiteren im
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Tätigkeitsbild festgelegten Anforderungen an einen Stabsdienstbearbeiter
Streitkräfte erfülle.
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Gegen diesen Bescheid richtet sich der Antrag des Antragstellers auf
gerichtliche Entscheidung vom 22. Juli 2009, den der Bundesminister der
Verteidigung - PSZ I 7 - mit seiner Stellungnahme vom 21. September 2009
dem Senat vorgelegt hat.
Zur Begründung führt der Antragsteller insbesondere aus:
Während seiner Verwendung auf dem Dienstposten Teileinheit/Zeile 5... habe
er die Voraussetzungen zum Erwerb der ATB Stabsdienstbearbeiter allgemein
erworben. Er könne nicht nachvollziehen, warum ihm die Stammdienststelle
diese ATB nicht nachträglich zuerkenne. In seinem speziellen Fall sei
ausschließlich die Möglichkeit einer nachträglichen Zuerkennung eröffnet, weil
seit der Einnahme der aktuellen Stärke- und Ausrüstungsnachweisung des W...
der Luftwaffe am 1. Oktober 2006 diese ATB weggefallen und durch die ATB
Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte ersetzt worden sei. Sein
Rechtsschutzbegehren sei darauf gerichtet, dass ihm zunächst die „alte“
ATB/ATN Stabsdienstbearbeiter allgemein/5700933 und sodann im Wege der
Umschreibung die „neue“ ATB/ATN Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte/1010963
zuerkannt werde; alternativ wünsche er - auch unter dem Gesichtspunkt des
Gleichheitsgrundsatzes - die Zuerkennung der „neuen“ ATB/ATN
ohne vorherige Zuerkennung der „alten“ ATB/ATN auf der Grundlage der
Bescheinigung seines Disziplinarvorgesetzten über eine erfolgreich ausgeübte
Tätigkeit. Die Begründung des Beschwerdebescheids, dass die damalige
Aufgabenbeschreibung keine Verbindung zum Tätigkeitsbild eines
Stabsdienstbearbeiters Streitkräfte aufweise, sei nicht tragfähig. Vielmehr seien
die Aufgabenbeschreibungen und Tätigkeitsbilder beim Stabsdienstbearbeiter
Streitkräfte und beim Stabsdienstbearbeiter allgemein nicht von
entscheidungserheblichen Unterschieden geprägt. In der Überleitliste in der
Anlage zum Schreiben des Streitkräfteamtes vom 9. Mai 2007 bringe der
Dienstherr insoweit mit der Formulierung des „Ersetzens“ ausdrücklich seinen
Willen zum Ausdruck, dass die ATN des Stabsdienstbearbeiters allgemein ohne
weiteres umschreibungsfähig sei, ohne dass es auf die Frage unterschiedlicher
Tätigkeitsbilder ankomme. Unstreitig hätten ihm im Übrigen seine
Disziplinarvorgesetzten eine erfolgreiche Tätigkeitsausübung bescheinigt. Er
weise darauf hin, dass im Bereich des Waffensystemkommandos die „neue“
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ATB - ohne vorherige Zuerkennung der „alten“ ATB - nur auf der Basis der
Bescheinigung der Fähigkeiten durch den Disziplinarvorgesetzten erteilt worden
sei. Dies gelte z.B. in den Dezernaten für die Hubschrauber BO 105 und CH 53.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Nach dem maßgeblichen Erlass „Hinweise und Begriffsbestimmungen zur
Ausbildungs- und Tätigkeitsnummer“ vom 2. März 2001 (BMVg Fü S IV 1 - Az.
10-01-01 - VMBl 2001 S. 114) - im Folgenden: Erlass - sei die unterbliebene
Zuerkennung der Personalbegriffe Stabsdienstbearbeiter allgemein und
Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte rechtlich nicht zu beanstanden. Der
Personalbegriff Stabsdienstbearbeiter allgemein werde ausschließlich von den
Organisationsbereichen Luftwaffe und Streitkräftebasis genutzt; seine
Außerkraftsetzung sei bereits seit dem 18. September 2006 beabsichtigt. Im
Organisationsbereich Heer sei der Personalbegriff Stabsdienstbearbeiter
allgemein hingegen nie genutzt worden. Die nachträgliche Zuerkennung dieses
Personalbegriffs sei bei einem Feldwebel des Heeres, der - wie der
Antragsteller - regelmäßig nur zeitlich begrenzt im Organisationsbereich
Luftwaffe eingesetzt werde, aus Gründen der Personalführung nicht
erforderlich. Der Antragsteller werde wegen der beabsichtigten
Außerkraftsetzung dieses Personalbegriffs eine entsprechende Fachtätigkeit
nicht mehr ausüben und benötige insoweit keinen förmlichen Nachweis einer
entsprechenden Befähigung. Auch für die weitere bedarfsorientierte
Verwendungsplanung bzw. zur Planung und als Entscheidungshilfe für
anforderungsgerechte Dienstpostenbesetzungen sei die Zuerkennung dieses
Personalbegriffs nicht erforderlich. Selbst wenn die Zuerkennung des
Personalbegriffs unmittelbar im Anschluss an die Verwendung des
Antragstellers auf dem Dienstposten beim L... ab dem 1. Oktober 2006 bei der
damaligen Stammdienststelle des Heeres beantragt worden wäre, hätte diese
den Antrag aus den dargestellten Gründen abgelehnt.
Die Zuerkennung des Personalbegriffs Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte nach
Maßgabe der Nr. 3 des Schreibens des Streitkräfteamtes vom 9. Mai 2007 sei
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nicht möglich, weil die damalige Aufgabenbeschreibung keine Verbindung zum
Tätigkeitsbild des Stabsdienstbearbeiters Streitkräfte erkennen lasse. Es
bestünden erhebliche Unterschiede in den beiden Tätigkeitsbildern,
insbesondere bei den „Tätigkeiten/Aufgaben im einzelnen“ und den
„Fertigkeiten und Kenntnissen“. Die Aufgaben der beiden Personalbegriffe seien
ebenfalls nicht identisch. Entgegen der Auffassung des Antragstellers habe der
Personalbegriff Stabsdienstbearbeiter allgemein nicht durch den Personalbegriff
Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte „ersetzt“ werden können, weil der neue
Personalbegriff im Rahmen der Harmonisierung der Personalbegriffe
teilstreitkraftübergreifend neu erarbeitet worden sei, um anschließend die
verschiedenen alten Personalbegriffe der einzelnen Organisationsbereiche
außer Kraft setzen zu können.
Eine Überprüfung der Zuerkennungspraxis in den Dezernaten des
Waffensystemkommandos der Luftwaffe für die Hubschreiber BO 105 und CH
53 habe ergeben, dass - ausgehend von 64 Heeressoldaten, die bei dieser
Kommandobehörde eingesetzt seien - bei 30 Soldaten ein Personalbegriff
zuerkannt worden sei, der den Begriff „Stabsdienst“ beinhalte. Bei fünf Soldaten
sei der Personalbegriff Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte aufgrund des
vorhandenen Personalbegriffs Stabsdienstfeldwebel zuerkannt worden, obwohl
dieser nicht in der Überleitliste aufgenommen worden sei. Vier weiteren
Soldaten sei der Personalbegriff Stabsdienstbearbeiter allgemein auf Antrag
bzw. aufgrund Bewährung auf dem Dienstposten zuerkannt worden. Da in den
genannten neun Fällen der Personalbegriff fälschlicherweise ohne die
erforderliche Lehrgangsteilnahme zuerkannt worden sei, beabsichtige die
Stammdienststelle der Bundeswehr, diesen Soldaten den Personalbegriff
Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte abzuerkennen.
Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen den
Beteiligten gewechselten Schriftsätze und der Akten Bezug genommen. Die
Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 25-05-12
820/09 - und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei
der Beratung vorgelegen.
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II
Der anwaltlich vertretene Antragsteller hat keinen konkreten Sachantrag
gestellt. Das Rechtsschutzziel in den Schriftsätzen seiner Bevollmächtigten ist
sach- und interessengerecht dahin auszulegen, dass er die Aufhebung des
Fernschreibens der Stammdienststelle der Bundeswehr vom 11. März 2009 -
soweit es ihn betrifft - sowie des Beschwerdebescheids des Bundesministers
der Verteidigung vom 3. Juli 2009 und die Verpflichtung des Bundesministers
der Verteidigung beantragt, ihm, dem Antragsteller, den Personalbegriff
ATB/ATN Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte/1010963 zuzuerkennen. Das soll
nach dem Wunsch des Antragstellers entweder durch nachträgliche
Zuerkennung des Personalbegriffs ATB/ATN Stabsdienstbearbeiter allgemein /
5700933 und sodann im Wege der Umschreibung auf den angestrebten
Personalbegriff erfolgen oder - ohne vorherige Zuerkennung des
Personalbegriffs Stabsdienstbearbeiter allgemein - aufgrund der Bescheinigung
des Disziplinarvorgesetzten über erfolgreich ausgeübte Tätigkeit auf einem
entsprechenden Dienstposten.
1. Für diesen Antrag ist gemäß § 17 Abs. 1 WBO der Rechtsweg zu den
Wehrdienstgerichten - hier nach § 21 Abs. 1 WBO zum
Bundesverwaltungsgericht - eröffnet.
Abweichend von der generellen Rechtswegzuweisung an die allgemeinen
Verwaltungsgerichte in § 82 Abs. 1 SG haben die Wehrdienstgerichte nach
Maßgabe des § 17 Abs. 1 (i.V.m. Abs. 3) WBO über Entscheidungen oder
Maßnahmen (bzw. deren Unterlassung) zu urteilen, die auf dem Verhältnis der
militärischen Über- und Unterordnung beruhen, d.h. in truppendienstlichen
Angelegenheiten (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 6. April 2005 - BVerwG 1 WB
61.04 - und vom 20.
November 2009 - BVerwG 1 WB 55.08 - m.w.N.). Für die Bestimmung, ob es
sich um eine truppendienstliche Angelegenheit oder um eine
Verwaltungsangelegenheit handelt, für die der Rechtsweg zu den
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Verwaltungsgerichten eröffnet ist, ist auf die wahre Natur des geltend
gemachten Anspruchs und auf die daraus abzuleitende Rechtsfolge abzustellen
(Beschlüsse vom 15. Mai 2003 - BVerwG 1 WB 7.03 -, vom 6. April 2005 a.a.O.
und vom 15. Juli 2008 - BVerwG 1 WB 46.07 - Buchholz 449 § 82 SG Nr. 3 =
NZWehrr 2009, 31).
Hiernach sind die allgemeinen Verwaltungsgerichte insbesondere für die in § 17
Abs. 1 Satz 1 WBO ausgenommenen vier Regelungsbereiche, ferner für
Streitigkeiten zwischen Soldaten und dem Dienstherrn aus Materien sachlich
zuständig, die im Zweiten Abschnitt des Soldatengesetzes geregelt sind (sog.
Statussachen, stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 15. Juli 2008 a.a.O.).
Demgegenüber gehören Streitigkeiten, die im militärischen Über- und
Unterordnungsverhältnis die truppendienstliche Verwendung eines Soldaten
betreffen, in die sachliche Zuständigkeit der Wehrdienstgerichte (Beschlüsse
vom 15. Juli 2008 a.a.O. und vom 27. Januar 2010 - BVerwG 1 WB 38.09 -
).
Truppendienstliche Verwendungsentscheidungen sind solche Maßnahmen oder
Entscheidungen, die sich auf die Gestaltung des militärischen Dienstbetriebs
beziehen und durch die der zuständige militärische Vorgesetzte oder die
zuständige Dienststelle der Bundeswehr festlegt, wann, wo und wie - d.h. zu
welchen Zeiten, an welchem Ort, mit welchem Inhalt und unter welchen
fachlichen und/oder persönlichen Voraussetzungen - der Soldat seinen Dienst
zu verrichten hat (Beschluss vom 27. Januar 2010 - BVerwG 1 WB 38.09 - Rn.
20 m.w.N.). Die Entscheidung darüber, ob einem Soldaten ein Personalbegriff
mit einer bestimmten ATB und ATN zuzuerkennen ist oder nicht, betrifft
ebenfalls dessen Verwendung. Das ergibt sich aus dem zitierten Erlass vom 2.
März 2001, mit dem der Bundesminister der Verteidigung das ihm in § 3 SG
eingeräumte Verwendungsermessen im Hinblick auf Inhalt, Bedeutung und
Voraussetzungen der Ausbildungs- und Tätigkeitsnummern gebunden hat. Der
Personalbegriff ist das zentrale personalorganisatorische Ordnungsmittel, das
den Informationsverbund der Bereiche Personal, Organisation und Ausbildung
gewährleistet; er wird durch eine sieben- oder achtstellige
Identifizierungsnummer (ATN) eindeutig gekennzeichnet (Nr. 1.1 und Nr. 1.2
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des Erlasses). Nach Nr. 5.1 des Erlasses ist die Zuerkennung eines
Personalbegriffs die förmliche Bestätigung, dass eine Befähigung für die
Ausübung der entsprechenden Fachtätigkeit bzw. Wahrnehmung der Aufgaben
aus der Dienststellung gegeben ist. Im Bereich Personal werden die
Personalbegriffe u.a. zur bedarfsorientierten Verwendungsplanung, zur Planung
und als Entscheidungshilfe für eine anforderungsgerechte
Dienstpostenbesetzung und zur Planung verwendungsbezogener Ausbildung
verwendet (Nr. 4.2 des Erlasses). Ergänzend ergibt sich aus Nr. 4.1 des
Erlasses, dass im Bereich Organisation der einem Dienstposten zugeordnete
Personalbegriff (die Dienstposten-ATN bzw. die Dienstposten-ATB) festlegt, für
welche Fachtätigkeit/Dienststellung der Dienstposteninhaber befähigt sein
muss; danach müssen vielfach die auf dem Dienstposten zu erfüllenden
Aufgaben durch mehrere Personalbegriffe beschrieben werden, wobei durch
die erste ATN/ATB der Schwerpunkt der auf den Dienstposten auszuübenden
Tätigkeit abgebildet wird.
Diese Bestimmungen des Erlasses dokumentieren die unmittelbare inhaltliche
Verknüpfung der Zuerkennung eines Personalbegriffes mit
Verwendungsplanungen und Verwendungsentscheidungen für den einzelnen
Soldaten. Daher gehören Streitigkeiten um die Zuerkennung einer ATB/ATN in
die sachliche Zuständigkeit der Wehrdienstgerichte.
2. Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig.
Die Ablehnung der Zuerkennung einer ATB/ATN stellt eine
wehrdienstgerichtlich anfechtbare Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 WBO
dar (Beschluss vom 22. März 1995 - BVerwG 1 WB 87.94 - Buchholz 311 § 17
WBO Nr. 4).
Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass das angefochtene
Fernschreiben der Stammdienststelle an die Dienststelle des Antragstellers und
nicht an ihn selbst gerichtet ist. Das Fernschreiben enthält eine den
Antragsteller unmittelbar betreffende Regelung und war dazu bestimmt, ihm
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förmlich eröffnet zu werden. Es greift damit in seine individuelle Rechtssphäre
ein und begründet deshalb für ihn die Antragsbefugnis.
Das Fernschreiben stellt im Verhältnis zu dem vorangegangenen Bescheid der
Stammdienststelle vom 15. September 2008 auch nicht eine wiederholende
Verfügung dar, d.h. die bloße Wiederholung einer bereits ergangenen
Entscheidung ohne neue Regelung (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl.
2008, § 51, Rn. 57 ff), die überdies keine eigenständige Rechtsbehelfsfrist
eröffnet (vgl. Beschlüsse vom 15. Juli 2008 - BVerwG 1 WB 1.08 - Rn. 24 und
vom 13. Oktober 2008 - BVerwG 1 WDS-VR 14.08 - Rn. 28). Vielmehr hat die
Stammdienststelle darin - auf einen inhaltlich anders begründeten zweiten
Antrag des Disziplinarvorgesetzten des Antragstellers - nach erneuter
Sachprüfung eine erneute Sachentscheidung getroffen. Der Bundesminister der
Verteidigung hat das Fernschreiben ebenfalls als Zweitbescheid aufgefasst und
ist deshalb in seiner Entscheidung über die Beschwerde in eine Sachprüfung
eingetreten.
3. Der Antrag ist auch begründet.
Die Ablehnungsentscheidung der Stammdienststelle der Bundeswehr in der
Gestalt des Beschwerdebescheids des Bundesministers der Verteidigung vom
3. Juli 2009 ist rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten,
weil sie auf einem Ermessensfehlgebrauch beruht. Sie ist deshalb aufzuheben.
Wegen fehlender Spruchreife der Sache ist der Bundesminister der
Verteidigung zur Neubescheidung des Antrags des Antragstellers zu
verpflichten
(§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 4 WBO). Der weitergehende
Verpflichtungsantrag des Antragstellers ist zurückzuweisen.
Ein Soldat hat auf die Zuerkennung eines bestimmten Personalbegriffs keinen
gesetzlichen Anspruch. Die Zuerkennung der Personalbegriffe erfolgt vielmehr
auf der Grundlage von Richtlinien und Erlassen - hier insbesondere aufgrund
des in Abschnitt I zitierten Erlasses vom 2. März 2001 (VMBl 2001 S. 114) -, die
der Ermessensbindung für das Bundesministerium der Verteidigung und die
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ihm nachgeordneten Stellen dienen. Außenwirkung gegenüber dem einzelnen
Soldaten erlangen dieses Verwaltungsvorschriften mittelbar über den
allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Eine an
Verwaltungsvorschriften orientierte ständige Verwaltungspraxis verpflichtet zur
Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle; andererseits kann der Soldat nur (und
nicht mehr als) eine Behandlung entsprechend der gleichmäßig vollzogenen
Verwaltungsvorschriften beanspruchen (Beschlüsse vom 28. Mai 2008 -
BVerwG 1 WB 19.07 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 44 und vom 8. Juni 2010 -
BVerwG 1 WB 49.09 - Rn. 23 ).
Die Ablehnungsentscheidung der Stammdienststelle ist formell rechtmäßig.
Die Zuerkennung der hier streitigen ATB/ATN liegt in der sachlichen
Entscheidungskompetenz der Stammdienststelle der Bundeswehr als der für
den Antragsteller zuständigen personalbearbeitenden Stelle (Art. 4 Abs. 2 Nr. 1
ZDv 14/5 Teil B 125). Da der Organisationsbereich Heer für seinen
Zuständigkeitsbereich hinsichtlich der ATN 1010963 keine spezielle Regelung
über die Zuerkennungsbefugnis im Sinne der Nr. 5.4 des Erlasses getroffen hat,
verbleibt es insoweit bei der Zuständigkeit der personalbearbeitenden Stelle.
Deren (Auffang-) Kompetenz für die Zuerkennung von Personalbegriffen ergibt
sich aus Nr. 5.5 Satz 2 6. Spiegelstrich des Erlasses, wonach die Zuerkennung
eines Personalbegriffs durch Verfügung der personalbearbeitenden Stelle
erfolgen kann.
Die Ablehnungsentscheidung ist aber materiell rechtswidrig.
Die Rechtsgrundlage für die vom Antragsteller angestrebte Zuerkennung der
ATB/ATN Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte/1010963 ergibt sich aus Nr. 5 des
zitierten Erlasses. Nach Nr. 5.2 des Erlasses wird ein Personalbegriff im Sinne
der Nr. 5.1 zuerkannt, wenn der Soldat nachgewiesen hat, dass er die für die
Ausübung einer bestimmten militärischen Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse,
Fertigkeiten und Eignung besitzt sowie die weiteren im Tätigkeitsbild
festgelegten Anforderungen erfüllt.
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Nach Nr. 5.5 des Erlasses erfolgt die Zuerkennung von Personalbegriffen
(ZATB/ZATN) gemäß den Festlegungen in den entsprechenden Weisungen
bzw. Ausbildungsweisungen. Nr. 5.5 enthält als mögliche Grundlage der
Zuerkennung mehrere Regelbeispiele, die allerdings nicht abschließend
festgelegt sind („insbesondere“) und denen die Vorgaben in den Weisungen
vorgehen. Eine derartige Weisung hat das Streitkräfteamt in seinem Schreiben
vom 9. Mai 2007 erlassen. Es hat dieses Schreiben für die
Zuerkennungsgrundlage der ATB/ATN Stabsdienstbearbeiter
Streitkräfte/1010963 als Anwendungsbestimmung zum Verfahren bezeichnet. In
den Erläuterungs- und Umsetzungsverfügungen des Waffensystemkommandos
der Luftwaffe (Abteilung A 3 a vom 16. Mai 2007 und Abteilungsleiter I vom 18.
Oktober 2007) wird das Schreiben vom 9. Mai 2007 als vom Streitkräfteamt
getroffene eindeutige Verfahrensregelung deklariert. Der Bundesminister der
Verteidigung hat dieses Schreiben im Beschwerdebescheid ausdrücklich als
„Zuerkennungsgrundlage“ definiert, die vom fachlich zuständigen Dezernat des
Streitkräfteamtes erlassen worden sei.
Hiernach hat der Antragsteller allerdings keinen Anspruch auf Zuerkennung der
angestrebten ATB/ATN Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte/1010963 nach Nr. 5.5
Satz 1 des Erlasses in Verbindung mit Nr. 2 des Schreibens des
Streitkräfteamtes vom 9. Mai 2007.
Nach der letztgenannten Regelung kann eine „Umschreibung von Amts wegen“
auf die Querverweis-ATN Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte 1010963 durch die
personalbearbeitende Stelle jederzeit erfolgen. Das setzt jedoch voraus, dass
der betroffene Dienstposteninhaber eine der ATB/ATN erworben haben muss,
die in der Überleitliste mit Querverweis-ATN in der Anlage zum Schreiben vom
9. Mai 2007 aufgezählt sind. Seite 2 der Anlage sieht für die ATB
Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte die Umschreibung eines Personalbegriffs nur
dann vor, wenn der betroffene Soldat einen der dort genannten acht
Personalbegriffe erworben hat es sich bei dem Personalbegriff
Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte nicht um die erste Fachtätigkeit des Soldaten
handelt.
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Der Senat kann offen lassen, ob der Antragsteller die zweite dieser
Voraussetzungen erfüllt oder nicht. Die Fachtätigkeit Stabsdienstbearbeiter
Streitkräfte ist ausweislich der Versetzungsverfügung Nr. 2297 der
Stammdienststelle vom 4. Oktober 2006 die erste Fachtätigkeit auf dem
Dienstposten des Antragstellers beim Waffensystemkommando der Luftwaffe.
Die Verfügung über den Dienstpostenwechsel vom 30. September 2009
bestätigt diese Priorität. Andererseits haben die Stammdienststelle und der
Bundesminister der Verteidigung die Ablehnungsentscheidung nicht auf diesen
Umstand gestützt. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat dazu in
seinem Schriftsatz vom 18. Februar 2010 vielmehr erläutert, dass der
Personalbegriff ATN 1010963 u.a. im Organisationsbereich Heer - anders als in
der Luftwaffe - als sogenannte „nicht erste Fachtätigkeit“ festgelegt sei.
Unabhängig davon ist die Anwendung der Nr. 2 des Schreibens des
Streitkräfteamtes vom 9. Mai 2007 jedenfalls deshalb ausgeschlossen, weil der
Antragsteller die in seinem Fall allein in Betracht zu ziehende „alte“ ATB/ATN
Stabsdienstbearbeiter allgemein/5700933 nicht erworben hat. Der Terminus
„erworben“ ist - wovon auch die Verfahrensbeteiligten übereinstimmend
ausgehen - als förmliche Zuerkennung einer der in der Anlage genannten
ATB/ATN zu interpretieren. Die ATN 5700933 ist dem Antragsteller nicht
förmlich zuerkannt worden.
Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf deren nachträgliche
Zuerkennung. Nach der vom Bundesminister der Verteidigung vorgelegten
Definition und dem Tätigkeitsbild für den Personalbegriff ATN 5700933 wird
dieser nur von der Luftwaffe und der Streitkräftebasis als nutzende
Organisationsbereiche verwendet. Der Antragsteller gehört hingegen dem
Organisationsbereich Heer an und wird lediglich auf Zeit in einer Dienststelle
der Luftwaffe verwendet. Insoweit hat der Bundesminister der Verteidigung -
PSZ I 7 - schon in seiner Vorlage an den Senat und erneut im Schriftsatz vom
11. Januar 2010 dargelegt, dass der Personalbegriff Stabsdienstbearbeiter
allgemein als Personalbegriff des Organisationsbereichs Luftwaffe, der im
Organisationsbereich Heer nicht genutzt werde, bereits seit dem 18. September
2006 zur Außerkraftsetzung anstehe. Bei Feldwebeln des Heeres, die - wie der
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Antragsteller - regelmäßig nur zeitlich begrenzt im Organisationsbereich
Luftwaffe eingesetzt würden, werde dieser Personalbegriff nicht zuerkannt, weil
es eines förmlichen Nachweises entsprechender Befähigung nicht bedürfe.
Diese Erwägungen lassen Ermessensfehler nicht erkennen; sie beruhen im
Wesentlichen auf militärischen Zweckmäßigkeitserwägungen, die nach
ständiger Rechtsprechung des Senats nicht einer inhaltlichen Kontrolle durch
die Wehrdienstgerichte unterliegen (vgl. z.B. Beschluss vom 14. Juni 2006 -
BVerwG 1 WB 47.05 - Rn. 25).
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Soweit nach Mitteilung des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom
18. November 2009 im Bereich der Dezernate des W... der Luftwaffe für die
Hubschrauber BO 105 und CH 53 vier Soldaten der Personalbegriff
Stabsdienstbearbeiter allgemein auf Antrag bzw. aufgrund der Bewährung auf
dem Dienstposten zuerkannt worden ist, kann der Antragsteller aus diesem
Umstand keine Rechte im Sinne einer Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG)
herleiten. Der Bundesminister der Verteidigung hat dargelegt, dass diese
Zuerkennung fälschlicherweise ohne die erforderliche Lehrgangsteilnahme
erfolgt sei und die Stammdienststelle deshalb beabsichtige, den betroffenen
Soldaten den Personalbegriff Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte abzuerkennen.
Vor diesem Hintergrund sind Anhaltspunkte für eine von dem Erlass und dem
Schreiben des Streitkräfteamtes abweichende ständige Verwaltungspraxis der
Stammdienststelle bei der Zuerkennung einer „alten“ ATB/ATN zum Zweck der
Überleitung zur ATB/ATN Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte/1010963 nicht
ersichtlich.
Ermessensfehlerhaft ist aber die Ablehnung der Zuerkennung der angestrebten
ATB/ATN Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte/1010963 nach Nr. 5.5 Satz 1 des
Erlasses i.V.m. Nr. 3 des Schreibens des Streitkräfteamtes vom 9. Mai 2007.
Nach dieser Regelung müssen Dienstposteninhaber, die bereits vor
Inkrafttreten der streitkräftegemeinsamen Ausbildung am 1. Januar 2007 auf
Dienstposten verfügt waren und denen der Disziplinarvorgesetzte die
erfolgreich ausgeübte Tätigkeit in einer oder mehreren Verwendungen auf
entsprechenden Dienstposten bescheinigt, nicht die entsprechende
lehrgangsgebundene Ausbildung absolvieren. Bei einer vorliegenden
Bescheinigung des zuständigen Disziplinarvorgesetzten über die erfolgreich
ausgeübte Tätigkeit schließt es die Bestimmung aus, einem Antragsteller die
gewünschte Zuerkennung des strittigen Personalbegriffs - wie hier aber
geschehen - allein mit der Begründung zu versagen, zwischen der
Aufgabenbeschreibung und dem Tätigkeitsbild der „neuen“ ATB/ATN und der
Aufgabenbeschreibung einer „alten“ ATB/ATN bestehe keine Verbindung. Das
ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
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In seinem Schreiben hat das Streitkräfteamt eine stichtagsbezogene
Übergangsregelung für die Überleitung der in der Anlage genannten „alten“
Personalbegriffe zum „neuen“ Personalbegriff des Stabsdienstbearbeiters
Streitkräfte festgelegt. Die Überleitung soll entweder nach formellem Nachweis
der erforderlichen Kenntnisse, Fertigkeiten und Eignung durch den bereits
vollzogenen Erwerb der „alten“ Personalbegriffe durch deren schlichtes
Umschreiben ohne förmliche Prüfung erfolgen (Nr. 2) oder nach einer vom
Disziplinarvorgesetzten erteilten Bescheinigung der Leistung und Befähigung
auf einem entsprechenden Dienstposten (Nr. 3). Dabei bezieht sich die
Bescheinigung erfolgreicher Tätigkeit auf einem „entsprechenden Dienstposten“
nicht auf Tätigkeiten auf dem Dienstposten mit der „neuen“ ATB/ATN, denn der
neue Personalbegriff ATN 1010963 wurde nach der vom Bundesminister der
Verteidigung vorgelegten Definition erst am 18. September 2006, also kurz vor
dem maßgeblichen Stichtag des 1. Januar 2007, in Kraft gesetzt.
Dieses Modell der Überleitung ist nicht nur durch verfahrensbezogene
Komponenten geprägt, sondern enthält auch eine ermessensbindende
materielle Regelung der Zuerkennungsgrundlage. In Nr. 2 des Schreibens in
Verbindung mit der Überleitliste, hier mit Nr. 2 der Anlage hat das
Streitkräfteamt als fachlich zuständige Stelle - für das Ziel und den Zweck der
Überleitung - eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass der neue Personalbegriff
ATB/ATN Stabsdienstbearbeiter Streitkräfte/1010963 die acht in der
Überleitliste genannten Personalbe-griffe, darunter den Personalbegriff ATN
5700933, in vollem Umfang „ersetzt“ - und zwar ohne jede inhaltliche
Einschränkung oder das Erfordernis nachzuleistender Teilprüfungen etwa im
Hinblick auf die erheblichen zusätzlichen einsatzbezogenen Anforderungen im
Tätigkeitsbild des neuen Personalbegriffs ATN 1010963. Mit der Bestimmung
des „Ersetzens“ hat das Streitkräfteamt die materiell wirkende Festlegung
getroffen, dass die Aufgabenbeschreibungen und Tätigkeitsbilder der
überleitungsfähigen acht Personalbegriffe und des neuen Personalbegriffs ATN
1010963 als vergleichbar qualifiziert werden. Dieser Aspekt der Vergleichbarkeit
wirkt sich auch im Rahmen der Nr. 3 des Schreibens vom 9. Mai 2007 aus.
Denn im Hinblick auf den Nachweis der Befähigung im Sinne der Nr. 5.1 des
Erlasses unterscheiden sich die Bestimmungen in Nr. 2 und Nr. 3 des
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Schreibens nur dadurch, dass der Nachweis entweder durch den formellen
Erwerb eines der „alten“ Personalbegriffe oder durch die individuelle
Leistungsbescheinigung des Disziplinarvorgesetzten zu führen ist.
Für die Überleitung zum Personalbegriff ATN 1010963 hat die nach Nr. 3 des
Schreibens des Streitkräfteamtes erforderliche Ermessensentscheidung daher
von der eben dargelegten Vergleichbarkeit der Aufgabenbeschreibungen und
Tätigkeitsbilder auszugehen. Eine ablehnende Entscheidung der
personalbearbeitenden Stelle kann nicht - wie beim Antragsteller geschehen -
auf den Gesichtspunkt fehlender Vergleichbarkeit gestützt werden, sondern
allenfalls auf andere Erwägungen wie etwa Qualifikationsabstufungen in den
Bescheinigungen der Disziplinarvorgesetzten oder auf Aspekte des Bedarfs.
Die angefochtene Entscheidung leidet deshalb an einem
Ermessensfehlgebrauch und ist aufzuheben. Da offen ist, ob dem
Zuerkennungsbegehren des Antragstellers andere Ermessenserwägungen
entgegenstehen oder nicht, ist der Bundesminister der Verteidigung zu
verpflichten, den Zuerkennungsantrag des Antragstellers unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Ein Anspruch des
Antragstellers auf unmittelbare Zuerkennung des angestrebten Personalbegriffs
besteht hingegen nicht, sodass insoweit der Antrag zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1
WBO.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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