Urteil des BVerwG vom 20.11.2009

Befragung, Unterordnung, Freiwilligkeit, Daten

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 55.08
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberleutnant d.R. …,
…,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 20. November 2009 beschlossen:
Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist unzuläs-
sig.
Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Düssel-
dorf verwiesen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich gegen eine Befragung durch Angehörige des Mili-
tärischen Abschirmdienstes.
Der 1978 geborene Antragsteller ist Reservist. Zum Oberleutnant der Reserve
wurde er am 9. Januar 2006 ernannt. Zuletzt absolvierte er vom 21. Februar bis
31. März 2006 eine Wehrübung beim Luftwaffenführungskommando in K….
Während dieser Wehrübung wurde der Antragsteller am 29. März 2006 von
12.00 Uhr bis ca. 22.45/23.00 Uhr in den Diensträumen des Luftwaffenfüh-
rungskommandos durch zwei Angehörige des Militärischen Abschirmdienstes
befragt.
Mit Schreiben vom 31. März 2006 erhob der Antragsteller Beschwerde gegen
die Ermittlungen des Militärischen Abschirmdienstes und beanstandete in zahl-
reichen Punkten den Ablauf der Befragung sowie das Verhalten der Befrager.
Wegen aller Einzelheiten wird auf das ausführliche Begründungsschreiben vom
2. August 2006 verwiesen. Zusammenfassend warf der Antragsteller den bei-
den Mitarbeitern des Militärischen Abschirmdienstes vor, ihn unkameradschaft-
lich behandelt, seinen Ruf als Offizier nachhaltig geschädigt, ihn beleidigt und
verleumdet und ihn entwürdigend und unehrenhaft behandelt zu haben. Die
Befrager hätten bewusst gegen einzelne Artikel des Grundgesetzes sowie ge-
gen das Strafgesetz, das Wehrstrafgesetz und das Soldatengesetz verstoßen.
Mit Bescheid vom 16. Juli 2007 wies der Bundesminister der Verteidigung
- PSZ I 7 - die Beschwerde zurück. Die Befragung sei zur verlässlichen Klärung
im Rahmen einer nachrichtendienstlichen Bearbeitung notwendig gewesen und
habe sich im Rahmen des Erforderlichen und Verhältnismäßigen bewegt. Die
Begründung des Beschwerdebescheids geht sodann auf die einzelnen vom An-
tragsteller gerügten Vorfälle ein und legt jeweils Punkt für Punkt dar, warum ein
rechtswidriges Verhalten der beiden Befrager nicht vorliege.
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Mit Schreiben vom 1. August 2007 beantragte der Antragsteller daraufhin die
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Bundesminister der Vertei-
digung - PSZ I 7 - legte den Antrag zusammen mit seiner Stellungnahme vom
15. Juli 2008 dem Senat vor.
Zur Begründung seines Antrags wiederholt der Antragsteller die mit der Be-
schwerde erhobenen Vorwürfe gegen die Angehörigen des Militärischen Ab-
schirmdienstes und widerspricht den Ausführungen im Beschwerdebescheid.
Mit Schreiben vom 25. August 2008 trat der Antragsteller außerdem detailliert
den Ausführungen im Vorlageschreiben vom 15. Juli 2008 entgegen.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Befragung sei erforderlich gewesen, weil Zweifel daran bestanden hätten,
dass sich der Antragsteller zu jeder Zeit auf dem Boden der freiheitlichen de-
mokratischen Grundordnung bewege. Die auch aus der Befragung vom
29. März 2006 gewonnenen Erkenntnisse hätten zu der Bewertung des Amtes
für den Militärischen Abschirmdienst vom 20. April 2006 geführt, dass der An-
tragsteller erkannter Ausländerextremist sei. Es sei nachvollziehbar, dass der
Antragsteller die Befragung als belastend empfunden habe. Eine Verletzung
seiner Rechte sei indes nicht gegeben.
Nach Mitteilung des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 3. Au-
gust 2009 wurde eine Aktualisierung der erweiterten Sicherheitsüberprüfung
(Ü 2) des Antragstellers am 21. Mai 2008 durch den Geheimschutzbeauftragten
des Streitkräfteamts mit der Feststellung eines Sicherheitsrisikos abgeschlos-
sen. Der Antragsteller hat hiergegen unter dem 12. August 2008 Beschwerde
erhoben.
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Das Gericht hat mit Schreiben vom 14. August 2009 die Beteiligten darüber un-
terrichtet, dass es Zweifel daran habe, ob die Befragung des Antragstellers
durch Angehörige des Militärischen Abschirmdienstes in einem Verhältnis der
militärischen Über- und Unterordnung stattgefunden habe, und den Beteiligten
Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer möglichen Verweisung des Rechts-
streits an das Verwaltungsgericht Düsseldorf gegeben. Der Bundesminister der
Verteidigung - PSZ I 7 - hat Bedenken gegen eine Verweisung des Rechts-
streits erhoben und darauf hingewiesen, dass diese im Widerspruch zu Ausfüh-
rungen in dem Beschluss des Senats vom 30. November 2006 - BVerwG 1 WB
23.06 - stünde. Er hat sich ferner zu dem Verhältnis zwischen der Befragung
des Antragstellers vom 29. März 2006 und der am 21. Mai 2008 abgeschlosse-
nen Sicherheitsüberprüfung geäußert; danach sei die Befragung außerhalb
bzw. unabhängig von der Aktualisierung der Sicherheitsüberprüfung erfolgt. Der
Antragsteller hat demgegenüber erklärt, die Angehörigen des Militärischen Ab-
schirmdienstes hätten ihm in der Befragung vom 29. März 2006 mitgeteilt, dass
diese im Rahmen eines Sicherheitsüberprüfungsverfahrens erfolge und er ver-
pflichtet sei, mit ihnen zu sprechen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Ak-
ten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidi-
gung - PSZ I 7 - Az.: … - sowie zwei Heftungen Personalunterlagen des An-
tragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Für das Rechtschutzbegehren des Antragstellers, mit dem er sich gegen eine
Befragung durch Angehörige des Militärischen Abschirmdienstes außerhalb ei-
nes Sicherheitsüberprüfungsverfahrens wendet, ist der Rechtsweg nicht zu den
Wehrdienstgerichten, sondern zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten eröff-
net. Die Sache ist deshalb an das zuständige Verwaltungsgericht Düsseldorf zu
verweisen. Über die Verweisung entscheidet der Senat in der Besetzung ohne
ehrenamtliche Richter (vgl. Beschluss vom 17. März 2009 - BVerwG 1 WB
77.08 - NVwZ-RR 2009, 541 m.w.N.).
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1. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öf-
fentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, so-
weit die Streitigkeit nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrück-
lich zugewiesen ist. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 82 Abs. 1 SG auch
für Klagen der Soldaten aus dem Wehrdienstverhältnis eröffnet, soweit nicht ein
anderer Rechtsweg gesetzlich vorgeschrieben ist. Dies ist gemäß § 17 Abs. 1
Satz 1 WBO für die Fälle vorgesehen, in denen Gegenstand der Beschwerde
des Soldaten eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Pflichten
eines Vorgesetzten ihm gegenüber ist, die im Zweiten Unterabschnitt des
Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und
31 geregelt sind. Die Wehrdienstgerichte haben hiernach über die Verletzung
solcher Rechte und Pflichten zu entscheiden, die auf dem Verhältnis der
militärischen Über- und Unterordnung beruhen, also in truppendienstlichen
Angelegenheiten (stRspr, vgl. Beschluss vom 6. April 2005 - BVerwG 1 WB
61.04 - insoweit nicht veröffentlicht in NZWehrr 2005, 212, m.w.N.). Für die
Bestimmung, ob es sich um eine truppendienstliche Angelegenheit oder um
eine Verwaltungsangelegenheit handelt, für die der Rechtsweg zu den Verwal-
tungsgerichten eröffnet ist, ist auf die wahre Natur des geltend gemachten An-
spruchs und auf die daraus abzuleitende Rechtsfolge abzustellen (Beschlüsse
vom 15. Mai 2003 - BVerwG 1 WB 7.03 - m.w.N. und vom 6. April 2005 a.a.O.).
Danach liegt hier keine den Wehrdienstgerichten zugewiesene truppendienstli-
che Angelegenheit vor. Die von dem Antragsteller beanstandete Befragung vom
29. März 2006 durch Angehörige des Militärischen Abschirmdienstes erfolgte
weder im Rahmen einer Sicherheitsüberprüfung (dazu a) noch sonst innerhalb
eines militärischen Unterstellungsverhältnisses (dazu b).
a) Die Befragung des Antragstellers stand nicht im Zusammenhang mit einem
Verfahren nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG).
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann die Feststellung eines Si-
cherheitsrisikos gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 SÜG durch einen Antrag auf gericht-
liche Entscheidung vor den Wehrdienstgerichten mit dem Ziel der Aufhebung
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des entsprechenden Bescheids angefochten werden (vgl. Beschlüsse vom
8. November 1994 - BVerwG 1 WB 64.94 - BVerwGE 103, 182 = NZWehrr
1995, 27, vom 24. Mai 2000 - BVerwG 1 WB 25.00 -
licht in BVerwGE 111, 219 und Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 9> und vom 24. Ja-
nuar 2006 - BVerwG 1 WB 15.05 -
125, 56 und Buchholz 402.8 § 14 SÜG Nr. 11>). Grundlage für die
Entscheidung des zuständigen Geheimschutzbeauftragten sind die Ermittlun-
gen und Maßnahmen der mitwirkenden Behörde (§ 14 Abs. 1 und 2 SÜG), wo-
bei mitwirkende Behörde bei Sicherheitsüberprüfungsverfahren im Geschäfts-
bereich des Bundesministeriums der Verteidigung der Militärische Abschirm-
dienst ist (§ 3 Abs. 2 SÜG i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes über den
Militärischen Abschirmdienst ). Wird die Feststellung eines Sicher-
heitsrisikos angefochten, kann es daher - mittelbar bzw. inzident - zu einer
wehrdienstgerichtlichen Überprüfung von Befragungen des Betroffenen durch
den Militärischen Abschirmdienst (vgl. § 11 SÜG) kommen, soweit diese Ein-
gang in die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten gefunden haben.
Die hier strittige Befragung des Antragstellers erfolgte jedoch nicht im Zuge der
Mitwirkung an einem Sicherheitsüberprüfungsverfahren (§ 1 Abs. 3 MADG),
sondern im Rahmen der (originären) Aufgabe des Militärischen Abschirmdiens-
tes zur Sammlung von Informationen über extremistische und sicherheitsge-
fährdende Bestrebungen und Tätigkeiten (§ 1 Abs. 1 MADG). Dies ergibt sich
aus der Darstellung in den Schreiben des Bundesministers der Verteidigung
- PSZ I 7 - vom 14. Oktober, 6. November und 12. November 2009 und den
hierzu vorgelegten Unterlagen. Danach war eine erste erweiterte Sicherheits-
überprüfung (Ü 2) für den Antragsteller am 1. März 2000 abgeschlossen wor-
den; zu dieser erstellte der Sicherheitsbeauftragte des Luftwaffenführungs-
kommandos unter dem 1. März 2006 einen Nachbericht und beauftragte den
Militärischen Abschirmdienst mit der Aktualisierung der erweiterten Sicherheits-
überprüfung; der Eingang dieses Auftrags bei der MAD-Stelle … erfolgte aus-
weislich des Eingangsstempels am 17. Mai 2006, also deutlich nach der Befra-
gung vom 29. März 2006. Schon aus Gründen der zeitlichen Abfolge lässt sich
deshalb die Befragung vom 29. März 2006 nicht dem Verfahren der Aktualisie-
rung der erweiterten Sicherheitsüberprüfung zuordnen. In diese Abfolge fügt
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sich andererseits das in der Beschwerdeakte befindliche Schreiben des Amts
für den Militärischen Abschirmdienst (MAD-Amt) vom 20. April 2006 ein. Dieses
Schreiben, das gleichfalls vor dem 17. Mai 2006 datiert und die Befragung vom
29. März 2006 auswertet, bezieht sich sowohl im Betreff („Extremistische Be-
strebungen von Angehörigen des Geschäftsbereiches BMVg“) als auch im wei-
teren Inhalt und Ergebnis (Bewertung des Antragstellers als „Ausländerextre-
mist in der Bundeswehr“) auf die Aufgabe des Militärischen Abschirmdienstes
nach § 1 Abs. 1 MADG und nicht auf diejenige nach § 1 Abs. 3 MADG. Dem-
entsprechend ist das Schreiben auch nicht an den Geheimschutzbeauftragten
des Streitkräfteamts, sondern an den Amtschef des Personalamts der Bundes-
wehr als den Chef der zuständigen personalbearbeitenden Stelle gerichtet.
Sowohl das Schreiben vom 20. April 2006 als auch der Befragungsbericht vom
13. April 2006 (dessen erste Seite der Bundesminister der Verteidigung
- PSZ I 7 - mit Schreiben vom 12. November 2009 vorgelegt hat) sind schließ-
lich von der Abteilung II (Extremismus-/Terrorismusabwehr) und nicht von der
für Sicherheitsüberprüfungen zuständigen Abteilung IV (Personeller und mate-
rieller Geheimschutz) des MAD-Amts verfasst worden.
Angesichts dieser eindeutigen Sachlage kommt es auf den Vortrag des Antrag-
stellers nicht an, die Angehörigen des Militärischen Abschirmdienstes hätten
ihm bei der Befragung am 29. März 2006 erklärt, dass diese im Rahmen eines
Sicherheitsüberprüfungsverfahrens erfolge. Selbst wenn dies, was der Bundes-
minister der Verteidigung - PSZ I 7 - bestreitet, der Fall gewesen sein sollte,
würde dies nichts an der wahren Natur des Rechtsstreits ändern, die dadurch
bestimmt ist, dass die Befragung objektiv der Extremismusabwehr und nicht ei-
ner Sicherheitsüberprüfung diente. Ob dem Antragsteller ein unzutreffender Be-
fragungszweck mitgeteilt worden ist und welche Folgen dies gegebenenfalls für
die Rechtmäßigkeit der Befragung hat, ist erst im Verfahren vor dem zuständi-
gen Gericht, nicht aber bei der hier zu klärenden Vorfrage des richtigen Rechts-
wegs von Bedeutung.
Auch soweit die Erkenntnisse über den Antragsteller in der weiteren Folge in
das vom Geheimschutzbeauftragten des Streitkräfteamts eingeleitete Sicher-
heitsüberprüfungsverfahren eingeflossen sind, in dem der Militärische Ab-
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schirmdienst (ausweislich der Stellungnahme des MAD-Amts vom 2. Februar
2007, Seite 7) dem Geheimschutzbeauftragten des Streitkräfteamts am 2. Au-
gust 2006 ein Votum vorgelegt hat, ändert dies nichts an der ursprünglichen
Zwecksetzung der Befragung vom 29. März 2006. Mögliche Auswirkungen auf
die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten können nicht im vorliegenden,
sondern allein in dem vom Antragsteller parallel betriebenen Beschwerde-
verfahren gegen die mit Bescheid vom 21. Mai 2008 getroffene Feststellung ei-
nes Sicherheitsrisikos geltend gemacht werden.
b) Der Antragsteller befand sich gegenüber den Befragern des Militärischen Ab-
schirmdienstes auch sonst in keinem militärischen Unterstellungsverhältnis.
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 MADG darf der Militärische Abschirmdienst die zur
Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich perso-
nenbezogener Daten nach § 8 Abs. 2, 4 und 13 (ab 1. Januar 2007 Abs. 5) des
Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) erheben, verarbeiten und nut-
zen, soweit nicht die anzuwendenden Bestimmungen des Bundesdatenschutz-
gesetzes oder besondere Regelungen im MAD-Gesetz entgegenstehen. Wer-
den - wie bei der offenen Befragung des Antragstellers - personenbezogene
Daten beim Betroffenen mit seiner Kenntnis erhoben, so ist der Erhebungs-
zweck anzugeben; außerdem ist der Betroffene auf die Freiwilligkeit seiner An-
gaben hinzuweisen (§ 8 Abs. 4 BVerfSchG). § 4 Abs. 2 Halbs. 1 MADG be-
stimmt ferner, dass dem Militärischen Abschirmdienst polizeiliche Befugnisse
oder Weisungsbefugnisse nicht zustehen.
Die Befragung des Antragstellers und die entsprechende Datenerhebung er-
folgten damit zwar in Ausübung hoheitlicher Befugnisse, nicht jedoch in einem
Verhältnis der militärischen Über- und Unterordnung. Die Angehörigen des Mili-
tärischen Abschirmdienstes hatten gegenüber dem Antragsteller keine militäri-
schen Vorgesetztenfunktionen, auch nicht etwa als Vorgesetzte mit besonde-
rem Aufgabenbereich (§ 1 Abs. 3 Satz 2 SG i.V.m. § 3 VorgV). Ihnen standen
keine Befehls- oder vergleichbaren Weisungsbefugnisse zu (siehe § 4 Abs. 2
Halbs. 1 MADG). Der Antragsteller war zu Auskünften nicht verpflichtet. Ob der
Antragsteller ordnungsgemäß auf die Freiwilligkeit seiner Angaben hingewiesen
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wurde (so die Darstellung in dem Beschwerdebescheid vom 16. Juli 2007, Sei-
te 3, zu 1.) oder ob dies unterblieben ist bzw. dem Antragsteller mitgeteilt wur-
de, dass er verpflichtet sei, mit den Befragern zu sprechen (so der Antragsteller
mit Schreiben vom 1. August 2007, Seite 2 bzw. vom 12. September 2009, Sei-
te 1), ist für die Bestimmung des Rechtswegs unerheblich. Die bloße Ausübung
hoheitlicher Befugnisse als solche schließlich kann für das Vorliegen eines mili-
tärischen Unterstellungsverhältnisses nicht genügen, weil diesem Merkmal kei-
ne Unterscheidungskraft gegenüber allgemeinen verwaltungsrechtlichen Maß-
nahmen, die sich ebenfalls zumeist als Ausübung hoheitlicher Befugnisse dar-
stellen, zukommt.
Soweit der Senat in dem Beschluss vom 30. November 2006 (- BVerwG 1 WB
23.06 - Buchholz 449 § 82 SG Nr. 2 = NZWehrr 2007, 217) ausgeführt hat,
dass die unmittelbare Datenerhebung beim Betroffenen gemäß § 4 Abs. 1
Satz 1 MADG i.V.m. § 8 Abs. 4 BVerfSchG - etwa in Gestalt einer Befragung
oder Vernehmung - sich in einem Verhältnis der militärischen Über- und Unter-
ordnung vollziehe und deshalb Streitigkeiten, die die Befragung des betroffenen
Soldaten zum Gegenstand hätten, in einem wehrdienstgerichtlichen Antrags-
verfahren geltend gemacht werden könnten (dort Rn. 21), hält der Senat an
dieser Rechtsauffassung nicht fest. Die Aussage hatte in dem genannten Be-
schluss im Übrigen keine tragende Bedeutung. Die Entscheidung beruhte viel-
mehr auf dem Satz, dass die von dem Antragsteller des dortigen Verfahrens
angegriffenen Feststellungen und Wertungen des Militärischen Abschirmdiens-
tes zu seiner Person nicht im Rahmen eines militärischen Über- und Unterord-
nungsverhältnisses getroffen worden seien (dort Rn. 20); auch der dortige
Rechtsstreit wurde demzufolge an das zuständige Verwaltungsgericht verwie-
sen.
2. Ist demnach der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten nicht eröffnet, war
das Verfahren nach Anhörung der Beteiligten (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 17a
Abs. 2 Satz 1 GVG) gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 18 Abs. 3 WBO an das
zuständige Gericht des Verwaltungsrechtswegs zu verweisen.
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Nach § 45 und § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO ist sachlich und örtlich zuständig das
Verwaltungsgericht Düsseldorf. Die örtliche Zuständigkeit bemisst sich nach
§ 52 Nr. 4 VwGO, weil die Befragung des Antragstellers als Soldat im Rahmen
einer Wehrübung erfolgte und damit eine Klage aus einem früheren Wehr-
dienstverhältnis vorliegt. Der Antragsteller, der als Reservist keinen dienstlichen
Wohnsitz besitzt, hat seinen Wohnsitz in Düsseldorf, also im Bezirk des Ver-
waltungsgerichts Düsseldorf (§ 1 Abs. 2 Buchst. c des Gesetzes zur Ausfüh-
rung der Verwaltungsgerichtsordnung im Lande Nordrhein-Westfalen).
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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