Urteil des BVerwG vom 27.05.2014

Amt, Auflösung, Versetzung, Absicht

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 54.13
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberstleutnant …,
…,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte …,
… -
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst Wendroth und
den ehrenamtlichen Richter Major Schönle
am 27. Mai 2014 beschlossen:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass es rechtswidrig war, einen hö-
herwertigen, nach Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstposten im …amt
der Bundeswehr nicht mit ihm, dem Antragsteller, zu besetzen.
Der 19.. geborene Antragsteller ist seit 19.. Berufssoldat; seine Dienstzeit endet
voraussichtlich mit Ablauf des 31. Juli 20.. . Zuletzt wurde er am 25. Januar 19..
zum Oberstleutnant befördert und zum 1. Januar 20.. in eine Planstelle der Be-
soldungsgruppe A 15 eingewiesen. Derzeit wird der Antragsteller im … verwen-
det.
Am 22. Februar 2012 entschied der damals zuständige Abteilungsleiter … (…)
im …, den nach Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstposten des Leiters
… (…) im …amt der Bundeswehr mit Oberst (…) B. zu besetzen. Gegen diese
Entscheidung beantragte der Antragsteller am 30. April 2012 die gerichtliche
Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht. Mit weiterem Schreiben
vom 24. Juli 2012 beantragte der Antragsteller außerdem seine Versetzung auf
den strittigen Dienstposten rückwirkend zum 1. März 2012. Mit Verfügung vom
13. August 2012 hob der Abteilungsleiter … die Auswahlentscheidung vom
22. Februar 2012 auf und erklärte, dass über die Besetzung des Dienstpostens
in einem erneuten Verfahren entschieden werde.
Mit Schreiben vom 30. April 2013 erhob der Antragsteller Beschwerde gegen
die „Umsetzung“ der Entscheidung des Abteilungsleiters … vom 13. August
2012 sowie gegen alle „in diesem Zusammenhang stehenden Maßnahmen der
Personalführung“. In der Begründung (unter Nr. 1) verwies der Antragsteller
unter anderem auf seinen Versetzungsantrag vom 24. Juli 2012, auf den er bis
dahin noch keine Entscheidung erhalten habe; dies bitte er als Untätigkeitsbe-
schwerde zu werten.
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Mit Bescheid vom 11. September 2013 wies der Bundesminister der Verteidi-
gung - R II 2 - die Beschwerde vom 30. April 2013 zurück und lehnte den Ver-
setzungsantrag ab. Gegenstand der Untätigkeitsbeschwerde seien nicht die
Gründe, die zur Nichtbescheidung innerhalb eines Monats geführt hätten, son-
dern die Entscheidung in der Sache selbst. In der Sache sei der Versetzungs-
antrag abzulehnen, weil der strittige Dienstposten mit der inzwischen erfolgten
Auflösung des …amts weggefallen sei; das Versetzungsbegehren sei deshalb
auf eine unmögliche Leistung gerichtet.
Hiergegen beantragte der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten
vom 9. Oktober 2013 die Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht.
Der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - legte den Antrag mit seiner Stel-
lungnahme vom 21. Oktober 2013 dem Senat vor.
Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Ziel seines Rechtsschutzbegehrens sei, einen Ausspruch gemäß § 13 Abs. 1
Satz 4 WBO, also die Feststellung, dass die Unterlassung seiner Versetzung
auf den strittigen Dienstposten rechtswidrig gewesen sei, zu erhalten. An dieser
Feststellung habe er ein berechtigtes Interesse. Er habe mit Schreiben vom
30. September 2013 einen Antrag auf Schadlosstellung in dienst-, versorgungs-
und besoldungsrechtlicher Hinsicht gestellt, weil er seinerzeit für den Dienstpos-
ten hätte ausgewählt werden müssen; jedenfalls habe der Dienstposten mit ihm
besetzt werden müssen, nachdem die erste Auswahlentscheidung auf seinen
Antrag hin aufgehoben worden sei. Es gehe vorliegend nicht um eine unzuläs-
sige Fortsetzungsfeststellungsklage, bei der das erledigende Ereignis vor der
Antragstellung liege, sondern um die Feststellung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 4
WBO, die bereits das Bundesministerium der Verteidigung in dem Beschwer-
debescheid hätte treffen müssen. Es könne nicht sein, dass wegen der Untätig-
keit des Dienstherrn eine ablehnende Sachentscheidung gemäß § 13 Abs. 1
Satz 6 WBO erfolge und gleichzeitig ihm, dem Antragsteller, die Möglichkeit
einer Überprüfung der Gründe für die Untätigkeit gemäß § 13 Abs. 1 Satz 4
WBO genommen werde.
In der Sache sei es rechtswidrig gewesen, den Dienstposten nicht mit ihm, dem
Antragsteller, zu besetzen. Der Dienstposten habe klar definierte Eignungs- und
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Befähigungsmerkmale aufgewiesen; insbesondere habe nur ein IT-Stabsoffizier
mit abgeschlossenem technischem Studium ausgewählt werden dürfen. Diese
Anforderungen erfülle er, der Antragsteller, in besonderem Maße, nicht aber der
ausgewählte Kandidat. Auch sei er in der im Auswahlverfahren angeforderten
Sonderbeurteilung besser beurteilt worden als dieser. Ersichtlich sei die erste,
später aufgehobene Auswahlentscheidung sowie das weitere Bemühen, Oberst
B. für den strittigen Dienstposten bzw. den Nachfolgedienstposten beim …amt
… der Bundeswehr auszuwählen, von sachfremden Erwägungen geleitet. Ver-
wiesen werde dazu auch auf ein Schreiben des Wehrbeauftragten des Deut-
schen Bundestages vom 22. Oktober 2013.
Der Antragsteller beantragt,
unter Aufhebung der Entscheidung des Bundesministe-
riums der Verteidigung - R II 2 - vom 11. September 2013
festzustellen, dass das Unterbleiben der Besetzung des
Dienstpostens … beim …amt der Bundeswehr mit ihm,
dem Antragsteller, rechtswidrig war.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hält den Feststellungsantrag für unzulässig. Mit der Auflösung des …amts
der Bundeswehr sei der strittige Dienstposten weggefallen; es liege daher Erle-
digung vor. Der Dienstposten sei ab 1. Januar 2013 für eine Nachbesetzung
förmlich gesperrt gewesen (SAP-Auszug) und das …amt zum 30. April 2013
aufgelöst worden. Für die Feststellung, dass das Unterbleiben seiner Verset-
zung auf den Dienstposten rechtswidrig gewesen sei, fehle dem Antragsteller
ein Feststellungsinteresse. Die Erledigung sei nicht nur vor dem Antrag auf ge-
richtliche Entscheidung, sondern bereits in dem Zeitpunkt eingetreten gewesen,
in dem der Antragsteller seine Untätigkeitsbeschwerde erhoben habe. Er habe
deshalb sein Schadenersatzbegehren gegebenenfalls unmittelbar beim zustän-
digen Verwaltungs- oder Zivilgericht geltend zu machen. Ein Schadensersatz-
prozess sei allerdings von vornherein aussichtslos, weil die Nichtbesetzung des
Dienstpostens einem Abbruch des Auswahlverfahrens gleichkomme. Dieser
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Abbruch sei aus einem sachlichen Grund erfolgt, weil der Dienstposten mit der
Auflösung des …amts weggefallen und damit auch nicht mehr nachzubesetzen
gewesen sei. Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers sei hier-
durch erloschen. Über die Gründe für die Verzögerung der Auswahlentschei-
dung bzw. der Entscheidung über den Versetzungsantrag sei im Rahmen der
Untätigkeitsbeschwerde weder im Beschwerdeverfahren noch vor dem Senat
zu befinden. Folge des Untätigkeitsrechtsbehelfs des Antragstellers sei eine
Verlagerung der Entscheidungszuständigkeit. Die Sonderregelung des § 13
Abs. 1 Satz 6 WBO gehe als lex specialis dem § 13 Abs. 1 Satz 4 WBO vor; ein
Ausspruch im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 4 WBO sei deshalb nicht zu tätigen
gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Ak-
ten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidi-
gung - R II 2 - Az.: 1093/13 -, die Personalgrundakte des Antragstellers, Haupt-
teile A bis D, sowie die Gerichtsakten der weiteren Verfahren des Antragstellers
BVerwG 1 WB 55.13 und BVerwG 1 WDS-VR 23.13 haben dem Senat bei der
Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig.
Er ist zwar als Fortsetzungsfeststellungsantrag grundsätzlich statthaft. Dem An-
tragsteller fehlt jedoch das erforderliche Feststellungsinteresse, weil das erledi-
gende Ereignis (Wegfall des begehrten Dienstpostens) bereits vor Rechtshän-
gigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten ist und der An-
tragsteller deshalb die beabsichtigte Schadensersatzklage unmittelbar beim zu-
ständigen Verwaltungs- oder ordentlichen Gericht zu erheben hat.
1. Der Antrag, festzustellen, dass das Unterbleiben der Besetzung des nach
Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstpostens des Leiters … (…) im …amt
der Bundeswehr mit dem Antragsteller rechtswidrig war, ist als Fortsetzungs-
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feststellungsantrag auszulegen und als solcher statthaft (§ 19 Abs. 1 Satz 3
i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO).
Das ursprüngliche Begehren des Antragstellers, rückwirkend zum 1. März 2012
auf den genannten Dienstposten versetzt zu werden (Schreiben vom 24. Juli
2012), hat sich mit der Sperrung des Dienstpostens zum 1. Januar 2013, spä-
testens aber mit dem endgültigen Wegfall des Dienstpostens infolge der Auflö-
sung des …amts zum 30. April 2013 erledigt. Eine Auswahl und anschließende
Versetzung des Antragstellers auf den begehrten Dienstposten ist seitdem
rechtlich und tatsächlich nicht mehr möglich.
Hat sich eine truppendienstliche Maßnahme, die - wie hier - keinen Befehl im
Sinne von § 2 Nr. 2 WStG darstellt, oder die Ablehnung einer solchen Maß-
nahme vor der gerichtlichen Entscheidung erledigt, so entscheidet das Wehr-
dienstgericht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1
WBO), ob die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein
berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Die Bestimmung des § 19
Abs. 1 Satz 3 WBO übernimmt die für § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in Literatur
und Rechtsprechung allgemein anerkannte Interpretation, dass auch bei Erledi-
gung eines Verpflichtungsbegehrens ein Fortsetzungsfeststellungsantrag in Be-
tracht kommt (vgl. Beschluss vom 24. November 2009 - BVerwG 1 WB 86.08 -
Rn. 20 f. m.w.N.). Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag ist ferner - mit Beson-
derheiten hinsichtlich des Feststellungsinteresses (dazu nachfolgend 2.) - auch
dann grundsätzlich statthaft, wenn die Erledigung bereits vor Rechtshängigkeit
des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten ist, also nicht erst wäh-
rend des laufenden gerichtlichen Verfahrens auf den Fortsetzungsfeststellungs-
antrag übergegangen, sondern dieser Antrag - wie hier - von Beginn an gestellt
wird (vgl. Beschluss vom 22. Juni 2005 - BVerwG 1 WB 1.05 -
veröffentlicht in Buchholz 236.1 § 28 SG Nr. 6>).
2. Dem Antragsteller fehlt jedoch das gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO (hier
i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO) erforderliche Feststellungsinteresse, weil das
erledigende Ereignis (Wegfall des begehrten Dienstpostens) bereits vor Rechts-
hängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten ist und der
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Antragsteller deshalb die beabsichtigte Schadensersatzklage unmittelbar beim
zuständigen Verwaltungs- oder ordentlichen Gericht zu erheben hat.
Das erforderliche Feststellungsinteresse kann sich nach der Rechtsprechung
des Senats aus einem Rehabilitierungsinteresse, aus einer Wiederholungsge-
fahr oder aus der Absicht ergeben, einen Schadensersatzanspruch geltend zu
machen, sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint. Ein be-
rechtigtes Feststellungsinteresse kommt auch in Betracht, wenn die erledigte
Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich
zieht (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 29. Januar 2013 - BVerwG 1 WB 60.11 -
juris Rn. 26 m.w.N.
Nr. 65>).
Wird das Feststellungsinteresse auf die Absicht, einen Schadensersatzan-
spruch geltend zu machen, gestützt, so gilt nach ständiger Rechtsprechung des
Senats einschränkend, dass die Erledigung erst nach Rechtshängigkeit des An-
trags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten sein darf; (nur) in einem solchen
Fall entspricht es dem Gedanken der Prozessökonomie, das ursprünglich an-
hängige Anfechtungs- oder Verpflichtungsbegehren mit dem Antrag auf Fest-
stellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme bzw. der Unterlassung fortzuset-
zen, um die im Verfahren vor dem Wehrdienstgericht gewonnenen Erkenntnis-
se für den nachfolgenden Schadensersatzprozess zu erhalten (vgl. Beschlüsse
vom 23. Juni 2004 - BVerwG 1 WB 20.04 - und vom 26. Juli 2011 - BVerwG
1 WB 13.11 - Rn. 21, jeweils m.w.N.). Ist die Erledigung dagegen bereits vor
Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten, so ist
der Beschwerdeführer gehalten, seine Schadensersatzklage unmittelbar beim
zuständigen (Verwaltungs- oder ordentlichen) Gericht zu erheben, das - neben
den übrigen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs - inzident die
Rechtmäßigkeit der angegriffenen Maßnahme bzw. der Unterlassung überprüft.
Diese letztere Konstellation ist vorliegend gegeben. Der Antragsteller begründet
sein Interesse an der Feststellung - ausschließlich - mit der Absicht, einen
Schadensersatzanspruch geltend zu machen; eine entsprechende Forderung
nach Schadlosstellung in dienst-, versorgungs- und besoldungsrechtlicher Hin-
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sicht hat er mit Schreiben vom 30. September 2013 erhoben. Die möglichen Er-
folgsaussichten eines solchen Schadensersatzanspruchs wegen Nichtbeförde-
rung sind, zumal in Verbindung mit der vorgerichtlich erfolgreichen Beschwerde
des Antragstellers gegen die erste Auswahlentscheidung vom 22. Februar 2012
und mit dem von ihm parallel betriebenen Konkurrentenstreitverfahren um die
Besetzung des Nachfolgedienstpostens beim …amt … der Bundeswehr
(BVerwG 1 WB 55.13 und BVerwG 1 WDS-VR 23.13), nicht von vornherein von
der Hand zu weisen. Die Erledigung des Rechtsstreits - durch die Sperrung des
Dienstpostens zum 1. Januar 2013, spätestens durch die Auflösung des …amts
zum 30. April 2013 - ist vorliegend jedoch bereits deutlich vor Rechtshängigkeit
des mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2013 gestellten Antrags auf gerichtliche Ent-
scheidung eingetreten. Der Antragsteller ist deshalb darauf zu verweisen, seine
Schadensersatzforderung insgesamt und unmittelbar beim zuständigen (Ver-
waltungs- oder ordentlichen) Gericht anzubringen. Er kann nicht verlangen,
vorab einen Teil der Voraussetzungen des Anspruchs auf Schadensersatz vom
vermeintlich „sachnäheren“ Wehrdienstgericht geklärt zu erhalten (vgl. Be-
schluss vom 23. Juni 2004 - BVerwG 1 WB 20.04 -).
3. Der Antragsteller kann im vorliegenden Verfahren auch keine Klärung der
Gründe erlangen, warum er auf seinen Versetzungsantrag vom 24. Juli 2012
nicht innerhalb eines Monats und damit vor Eintritt der Erledigung einen Be-
scheid erhalten hat.
Die Untätigkeitsbeschwerde (hier gemäß § 1 Abs. 2 WBO) dient nicht dazu, den
Bearbeiter eines Antrages oder einer Beschwerde wegen Säumnis in der Sach-
behandlung zu disziplinieren; sie ist grundsätzlich nur ein Mittel, um in der Sa-
che selbst weiterzukommen (vgl. Beschluss vom 8. März 2006 - BVerwG 1 WB
61.05 - Rn. 21 m.w.N.). Demgemäß befindet bei den Untätigkeitsrechtsbehelfen
der Wehrbeschwerdeordnung (§ 1 Abs. 2, § 16 Abs. 2, § 17 Abs. 1 Satz 2
WBO) die jeweils nächsthöhere Instanz nicht über die Verzögerung des Verfah-
rens und deren Ursachen oder Rechtfertigung, sondern über das vom Soldaten
mit dem Antrag, der Beschwerde oder der weiteren Beschwerde in der Sache
verfolgte Begehren (stRspr, vgl. zuletzt Beschluss vom 29. August 2012
- BVerwG 1 WB 29.12 - Rn. 8 m.w.N.). § 13 Abs. 1 Satz 6 WBO stellt diesen
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Grundsatz für den - hier vorliegenden - Sonderfall klar, dass bereits die Untätig-
keit der für die Ausgangsentscheidung zuständigen Vorgesetzten oder Dienst-
stellen gerügt wird und damit die Zuständigkeit für den Erlass der Ausgangsent-
scheidung auf den für den Beschwerdebescheid zuständigen Disziplinarvorge-
setzten bzw. die nächsthöhere Dienststelle übergeht.
4. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann schließlich auch nicht, wie
vom Antragsteller formuliert, auf einen „Ausspruch gemäß § 13 Abs. 1 Satz 4
WBO“ gerichtet werden.
§ 13 Abs. 1 Satz 3 und 4 WBO wendet sich an die für die Entscheidung über
die Beschwerde zuständige Stelle und trifft eine Regelung für Beschwerden
gegen erledigte Befehle oder sonstige erledigte Maßnahmen und Unterlassun-
gen, die inhaltlich weitgehend identisch ist mit der für das gerichtliche Verfahren
geltenden Regelung des § 19 Abs. 1 Satz 2 und 3 WBO. Erweist sich die Be-
schwerde danach als begründet, so hat die für die Beschwerdeentscheidung
zuständige Stelle festzustellen, dass ein bereits ausgeführter oder sonst erle-
digter Befehl nicht hätte ergehen dürfen; Entsprechendes ist festzustellen, wenn
eine sonstige erledigte Maßnahme nicht hätte ergehen dürfen oder eine unter-
lassene und nicht mehr nachholbare Maßnahme hätte getroffen werden müs-
sen. Mit dieser Vorverlagerung der „Fortsetzungsfeststellungsentscheidung“ in
das vorgerichtliche Stadium wird das Wehrbeschwerdeverfahren abgekürzt und
werden die Wehrdienstgerichte entlastet. Denn trifft bereits die für die Be-
schwerdeentscheidung zuständige Stelle die Feststellung nach § 13 Abs. 1
Satz 3 oder 4 WBO, so wird für einen Fortsetzungsfeststellungsantrag zum
Wehrdienstgericht in aller Regel das Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Dies spricht
im Übrigen dafür, § 13 Abs. 1 Satz 4 WBO - entgegen der Auffassung des Bun-
desministers der Verteidigung und der von ihm zitierten Kommentarliteratur
(Dau, WBO, 6. Aufl. 2013, § 13 Rn. 28) - auch in Fällen der Untätigkeitsbe-
schwerde nach § 1 Abs. 2 WBO für anwendbar zu halten (Feststellung nach
§ 13 Abs. 1 Satz 4 WBO als Sachentscheidung im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 6
WBO). Denn auch in diesem Fall ist es sinnvoll, eine im vorgerichtlichen Be-
schwerdeverfahren erkannte und von Seiten des Dienstherrn anerkannte
Rechtswidrigkeit förmlich festzustellen, wenn der Beschwerdeführer an dieser
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Feststellung ein berechtigtes Interesse hat, und auf diese Weise ein gerichtli-
ches Antragsverfahren zu vermeiden.
Fehlt es hingegen - wie im vorliegenden Fall - an einer Feststellung nach § 13
Abs. 1 Satz 3 und 4 WBO, so verbleibt es bei der für das gerichtliche Verfahren
geltenden Regelung des § 19 Abs. 1 Satz 2 und 3 WBO. Die Überprüfung des
Befehls, der Maßnahme oder der Unterlassung erfolgt in diesem Falle durch
das Wehrdienstgericht, das die Rechtswidrigkeit gegebenenfalls selbst durch
Beschluss feststellt (und nicht den Bundesminister der Verteidigung zu einer
Entscheidung nach § 13 Abs. 1 Satz 3 oder 4 WBO verpflichtet). Das bedeutet
zugleich, dass ein - wie hier - unzulässiger Fortsetzungsfeststellungsantrag
(oben 1. und 2.) nicht in einen Antrag umgestellt werden kann, den Bundesmi-
nister der Verteidigung zu einem „Ausspruch gemäß § 13 Abs. 1 Satz 4 WBO“
zu verpflichten.
5. Dem Antragsteller sind keine Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil die
Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO nicht vorlie-
gen.
Dr. von Heimburg
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