Urteil des BVerwG vom 07.07.2009

Erlass, Neue Tatsache, Anteil, Fernschreiben

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 51.08
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberstleutnant ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den ehrenamtlichen Richter Oberst Reinelt und
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Niemack
am 7. Juli 2009 beschlossen:
Die im Fernschreiben des Personalamts der Bundeswehr
vom 26. April 2007 angeordnete Aufhebung der fern-
schriftlichen Versetzungsverfügung des Personalamts der
Bundeswehr vom 18. April 2007 und der Beschwerdebe-
scheid des Bundesministers der Verteidigung vom 6. März
2008 werden aufgehoben.
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Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesver-
waltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Ver-
fahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden
dem Bund auferlegt.
G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung des Personalamts der Bun-
deswehr vom 26. April 2007, mit der seine am 18. April 2007 verfügte Verset-
zung zum Deutschen Anteil ... Headquarter (HQ) in H. aufgehoben worden ist.
Der 1964 geborene Antragsteller ist Berufssoldat, dessen Dienstzeit voraus-
sichtlich mit Ablauf des 31. Mai 2023 enden wird. Er wurde am 29. Oktober
2004 zum Oberstleutnant ernannt und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe
A 14 eingewiesen. Er ist Angehöriger der Feldjägertruppe und wird seit dem
1. Oktober 2006 als Personalstabsoffizier bei der ...dienststelle der Bundeswehr
in K. verwendet.
Am 19. März 2007 wurde mit dem Antragsteller ein Personalgespräch im Auf-
trag des Personalamts der Bundeswehr geführt. Die ...dienststelle eröffnete
ihm, dass das Personalamt ihm die förderliche Verwendung als Personalstabs-
offizier SK (Besoldungsgruppe A 15) auf dem Dienstposten Nr. ... beim Deut-
schen Anteil ... HQ in H. anbiete. Als eine der zu beachtenden Rahmenbedin-
gungen wurde die „Auslandsdienstverwendungsfähigkeit ISAF“ genannt. Der
Antragsteller erklärte ausweislich der Niederschrift über das Personalgespräch
sein Einverständnis mit der geplanten Personalmaßnahme, wies aber darauf
hin, dass seine
Auslandsdienstverwendungsfähigkeit für das ISAF-
Mandatsgebiet zur Zeit nicht gegeben sei; nach einem nicht mehr akuten Lun-
geninfekt dürfe er sich nicht einer erhöhten Luftverschmutzung oder Staubbe-
lastung in Wüstenregionen aussetzen. Einsätze in Nicht-Wüstenregionen
(KFOR, EUFOR) unterlägen hingegen keinen Einschränkungen. Nach Mittei-
lung des Bundesministers der Verteidigung erklärte der Personalstabsoffizier
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der ...dienststelle im Nachgang zu diesem Personalgespräch, dass die gesund-
heitlichen Einschränkungen des Antragstellers voraussichtlich 12 Monate dau-
ern würden.
Mit E-Mail vom 22. März 2007 teilte die ...dienststelle - S 1-Stabsoffizier - dem
Personalamt mit, der Dienstälteste Deutsche Offizier beim Deutschen Anteil,
Oberst H., habe am Vortag bestätigt, dass der Inhaber des für den Antragsteller
vorgesehenen Dienstpostens zurzeit nicht für den ISAF-Einsatz gefordert sei;
die aktuelle Auslandsdienstverwendungsfähigkeit habe Oberst H. nicht als vor-
rangig eingestuft; viel wichtiger sei aus seiner Sicht, dass der Dienstposten
zeitnah besetzt werde. Nach dem „Protokoll zur A 15-Auswahl-konfernz
Nr. 04/07“ vom 10. April 2007 über die Bedarfsberatung zur Besetzung des
A 15-dotierten Dienstpostens Personalstabsoffizier Streitkräfte „J 1 Manpower“
beim Deutschen Anteil ... HQ H. wurde der Antragsteller nach einer ganzheitli-
chen Betrachtung aller in Betracht kommenden Offiziere der Geburtsjahrgänge
1961 bis 1964 von der Auswahlkonferenz für diesen Dienstposten ausgewählt.
Mit Fernschreiben des Personalamts vom 18. April 2007 wurde der Antragstel-
ler zum 1. Mai 2007 mit Dienstantritt am 2. Mai 2007 auf den vorgenannten
Dienstposten (Teileinheit/Zeile 020/001) versetzt.
Mit Lotus-Notes-Mail vom 17. April 2007 übermittelte das Bundesministerium
der Verteidigung - Fü S ... - dem Personalamt den Wunsch des Supreme Allied
Commander Europe (SACEUR), die Soldaten, die im Sommer 2007 zu ... HQ
H. versetzt würden, darüber zu informieren, dass ein Einsatz im Hauptquartier
ISAF möglich sei.
Am 20. April 2007 ging dem Personalamt eine den Antragsteller betreffende
ärztliche Mitteilung für die Personalakte (Formblatt Belegart 90/5) vom 29. März
2007 zu. Auf den Auftrag der ...dienststelle zur Begutachtung auf „Auslands-
dienstverwendungsfähigkeit ISAF (Kabul) Einsatzzeitraum Aug. 2007 bis Jan.
2008“ hatte darin der Truppenarzt die Begutachtung mit dem Ergebnis „nicht
auslandsdienstverwendungsfähig für mindestens 24 Monate“ abgeschlossen.
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Unter Hinweis auf dieses Ergebnis teilte das Personalamt dem Antragsteller mit
dem angefochtenen Fernschreiben vom 26. April 2007 mit, dass die verfügte
Versetzung auf den Dienstposten Personalstabsoffizier SK beim Dienstältesten
Deutschen Offizier/Deutscher Anteil ... HQ H., Teileinheit/Zeile 020/001, nicht
wirksam sei und aufgehoben werde. Dieses Fernschreiben wurde dem An-
tragsteller am 26. April 2007 fernmündlich und am 2. Mai 2007 durch Aushän-
digung eröffnet.
Dagegen legte er mit Schreiben vom 7. Mai 2007 Beschwerde ein, die er mit
Schriftsatz vom 29. Mai 2007 weiter begründete. Die Beschwerde wies der
Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit Bescheid vom 6. März 2008
zurück. Darin führte er u.a. aus, dass die Bedarfsträgerforderungen des Inspek-
teurs des Heeres im Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung
- Fü H I 1 - vom 30. Januar 2004 für Verwendungen in der Besoldungsgruppe A
15 u.a. die eindeutige Fähigkeit vorsähen, als Führer oder in seiner Funktion im
Einsatz im Erweiterten Aufgabenspektrum zu bestehen. Diese Anforderung gel-
te nach dem Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 1 - vom
8. März 2002 ebenso für Heeresuniformträger, die in der Streitkräftebasis ver-
wendet würden. Die angeforderte Eignung erstrecke sich nicht nur auf die cha-
rakterliche und fachliche, sondern auch auf die gesundheitliche Eignung, ins-
besondere auf die Auslandsdienstverwendungsfähigkeit. Nach der Mitteilung
des SACEUR zur Vorbereitung auf die Verlegung von Komponenten des
Hauptquartiers und nach der ärztlichen Feststellung der fehlenden Auslands-
dienstverwendungsfähigkeit für nunmehr mindestens 24 Monate habe es sach-
liche Gründe gegeben, von einer Versetzung des Antragstellers auf den
Dienstposten in H. abzusehen. Die Versetzung sei zumindest nicht mehr sinn-
voll gewesen, weil dadurch der für die besondere Auslandsverwendung aus
dem Kommando zusammenzustellende Personenkreis potenziell eingeschränkt
worden sei, auch wenn unter Umständen der vom Antragsteller wahrzuneh-
mende Dienstposten „J 1 Manpower“ nicht zwingend von der besonderen Aus-
landsverwendung betroffen gewesen wäre.
Gegen diese ihm am 12. März 2008 eröffnete Entscheidung richtet sich der An-
trag des Antragstellers vom 25. März 2008 auf Entscheidung des Bundesver-
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waltungsgerichts. Diesen Antrag hat der Bundesminister der Verteidigung
- PSZ I 7 - mit seiner Stellungnahme vom 4. Juli 2008 dem Senat vorgelegt.
Zur weiteren Begründung seines Rechtsschutzbegehrens trägt der Antragsteller
insbesondere vor:
Die Aufhebungsverfügung sei rechtswidrig. Zur Zeit der Versetzungsverfügung
vom 18. April 2007 sei dem Personalamt seine eingeschränkte Auslandsdienst-
verwendungsfähigkeit bekannt gewesen. Dem Hauptquartier H. sei offensicht-
lich eine zeitnahe Besetzung des streitigen Dienstpostens wichtiger gewesen.
Daher habe das Personalamt die Frage seiner eingeschränkten Auslands-
dienstverwendungsfähigkeit als zu vernachlässigend betrachtet und eine Er-
messensentscheidung zu seinen Gunsten getroffen. Weder die Äußerung des
SACEUR vom 13. April 2007 noch das ärztliche Begutachtungsergebnis vom
29. März 2007 hätten einen zureichenden Grund für die Aufhebung der Verset-
zungsverfügung vom 18. April 2007 dargestellt. Der SACEUR habe keine aktu-
ellen Kommandierungen in das ISAF-Mandatsgebiet verlangt. Die ärztliche Be-
gutachtung auf Belegart 90/5 habe nur 12 Monate Gültigkeit. Damit habe die
Stellungnahme des Truppenarztes spätestens mit Ablauf des 29. März 2008
ihre Gültigkeit verloren. Überdies habe sich der Begutachtungsauftrag nur auf
die Auslandsdienstverwendungsfähigkeit ISAF für einen begrenzten Zeitraum
bis Januar 2008 bezogen. Von Seiten des Dienstältesten Deutschen Offiziers
im Deutschen Anteil sei sein Einsatz in Afghanistan nicht verlangt worden. Im
Übrigen stelle die uneingeschränkte Auslandsdienstverwendungsfähigkeit keine
unverzichtbare Bedarfsträgerforderung dar. Der insoweit maßgebliche Erlass
vom 30. Januar 2004 erstrecke sich nicht auf die gesundheitliche Eignung für
einen Auslandseinsatz. Überdies folge aus Nr. 1.3 des Erlasses über die „Be-
gutachtung auf Auslandsdienstverwendungsfähigkeit“ des Bundesministeriums
der Verteidigung vom 6. Januar 1998 (VMBl 1998 S. 111), dass für Soldaten,
die aus dienstlichen Gründen in integrierten Stäben verwendet würden, keine
Untersuchung auf Auslandsdienstverwendungsfähigkeit erforderlich sei. Die
Aufhebung der Versetzungsverfügung vom 18. April 2007 habe nicht nur dem
Hauptquartier in H., sondern auch ihm persönlich geschadet. Überdies befürch-
te er eine Wiederholungsgefahr.
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Der Antragsteller beantragt,
die mit Fernschreiben des Personalamts der Bundeswehr
vom 26. April 2007 verfügte Aufhebung der Versetzungs-
verfügung vom 18. April 2007 und den Bescheid des Bun-
desministers der Verteidigung vom 6. März 2008 aufzuhe-
ben,
hilfsweise
festzustellen, dass die mit Fernschreiben des Personal-
amts der Bundeswehr vom 26. April 2007 verfügte Aufhe-
bung der Versetzungsverfügung vom 18. April 2007
rechtswidrig ist.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hält die Mitteilung des SACEUR vom 13. April 2007 über einen bevorste-
henden Einsatz von Teilen des Hauptquartiers H. im ISAF-Mandats-gebiet und
das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung des Antragstellers vom 29. März
2007 für wesentliche neue Tatsachen, die das Personalamt berechtigt hätten,
von der ursprünglich verfügten Versetzung auf den Dienstposten in H. abzuse-
hen. Dabei sei für die Entscheidung des Personalamts die Einschränkung der
Auslandsdienstverwendungsfähigkeit für den Bereich ISAF maßgeblich gewe-
sen, eine mögliche Verwendung in einem anderen Einsatzgebiet dagegen
zweitrangig. Die ärztlich festgestellte Auslandsdienstverwendungsunfähigkeit für
mindestens 24 Monate, also für die gesamte vorgesehene Stehzeit auf dem
Dienstposten in H., habe die ursprünglichen Erwägungen des Personalamts
zurücktreten lassen, diesen Dienstposten im multinationalen Umfeld schnellst-
möglich adäquat zu besetzen; seinerzeit sei die Qualifikation des Antragstellers
in der englischen Sprache mit ausschlaggebend gewesen. Die ursprüngliche
Einschränkung der Auslandsdienstverwendungsfähigkeit des Antragstellers sei
damals noch hinnehmbar gewesen; eine Einschränkung, die die gesamte Ver-
wendungsdauer auf dem höherwertigen Dienstposten erfasst hätte und deren
Aufhebung nicht hätte abgesehen werden können, wäre im multinationalen
Umfeld möglicherweise auf Unverständnis gestoßen.
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Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers sei im Übrigen noch nicht durch
die Zuversetzung eines anderen Offiziers zum 1. Oktober 2007 auf den Dienst-
posten in H. erledigt gewesen. Bei einem Obsiegen des Antragstellers werde
die Versetzungsverfügung vom 18. April 2007 wieder beachtlich; im Wege eines
Vollzugsanspruchs aus dieser Versetzungsmaßnahme sei dann der andere
Offizier abzulösen. Erledigung sei aber durch den Ablauf der ursprünglich fest-
gelegten voraussichtlichen Verwendungsdauer am 30. April 2009 eingetreten.
Mit Schriftsatz vom 6. Juli 2009 trägt der Bundesminister der Verteidigung er-
gänzend vor, im Fall der erfolgreichen Anfechtung der Aufhebungsverfügung
sei kein Folgenbeseitigungsanspruch des Antragstellers ersichtlich, den recht-
mäßig und bestandskräftig nach H. versetzten Offizier wieder wegzuversetzen;
insofern habe der Antragsteller eine rechtzeitige Anfechtung dieser Zuverset-
zung versäumt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Ak-
ten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidi-
gung - PSZ I 7 - 268/08 - und die Personalgrundakte des Antragstellers, Haupt-
teile A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.
Der Hauptantrag des Antragstellers, die Aufhebungsanordnung des Personal-
amts der Bundeswehr vom 26. April 2007 aufzuheben, hat sich nicht durch
Zeitablauf rechtlich erledigt. Er ist nach wie vor zulässig.
Der Umstand, dass die in der aufgehobenen fernschriftlichen Versetzungsver-
fügung vom 18. April 2007 genannte voraussichtliche Verwendungsdauer auf
dem streitbefangenen Dienstposten im Hauptquartier H. bis „zunächst“ zum
30. April 2009 abgelaufen ist, entzieht dieser Verfügung nicht die weitergehen-
de Regelungswirkung über diesen Zeitpunkt hinaus. Die Angabe der voraus-
sichtlichen Verwendungsdauer in einer Versetzungsverfügung stellt grundsätz-
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lich nur eine Planungsabsicht der personalbearbeitenden Stelle dar, die nicht
der verbindlichen Befristung der getroffenen Versetzungsanordnung dient.
Speziell bei Versetzungen ins Ausland und in integrierte Stäbe im Inland ist
zwar eine Befristung der Verwendungsdauer vorzunehmen, die im Rahmen der
normalen Verwendungszeit („Tour of Duty“) drei Jahre beträgt; kürzere Ver-
wendungszeiten sollen in der Regel nicht festgesetzt werden (Nr. 18 der „Richt-
linien zur Versetzung, zum Dienstpostenwechsel und zur Kommandierung von
Soldaten“ vom 3. März 1988 (VMBl S. 76) in der zuletzt am 11. August 1998
geänderten Fassung (VMBl S. 242)
und Nr. 1.1 bis 1.3 des Erlasses über die „Verwendung von Soldaten im Aus-
land und bei integrierten Stäben im Inland“ vom 26. Mai 1997 - BMVg P II 1 - Az
16-26-04/19 - (VMBl S. 296). Die Befristung der Verwendungsdauer ändert bei
einer Versetzungsanordnung ins Ausland oder in einen integrierten Stab im
Inland nichts daran, dass diese Anordnung solange die Rechtsgrundlage für
den Verbleib des Soldaten auf dem verfügten Dienstposten bietet, bis sie durch
eine neue Versetzungsverfügung abgelöst wird. Das wird zusätzlich belegt
durch die Bestimmung in Nr. 5 Buchst. f der Versetzungsrichtlinien, wonach das
Ende einer befristeten integrierten Verwendung im Inland oder einer befristeten
Auslandsverwendung das dienstliche Bedürfnis für eine neue Versetzungsent-
scheidung begründet. Die aufgehobene Versetzungsverfügung vom 18. April
2007 enthielt im Übrigen keine endgültige Befristung der Verwendungsdauer bis
zum 30. April 2009, sondern ausdrücklich die schon „vorgesehene“ Option einer
Verlängerung auf Jahre.
Damit könnte der Antragsteller für den Fall einer erfolgreichen Anfechtung der
Aufhebungsverfügung den Dienstposten in H. noch wahrnehmen.
Auch aus der zwischenzeitlichen Besetzung dieses Dienstpostens durch einen
anderen Offizier resultiert keine rechtliche Erledigung des Hauptantrages, denn
dieser Offizier müsste es bei einem Erfolg des vorliegenden Anfechtungsantra-
ges hinnehmen, von dem Dienstposten wegversetzt zu werden. Bei Konkurren-
tenanträgen, bei denen der jeweilige Antragsteller den angestrebten Dienstpos-
ten noch gar nicht innehat, entspricht dies der ständigen Rechtsprechung des
Senats (Beschluss vom 27. September 2006 - BVerwG 1 WDS-VR 6.06 -
m.w.N.). Für die Situation des Antragstellers, dessen verfügte Versetzung nach
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H. wieder wirksam würde, wenn sein Anfechtungsantrag Erfolg hat, kann nichts
anderes gelten.
Der danach zulässige Antrag ist auch begründet.
Die Aufhebungsverfügung des Personalamts der Bundeswehr vom 26. April
2007 in der Gestalt des Beschwerdebescheids des Bundesministers der Ver-
teidigung vom 6. März 2008 ist rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in
seinen Rechten.
Zwar hat ein Soldat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche
oder fachliche Verwendung oder auf Verwendung auf einem bestimmten
Dienstposten. Über seine Versetzung entscheidet der zuständige militärische
Vorgesetzte, sofern hierfür ein dienstliches Bedürfnis besteht, nach seinem
pflichtgemäßen Ermessen. Für diese Ermessensentscheidung sind insbeson-
dere die zitierten Versetzungsrichtlinien maßgeblich. Die einer ver-
fügten und dem Soldaten eröffneten Versetzungsanordnung stellt ebenfalls eine
Ermessensentscheidung dar. Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, dass
eine derartige Aufhebungsentscheidung insbesondere dann, wenn sie eine
förderliche Verwendung rückgängig macht, durch das Regelungsmodell des
§ 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG geprägt ist, weil diese Bestimmung einen allge-
meingültigen Rechtsgedanken enthält, der auch in truppendienstlichen Verfah-
ren zu gelten hat (Beschlüsse vom 8. November 1990 - BVerwG 1 WB 165.90 -
DokBer B 1991, 19, vom 13. November 1990 - BVerwG 1 WB 166.90 -
NZWehrr 1991, 212, vom 2. Oktober 1991 - BVerwG 1 WB 68.91 - und vom 22.
Juli 1992 - BVerwG 1 WB 120.91 - m.w.N.).
An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Daraus folgt keine unzulässige
systematische Einschränkung des in Nr. 1 der Versetzungsrichtlinien formulier-
ten Prinzips der jederzeitigen Versetzbarkeit von Soldaten.
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In Fällen, in denen - wie hier - die ursprünglich angeordnete Versetzung noch
nicht durch den Dienstantritt auf dem verfügten Dienstposten vollzogen ist, stellt
ihre Aufhebung rechtlich keine „Rückversetzung“ dar; die Versetzungsrichtlinien
sind bei dieser Konstellation (noch) nicht anwendbar. Wenn hingegen eine
schon vollzogene Versetzungsverfügung revidiert werden soll, ist die Einbezie-
hung des § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG in die Ermessensentscheidung über die
Aufhebung bzw. über die „Rückversetzung“ nicht geeignet, das Prinzip der je-
derzeitigen Versetzbarkeit inhaltlich in Frage zu stellen oder zu unterlaufen.
Denn für Ermessensentscheidung über die dienstpostenbezogene Ver-
wendungsänderung, also auch für eine „Rückversetzung“ bestimmt Nr. 3 der
Versetzungsrichtlinien, dass die personalbearbeitende Stelle neben den dienst-
lichen Gründen die persönlichen (und familiären) Belange des Soldaten
angemessen zu berücksichtigen hat. Damit fordern die Versetzungsrichtlinien
ausdrücklich eine Abwägung, in die auch Aspekte des Vertrauensschutzes in
der Person des betroffenen Soldaten einbezogen werden können, wie sie der
Regelung des § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG zugrunde liegen. Das Prinzip der jeder-
zeitigen Versetzbarkeit gilt für Soldaten auch im Übrigen nicht unbeschränkt
und „bedingungslos“, sondern ist in Nr. 5 der Versetzungsrichtlinien mit den dort
nicht abschließend (vgl. dazu im Einzelnen Beschluss vom 15. August 2008 -
BVerwG 1 WDS-VR 12.08 - NZWehrr 2009, 32) aufgeführten Fallbeispielen des
dienstlichen Bedürfnisses für eine Versetzung konkreten materiellen
Bedingungen unterworfen, die sämtlich das Vorliegen einer „neuen Sachlage“
implizieren.
§ 23 a WBO n.F. schließt die Anwendung einzelner Vorschriften des Verwal-
tungsverfahrensgesetzes im Wehrbeschwerdeverfahren nicht aus. Für Verfah-
rensbestimmungen gilt ein Ausschluss nur, wenn spezielle Verfahrensnormen
der Wehrdisziplinarordnung, der Verwaltungsgerichtsordnung oder des Ge-
richtsverfassungsgesetzes oder aber die Eigengesetzlichkeit des Wehrdienst-
verhältnisses der Anwendung entgegenstehen (vgl. auch Dau, WBO, 5. Aufl.
2009, § 23 Rn. 7). Derartige Ausschlussgründe sind für die Anwendung der
materiellrechtlichen Regelung des § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG im Rahmen von
Verwendungsentscheidungen einer personalbearbeitenden Stelle der Bundes-
wehr nicht ersichtlich.
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Das aufgehobene Versetzungsfernschreiben des Personalamts vom 18. April
2007 stellte im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 VwVfG eine begünstigende trup-
pendienstliche Maßnahme für den Antragsteller dar. Denn mit dieser Verfügung
wurde seine Versetzung auf einen für ihn förderlichen, nach Besoldungsgruppe
A 15 bewerteten Dienstposten angeordnet.
Das Fernschreiben vom 18. April 2007 war auch rechtmäßig. Der Antragsteller
erfüllte, wie sich nicht zuletzt aus dem „Protokoll zur A 15-Auswahlkonferenz
Nr. 04/07“ vom 10. April 2007 ergibt, alle fachlichen und geistig-charakterlichen
Anforderungen für den streitbefangenen vakanten Dienstposten des Personal-
stabsoffiziers SK im Hauptquartier H..
Für diesen Dienstposten war im Rahmen der erforderlichen körperlichen Eig-
nung auch die Auslandsdienstverwendungsfähigkeit erforderlich. Das
ergibt sich einerseits aus der gültigen Job Discription für den Dienstposten, die
in Part II. D. „Additional Duties“ die Verwendungsfähigkeit innerhalb und außer-
halb der Grenzen der NATO verlangt. Darüber hinaus fordert das Bundesminis-
terium der Verteidigung im „Katalog der Bedarfsträgerforderungen für Personel-
le Auswahlkonferenzen im Heer“ vom 30. Januar 2004 (BMVg Fü H I 1 - Az.:
16-30-00) in Anlage 1 unter I.2.1 („Allgemeines Persönlichkeitsbild“) für die
Auswahl für A 15-Verwendungen im Rahmen der Perspektivkonferenz I u.a.,
dass der Offizier „eindeutig über die Fähigkeit verfügen“ muss, „als Füh-
rer/Führerin oder in seiner/ihrer Funktion im Einsatz im Erweiterten Aufgaben-
spektrum“, also insbesondere in Auslandseinsätzen „zu bestehen“. Diese An-
forderung schließt die körperliche Eignung des Offiziers, insbesondere auch
seine Auslandsdienstverwendungsfähigkeit ein (dazu im Einzelnen: Beschluss
vom 28. Mai 2008 - BVerwG 1 WB 19.07 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 44). Die
vorgenannten körperlichen und sportlichen Anforderungen sind nach dem Er-
lass vom 8. März 2002 (BMVg PSZ I 4 - Az.: 16-30-00) für die Heeresoffiziere,
die für Verwendungen in der Streitkräftebasis ausgewählt werden, bis auf Wei-
teres in vollem Umfang zu berücksichtigen. Der Erlass vom 8. März 2002 ist
nach der unwidersprochen gebliebenen Darlegung des Bundesministers der
Verteidigung - PSZ I 7 - im Schriftsatz vom 3. September 2008 aus Anlass des
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Erlasses vom 30. Januar 2004 nicht aufgehoben worden; vielmehr handelt es
sich bei dem Erlass vom 8. März 2002 um eine dynamische Verweisung auf die
jeweils aktuell geltenden Bedarfsträgerforderungen des Heeres, die auf die
Heeresuniformträger im Bereich der Streitkräftebasis Anwendung finden sollen.
Die Festlegung derartiger Kriterien, Anforderungen und Auswahlvoraussetzun-
gen ist grundsätzlich eine Frage militärischer Zweckmäßigkeit, die keiner inhalt-
lichen Nachprüfung durch die Wehrdienstgerichte unterliegt (Beschluss vom
28. Mai 2008 a.a.O. m.w.N.).
Die Auslandsdienstverwendungsfähigkeit eines Offiziers kann allerdings
ein verzichtbares Eignungskriterium darstellen. Hierzu hat der Bun-
desminister der Verteidigung in dem zitierten Verfahren BVerwG 1 WB 19.07
erklärt, dass bei Spezialverwendungen, für die besondere Befähigungen vor-
ausgesetzt werden, im Ausnahmefall auch auf die Auslandsdienstverwen-
dungsfähigkeit verzichtet werde, wenn sonst kein geeigneter Kandidat zur Ver-
fügung steht.
Eine derartige Ausnahmesituation lag hier bei Erlass der Versetzungsverfügung
vom 18. April 2007 vor. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat
dazu detailliert vorgetragen, dass das Personalamt in Kenntnis der für jedenfalls
12 Monate eingeschränkten Auslandsdienstverwendungsfähigkeit des An-
tragstellers unter besonderer Berücksichtigung seiner hervorragenden Sprach-
kenntnisse und seiner sonstigen besonderen fachlichen und charakterlichen
Qualifikationen eine positive Verwendungsentscheidung für den Dienstposten
im HQ H. getroffen und die Frage der uneingeschränkten Auslandsdienstver-
wendungsfähigkeit als nachrangig qualifiziert habe. Dazu ist im Beschwerdebe-
scheid vom 6. März 2008 (auf Seite 8) ausdrücklich ausgeführt, dass die Er-
messensentscheidung des Personalamts ausschließlich durch die Frage der
Auslandsdienstverwendungsfähigkeit für das Mandatsgebiet ISAF determiniert
war.
Diese Ermessensentscheidung des Personalamts in der Versetzungsverfügung
vom 18. April 2007 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Denn die Frage der Ge-
währleistung der Auslandsdienstverwendungsfähigkeit bei der Wahrnehmung
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bestimmter (herausgehobener) Dienstposten insbesondere in integrierten Stä-
ben ist nach gerichtlich nicht überprüfbaren militärischen Zweckmäßigkeitser-
wägungen zu beantworten; dabei ist es nicht ausgeschlossen, im Einzelfall - wie
hier beim Antragsteller - auch andere Prioritäten zu setzen.
Die Ermessensentscheidung des Personalamts vom 26. April 2007, die zuvor
ohne Rechtsfehler zugunsten des Antragstellers getroffene Versetzungsent-
scheidung aufzuheben, entspricht nicht den tatbestandlichen Voraussetzungen
des § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender
Verwaltungsakt, unabhängig von der Frage seiner Unanfechtbarkeit, mit Wir-
kung für die Zukunft (nur) widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund
nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht
zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet
würde. Zur Auslegung des Begriffs der „nachträglich eingetretenen Tatsachen“
in Beziehung auf truppendienstliche Maßnahmen kann der Senat auf die
verwaltungsverfahrensrechtliche Rechtsprechung zu § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG
zurückgreifen.
Danach sind Tatsachen dann „nachträglich eingetreten“, wenn sich der Sach-
verhalt, der dem Verwaltungsakt zugrunde liegt, nachträglich so ändert, dass
die Behörde berechtigt wäre, den ursprünglichen Verwaltungsakt nicht zu erlas-
sen. Die entscheidungserheblichen Elemente des Sachverhalts, deren Ände-
rung zu einem Widerruf berechtigt, können sowohl in einem Verhalten von Be-
teiligten oder Betroffenen liegen als auch in äußeren Umständen (Urteil vom 11.
Dezember 1990 - BVerwG 6 C 33.88 - Buchholz 264 LUmzugskostenR Nr. 3
m.w.N.). Notwendig ist stets eine Veränderung der Sachlage; die schlichte
andere Beurteilung der gleich gebliebenen Tatsachen reicht insoweit nicht aus
(Urteile vom 22. August 1979 - BVerwG 8 C 17.79 - BVerwGE 58, 259 und vom
11. Dezember 1990 a.a.O. m.w.N.).
Im vorliegenden Fall hat sich die Sachlage, die der Versetzungsverfügung vom
18. April 2007 zugrunde lag, im Zeitpunkt der angefochtenen Aufhebungsverfü-
gung nicht entscheidungsmaßgeblich geändert.
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Eine derartige Änderung der Sachlage ergibt sich zunächst nicht aus der Mittei-
lung des SACEUR vom 13. April 2007 an das ... HQ H. Diese Mitteilung bezieht
sich nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur auf die Soldaten, die 2007
zum ... HQ H. versetzt werden („personnel rotating this summer“). Dazu hat das
Bundesministerium der Verteidigung - FÜ S V 3 - dem Personalamt der
Bundeswehr und der ...dienststelle mit E-Mail vom 17. April 2007 mitgeteilt,
dass für den angekündigten Einsatz im Mandatsgebiet ISAF ab Mitte Juli 2007
die „eingeplanten“ Angehörigen des Hauptquartiers nach Kabul verlegt würden.
Es ist bereits zweifelhaft, ob die Versetzung des Antragstellers zum 1. Mai 2007
auf den „Sommer 2007“ bezogen werden kann. Jedenfalls gehörte der An-
tragsteller nicht zu den „eingeplanten“ Angehörigen des Hauptquartiers.
Dazu hat Colonel C., G 1 HQ H., am 5. März 2008 erklärt:
„Ich bestätige dem Oberstleutnant K., Deutsche Bundes-
wehr, folgende Absprachen zu seiner vorgesehenen Ver-
setzung in meine Abteilung in 2007:
1. Er hat mitgeteilt, dass er aufgrund medizinischer
Probleme einige Zeit nicht in Afghanistan einge-
setzt werden könnte. Das war aber für meine Pla-
nung mit ihm und für seine Verwendung in meiner
Abteilung gleichgültig.
2. Die Besetzung aller Funktionen im HQ ISAF für
2007/2008 waren schon abgeschlossen, als
Oberstleutnant K. hierher versetzt werden sollte.
Es war nicht vorgesehen, ihn während seiner ge-
samten Zeit bei ... H. überhaupt nach Afghanistan
zu schicken. Er wäre hier eingesetzt worden, mit
einigen Dienstreisen im europäischen Ausland.
3. Der deutsche Repräsentant im ..., Herr Oberst H.,
war darüber informiert worden und stimmte dem
auch als nationaler Vertreter im HQ zu. Es gab
keine Bedenken von hier, Oberstleutnant K. als
Branch Head Manpower bei G 1 ... H. einzuset-
zen.“
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Ergänzend hat der Dienstälteste Deutsche Offizier beim Deutschen Anteil CC
Land HQ H., Oberst H., am 7. Mai 2008 gegenüber dem Bundesministerium der
Verteidigung ausgeführt:
„1. Die konkreten Planungen für den ISAF X/2 (Juli 2007
bis Januar/Februar 2008) Einsatz des HQ-Personals
aus H. waren im März/April 2007 weitestgehend ab-
geschlossen.
2.
... HQ H. stellt jedoch permanent einzelne Soldaten
für den weiteren ISAF-Einsatz auch in Zukunft ab.
Hiervon kann jeder Dienstposteninhaber betroffen
sein.
3.
Zum damaligen Zeitpunkt begann die Überprüfung
der NATO-Kommandostruktur. Das Personalamt war
dennoch nicht in der Lage, den vakanten Dienstpos-
ten des Personalstabsoffiziers nach der Abverset-
zung von Oberstlt S. verzugslos nachzubesetzen.
4.
Daher habe ich in Absprache mit G 1 ... HQ H. zum
damaligen Zeitpunkt, der Not gehorchend, einer Zu-
versetzung von Oberstlt K. zugestimmt, obwohl ich
um seine gesundheitlichen Einschränkungen wusste.
Grundsätzlich gilt jedoch, dass alle Soldaten, die zu
... HQ H. versetzt werden, auslandsverwendungsfä-
hig sein müssen. Hinzu kommt, dass von dem
Dienstposteninhaber eine Verlegefähigkeit („notice to
move“) von 30 Tagen zwingend gefordert wird, die
nur durch eine permanente Auslandsverwendungs-
fähigkeit und Grundimmunisierung sichergestellt
werden kann“.
Die Äußerungen dieser beiden Offiziere belegen, dass in dem besonderen Ein-
zelfall des Antragstellers bewusst und zur zügigen Sicherstellung der Nachbe-
setzung des Dienstpostens Personalstabsoffizier SK bei ihm auf die Auslands-
dienstverwendungsfähigkeit verzichtet worden ist. Außerdem hat Colonel C.
betont, dass für die gesamte Verwendungszeit des Antragstellers im Haupt-
quartier H. seine Verlegung nach Afghanistan nicht vorgesehen gewesen sei.
Hinsichtlich spezifischer militärischer Erfordernisse ergab sich damit zwischen
dem 18. und dem 26. April 2007 keine entscheidungsmaßgebliche Änderung
der Sachlage.
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Eine nachträglich eingetretene neue Tatsache stellt auch nicht das Ergebnis der
truppenärztlichen Begutachtung vom 29. März 2007 dar.
Der am 21. März 2007 von der ...dienststelle erteilte Begutachtungsauftrag be-
schränkte sich speziell auf die Auslandsdienstverwendungsfähigkeit ISAF und
in zeitlicher Hinsicht auf einen Zeitraum bis Januar 2008. Die Anforderung die-
ser truppenärztlichen Begutachtung war - entgegen der Auffassung des An-
tragstellers - nicht durch Nr. 1.3 des Erlasses des Bundesministeriums der Ver-
teidigung über die „Begutachtung auf Auslandsdienstverwendungsfähigkeit“
vom 6. Januar 1998 (BMVg InSan I 5 - Az.: 42-13-03; VMBl 1998 S. 111) aus-
geschlossen. Nach dieser Vorschrift ist zwar für Soldaten, die aus dienstlichen
Gründen in integrierten Stäben verwendet werden, keine Untersuchung auf
Auslandsdienstverwendungsfähigkeit . Die Regelung schließt es
aber nicht aus, in Einzelfällen für bestimmte Dienstposten eine derartige Unter-
suchung anzuordnen. Zur Vorbereitung der Auswahlkonferenz über die Beset-
zung des hier streitigen Dienstpostens, der die Auslandsdienst-
verwendungsfähigkeit (für das ISAF-Mandatsgebiet) voraussetzte, war die im
Falle des Antragstellers ausgesprochene Untersuchungsanordnung nach Nr.
1.2 des Erlasses vom 6. Januar 1998 gerechtfertigt. Danach ist ein Begutach-
tungsauftrag auf den jeweiligen Einsatzort zu konzentrieren. Eine derartige
spezifizierte Begutachtungsanfrage enthielt der Auftrag vom 21. März 2007 mit
der Einschränkung „Auslandsdienstverwendungsfähigkeit ISAF (Kabul)“ für den
„Einsatzzeitraum Aug. 2007 bis Jan. 2008“. Obwohl der Truppenarzt in seinem
Ergebnis ohne weitere Zusätze pauschal die fehlende Auslandsdienstverwen-
dungsfähigkeit des Antragstellers bescheinigt hat, konnte diese gutachterliche
Stellungnahme angesichts des dezidierten Begutachtungsauftrages nur auf den
Einsatzbereich ISAF in Kabul bezogen werden. So hat auch das Personalamt
das Begutachtungsergebnis verstanden. Denn in der E-Mail vom 20. April 2007
hat das Personalamt dem Dienstältesten Deutschen Offizier unter Bezugnahme
auf die Begutachtung vom 29. März 2007 mitgeteilt, dass der Antragsteller (für
mindestens 24 Monate) „nicht auslandsdienstverwendungsfähig Einsatzgebiet
ISAF“ sei. Diese Information über die fehlende Auslandsdienstverwendungsfä-
higkeit für das ISAF-Mandatsgebiet entspricht - für die Dauer von 12 Monaten -
exakt dem Informations- und Sachstand, der dem Personalgespräch am
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19. März 2007 und der anschließenden Versetzungsentscheidung des Perso-
nalamts vom 18. April 2007 zugrunde lag.
Die Angabe des Truppenarztes, die Auslandsdienstverwendungsfähigkeit des
Antragstellers sei für mindestens 24 Monate ausgeschlossen, durfte das Per-
sonalamt bei seiner Aufhebungsentscheidung nicht verwenden. Denn nach dem
Erlass über die „Militärärztliche Begutachtung bei Soldaten“ vom 6. Januar 1998
(BMVg InSan I 5 - Az.: 42-13-03, VMBl 1998 S. 110) behält ein truppen-
ärztliches Begutachtungsergebnis längstens 12 Monate seine Gültigkeit. Er-
gänzend ergibt sich aus dem zitierten Erlass über die „Begutachtung auf Aus-
landsdienstverwendungsfähigkeit“, dass eine Nachbegutachtung bei Soldaten
erforderlich ist, wenn der Zeitabstand zwischen einer vollständigen Erstbegut-
achtung oder anderen Verwendungsfähigkeitsuntersuchungen und der Ausreise
mehr als 12 Monate beträgt (Nr. 5 des Erlasses). Beide ermessensbindende
Regelungen legen unmissverständlich fest, dass eine truppenärztliche Begut-
achtung ihre Aktualität und damit ihre Aussagekraft für Verwendungsentschei-
dungen verliert, wenn sie älter als 12 Monate ist oder sich eine Geltung für
mehr als 12 Monate beimisst.
Das Personalamt hat bei seiner Ermessensentscheidung damit die im Ergebnis
unverändert gebliebene entscheidungsmaßgebliche Sachlage lediglich anders
beurteilt als im Zeitpunkt der Versetzungsverfügung vom 18. April 2007. Eine
derartige abweichende rechtliche Beurteilung einer gleich gebliebenen Sachla-
ge stellt aber - wie dargelegt - keine nachträglich eingetretene Tatsache im
Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 3 VwVfG dar. Die Ermessensentscheidung über die
Aufhebung der Versetzungsverfügung vom 18. April 2007 ist daher rechtswidrig
und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 20 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO.
Golze Dr. Müller Dr. Frentz
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