Urteil des BVerwG vom 08.06.2010

Entsendung, Wiederholungsgefahr, Einheit, Abgrenzung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 50.09
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Hauptmann ...,
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Major Grabis und
die ehrenamtliche Richterin Stabsarzt Stanzel
am 8. Juni 2010 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass die Anordnung einer
Auslandsdienstreise rechtswidrig war und stattdessen eine Kommandierung zu
verfügen gewesen wäre.
Der 1965 geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet
voraussichtlich mit Ablauf des 30. April 2020. Zum Hauptmann wurde er am
22. Januar 2002 ernannt. Derzeit wird er beim ...kommando ... in K. als
Materialbewirtschaftungsoffizier verwendet.
Der Antragsteller war vom 17. bis 25. April 2009 als Mitglied einer Prüfgruppe
nach § 78 BHO (unvermutete Prüfungen) beim ... Deutschen Einsatzkontingent
ISAF in Mazar-e-Sharif/Afghanistan und Termez/Usbekistan eingesetzt. Der
Einsatz erfolgte aufgrund der (undatierten) Dienstreiseanordnung Nr. 53/ 2009
des Bundesministeriums der Verteidigung - FüL -, die nach übereinstimmender
Darstellung der Beteiligten am 16. April 2009 verfügt wurde. Auftrag und
Zusammensetzung der Prüfgruppe sowie Einzelheiten zur Durchführung des
Einsatzes ergeben sich aus der „Weisung Nr. 02/2009 zum Einsatz einer
Prüfgruppe nach § 78 BHO beim ... Deutschen Einsatzkontingent ISAF“ des
Einsatzführungskommandos der Bundeswehr vom 24. März 2009.
Mit Schreiben vom 29. April 2009 legte der Antragsteller gegen seine
Entsendung im Status eines Dienstreisenden Beschwerde ein und bat, die
Dienstreiseanordnung aufzuheben und ihn nachträglich für den Zeitraum vom
17. bis 25. April 2009 in das Einsatzland zu kommandieren. Der Bundesminister
der Verteidigung - PSZ I 7 - wertete die Beschwerde als Antrag auf gerichtliche
Entscheidung und legte diesen zusammen mit seiner Stellungnahme vom 10.
August 2009 dem Senat vor.
Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
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Soweit sein Antrag als Feststellungsantrag zu behandeln sei, habe er ein
Feststellungsinteresse, weil ihm durch den entgangenen
Auslandsverwendungszuschlag ein finanzieller Schaden entstanden sei, den er
ersetzt haben wolle. Weiterhin entstünden ihm durch die Nichtberücksichtigung
der Einsatztage in der dienstlichen Beurteilung (Feld 1.3 des Vordrucks für die
planmäßige Beurteilung) laufbahnrechtliche Nachteile. Darüber hinaus liege
Wiederholungsgefahr vor, weil auch für das Jahr 2010 und die Folgejahre
Prüfungen in den Einsatzgebieten vorzunehmen seien; die Absicht, ihn dabei
wiederum einzusetzen, sei ihm bereits konkret angekündigt worden.
Was den finanziellen Schaden betreffe, so sei sein Antrag vom 23. April 2009
auf eine Abschlagszahlung für den Auslandsverwendungszuschlag abgelehnt
worden, weil er als Dienstreisender erst ab dem 15. Tag im Einsatzland
Anspruch darauf habe. Bei einer entsprechenden Kommandierung wäre ihm
der Auslandsverwendungszuschlag vom ersten Tag an gezahlt worden. Aus
dem ablehnenden Bescheid der Einsatzwehrverwaltungsstelle ISAF des ...
Deutschen Einsatzkontingents ISAF vom 24. April 2009 ergebe sich jedoch,
dass bei dem Deutschen Einsatzkontingent ISAF zwanzig temporäre
Dienstposten für Prüfpersonal gemäß § 78 BHO eingerichtet seien. Außerdem
habe er auf der Dienstreise feststellen müssen, dass Oberstleutnant R.,
Hauptbootsmann G. und Oberstleutnant L. im selben Zeitraum wie er, jedoch
auf Kommandierungsbasis im Einsatzland Dienst geleistet hätten.
Soweit eine Kommandierung deswegen abgelehnt werde, weil es widersinnig
sei, einem Prüfer demjenigen zu unterstellen, den er zu überprüfen habe, weise
er darauf hin, dass in den Jahren 2005 und 2006 das Prüfpersonal mit Wechsel
der Unterstellung zum Deutschen Einsatzkontingent ISAF kommandiert worden
sei. Probleme bei der Durchführung des Prüfauftrages hätten sich dabei nicht
ergeben. Im Übrigen sei
auch eine Kommandierung ohne
Unterstellungswechsel zulässig. Er weise ferner darauf hin, dass die Prüfung
nicht durch das ...kommando ..., sondern durch das Einsatzführungskommando
der Bundeswehr eingeleitet worden sei. Er sei daher nicht für seine
Heimatdienststelle tätig geworden, sondern um für das
Einsatzführungskommando der Bundeswehr das Einsatzkontingent ISAF zu
unterstützen.
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Schließlich stelle sich ihm die Frage, warum den Soldaten im Status eines
Dienstreisenden der Auslandsverwendungszuschlag gemäß § 58a Abs. 3
BBesG erst ab dem 15. Einsatztag gezahlt werde. Hierbei handele es sich um
eine erhebliche Ungleichbehandlung gegenüber den kommandierten Soldaten.
Dienstreisender und Kommandierter unterlägen innerhalb der ersten 14 Tage
ihres Aufenthaltes im Einsatzland denselben Belastungen, für die der
Auslandsverwendungszuschlag gezahlt werde (für Afghanistan z.B. Gefährdung
durch Raketenbeschuss, landestypische Besonderheiten wie Schlangenbisse,
Leishmaniose, klimatische Belastungen, Unterbringung in provisorischen
Unterkünften usw.). Hinzu komme die für das Einsatzland typische
Einschränkung der Privatsphäre und der Bewegungsfreiheit, die ebenfalls für
Kommandierte und Dienstreisende gleichermaßen gelte. Nicht zuletzt
unterschieden die subversiven Kräfte bei der Durchführung von Angriffen und
Anschlägen wohl kaum zwischen dienstreisenden und kommandierten
Soldaten.
Der Antragsteller beantragt zuletzt,
festzustellen, dass die Anordnung der Dienstreise vom 16.
April 2009 rechtswidrig war und stattdessen eine
Kommandierung zu verfügen gewesen wäre.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsteller habe keinen Anspruch darauf, in das Einsatzland
kommandiert zu werden. Nach den Versetzungsbestimmungen sei eine
Dienstreise anzuordnen, wenn der Soldat einzelne, bestimmte Aufgaben
aufgrund seiner Dienststellung wahrnehme; die disziplinare Unterstellung
wechsle dabei nicht. Eine Kommandierung sei zu verfügen, wenn die
vorübergehende anderweitige Verwendung des Soldaten in einer allgemeinen
Dienstleistung bestehe, wobei der Kommandierte in der Regel der
Dienstaufsicht und Disziplinargewalt anderer Vorgesetzter unterstehe. Diese
Vorschriften würden durch Sonderregelungen für Verwendungen im Ausland
konkretisiert. Durch den Befehl des Einsatzführungskommandos der
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Bundeswehr vom 11. Februar 2009 seien die zuvor noch vorhandenen
temporären Dienstposten für Prüfgruppen gemäß § 78 BHO gestrichen worden.
Bereits aus diesem Grunde sei für den Antragsteller eine Dienstreise
anzuordnen gewesen. Der Antragsteller habe im Übrigen im Einsatzland
lediglich einzelne Aspekte seiner dienstlichen Aufgaben gemäß der Stärke- und
Ausrüstungsnachweisung zu erfüllen gehabt. Unerheblich für die Abgrenzung
zwischen Dienstreise und Kommandierung sei, welche Dienststelle konkret den
Auftrag erteilt habe.
Es treffe zwar zu, dass die Prüfer in früheren Jahren in das Einsatzland
kommandiert und damit dem zu Prüfenden disziplinar unterstellt worden seien.
Diese Verwaltungspraxis sei jedoch rechtmäßig geändert worden. Soweit sich
der Antragsteller auf das Schreiben der Einsatzwehrverwaltungsstelle ISAF
berufe, sei dieser offensichtlich weder die Neufassung des § 58a Abs. 3 BBesG
noch die neue Befehlslage des Einsatzführungskommandos bekannt gewesen.
Aus einer rechtsfehlerhaften Kommandierung einzelner Soldaten sei kein
Anspruch für den Antragsteller herzuleiten. Gegen eine Kommandierung
spreche in der Sache vor allem, dass es widersinnig wäre, einen Prüfer nach §
78 BHO mittels Kommandierung demjenigen zu unterstellen, den er zu
überprüfen habe. Die disziplinare Unterstellung wechsle bei einer Dienstreise
nie, bei einer Kommandierung jedoch regelmäßig. Eine Kommandierung ohne
Unterstellungswechsel sei daher lediglich in einem - hier nicht vorliegenden -
Ausnahmefall in Erwägung zu ziehen, wobei im Übrigen auf die dienstlichen
Belange und nicht auf die finanziellen Interessen des Soldaten abzustellen sei.
Soweit der Antragsteller eine Ungleichbehandlung bei der Gewährung des
Auslandsverwendungszuschlags rüge, werde darauf hingewiesen, dass es sich
bei diesem gemäß § 58a Abs. 2 BBesG um eine Aufwandsentschädigung und
einen Ausgleich für besondere immaterielle Belastungen oder Gefährdungen
handele. Insoweit komme es daher nicht nur auf die vom Antragsteller
erwähnten Rahmenbedingungen an. Der Gesetzgeber gehe vielmehr davon
aus, dass der Aufwand eines Dienstreisenden erst ab dem 15. Tag mit dem
eines Kommandierten vergleichbar sei. Auch sei es offensichtlich, dass die
immaterielle Belastung für einen kurzfristig Dienstreisenden wesentlich geringer
sei als für einen längerfristig Kommandierten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der
Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der
Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 836/09 -, die Personalgrundakte des
Antragstellers, Hauptteile A bis D, und die Akten der Parallelverfahren BVerwG
1 WB 45.09, 1 WB 46.09, 1 WB 47.09, 1 WB 48.09 und 1 WB 49.09 haben dem
Senat bei der Beratung vorgelegen.
II
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat die Beschwerde des
Antragstellers gegen die Dienstreiseanordnung des Bundesministeriums der
Verteidigung - FüL - zutreffend als Antrag auf gerichtliche Entscheidung
gewertet (§ 21 Abs. 1 WBO).
1. Der Feststellungsantrag ist zulässig (§ 19 Abs. 1 Satz 3 WBO).
Das ursprüngliche Rechtsschutzbegehren des Antragstellers, für den Zeitraum
vom 17. bis 25. April 2009 zum ... Deutschen Einsatzkontingent ISAF
kommandiert zu werden, hat sich durch Zeitablauf erledigt. Zwar hat der
Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit Schriftsätzen vom 21. und 26.
Mai 2010 mitgeteilt, es sei grundsätzlich möglich, die Anordnung der
Dienstreise rückwirkend in eine Kommandierung umzuwandeln, allerdings
wegen des tatsächlich nicht erfolgten Unterstellungswechsels nur in Form einer
(ausnahmsweisen) Kommandierung ohne Unterstellungswechsel. Damit wäre
dem Antragsteller aber nicht gedient, weil er einerseits die nachträgliche
Kommandierung nur aus dem Grund wünscht, doch noch den
Auslandsverwendungszuschlag zu erhalten, und weil andererseits der Zuschlag
nach § 1 Satz 1 AuslVZV regelmäßig nur bei Verwendungen in einem Verband,
einer Einheit oder Gruppe sowie im polizeilichen Einzeldienst gezahlt wird. Die
Gewährung des Zuschlags setzt also, wie auch die Formulierung „im
polizeilichen Einzeldienst“ deutlich macht, bei Soldaten die Zugehörigkeit zu
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einer geschlossenen militärischen Einheit (im weiteren Sinne) voraus. Die
Kommandierung ohne Unterstellungswechsel führt aber nicht zu einer
vollständigen Integration in die Einheit, zu der die Kommandierung erfolgt,
sodass die Voraussetzungen für die letztlich begehrte Gewährung des
Auslandsverwendungszuschlags nicht erfüllt wären
(vgl. auch
Plog/Wiedow/Schmidt, BBG, Stand April 2010, § 58a BBesG Rn. 5). Die
ausnahmsweise Gewährung des Auslandsverwendungszuschlags ohne
Zugehörigkeit zu einem Verband, einer Einheit oder einer Gruppe, wie sie in § 1
Satz 2 AuslVZV geregelt ist, kommt hier nicht in Betracht.
Der Antragsteller hat daher sein Rechtschutzbegehren mit Schriftsatz vom 11.
September 2009 zu Recht auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 19
Abs. 1 Satz 3 WBO umgestellt. Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung
des Senats (vgl. z.B. Beschluss vom 8. August 2007 - BVerwG 1 WB 8.07 -) in
entsprechender Anwendung der Vorschrift auch dann zulässig, wenn sich - wie
hier - das Begehren bereits vor Stellung des Antrags auf gerichtliche
Entscheidung erledigt hat.
Das für einen derartigen Antrag erforderliche besondere
Fortsetzungsfeststellungsinteresse liegt hier vor. Dieses Interesse kann sich
nach ständiger Rechtsprechung des Senats unter anderem aus einer
Wiederholungsgefahr ergeben (Beschlüsse vom 11. Dezember 2003 - BVerwG
1 WB 14.03 - BVerwGE 119, 341 = NZWehrr 2004, 163 und vom 22. Juni 2005
- BVerwG 1 WB 1.05 - Buchholz 236.1 § 28 SG Nr. 6 m.w.N.). Die
Wiederholungsgefahr setzt die konkret absehbare Möglichkeit voraus, dass in
naher Zukunft eine gleiche oder gleichartige Entscheidung zulasten des
Antragstellers zu erwarten ist (Beschluss vom 22. Juni 2005 a.a.O.). Der
Antragsteller hat insoweit darauf hingewiesen, dass auch im Jahr 2010 weitere
Prüfungen nach § 78 BHO im Einsatzland vorzunehmen sind. Auch der
Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat eine Wiederholungsgefahr in
seinem Schriftsatz vom 17. September 2009 bejaht.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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Die Dienstreiseanordnung Nr. 53/2009 des Bundesministeriums der
Verteidigung - FüL - vom 16. April 2009 ist rechtmäßig und verletzt den
Antragsteller nicht in seinen Rechten.
a) Die konkrete Entsendung von Soldaten in Einsatzgebiete erfolgt im
Wesentlichen auf der Grundlage von Richtlinien und Erlassen - hier
insbesondere den „Bestimmungen über die Versetzung, den
Dienstpostenwechsel und die Kommandierung von Soldaten“ (ZDv 14/5 B 171,
in der hier maßgeblichen Fassung vom 1. Januar 2007) -, mit denen das
Bundesministerium der Verteidigung das ihm bei der Verwendung der Soldaten
gemäß § 3 Abs. 1 SG zustehende Ermessen für sich und die nachgeordneten
Stellen gebunden hat (zum Verwendungsermessen vgl. Beschluss vom 27. Juli
2006 - BVerwG 1 WB 15.06 - m.w.N.). Außenwirkung gegenüber dem Soldaten
erlangen diese Verwaltungsvorschriften mittelbar über den allgemeinen
Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Eine an Verwaltungsvorschriften
orientierte ständige Verwaltungspraxis verpflichtet zur Gleichbehandlung
gleichgelagerter Fälle; andererseits kann der Soldat nur (und nicht mehr als)
eine Behandlung entsprechend der gleichmäßig vollzogenen
Verwaltungsvorschriften beanspruchen (vgl. Beschluss vom 28. Mai 2008 -
BVerwG 1 WB 19.07 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 44 m.w.N.).
Nach Nr. 7 Abs. 1 ZDv 14/5 B 171 ist die Kommandierung der Befehl zur
vorübergehenden Dienstleistung bei einer anderen Dienststelle oder an einem
anderen Dienstort oder bei einer sonstigen (auch nichtdeutschen) Stelle, z.B.
bei einem Wirtschaftsunternehmen. Durch eine derartige Maßnahme wird die
vorübergehende Verlagerung der „vollen“ Dienstleistung des betroffenen
Soldaten in eine andere Dienststelle angeordnet; sie entspricht daher - wenn
auch nur zeitweilig - einer Versetzung (vgl. - auch zum Folgenden - Beschluss
vom 26. Oktober 2006 - BVerwG 1 WB 9.06 - Buchholz 449.3 § 3 SG Nr. 39).
Zur Abgrenzung der Kommandierung von der Dienstreise bestimmt Nr. 10 Abs.
1 ZDv 14/5 B 171, dass eine Kommandierung zu verfügen ist, wenn die
vorübergehende anderweitige Verwendung von Soldatinnen und Soldaten in
einer allgemeinen Dienstleistung besteht; bei der Kommandierung wechselt die
Disziplinarbefugnis auf die Leiterin oder den Leiter der aufnehmenden
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Dienststelle, sofern die verfügende Stelle nichts anderes anordnet.
Demgegenüber ist nach Nr. 10 Abs. 2 ZDv 14/5 B 171 eine Dienstreise im
Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 BRKG insbesondere anzuordnen, wenn
Soldatinnen oder Soldaten einzelne, bestimmte Aufgaben aufgrund ihrer
Dienststellung wahrnehmen oder bestimmte Dienstgeschäfte im Auftrag ihrer
Dienststelle auszuführen haben; bei einer Dienstreise wechselt die disziplinare
Unterstellung nicht. Im Wesentlichen die gleichen Kriterien nennt auch das
erläuternde Schreiben des Bundesministers der Verteidigung - S II 4 - Az 21-
01-00 (1) - vom 18. März 1981 zur Abgrenzung zwischen Dienstreisen und
Kommandierungen/Abordnungen.
Wie sich aus einem Umkehrschluss zu Nr. 28 ZDv 14/5 B 171 ergibt, gelten die
vorstehenden Grundsätze auch für Verwendungen im Ausland, wobei
Sonderregelungen für diese Verwendungen den allgemeinen Bestimmungen
vorgehen. Eine solche Sonderregelung hat das Einsatzführungskommando der
Bundeswehr mit dem Schreiben vom 11. Februar 2009 („Reisen in
Einsatzgebiete auf der Basis von Kommandierungen/Abordnungen und
Dienstreisen“) getroffen, mit dem zugleich die bis dahin geltenden Regelungen
des Schreibens vom 16. Juli 2007 aufgehoben wurden. Zur Abgrenzung von
Kommandierungen/Abordnungen und Dienstreisen verweist Nr. 2 des
Schreibens vom 11. Februar 2009 auf die strikte Beachtung der Regelungen
und Abgrenzungen des genannten Erlasses des Bundesministers der
Verteidigung vom 18. März 1981 und der ZDv 14/5. Entscheidend sei weiterhin,
welcher Dienststelle die im Ausland zu erfüllenden Aufgaben zuzuordnen seien;
würden Aufgaben der Heimatdienststelle erfüllt, sei eine Dienstreise
anzuordnen; bei Erfüllung von originären Aufgaben des Einsatzkontingents sei
dorthin zu kommandieren/abzuordnen. Kommandierungen/Abordnungen in
Einsatzgebiete seien nur auf beim jeweiligen Einsatzkontingent eingerichtete
Dienstposten möglich; Kommandierungen/ Abordnungen außerhalb von
Dienstposten seien nicht zulässig.
Bezugnehmend auf die Neufassung von § 58a BBesG durch das
Dienstrechtsneuordnungsgesetz (DNeuG) vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S.
160), wonach bei Dienstreisen bis maximal 14 Tagen Dauer generell kein
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Anspruch auf Zahlung eines Auslandsverwendungszuschlags bestehe, wird in
Nr. 1 des Schreibens vom 11. Februar 2009 ferner festgelegt, dass diese
Dienstreisen ausschließlich nach den Bestimmungen des
Bundesreisekostengesetzes und den dazu ergangenen Verordnungen und
Erlassregelungen abgefunden würden. Mit der Neuregelung habe der
Gesetzgeber für Dienstreisende eine abschließende Regelung geschaffen; für
die bisherige Härtefallregelung nach dem Schreiben vom 16. Juli 2007 bleibe
mithin kein Raum; die auf dieser Grundlage eingerichteten temporären
Dienstposten seien mit Inkrafttreten des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes zu
streichen. Mit dem (aufgehobenen) Schreiben vom 16. Juli 2007 (dort Nr. 4)
hatte sich das Einsatzführungskommando vorbehalten, zur Vermeidung von
Härtefällen weitere temporäre Dienstposten einzurichten und über deren
Besetzung im Einzelfall zu entscheiden; zu diesen Härtefallen gehörten nach
der Anlage zu dem Schreiben vom 16. Juli 2007 auch die Prüfgruppen nach §
78 BHO.
b) Nach diesen Maßstäben hat das Bundesministerium der Verteidigung den
Antragsteller zu Recht auf der Grundlage einer Dienstreiseanordnung und nicht
einer Kommandierung eingesetzt.
aa) Gemäß Nr. 2 des Schreibens des Einsatzführungskommandos der
Bundeswehr vom 11. Februar 2009, das die maßgebliche Erlasslage zum
Zeitpunkt der Entsendung des Antragstellers darstellt, sind Kommandierungen
in Einsatzgebiete nur auf beim jeweiligen Einsatzkontingent eingerichtete
Dienstposten möglich und Kommandierungen außerhalb von Dienstposten nicht
zulässig. Da mit Nr. 1 des Schreibens gleichzeitig die Streichung bis dahin
bestehender temporärer Dienstposten, unter anderem für Prüfgruppen nach §
78 BHO, „mit Inkrafttreten des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes“ (die
Neufassung von § 58a BBesG trat am 12. Februar 2009 in Kraft, Art. 17 Abs. 1
Satz 1 DNeuG) angeordnet wurde, war schon mangels eines beim
Einsatzkontingent eingerichteten Dienstpostens eine Entsendung des
Antragstellers nur im Wege der Dienstreise zulässig.
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Die Streichung der temporären Dienstposten selbst unterliegt keiner materiellen
gerichtlichen Kontrolle. Die Entscheidung, für welche Zwecke bei der
Aufstellung eines Kontingents für einen Auslandseinsatz (ggf. temporäre)
Dienstposten eingerichtet werden, obliegt allein der Organisationsgewalt des
Dienstherrn und seiner Einschätzung, welche Dienstposten zur Erfüllung des
gestellten Auftrags erforderlich sind. Dabei nimmt er keine unmittelbar die
Rechtsstellung der einzelnen Soldaten betreffenden Bestimmungen vor, die im
Rahmen eines Wehrbeschwerdeverfahrens angegriffen werden können. Er
muss sich auch nicht von der Frage leiten lassen, welche Rechtsfolgen es für
den einzelnen Soldaten haben wird, wenn er auf einen bestimmten
Dienstposten kommandiert oder eine Dienstreise angeordnet wird. Die
entsprechende zugrundeliegende Organisationsentscheidung kann im Rahmen
eines Wehrbeschwerdeverfahrens nicht gerichtlich überprüft werden (Beschluss
vom 26. Oktober 2006 - BVerwG 1 WB 9.06 - Buchholz 449.3 § 3 SG Nr. 39;
ebenso zur Ausbringung von Dienstposten in der Stärke-
und
Ausrüstungsnachweisung Beschluss vom 14. November 2002 - BVerwG 1 WB
36.02 - m.w.N.).
bb) Die Anordnung einer Dienstreise und nicht einer Kommandierung ist auch
nach den vom Antragsteller im Rahmen der Prüfgruppe wahrgenommenen
Aufgaben sachgerecht. Die Durchführung einer unvermuteten Prüfung nach §
78 BHO stellt keine originäre Aufgabe des Einsatzkontingents (im Sinne von Nr.
2 des Schreibens vom 11. Februar 2009) dar, zu deren Erfüllung
Kommandierungen auszusprechen sind, sondern ein Instrument der
(kontingent-)externen haushaltsrechtlichen Kontrolle. Die Durchführung von
unvermuteten Prüfungen zählt zu den Aufgaben, die dem Antragsteller nach
seiner Dienststellung gemäß der Stärke- und Ausrüstungsnachweisung
(wiedergegeben im Vorlageschreiben vom 10. August 2009, S. 7) zugewiesen
sind. Die Tätigkeit vom 17. bis 25. April 2009 als Mitglied einer Prüfgruppe nach
§ 78 BHO beim ... Deutschen Einsatzkontingent ISAF bildet damit einen Fall der
Wahrnehmung von
einzelnen,
bestimmten
Aufgaben
aufgrund der
Dienststellung, für die gemäß Nr. 10 Abs. 2 Satz 1 ZDv 14/5 B 171 eine
Dienstreise anzuordnen ist.
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cc) Schließlich beruft sich der Bundesminister der Verteidigung zu Recht
darauf, dass die mit der Wahl der Entsendungsform verbundenen Folgen für die
disziplinare Unterstellung des entsandten Soldaten - gerade in der hier
vorliegenden Fallkonstellation - für die Anordnung einer Dienstreise sprechen.
Auch wenn sich in der Vergangenheit bei der Kommandierung von Mitgliedern
der Prüfgruppen keine Probleme bei der Durchführung des Prüfauftrages
ergeben haben mögen, entspricht es der Aufgabe einer wirksamen und
unbeeinflussten externen Kontrolle, wenn es - wie bei der Anordnung einer
Dienstreise - bei der gegebenen disziplinaren Unterstellung der Mitglieder der
Prüfgruppe verbleibt (Nr. 10 Abs. 2 Satz 2 ZDv 14/5 B 171) und es nicht zu
einem Wechsel der Disziplinarbefugnis auf den Leiter der aufnehmenden
Dienststelle - also auf den Führer des zu überprüfenden Einsatzkontingents -
kommt, wie dies die regelmäßige Folge einer Kommandierung wäre (Nr. 10
Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 ZDv 14/5 B 171). Die vom Antragsteller angeregte
Kommandierung ohne Wechsel der disziplinaren Unterstellung, die von der
verfügenden Stelle grundsätzlich angeordnet werden könnte (Nr. 10 Abs. 1 Satz
2 Halbs. 2 ZDv 14/5 B 171), wäre nur dann in Betracht zu ziehen, wenn andere
Gründe maßgeblich für die Form der Kommandierung sprächen und lediglich
die Folge des Unterstellungswechsels vermieden werden sollte; das ist nach
dem oben Gesagten jedoch nicht der Fall.
dd) Die Dienstreiseanordnung vom 16. April 2009 lässt auch im Übrigen keine
Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) erkennen.
Soweit der Antragsteller geltend macht, dass sich aus dem ablehnenden
Bescheid der Einsatzwehrverwaltungsstelle ISAF vom 24. April 2009 ergebe,
dass beim Deutschen Einsatzkontingent ISAF zwanzig temporäre Dienstposten
für Prüfpersonal gemäß § 78 BHO eingerichtet seien, war nach dem oben
Gesagten zu diesem Zeitpunkt die Streichung dieser Dienstposten bereits
wirksam angeordnet. Unabhängig davon, ob - wie der Bundesminister der
Verteidigung vorträgt - die Einsatzwehrverwaltungsstelle ISAF in Unkenntnis der
neuen Befehlslage gehandelt hat, ist dem Bescheid ohnehin nichts über den
tatsächlichen Fortbestand oder die Besetzung der temporären Dienstposten,
sondern nur die - zutreffende - Aussage zu entnehmen, dass der Antragsteller
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keinen Auslandsverwendungszuschlag beanspruchen kann, weil jedenfalls
nicht auf einen dieser Dienstposten in das Einsatzland kommandiert war.
Soweit der Antragsteller weiter ausführt, er habe auf der Dienstreise festgestellt,
dass Oberstleutnant R., Hauptbootsmann G. und Oberstleutnant L. im selben
Zeitraum wie er, jedoch auf Kommandierungsbasis im Einsatzland Dienst
geleistet hätten, bleibt offen, in welchen Funktionen und auf welchen
Dienstposten diese Soldaten eingesetzt waren; die genannten drei Soldaten
zählen insbesondere nicht zu den 26 Mitgliedern der Prüfgruppe nach § 78
BHO, die allesamt im Wege der Dienstreise entsandt wurden. Selbst wenn die
Kommandierung der drei Soldaten rechtswidrig erfolgt sein sollte, würde sich
aus den fehlerhaft behandelten Einzelfällen jedenfalls keine von dem Schreiben
vom 11. Februar 2009 abweichende ständige Verwaltungspraxis ergeben, aus
der der Antragsteller seinerseits einen (Gleichbehandlungs-)An-spruch auf
Kommandierung ableiten könnte.
Soweit der Antragsteller schließlich rügt, es verstoße gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz, dass kommandierte Soldaten einen
Auslandsverwendungszuschlag
während der gesamten Dauer des
Auslandseinsatzes, dienstreisende Soldaten unter ansonsten gleichen
Bedingungen jedoch erst ab dem fünfzehnten Tag der Dienstreise erhielten
(vgl. zur Problematik auch den 51. Jahresbericht des Wehrbeauftragten vom
16. März 2010, BTDrucks 17/900, S. 21), kann er diesen Einwand nicht mit
Erfolg im vorliegenden Verfahren anbringen. Die Wahl der zutreffenden
Handlungsform für die Entsendung in das Einsatzland bemisst sich -
unabhängig von den besoldungsrechtlichen Folgen - ausschließlich nach den
dargelegten allgemeinen Grundsätzen. Soll die Unterschiedlichkeit der
besoldungsrechtlichen Folgen zur Überprüfung gestellt werden, kann dies,
wenn die Form der Entsendung - wie hier - richtig gewählt wurde, nur mit einem
Antrag auf Gewährung des Auslandsverwendungszuschlags und - im Falle der
Ablehnung - mit einem auf Gewährung des Auslandsverwendungszuschlags
gerichteten Rechtsbehelf geklärt werden (vgl. hierzu bereits Beschluss vom 26.
Oktober 2006 - BVerwG 1 WB 10.06 - Rn. 26). Diese - besoldungsrechtliche -
Frage ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens; sie wäre im Übrigen
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im Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten geltend zu machen,
weil Streitigkeiten über die Geldbezüge der Soldaten von der
Rechtswegzuweisung an die Wehrdienstgerichte ausgenommen sind (§ 40 Abs.
1 Satz 1 VwGO, § 82 Abs. 1 SG, § 17 Abs. 1 Satz 1 WBO i.V.m. § 30 Abs. 1
Satz 1 SG).
Golze Dr. Frentz Dr. Langer