Urteil des BVerwG vom 11.03.2008

Einstellung des Verfahrens, Amt, Diagnose, Belastung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 WB 5.08
In dem Wehrbeschwerdeverfahren
des Herrn Oberstleutnant
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Hetzke und
den ehrenamtlichen Richter Major Habermann
am 11. März 2008 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
I
Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in
seiner erweiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü 2).
Der 1962 geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Seine Dienstzeit endet vor-
aussichtlich am 31. Januar 2021. Zum Oberstleutnant wurde er am 25. April
2005 ernannt. Der Antragsteller war bei der ... Flugbereitschaft ... im Bereich
Standardisierung, Flugsicherheit, Flugausrüstungskontrolle und fliegerische
Ausbildung eingesetzt; aufgrund der hier streitgegenständlichen Feststellung
eines Sicherheitsrisikos wurde er zum 30. Mai 2007 von dieser Tätigkeit ent-
bunden und anschließend auf einem nicht sicherheitsrelevanten Dienstposten
beim Streitkräfteamt verwendet.
Für den Antragsteller war zuletzt am 30. Dezember 2004 eine erweiterte Si-
cherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen ohne Einschränkungen abge-
schlossen worden.
Unter dem 17. April 2005 gab der Antragsteller eine Sicherheitserklärung zur
Aktualisierung der Sicherheitsüberprüfung ab, weil seine Lebenspartnerin in die
Sicherheitsüberprüfung einbezogen werden musste.
Mit Nachbericht vom 9. Januar 2006 teilte der Sicherheitsbeauftragte der dama-
ligen Dienststelle des Antragstellers dem Militärischen Abschirmdienst folgende
sicherheitserhebliche Erkenntnisse zur Person des Antragstellers mit:
Mit Strafbefehl vom 21. September 2004 (Az.: ...), rechtskräftig seit
30. November 2004, verhängte das Amtsgericht Reutlingen gegen den An-
tragsteller wegen eines Diebstahls eine Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen
zu je 40 €. Dem Antragsteller wurde zur Last gelegt, am 7. September 2004 in
den Geschäftsräumen der Firma M...-Markt in R. einen Kopfhörer und einen
USB-Stick im Gesamtwert von ca. 150 € entwendet zu haben.
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Mit Beschluss des Amtsgerichts B. vom 12. Mai 2005 (Az.: ...) wurde ein Ver-
fahren gegen den Antragsteller wegen Diebstahls gemäß § 153a Abs. 2 StPO
für die Dauer von sechs Monaten vorläufig eingestellt; dem Antragsteller wurde
aufgegeben, einen Betrag von 3 500 € an eine gemeinnützige Einrichtung zu
bezahlen. Nach Erfüllung der Auflage wurde das Verfahren mit Beschluss vom
14. Juli 2005 endgültig eingestellt. Dem Antragsteller war in diesem Verfahren
vorgeworfen worden, am 5. Februar 2005 aus den Auslagen der Firma
O...-Markt in Rö. mehrere Waren im Gesamtwert von ca. 27 € entwendet zu
haben.
Wegen dieser beiden strafrechtlich sanktionierten Vorfälle wurde gegen den
Antragsteller außerdem mit Disziplinargerichtsbescheid des Truppendienstge-
richts Nord, ... Kammer, vom 17. Januar 2006 (Az.: ...) ein Beförderungsverbot
für die Dauer von 24 Monaten verbunden mit einer Kürzung der Dienstbezüge
um ein Zwanzigstel für die Dauer von neun Monaten verhängt; der Disziplinar-
gerichtsbescheid ist seit dem 20. Januar 2006 rechtskräftig.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2006 hörte der Geheimschutzbeauftragte
beim ...amt den Antragsteller zu den genannten sicherheitserheblichen Er-
kenntnissen an. Der Geheimschutzbeauftragte hielt dem Antragsteller ferner
vor, in seiner Sicherheitserklärung keine Angaben zu den Strafverfahren ge-
macht zu haben. Als weiterer sicherheitserheblicher Umstand wurde angeführt,
dass der Antragsteller bezichtigt werde, Vater eines vierjährigen Kindes in Us-
bekistan zu sein; die Klärung der Vaterschaft werde unweigerlich zu intensive-
ren Kontakten mit den usbekischen Behörden führen, die für nachrichtendienst-
liche Werbungsversuche genutzt werden könnten.
Der Antragsteller äußerte sich hierzu im Rahmen von persönlichen Anhörungen
durch den Geheimschutzbeauftragten beim ...amt am 16. Januar und 21. März
2007 sowie mit einem Schreiben vom 5. Februar 2007.
Mit Bescheid vom 22. März 2007, dem Antragsteller eröffnet am 28. März 2007,
stellte der Geheimschutzbeauftragte fest, dass die erweiterte Sicherheitsüber-
prüfung (Ü 2/A 2) Umstände ergeben habe, die ein Sicherheitsrisiko darstellten;
die Entscheidung umfasse auch die Verwendung in einer sicherheitsempfindli-
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chen Tätigkeit der Überprüfungsart Ü 1. Ab 1. September 2008 könne bei Be-
darf eine Wiederholungsüberprüfung eingeleitet werden. Zur Begründung ver-
wies der Geheimschutzbeauftragte auf die beiden straf- und disziplinarrechtlich
geahndeten Vorfälle. Diese ließen befürchten, dass der Antragsteller nicht die
notwendige Sorgfalt bei der Handhabung von Verschlusssachen zeigen werde.
Da die Verurteilung durch das Truppendienstgericht erst vor 14 Monaten erfolgt
sei und das Beförderungsverbot noch andauere, könne noch keine hinreichend
konkrete positive Prognose über das zukünftige Verhalten des Antragstellers
getroffen werden. Unter diesen Umständen komme eine Auflagenentscheidung
nicht in Betracht; das Sicherheitsrisiko könne auch nicht durch Fürsorge- oder
andere Maßnahmen beseitigt oder gemindert werden. Allerdings sei eine vor-
zeitige Wiederholungsüberprüfung zuzulassen. Die Falschangaben in der Si-
cherheitserklärung könnten als nicht vorsätzlich angesehen werden; der An-
tragsteller habe glaubhaft erklärt, dass er seine Sicherheitserklärung von 2004
noch im Computer gespeichert und diese lediglich um die Angaben seiner neu-
en Lebenspartnerin ergänzt habe, weil er sich beim Ausfüllen ausschließlich auf
den aktuellen Anlass für die Sicherheitsüberprüfung konzentriert habe. Was die
Diebstähle betreffe, sei zumindest der erste als „Black out“ auch vor dem Hin-
tergrund einer möglichen Prostatakrebserkrankung des Antragstellers zu sehen.
Auch habe der Antragsteller unumwunden sein Fehlverhalten eingeräumt.
Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 4. April 2007 legte der Antragsteller
Beschwerde gegen den Bescheid des Geheimschutzbeauftragten vom 22. März
2007 ein. In der Begründung wandte sich der Antragsteller vor allem gegen die
Befürchtung, dass er wegen der inzwischen festgestellten Vaterschaft an dem
vierjährigen usbekischen Jungen einer nachrichtendienstlichen Werbung oder
Repressalien ausgesetzt sein könne.
Mit Bescheid vom 18. September 2007 wies der Bundesminister der Verteidi-
gung - PSZ I 7 - die Beschwerde zurück. Die Beschwerde gehe fehl, weil sich
die Feststellung des Sicherheitsrisikos nicht auf eine Gefährdung durch Anbah-
nungs- und Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste stütze; im Sicher-
heitsüberprüfungsverfahren habe sich herausgestellt, dass insoweit nach den
Umständen keine Gefahr bestehe. Die Feststellung des Sicherheitsrisikos be-
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ruhe vielmehr auf den begangenen Straftaten, die zu nicht ausräumbaren Zwei-
feln an der Zuverlässigkeit des Antragstellers geführt hätten. Diese Entschei-
dung des Geheimschutzbeauftragten entspreche der Sach- und Rechtslage.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 5. Oktober 2007 beantragte der
Antragsteller die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Antrag
wurde vom Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit seiner Stellung-
nahme vom 15. Januar 2008 dem Senat vorgelegt.
Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Die ihm angelasteten Straftaten berechtigten nicht zu Zweifeln an seiner Zuver-
lässigkeit. Die beanstandeten Persönlichkeitsmängel seien allein auf eine psy-
chische Belastung zurückzuführen, auf die er auch in dem Schreiben vom
5. Februar 2007 hingewiesen habe. Der Wert der entwendeten Sachen bestäti-
ge dies. Die Prostatakrebserkrankung, die zur Zeit der Vorfälle diagnostiziert
worden sei, und seine damalige ständige Beschäftigung mit der Krankheit hät-
ten zu einer Einsichts- und Steuerungsunfähigkeit geführt, die nach neuerer po-
sitiver Diagnose nun nicht mehr bestehe. Die Prognose des Geheimschutzbe-
auftragten sei daher nicht haltbar. Die Nichtbeachtung dieser Umstände mache
die Bewertung des Geheimschutzbeauftragten unbrauchbar und die Annahme
eines Sicherheitsrisikos rechtswidrig. Auch die Darstellung, wie es zu der fal-
schen Angabe in der Sicherheitserklärung vom 17. September 2007 (gemeint:
17. April 2005) gekommen sei, sei nicht hinreichend berücksichtigt worden.
Der Antragsteller beantragt,
unter Feststellung der Rechtswidrigkeit die Mitteilung des
Geheimschutzbeauftragten des ...amts vom 22. März
2007 aufzuheben.
Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Vorwurf des Antragstellers, seine Erkrankung sei nicht ausreichend be-
rücksichtigt worden, sei zurückzuweisen. Der Geheimschutzbeauftragte habe
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die im Jahr 2004 diagnostizierte Krebserkrankung des Antragstellers, neben
weiteren für ihn sprechenden Anhaltspunkten, zum Anlass genommen, abwei-
chend von der üblichen Fünf-Jahres-Regelung eine erneute Überprüfung be-
reits zum 1. September 2008 zuzulassen. Jedoch sei es zwingend erforderlich,
das Verhalten des Antragstellers bis dahin zu beobachten, um eine positive
Prognose für ein zukünftiges gesetzmäßiges Verhalten stellen zu können. Der
Umstand, dass er in Stresssituationen nicht in der Lage gewesen sei, Recht von
Unrecht zu unterscheiden, und dass er sich in diesem Zustand für das rechts-
widrige Verhalten entschieden habe, sei ebenfalls nicht geeignet, die derzeit
bestehenden Bedenken zu zerstreuen. Der Vortrag, die Diebstähle seien
aufgrund einer Einsichts- und Steuerungsunfähigkeit des Antragstellers began-
gen worden, sei als Schutzbehauptung zu werten.
Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der
Beteiligten sowie der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bun-
desministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 898/07 - und die Personalgrund-
akte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei der Beratung
vorgelegen.
II
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gemäß § 14 Abs. 3 SÜG kann durch
einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor den Wehrdienstgerichten mit
dem Ziel der Aufhebung des entsprechenden Bescheids angefochten werden
(stRspr, vgl. Beschluss vom 24. Mai 2000 - BVerwG 1 WB 25.00 - BVerwGE
111, 219 = Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 9). Das Bundesverwaltungsgericht ist
sachlich zuständig, weil über die Beschwerde des Antragstellers der Bundes-
minister der Verteidigung entschieden hat (§ 21 Abs. 1 WBO).
Der danach zulässige Antrag ist unbegründet. Der Bescheid des Geheim-
schutzbeauftragten beim ...amt vom 22. März 2007 in der Fassung der Be-
schwerdeentscheidung des Bundesministers der Verteidigung vom 18. Sep-
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tember 2007 ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rech-
ten.
Die Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken ist
eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit aus-
schließen soll (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 26. Oktober 1999 - BVerwG 1 WB
13.99 - BVerwGE 111, 30 = Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 7 = NZWehrr 2000,
31, vom 24. Mai 2000 a.a.O., vom 30. Januar 2001 - BVerwG 1 WB 119.00 -
Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 10 und vom 18. Oktober 2001 - BVerwG 1 WB
54.01 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 11). Die Beurteilung des Sicherheitsrisikos,
die zugleich eine Prognose der künftigen Entwicklung der Persönlichkeit des
Soldaten und seiner Verhältnisse darstellt, darf sich dabei nicht auf eine vage
Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen, sondern muss auf der
Grundlage tatsächlicher Anhaltspunkte getroffen werden. Dabei gibt es keine
„Beweislast”, weder für den Soldaten dahingehend, dass er die Sicherheits-
interessen der Bundeswehr bisher gewahrt hat und künftig wahren wird, noch
für die zuständige Stelle, dass der Soldat diesen Erwartungen nicht gerecht
geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird (stRspr, vgl. Be-
schlüsse vom 18. Oktober 2001 a.a.O. und vom 8. März 2007 - BVerwG 1 WB
63.06 -; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 -
BVerfGE 39, 334 <353>).
Dem Geheimschutzbeauftragten steht bei der ihm hiernach obliegenden Ent-
scheidung ein Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt
sich darauf, ob der Geheimschutzbeauftragte von einem unrichtigen Sachver-
halt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rah-
men, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemein gültige Wertmaß-
stäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfah-
rensvorschriften verstoßen hat (Beschluss vom 18. August 2004 - BVerwG
1 WB 37.04 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 18 m.w.N.
licht>).
Die Feststellung des - hier zuständigen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG i.V.m.
Nr. 2416 ZDv 2/30) - Geheimschutzbeauftragten beim ...amt, dass in der Per-
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son des Antragstellers ein Sicherheitsrisiko vorliegt, steht im Einklang mit die-
sen Grundsätzen.
Der Geheimschutzbeauftragte hat die Feststellung eines Sicherheitsrisikos im
Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG auf die vom Antragsteller am 7. Sep-
tember 2004 und 5. Februar 2005 begangenen Diebstähle gestützt und ist da-
bei von dem Sachverhalt ausgegangen, der dem Strafbefehl des Amtsgerichts
R. vom 21. September 2004 (Az.: ...), dem Beschluss des Amtsgerichts B. über
die Einstellung des Verfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO vom 14. Juli 2005
(Az.: ...) sowie insbesondere dem Disziplinargerichtsbescheid des Truppen-
dienstgerichts Nord, ... Kammer, vom 17. Januar 2006 (Az.: ...) zugrunde liegt.
Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Tatsächliche Anhaltspunkte, die nach
§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG i.V.m. Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 ZDv 2/30 Zweifel an
der Zuverlässigkeit des Betroffenen bei der Wahrnehmung einer sicherheits-
empfindlichen Tätigkeit und damit ein Sicherheitsrisiko begründen, können sich
nach der Rechtsprechung des Senats auch daraus ergeben, dass der Betroffe-
ne eine Straftat begangen hat, die ohne speziellen Bezug zu Geheimhaltungs-
vorschriften ein gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung erkennen lässt (vgl.
Beschlüsse vom 20. Mai 1981 - BVerwG 1 WB 35.80 -, vom 12. April 2000
- BVerwG 1 WB 12.00 -, vom 28. November 2000 - BVerwG 1 WB 97.00 -, vom
30. Januar 2001 a.a.O. und vom 20. August 2003 - BVerwG 1 WB 15.03 -
Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 16 = NZWehrr 2004, 168; siehe auch Hinweis
Nr. 9 zu Nr. 2414 Satz 1 Nr. 1 ZDv 2/30 ).
Das Vorbringen des Antragstellers zu seinem Gesundheitszustand zur Zeit der
beiden Diebstahlstaten ist nicht geeignet, die Richtigkeit des Sachverhalts, von
dem der Geheimschutzbeauftragte ausgegangen ist, in Frage zu stellen. Der
Antragsteller hat bereits in der Anhörung vom 16. Januar 2007 dargelegt, dass
er bei dem ersten Diebstahl „mental äußerst belastet gewesen“ sei, „da zu die-
ser Zeit Prostatakrebs bei ihm diagnostiziert worden sei, an dem sein Vater und
Großvater schon gestorben seien“; Vortrag hat der Geheimschutzbeauf-
tragte berücksichtigt und zugunsten des Antragstellers bei der Verkürzung der
Frist für eine Wiederholungsüberprüfung verwertet. Die Steigerung, die der An-
tragsteller in dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vornimmt, nämlich dass
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die ständige Beschäftigung mit der Krankheit zu einer „Einsichts- und Steue-
rungsunfähigkeit“ geführt habe, verlangt keine Korrektur des maßgeblichen
Sachverhalts. Der Antragsteller hat weder in den strafrechtlichen Verfahren
noch in dem gerichtlichen Disziplinarverfahren Umstände geltend gemacht, die
auf eine krankheitsbedingte Minderung oder gar einen Ausschluss der Schuld-
fähigkeit (§§ 20, 21 StGB) hindeuten könnten. Das Truppendienstgericht hat in
dem - mit Einverständnis des Antragstellers ergangenen - Disziplinargerichts-
bescheid lediglich dessen unwiderlegbare Einlassung, er sei bei dem Diebstahl
im Februar 2005 „unter dem Einfluss eines gewissen Restalkohols gestanden“,
bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd berücksichtigt. Wenn
der Antragsteller nunmehr im Sicherheitsüberprüfungsverfahren - und zudem
erstmals mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung - schuldmindernde oder
-ausschließende Umstände geltend machen möchte, so bedarf es mehr als der
bloßen entsprechenden Behauptung, die - auch in Verbindung mit der in der
Beschwerdeakte befindlichen chronologischen Darstellung des Krankheitsver-
laufs vom 10. Februar bis 8. September 2004 - keinen Anlass zu erneuten Er-
mittlungen gibt. Die bloße Angabe eines Beweismittels in der Antragsschrift
vom 5. Oktober 2007 („Beweis: Sachverständigengutachten“) stellt keinen
- substantiierten - Beweisantrag dar, dem das Gericht nachzugehen hätte (vgl.
Beschluss vom 25. Januar 1988 - BVerwG 7 CB 81.87 - Buchholz 310 § 86
Abs. 1 VwGO Nr. 196).
Der weitere Einwand des Antragstellers, seine Erläuterung des Zustandekom-
mens der Sicherheitserklärung vom 17. April 2005 sei nicht hinreichend berück-
sichtigt worden, geht fehl. Sowohl der Bescheid des Geheimschutzbeauftragten
als auch der Beschwerdebescheid folgen insoweit ausdrücklich der Darstellung
des Antragstellers und werten die (objektiv) falsche Angabe zu anhängigen
Straf- und Disziplinarverfahren nicht als Anhaltspunkt für das Vorliegen eines
Sicherheitsrisikos.
Nicht zu beanstanden ist auch die von dem Geheimschutzbeauftragten getrof-
fene Prognose der künftigen Entwicklung der Persönlichkeit des Antragstellers
und seiner Verhältnisse (vgl. hierzu zuletzt Beschlüsse vom 8. März 2007
- BVerwG 1 WB 63.06 - und vom 27. September 2007 - BVerwG 1 WDS-VR
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7.07 - DokBer 2008, 74). Der Geheimschutzbeauftragte hat aus den beiden
Diebstählen die Befürchtung abgeleitet, dass der Antragsteller auch bei der
Handhabung von Verschlusssachen nicht die notwendige Sorgfalt zeigen wer-
de; bedingt dadurch, dass die Verurteilung durch das Truppendienstgericht erst
14 Monate zuvor erfolgt sei und das Beförderungsverbot noch andauere, könne
eine hinreichend konkrete positive Prognose, aufgrund derer von der Feststel-
lung eines Sicherheitsrisikos abgesehen werden könne oder eine Auflagenent-
scheidung in Betracht komme, noch nicht getroffen werden. Die für den An-
tragsteller sprechenden, das Sicherheitsrisiko mindernden Gesichtspunkte
- darunter die genannte Krankheitsdiagnose - hat der Geheimschutzbeauftragte
bei der Zulassung der Wiederholungsüberprüfung zum 1. September 2008 und
damit im Sinne einer deutlichen Verkürzung der regelmäßigen Frist von fünf
Jahren (Nr. 2710 Abs. 2 Satz 1 ZDv 2/30) berücksichtigt, die eine erneute Ver-
wendung des Antragstellers in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit güns-
tigstenfalls bereits nach einem Zeitraum von rund eineinhalb Jahren seit Erlass
des Bescheids zulässt.
Mit dieser prognostischen Einschätzung des Sicherheitsrisikos hat der Geheim-
schutzbeauftragte den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum nicht über-
schritten. Insbesondere ist es zulässig, hinsichtlich der erforderlichen Nachbe-
währung auch darauf abzustellen, dass die Laufzeit eines vom Truppendienst-
gericht verhängten Beförderungsverbots noch nicht beendet ist (vgl. Beschluss
vom 20. August 2003 a.a.O.). Soweit der Antragsteller geltend macht, dass sei-
ne psychische Belastung durch die Diagnose einer Prostatakrebserkrankung
nach einer neueren günstigen Diagnose nicht mehr bestehe, entzieht dies der
Prognoseentscheidung nicht die Grundlage. Abgesehen davon, dass der Ge-
heimschutzbeauftragte die im Frühjahr 2004 diagnostizierte Prostataerkrankung
nicht als einen Umstand zulasten, sondern zugunsten des Antragstellers gewer-
tet hat, macht der Wegfall - möglichen - Risikofaktors das von dem Ge-
heimschutzbeauftragten angenommene Erfordernis nicht hinfällig, dass sich der
Antragsteller wegen der von ihm begangenen Straftaten über eine gewisse
- hier ohnehin vergleichsweise kurz bemessene Zeit - zu bewähren hat, um die
bestehenden Sicherheitsbedenken auszuräumen. Insoweit wird die Einschät-
zung des Geheimschutzbeauftragten auch von dem Grundsatz, dass im Zweifel
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das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen hat (§ 14 Abs. 3 Satz 2
SÜG), gestützt.
Keine rechtlichen Bedenken bestehen schließlich dagegen, dass der Geheim-
schutzbeauftragte die Feststellung eines Sicherheitsrisikos auch auf die Ver-
wendung des Antragstellers in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit der
Überprüfungsart Ü 1 erstreckt hat. Für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des
Antragstellers und die Risikoeinschätzung ergeben sich im vorliegenden Fall in-
soweit keine von der erweiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü 2) abweichenden
Gesichtspunkte.
Weitere Einwände gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 22. März
2007, wie etwa eine Verletzung von Verfahrensvorschriften, sind weder geltend
gemacht noch sonst ersichtlich.
Golze Dr. Frentz Dr. Langer
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